TE OGH 1990/4/4 1Ob671/89

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Veröffentlicht am 04.04.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf F***, Gemeindebediensteter, Leyserstraße 11/1/4/14, 1140 Wien, vertreten durch Dr. Adolf Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Lieselotte F***, Verkäuferin, Pogrelzstraße 2/15/7, 1220 Wien, vertreten durch Dr. Anton Gruber und Dr. Arno Gruber, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 88.800 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 31. Mai 1989, GZ 43 R 1021/89-22, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 16.Dezember 1988, GZ 19 C 23/88-15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und in Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichtes in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 88.800 samt 4 % Zinsen ab Klagsbehändigung (23.1.1988) und die mit S 30.304,50 (einschließlich S 3.112,50 Umsatzsteuer und S 6.354 Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen am 17.Dezember 1965 die Ehe. Dieser Ehe entstammen die Töchter Angelika, geboren am 26.Juni 1966, und Michaela, geboren am 8.August 1967. Im Jahr 1978 zog der Kläger aus der Ehewohnung aus, die beiden Töchter blieben bei der Beklagten. Der Kläger bezog allerdings weiterhin die Familienbeihilfe für die beiden Töchter. Dies war der Beklagten bekannt, sie verlangte bis zum Scheidungsverfahren vom Kläger nie, daß er zusätzlich zu seinen Unterhaltsleistungen noch die den Familienbeihilfen entsprechenden Beträge zahlen solle. Der Kläger gab der Beklagten in den Jahren 1981 bis 1984 an Bargeld den für die Bezahlung der Wohnungsmiete, der Heizungskosten, der Telefongebühren, der Rundfunk- und Fernsehgebühren, von Strom und Gas notwendigen Betrag sowie zusätzlich wöchentlich S 1.000 als sogenanntes "Wirtschaftsgeld", so daß er monatlich Beträge in der Größenordnung zwischen anfangs rund S 7.000 bis zuletzt rund S 8.500 leistete. Überdies tätigte er für die Beklagte und die beiden Töchter zu besonderen Anlässen, wie etwa Geburtstagen oder Weihnachten, zusätzliche Anschaffungen, wie etwa Kleidung. Die Beklagte war in diesem Zeitraum zunächst teilzeitbeschäftigt, dann längere Zeit arbeitslos und in Bezug einer Arbeitslosenunterstützung bzw. von Notstandsgeld, ab Jänner 1983 war sie mit einem Monatseinkommen von rund S 8.800 netto (14-mal jährlich) berufstätig.

Die Ehe der Streitteile wurde am 4.Juni 1984 gemäß § 49 EheG rechtskräftig geschieden. Im Zuge des Scheidungsverfahrens beantragte die Beklagte beim zuständigen Finanzamt für den 21./22.Bezirk, ihr die Familienbeihilfe für die beiden Töchter rückwirkend für die Zeit vom 1.Mai 1981 bis 30.Juni 1984 (in Höhe des Klagsbetrages) auszuzahlen; diesem Antrag gab das Finanzamt statt. Mit Bescheid des Finanzamtes für den 21./22.Bezirk vom 10. August 1984 wurde der Kläger zur Rückzahlung des von ihm zu Unrecht bezogenen Betrages von S 88.800 verpflichtet. Seine Berufung gegen diesen Bescheid blieb erfolglos.

Der Kläger begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Betrages von S 88.800 sA und brachte vor, er habe bis zur Scheidung der Ehe im wohlverstandenen Einvernehmen mit der Beklagten die Familienbeihilfe bezogen und diese mit seinen Geldleistungen an die Beklagte bzw. die Kinder weitergereicht. Damit habe er zum Unterhalt der beiden Töchter insgesamt je rund S 6.000 beigetragen. Für die über eigenes Einkommen verfügende Beklagte sei er nicht unterhaltspflichtig gewesen. Die Beklagte habe gegen diese Vorgangsweise nie Einwände erhoben, insbesondere ihn nicht etwa aufgefordert, die "fehlende Familienbeihilfe" dazu zu geben. Sie sei durch ihre Vorgangsweise bereichert, weil sie nunmehr die Familienbeihilfe für den fraglichen Zeitraum zweimal bezogen habe. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. In den vom Kläger bis zur Scheidung geleisteten Beträgen sei die Familienbeihilfe nicht enthalten gewesen. Der Kläger habe die Familienbeihilfe auch nicht für die Kinder verwendet. Die von ihm geleisteten Beträge hätten zum Unterhalt der Restfamilie nicht ausgereicht, sie habe zum Unterhalt der Familie noch selbst Zuschüsse geleistet. Sie sei daher auch nicht bereichert, weil die seinerzeitigen Unterhaltsleistungen des Klägers nicht ausreichend gewesen seien. Im übrigen sei sie ab 1978, jedenfalls aber im fraglichen Zeitraum von 1981 bis 1984 gemäß § 2 Abs. 2 FamL*** zum Bezug der Familienbeihilfe berechtigt gewesen, so daß ihre Vorgangsweise nicht rechtswidrig sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte weiters fest, der Kläger habe im Rahmen der von ihm an die Restfamilie bezahlten Beträge den Kindern die Familienbeihilfe zukommen lassen; die der Beklagten als sogenanntes "Wirtschaftsgeld" übergebenen Beträge seien von ihr zur Gänze verbraucht worden.

Gemäß § 2 Abs. 2 FamL*** 1967 könne die Familienbeihilfe von der Person beansprucht werden, zu deren Haushalt das Kind gehöre. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehöre, die jedoch überwiegend die Unterhaltskosten trage, habe nur dann Anspruch auf die Familienbeihilfe, wenn keine andere Person auf Grund der Haushaltszugehörigkeit des Kindes anspruchsberechtigt sei. Die im fraglichen Zeitraum anspruchsberechtigte Beklagte habe somit die zunächst an den Kläger ausgezahlte Familienbeihilfe zu Recht rückwirkend bezogen. Eine unrechtmäßige Bereicherung liege nicht vor. Aber auch ein Schadenersatzanspruch des Klägers bestehe nicht, weil der Beklagten in der Ausübung ihrer Rechtsposition weder ein rechtswidriges Verhalten, noch Rechtsmißbrauch anzulasten sei. Werte man "den Klagsbetrag" als Unterhaltsleistung, welche der Kläger in Erfüllung seiner vermeintlichen Unterhaltspflicht geleistet habe und nunmehr zurückfordere, stehe dem der gutgläubige Verbrauch der Beträge entgegen.

Das Gericht zweiter Instanz hob das Urteil des Erstgerichtes unter Setzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf. Durch die Antragstellung beim Finanzamt habe die Beklagte nicht nur die rückwirkende Auszahlung der Familienbeihilfenbeträge an sie, sondern auch die Rückzahlungsverpflichtung des Klägers, der diese Familienbeihilfe bereits trotz mangelnder Anspruchsberechtigung erhalten - und nach den Feststellungen an die Beklagte, wenn auch ungewidmet, weitergeleitet - habe, bewirkt. Das Ausmaß der bei der Beklagten durch die neuerliche Auszahlung der Familienbeihilfe für die Zeit vom 1.Mai 1981 bis 30.Juni 1984 eingetretenen Bereicherung stehe aber noch nicht fest, weil es in Ermangelung entsprechender Unterhaltstitel für den fraglichen Zeitraum auf die Ermittlung der fiktiven Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber seiner Frau und seinen Kindern ankomme und die Beklagte nur dann und soweit bereichert sein könne, als in den vom Kläger erbrachten Unterhaltsleistungen die fiktiven Unterhaltsbeträge und die Familienbeihilfe gedeckt seien. Dazu fehle es an Feststellungen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse beider Streitteile für den betreffenden Zeitraum sowie über den Wert der vom Kläger erbrachten Naturalleistungen. Der Kläger habe erst in der Berufung seinen Anspruch ausdrücklich auch auf Schadenersatz gegründet, weil die Beklagte die rückwirkende Auszahlung der Familienbeihilfe erwirkte, obwohl sie gewußt habe, daß der Kläger diese Beträge bereits bezogen und an sie für die Kinder weitergeleitet habe; sie habe ihm dadurch rechtswidrig (gegen eine bestehende Vereinbarung) und schuldhaft einen Schaden in Höhe des Klagsbetrages zugefügt. In diese Richtung deute ansatzweise schon das Klagsvorbringen, zwischen den Streitteilen sei wohlverstanden gewesen, daß der Kläger die Familienbeihilfe beziehe, doch mangle es am Vorbringen über den näheren Inhalt einer solchen Vereinbarung der Streitteile. Ein solcher Schadenersatzanspruch könnte bei Verletzung der Vereinbarung der Streitteile, vom öffentlich-rechtlichen Anspruch auf rückwirkende Auszahlung der Familienbeihilfe nicht Gebrauch zu machen, begründet sein.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz erhobene Rekurs der Beklagten ist berechtigt.

Gemäß § 2 Abs. 2 FamL*** hat die Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person auf Grund der Haushaltszugehörigkeit anspruchsberechtigt ist. Demnach war im fraglichen Zeitraum vom 1.Mai 1981 bis 30.Juni 1984 die Beklagte allein anspruchsberechtigt. Dies haben auch die Finanzbehörden rechtskräftig festgestellt.

Von dieser für die Beklagte günstigen Verwaltungsrechtslage ist die Privatrechtslage zwischen den Streitteilen zu unterscheiden (EFSlg. 54.231/3; 31.505/1). Bestand zwischen den - schon längere Zeit - getrenht lebenden Ehegatten darüber das Einvernehmen, daß der Kläger die Familienbeihilfe weiterhin bezieht, und gab sich die Beklagte mit den vom Kläger für sie und die beiden Töchter erbrachten festgestellten Unterhaltsleistungen in Geld und Naturalien jahrelang - auch im Zeitraum vom 1.Mai 1981 bis 30.Juni 1984 - zufrieden, so ist von einer außergerichtlichen (schlüssig getroffenen) Vereinbarung der Streitteile auszugehen, daß die Beklagte auf die (zusätzliche) Leistung der Familienbeihilfebeträge durch den Kläger verzichtet (§ 863 ABGB). Sie durfte dann aber auch nicht die rückwirkende Auszahlung der Familienbeihilfe beim Finanzamt an sich beantragen, weil dies zwangsläufig die Rückersatzpflicht des Klägers auslösen mußte.

Das Klagsvorbringen, es sei zwischen den Streitteilen wohlverstanden gewesen, daß der Kläger weiterhin auch nach seinem Auszug aus der Ehewohnung die Familienbeihilfe beziehe und die Beklagte nichts dagegen eingewendet habe, ist dahin zu verstehen, daß als Klagsgrund die Verletzung dieser schlüssig getroffenen Vereinbarung und damit ein Schadenersatzanspruch geltend gemacht wird. Auf die Verjährung dieses Anspruches hat sich die Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht berufen. Die Berechtigung des Schadenersatzbegehrens ist auch nicht davon abhängig, ob der Kläger in dem in Rede stehenden Zeitraum Unterhaltsleistungen erbracht hat, wie sie im Hinblick auf sein Einkommen und die Bedürfnisse der Unterhaltsberechtigten angemessen gewesen wären. Eine Gegenforderung der Beklagten aus diesem Rechtsgrund wurde dem Schadenersatzbegehren im Prozeß nicht entgegengehalten.

Demzufolge ist dem Rekurs Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E19942

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00671.89.0404.000

Dokumentnummer

JJT_19900404_OGH0002_0010OB00671_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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