TE Vwgh Erkenntnis 2005/11/23 2004/09/0205

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Veröffentlicht am 23.11.2005
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §63 Abs5;
BDG 1979 §125a Abs2;
BDG 1979 §125a Abs3 Z4;
BDG 1979 §125a Abs3 Z5;
BDG 1979 §126 Abs3;
BDG 1979 §126 Abs4;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §95 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des F in U, vertreten durch Mag. Titus Trunez, Rechtsanwalt in 4150 Rohrbach, Hopfengasse 3, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 1. September 2004, Zl. 82/15-DOK/01, betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahr 1951 geborene Beschwerdeführer war seit dem Jahr 1972 im Postdienst. Er stand als Fachoberinspektor (Postbeamter) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Zuletzt bis zu seiner Suspendierung im Oktober 2000 war er als Leiter des Postamtes P. tätig.

Mit dem seit 1. Februar 2001 rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Linz vom 1. Februar 2001, GZ 21 EVr 2232/00, wurde der Beschwerdeführer 1. des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs. 1 StGB und 2. des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 130 (erster Deliktsfall) StGB dahingehend für schuldig befunden, er habe seit Herbst 1999 bis Oktober 2000 in P.,

1. die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch dem anderen einen Vermögensnachteil zugefügt, und zwar dadurch, dass er in seiner Tätigkeit als Amtsleiter des Postamtes P., Briefe, die von S. an den Postzusteller zur Weiterbeförderung übergeben wurden, nicht weiter leitete und dabei die Portogebühr im Einzelfall von S 7,-- bis zu

S 49,-- für sich behielt, wodurch der Österreichischen Post AG ein Vermögensnachteil von S 10.500,-- zugefügt wurde;

2. gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen der S. mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar dadurch, dass er die unter Punkt 1. genannten Briefe außerdem öffnete und das fallweise darin befindliche Bargeld in der Höhe von jeweils ca. S 40,-- bis S 80,-- insgesamt ca. S 8.000,-- für sich entnahm.

Der Beschwerdeführer wurde hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, und einer Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen a S 300,-- (sohin S 30.000,--) verurteilt.

In dem sachgleichen, dieselbe Vorgangsweise betreffenden Disziplinarverfahren wurde der Beschwerdeführer - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 18. Mai 2001 für schuldig befunden, er habe über seine strafgerichtliche Verantwortung hinaus seine Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 1 und Abs. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) im Sinne des § 91 leg. cit. verletzt. Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen wurden über dem Beschwerdeführer gemäß § 92 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe "in Höhe von ATS 100.000,-- verhängt und gemäß § 127 Abs. 2 BDG 1979 deren Abstattung in zwanzig Monatsraten zu je ATS 5.000,-- bewilligt".

Dagegen erhob der Disziplinaranwalt Berufung hinsichtlich der zu niedrigen Strafbemessung und beantragte, über den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen.

Da der Beschwerdeführer gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 18. Mai 2001 kein Rechtsmittel ergriffen hat, ist dieses Disziplinarerkenntnis im Umfang seines Schuldspruches in Rechtskraft erwachsen.

Mit Disziplinarerkenntnis vom 7. September 2001 hatte die belangte Behörde der Berufung des Disziplinaranwaltes Folge gegeben und über den Beschwerdeführer gemäß § 92 Abs. 1 Z 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt. Dieses Disziplinarerkenntnis wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29. April 2004, Zl. 2001/09/0208, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren übermittelte die belangte Behörde mit Schreiben vom 30. Juni 2004 dem Beschwerdeführer die Berufung des Disziplinaranwaltes zur Kenntnis.

Der Beschwerdeführer erstattete daraufhin mit Schriftsatz vom 13. Juli 2004 eine Äußerung zur Berufung des Disziplinaranwaltes.

Mit (als Ersatzbescheid ergangenem) Disziplinarerkenntnis vom 1. September 2004 hat die belangte Behörde der Berufung des Disziplinaranwaltes Folge gegeben und über den Beschwerdeführer gemäß § 92 Abs. 1 Z 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.

Zur Begründung führte die belangte Behörde - zusammengefasst und soweit im Beschwerdeverfahren von Belang - aus, beiden Parteien sei eine schriftliche Ausfertigung des (erstinstanzlichen) Disziplinarerkenntnisses gemäß § 126 Abs. 3 BDG 1979 zuzustellen; die Regelung des § 62 Abs. 3 AVG finde gemäß § 105 BDG 1979 keine Anwendung. Das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis sei am 5. Juni 2001 an den Disziplinaranwalt zugestellt worden; seine am 12. Juni 2001 erhobene Berufung sei daher fristgerecht eingebracht worden.

Dem Vorbringen, das Fehlverhalten des Beschwerdeführers sei als eine Augenblickstat zu werten, sei bei der wiederholten Begehung der ihm angelasteten Vermögensdelikte keine Relevanz zuzumessen. Der Beschwerdeführer habe, wie dies rechtskräftig festgestellt worden sei, wiederholt vorsätzliche Angriffe gegen fremdes Vermögen, nämlich das der Frau S. und des Dienstgebers, gesetzt. Eine Augenblickstat sei ihm dabei nicht zugute zu halten. Sein Fehlverhalten könne nicht mit altruistischen Motiven erklärt oder entschuldigt werden, die den zu Grunde liegenden Feststellungen zum Sachverhalt bzw. zur subjektiven Tatseite nicht zu entnehmen seien. Die Schadenshöhe sei im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis ausdrücklich beziffert worden. Sämtliche Sachverhaltselemente des Schuldspruches seien im Hinblick auf die in diesem Umfang eingetretene Teilrechtskraft für die Berufungsbehörde bindend festgestellt. Dem tatsächlichen Bekanntwerden der angelasteten Verfehlungen komme für die Strafbemessung keine Relevanz zu. Einer Erschütterung des Vertrauens in seine weitere Dienstverrichtung stehe der Umstand, dass sein Fehlverhalten einer breiteren Öffentlichkeit nicht bekannt geworden sei, nicht entgegen. Der ihm anzulastende Vertrauensbruch könne nicht durch eine Verwendung an einem anderen Arbeitsplatz aus der Welt geschafft werden. Der Beschwerdeführer habe sich durch den wiederholten Zugriff auf fremdes Vermögen bzw. des Vermögens des Dienstgebers schwerstwiegender Dienstpflichtverletzungen schuldig gemacht, und er sei durch die Schwere der von ihm gesetzten Verfehlungen im Kernbereich seiner Dienstpflichten, nämlich hinsichtlich der Respektierung fremden Vermögens, für jede weitere Dienstverrichtung untragbar geworden. Die Respektierung fremden Eigentums durch Bedienstete der Post, welche in sämtlichen Bereichen ihrer Tätigkeit mit fremden Eigentum in Berührung kommen würden bzw. denen solches anvertraut werde, sei oberstes Gebot zur Aufrechterhaltung des Betriebes. Durch sein Verhalten habe der Beschwerdeführer das zwischen ihm und der Post als auch das zwischen der Post und ihren Kunden bestehende Vertrauensverhältnis aufs Ärgste geschädigt. Dieses nicht wiederherstellbare Vertrauensverhältnis und der Ansehensverlust würden bewirken, dass dem Beschwerdeführer die für die verantwortungsvolle Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit erforderliche Verlässlichkeit fehle und er im öffentlichen Dienst nicht mehr verwendet werden könne.

Milderungsgründe, wie sein reumütiges Geständnis, die Schadenswiedergutmachung sowie seine disziplinäre Unbescholtenheit könnten in Ansehung der Untragbarkeit des Beschwerdeführers für den öffentlichen Dienst nicht zum Tragen kommen. Soweit er die schweren wirtschaftlichen Konsequenzen der Disziplinarstrafe der Entlassung und deren Auswirkung auf ihn und seine Ehegattin geltend mache, verkenne er, dass in einem solchen Fall das sonstige Wohlverhalten des Beschuldigten, eine günstige Zukunftsprognose und die dem Beschuldigten durch Existenzvernichtung und Arbeitslosigkeit drohenden Nachteile nicht den eingetretenen schweren Vertrauensverlust aufheben könnten.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe gemäß § 125a Abs. 3 Z 4 BDG 1979 abgesehen werden können. Bei der Beurteilung der Strafhöhe könne ein weiteres Beweisverfahren unterbleiben, weil die Frage der Strafhöhe eine Rechtsfrage sei, die auf Grund der den Schuldspruch tragenden Sachverhaltselemente gelöst werden müsse. Eine allfällige Einvernahme von Frau S. sei nicht erforderlich gewesen, ebenso wenig die Einvernahme des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin. Allenfalls dadurch zutage tretende Milderungsgründe seien in Ansehung der Untragbarkeit des Beschwerdeführers nicht entscheidungsrelevant und hätten zu keinem anderen Ausgang des Verfahrens führen können.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979) lauten:

"5. Abschnitt

DIENSTPFLICHTEN DES BEAMTEN

1. Unterabschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Allgemeine Dienstpflichten

43. (1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

...

§ 91. Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen.

§ 92. (1) Disziplinarstrafen sind

1.

der Verweis,

2.

die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage,

              3.              die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage,

              4.              die Entlassung.

(2) ...

§ 93. (1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

(2) Hat der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbstständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, so ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind.

...

§ 95. (1) ...

(2) Die Disziplinarbehörde ist an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines Unabhängigen Verwaltungssenates) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat.

...

§ 38. (1) Eine Versetzung liegt vor, wenn der Beamte einer anderen Dienststelle zur dauernden Dienstleistung zugewiesen wird.

(2) Die Versetzung ist von Amts wegen zulässig, wenn ein wichtiges dienstliches Interesse daran besteht. Während des provisorischen Dienstverhältnisses ist eine Versetzung auch ohne wichtiges dienstliches Interesse zulässig.

(3) Ein wichtiges dienstliches Interesse liegt insbesondere vor

...

4. wenn über den Beamten eine Disziplinarstrafe rechtskräftig verhängt wurde und wegen der Art und der Schwere der von ihm begangenen Dienstpflichtverletzung die Belassung des Beamten in der Dienststelle nicht vertretbar erscheint.

...

§ 125a. (1) Die mündliche Verhandlung vor dem Disziplinarsenat kann ungeachtet eines Parteienantrages in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführt werden, wenn der Beschuldigte trotz ordnungsgemäß zugestellter Ladung nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, sofern er nachweislich auf diese Säumnisfolge hingewiesen worden ist.

(2) Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarsenat kann ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn der Sachverhalt infolge Bindung an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Strafgerichtes oder eines Straferkenntnis eines Unabhängigen Verwaltungssenates zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellung hinreichend geklärt ist.

(3) Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission kann ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn

1.

die Berufung zurückzuweisen ist,

2.

die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen ist,

3.

ausschließlich über eine Berufung gegen die Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist,

              4.              sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet oder

              5.              der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint.

(4) In den Fällen des Abs. 1 ist vor schriftlicher Erlassung des Disziplinarerkenntnisses dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Disziplinarerkenntnis

§ 126. (1) ...

...

(3) Eine schriftliche Ausfertigung des Disziplinarerkenntnisses ist den Parteien längstens innerhalb von zwei Wochen zuzustellen und der Dienstbehörde unverzüglich zu übermitteln.

(4) Das Disziplinarerkenntnis der Disziplinaroberkommission wird für jede Partei mit der mündlichen Verkündung, wenn aber von einer mündlichen Verhandlung abgesehen wurde oder das Disziplinarerkenntnis gemäß § 125a Abs. 4 schriftlich zu erlassen war, mit der an die Partei erfolgten Zustellung rechtswirksam.

...

3. Unterabschnitt

Disziplinarverfahren

Anwendung des AVG und des Zustellgesetzes

§ 105. Soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Disziplinarverfahren

1. das AVG mit Ausnahme der §§ 2 bis 4, 12, 42 Abs. 1 und 2, 51, 51a, 57, 62 Abs. 3, 63 Abs. 1, 64 Abs. 2, 64a, 67a bis 67g, 68 Abs. 2 und 3 und 75 bis 80 sowie

...

anzuwenden.

§ 63 Abs. 5 AVG lautet:

"IV. Teil: Rechtsschutz

1. Abschnitt: Berufung

§ 63. (1) ...

...

(5) Die Berufung ist von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; die Berufungsbehörde hat die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten."

Der Beschwerdeführer macht geltend, die Berufung des Disziplinaranwaltes sei verspätet, weil die Berufungsfrist "nicht ab Zustellung des schriftlichen Erkenntnisses, sondern bereits ab mündlicher Verkündung läuft".

Mit diesen Ausführungen verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Er lässt § 63 Abs. 5 zweiter Satz AVG - diese Bestimmung ist gemäß § 105 Z 1 BDG 1979 auf das Disziplinarverfahren anzuwenden - unberücksichtigt. Da den Parteien (also auch dem Disziplinaranwalt) gemäß § 126 Abs. 3 BDG 1979 eine schriftliche Ausfertigung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses zuzustellen ist und daher ein "Fall bloß mündlicher Verkündung" nicht vorlag, begann der Lauf der Berufungsfrist für jede Partei (also auch für den Disziplinaranwalt) mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Bestimmung des § 126 Abs. 4 BDG 1979 regelt den Fall einer mündlichen Verkündung eines Disziplinarerkenntnisses der Disziplinaroberkommission.

Der Beschwerdeführer wiederholt sein im vorangegangenen Beschwerdeverfahren zur hg. Zl. 2001/09/0208 erstattetes Vorbringen betreffend seine Verwendung in einem anderen Tätigkeitsbereich, die Kenntnis der Öffentlichkeit von seinen Straftaten (Dienstpflichtverletzungen), seine altruistische Motivation, seine "unüberlegte Augenblickstat", die Folgen seiner Entlassung für ihn und seine Ehegattin und die angebliche Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes hinsichtlich seiner anderweitigen Verwendbarkeit. Zusätzliche Argumente zu dem in der Beschwerde zur hg. Zl. 2001/09/0208 erstatteten Vorbringen enthält die vorliegende Beschwerde nicht. Es wird dazu - zur Vermeidung unnötiger Wiederholung - gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnis vom 29. April 2004, Zl. 2001/09/0208, verwiesen, in der diese Rechtsfragen klargestellt wurden.

Bei der genannten Wiederholung des zur Zl. 2001/09/0208 erstatteten Vorbringens hat der Beschwerdeführer übersehen, dass seinem Einwand, die Berufung des Disziplinaranwaltes sei ihm nicht zur Kenntnis gelangt und er habe daher keine Gelegenheit gehabt, sich zu diesem Rechtsmittel zu äußern, im fortgesetzten Verfahren vor der belangten Behörde Rechnung getragen wurde. Der Beschwerdeführer bringt im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung seiner Beschwerde (siehe Seite 6 erster Absatz) unter anderem ausdrücklich vor, er habe sich zur Berufung des Disziplinaranwaltes (im fortgesetzten Verfahren) geäußert.

Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen, dass die belangte Behörde im Berufungsverfahren von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen habe. Er vertritt dazu (zusammengefasst) die Auffassung, die Berufung des Disziplinaranwaltes richte sich nicht ausschließlich gegen die Strafbemessung. Bei der Entlassung seien "auch rechtliche Erwägungen anzustellen, die über die Strafbemessung hinausgehen". Der Sachverhalt sei deshalb nicht geklärt, weil der Tatzeitraum, die Anzahl der Tathandlungen und die Schadenshöhe "unklar" seien. Die Disziplinarbehörden seien nicht "zum blinden Abschreiben des vom Strafgericht festgestellten Sachverhaltes ermächtigt", sondern sie hätten das Vorliegen einer Dienstrechtsverletzung völlig eigenständig zu prüfen.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, dass sich die Berufung des Disziplinaranwaltes ausschließlich gegen die Strafbemessung richtete. Der Schuldspruch des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses ist in Rechtskraft erwachsen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte schon mit Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 125a Abs. 2 BDG 1979 Abstand genommen werden, weil der Sachverhalt infolge Bindung an die dem Spruch des rechtskräftigen Urteils des Strafgerichtes zu Grunde gelegten Tatsachenfeststellungen hinreichend geklärt war (vgl. § 125a Abs. 2 BDG 1979; und die hg. Erkenntnisse vom 19. September 2001, Zl. 99/09/0233, und vom 21. September 2005, Zl. 2002/09/0135). Es trifft des weiteren nicht zu, dass im Beschwerdefall der Sachverhalt irgendeiner Ergänzung durch die belangte Behörde bedurft hätte. Die als "unklar" bezeichnete Anzahl der Tathandlungen, der Tatzeitraum und die Schadenshöhe wurden mit dem in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch festgestellt (Tatzeitraum:

Herbst 1999 bis Oktober 2000; Schadenshöhe: S 10.500,-- und S 8.000,--; Anzahl der Tathandlungen:

insgesamt 2.000 Briefsendungen).

Die belangte Behörde ist ohne das Gesetz zu verletzen zu dem Ergebnis gelangt, dass im Beschwerdefall über die Berufung des Disziplinaranwaltes in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden durfte, weil sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtete (Z 4 des § 125a Abs. 3 BDG 1979), der Sachverhalt nach der Aktenlage iVm der Berufung geklärt war (Z 5 des § 125a Abs. 3 BDG 1979; vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 29. November 2000, Zl. 2000/09/0079) und selbst nach den besonderen Umständen des Beschwerdefalles keine Sachverhaltsfeststellungen von der belangten Behörde zu treffen waren.

Das Vorbringen, die "Disziplinarbehörden" hätten das Vorliegen einer "Dienstrechtsverletzung" völlig eigenständig zu prüfen gehabt, muss schon im Hinblick auf die Bindung gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979 an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes ins Leere gehen. Auf der Grundlage dieser bindenden Tatsachenfeststellung hat die Disziplinarbehörde (eigenständig) das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung zu prüfen.

Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch ein "civil right" im Sinne der EMRK betrifft, weil im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich ist:

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Partienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 10. August 2000, Zl. 2000/07/0083, vom 14. Mai 2003, Zl. 2000/08/0072, und vom 15. März 2005, Zl. 2004/08/0059). Dieser Umstand liegt im gegenständlichen Fall vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt (welche Disziplinarstrafe über den Beschwerdeführer aufgrund der Dienstpflichtverletzungen, die sich aus dem in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch ergeben, zu verhängen ist) geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 23. November 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004090205.X00

Im RIS seit

25.12.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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