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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des CK in L, vertreten durch Friedl & Holler Rechtsanwaltspartnerschaft in 8462 Gamlitz, Marktplatz 6, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 22. Februar 2005, Zl. 41.550/537-9/04/HVG, betreffend Dienstbeschädigungsleiden-Beschädigtenrente, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird - soweit er den Punkt "Teilverrenkung des linken Sprunggelenkes im oberen Sprunggelenk" betrifft - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen (also betreffend den Punkt "Zyste in der Kieferhöhle nach Kieferhöhlenendoskopie") wird die Beschwerde abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge der ärztlichen Untersuchung aus Anlass der Beendigung seines Präsenzdienstes wurde am 20. Dezember 2001 mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift aufgenommen, die gemäß § 83 Abs. 2 des Heeresversorgungsgesetzes (HVG) als Antrag auf Versorgung nach diesem Gesetz galt. Als erlittene Gesundheitsschädigung wurde "Teilverrenkung des linken Sprungbeines im oberen Sprunggelenk op. Versorgung im HSP-Wien" vermerkt. Der Beschwerdeführer habe sich am 26. Mai 2001 ca. um 17.00 Uhr in S bei der Alpinausbildung verletzt. Dieser Antrag wurde (siehe den Aktenvermerk vom 23. Mai 2002) zurückgezogen, weil "die nunmehr vorgenommene fachärztliche Untersuchung ergeben hat, dass alles in Ordnung ist".
Mit Schreiben vom 9. Jänner 2003 (ergänzt durch ein Formular vom 22. Jänner 2003) stellte der Beschwerdeführer diesbezüglich einen neuen Antrag, weil er bei der operativen Versorgung einen "Mitekanker" in das linke Sprunggelenk eingesetzt bekommen habe. Dieser "Mitekanker" sei Grund für die Ablehnung seiner Bewerbung in den Polizeidienst. Als zweite Dienstbeschädigung machte er mit diesem Schreiben eine "Zyste in meiner Kieferhöhle" geltend. Auslösend sei ein Belastungsmarsch 10 Tage nach einer am 26. April 2001 vorgenommenen Kieferhöhlenendoskopie gewesen.
Nach Einholung der Krankengeschichte und der Erstellung ärztlicher Gutachten wurden mit dem Bescheid der Behörde erster Instanz vom 6. Mai 2004 die mit den Anträgen des Beschwerdeführers vom 9. und 22. Jänner 2003 geltend gemachten Gesundheitsschädigungen "Teilverrenkung des linken Sprunggelenkes im oberen Sprunggelenk" (in der Folge: "Teilverrenkung ...") und "Zyste in der Kieferhöhle nach Kieferhöhlenendoskopie" (in der Folge: "Zyste ...") gemäß §§ 1 und 2 des Heeresversorgungsgesetzes (HVG) nicht als Dienstbeschädigung anerkannt und der Antrag auf Zuerkennung der Beschädigtenrente gemäß § 21 HVG abgelehnt. Die Behörde erster Instanz stützte sich betreffend "Teilverrenkung ..." nicht auf das eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. G (das "mit Wahrscheinlichkeit" davon ausging, "dass es bereits im Dezember 2000 zumindest zu einem teilweisen Einriss des Außenknöchelbandes gekommen" sei). Es sei nicht schlüssig, weil der Gutachter sich auf die den Eintragungen in den Krankengeschichten widersprechenden Angaben des Beschwerdeführers stütze. Die Behörde erster Instanz begründete die Abweisung in diesem Punkt im Wesentlichen damit, dass die Verletzung erst zwei Tage nach dem Vorfall vom 26. Mai 2001 durch den Beschwerdeführer gemeldet worden sei. Betreffend "Zyste ..."
folgte die Behörde erster Instanz dem als schlüssig erkannten Gutachten des HNO-Facharztes Dr. K; es liege keine Kausalität vor.
In der dagegen erhobenen Berufung wendete der Beschwerdeführer betreffend "Teilverrenkung ..." einerseits ein, er sei gleich nach dem "Umknicken" am 26. Mai 2001 vom Sanitäter erstversorgt worden und habe sich am selben Abend im Krankenrevier H gemeldet. Am nächsten Tag (Sonntag) sei eigens für ihn ein Arzt gekommen. Die Eintragung sei erst verspätet erfolgt. Zur Verletzung selbst führte der Beschwerdeführer aus, es habe sich um eine vielfach rezidivierende chronische Verletzung gehandelt, weil der linke - und nicht der rechte, wie in der Behandlungskarteikarte unrichtigerweise vermerkt - Fuß bereits am 27. Dezember 2000 verletzt worden und der dabei entstandene, bei der Behandlung übersehene Bänderriss schlecht verheilt sei. Als Ursache für die letztgenannte Verletzung gab der Beschwerdeführer - wie schon vor dem Gutachter Dr. G - an, er sei am 27. Dezember 2000 im Zuge eines Eilmarsches bei Nacht über einen leichten Abhang hinuntergefallen, dabei sei sein linker Fuß umgeknickt. Bei einer "kurz darauf" folgenden Alpinausbildung sei "bei jeder Rechtskurve" sein linker Fuß "umgeknickt", weshalb er in die Anfängergruppe gekommen sei, obwohl er bereits 10 Jahre Erfahrung auf Skiern hätte. Vor dem 27. Dezember 2000 habe er nie Probleme beim Tauchen gehabt, im April 2001 sei jedoch beim Tauchen "bei jedem Flossenschlag" der linke Fuß weggeklappt. Betreffend "Zyste ..." wiederholte der Beschwerdeführer unter Ergänzung von Details im Wesentlichen seine Schilderung aus dem Antrag.
Die belangte Behörde holte ärztliche Sachverständigenbeweise durch die Fachärztin für HNO-Krankheiten Dr. L und den Facharzt für Chirurgie Dr. H ein und gab dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme. Daraufhin erließ sie den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit dem sie der Berufung keine Folge gab und den Beschied der Behörde erster Instanz bestätigte.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde aus den eingeholten Gutachten Folgendes wieder:
"Vom medizinischen Standpunkt ergibt sich folgende Beurteilung:
Wegen des Verdachtes einer Sinusitis maxillaris links, welcher im Rahmen einer Fliegertauglichkeitsuntersuchung geäußert wurde, erfolgte vom 24. bis 27. April 2001 eine stationäre Aufnahme in der HNO-Abteilung der Heereskrankenanstalt in Wien. Der Berufungswerber erhielt als Therapie Rhinocortol Nasenspray 0,05 % und weiters wurde am 26. April 2001 eine Kieferhöhlenendoskopie links durchgeführt.
Die Prävalenz der chronischen Sinusitis wird in der Literatur zwischen 15 % und 2 %, in Abhängigkeit von untersuchenden Ärzten aber auch diagnostischen Kriterien, etc. angegeben. Insgesamt scheint, zumindest nach jüngsten Literaturdaten, die Prävalenz niedriger zu sein, als bislang angenommen.
Die Entstehung einer chronischen Sinusitis ist multifaktoriell. Als Ursachen kommen unter anderem folgende Faktoren in Frage: unzureichend therapierte oder therapierefraktäre akute Sinusitiden, immunologische Ursachen wie Allergien, Immundefizite, Autoimmunerkrankungen, genetische Disposition z.B. Kartagner Syndrom, anatomische Variationen im Bereich der Nasen/Nasennebenhöhlen, dentogene Ursachen, etc.
Die Symptome einer chronischen Sinusitis wie Kopfschmerzen, behinderte Nasenatmung, Schnupfen und Fieber treten in Intervallen auf, über lange Zeit hindurch kann auch völlige Symptomfreiheit bestehen. Pathologische Veränderungen in radiologischen Befunden sind jedoch nicht immer gleichzeitig mit akuten Symptomen einer chronischen Sinusitis einhergehend.
Kieferhöhlenzysten sind häufig und zumeist asymptomatisch. Sie werden bei ca. 9 % der Bevölkerung bei Röntgenaufnahmen gefunden.
Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der stattgehabten Kieferhöhlenendoskopie am 26. April 2001 und dem am 7. Mai 2001 begonnenen Belastungsmarsch einerseits und den vom Patienten angegebenen Beschwerden und Schmerzen im Bereich der linken Kieferhöhle, sowie der weitere Verlauf der Krankengeschichte andererseits, ist nicht wahrscheinlich und wird wie folgt begründet:
Der primäre Wundheilungsprozess ist nach einer endoskopischen Nebenhöhlen-Operation nach 10 Tagen abgeschlossen. Zwischen dem operativen Eingriff und dem Beginn des Belastungsmarsches liegt ein Zeitraum von 10 Tagen, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die primäre Wundheilung nach der Kieferhöhlenendoskopie am
11. postoperativen Tag abgeschlossen war und die Beschwerden als akausal zu werten sind, zumal beim Eingriff selbst auch kein pathologischer Befund zu sehen war.
Der Patient wurde in weiterer Fortfolge (bisher dreimal) mehrmals endoskopisch im Bereich der Nase bzw. der Nasennebenhöhlen operiert. Nach jedem dieser Eingriffe ist es ohne postoperative körperliche Anstrengung neuerlich zum Auftreten von Beschwerden gekommen, sodass das Rezidivieren der Nebenhöhlenentzündungen und Zystenbildung in der linken Kieferhöhle nicht als kausal zu werten ist und als schicksalhaft angesehen werden muss. In der Literatur wird das Wiederauftreten von Zysten in der Kieferhöhle nach endoskopischer Entfernung derselben mit 60 % angegeben.
Es kann davon ausgegangen werden, dass bereits vor dem Belastungsmarsch eine asymptomatische Kieferhöhlenzyste vorlag, wenngleich auch den Unterlagen kein Nasennebenhöhlen-Röntgenbild oder -befund zu entnehmen ist, da offensichtlich ein Abklärungsbedarf aus dieser Untersuchung resultierte und eine Kieferhöhlenendoskopie erforderlich war. Möglicherweise hat sich diese Zyste zwischen der Röntgenaufnahme und dem Eingriff wieder zurückgebildet. Diese Beobachtung wird immer wieder gemacht.
Es kann somit keine Kausalität zwischen den Symptomen während des Belastungsmarsches und der Endoskopie gesehen werden.
Bei der derzeit vorliegenden Symptomatik handelt es sich aus oben angeführten Gründen nicht um eine Dienstbeschädigung, wodurch eine richtsatzmäßige Bewertung derselben entfällt.
Aus chirurgischer Sicht ergibt sich folgende Beurteilung:
Das Relief des linken Sprunggelenkes ist normal und seitengleich.
Über dem Außenknöchel befindet sich eine 8 cm lange, reaktionslose, geringfügig verbreiterte, über dem darunter liegenden Gewebe verschiebliche Narbe.
Das Sprunggelenk ist bandstabil, eine seitliche Aufklappbarkeit oder ein Schubladenphänomen ist bei mehrmaliger, forcierter Untersuchung nicht nachweisbar.
Streckung und Beugung des linken Sprunggelenkes liegen im Bereich der Norm und sind nur im Vergleich mit dem rechten Sprunggelenk, dessen Streckung und Beugung - dem asthenischen Körperbau entsprechend - knapp über der Norm liegt, endgradig eingeschränkt.
Die Innen- und Außenkippung der subtalaren Fußplatte ('unteres Sprunggelenk') ist im Vergleich zum rechten endgradig eingeschränkt, Eversion und Inversion sind normal und seitengleich.
Zu den Berufungseinwendungen ist festzuhalten, dass aus ärztlicher Sicht der Zeitpunkt der Unfallmeldung für die Kausalitätsbeurteilung nicht ausschlaggebend ist. Eine Außenbandverletzung des Sprunggelenkes ist im Sport und Alltag (Damen mit hohen Absätzen) eine häufige, aber für den Betroffenen nicht unbedingt so dramatische Verletzung, dass er noch am Unfallstag oder dem darauf folgenden Tag ärztlichen Rat einholen muss. Oft sind es nach raschem Abklingen des akuten, heftigen Schmerzes die anhaltenden Beschwerden beim Gehen, die Schwellung und Blaufärbung am Außenknöchel, die erst nach Tagen zur weiteren Klärung Anlass geben.
Der Berufungswerber macht für den Außenbandschaden des linken Sprunggelenkes, der schließlich operativ saniert wurde, zwei Verletzungen verantwortlich: Die erste am 27. Dezember 2000, die zweite am 26. Mai 2001.
In der Behandlungskarteikarte ist mit Datum 28. Dezember 2000 eine Verstauchung des rechten Fußes (nach Marsch am 27. Dezember) aktenkundig, die Dienstfähigkeit mit 1. Jänner 2001.
Mit Datum vom 3. Jänner 2001 sind Restbeschwerden nach Verstauchung des rechten Fußes, der keine sichtbare Schwellung aufweist, bandstabil und äußerlich unauffällig ist, aktenkundig.
Dem gegenüber behauptet der Berufungswerber, dass er am 27. Dezember 2000 nicht mit dem rechten, sondern mit dem linken Fuß bei einem Nachtmarsch umgekippt sei.
Da der Berufungswerber von Seiten des rechten Fußes keine Beschwerden geäußert hat und auch den Akten keine weiteren diesbezüglichen Eintragungen zu entnehmen sind, muss der Behauptung, sich das linke Sprunggelenk verletzt zu haben, Rechnung getragen werden. Da die Tatsache, dass der Berufungswerber die Verletzung des linken Sprunggelenkes am 27. Dezember 2000 erlitten hat und 'kurz darauf' (erste Jännerhälfte) im Rahmen einer Alpinausbildung bereits wieder Schifahren konnte, nicht ohne weiteres nachvollziehbar, darüber hinaus aber für die Kausalitätsbeurteilung bedeutsam ist, muss zunächst die Frage nach dem Schweregrad der Verletzung beantwortet werden.
Auf Grund der Aktenlage und der Angaben des Berufungswerbers ('vorher hatte ich keine Probleme mit dem linken Fuß') ist er am 27. Dezember 2000 erstmals mit dem linken Fuß umgekippt.
Geht man davon aus, dass diese erstmalige Gewalteinwirkung und die dadurch bedingte Gewebsverletzung schwer gewesen sein müssen - nur dann kämen sie als Ursache für den schweren, schließlich operativ behandelten Bandschaden in Frage, so hätte sich nach allgemeiner und auch nach der eigenen, jahrzehntelangen, traumatologischen Erfahrung, folgendes Bild zeigen müssen:
Massive Schwellung des Fußes mit Verplumpung der Knöchelregion, Blutunterlaufung, die sich in weiterer Folge bis in die Zwischenzehenfalten ausdehnt, Schonhaltung des Fußes. In Spitzfußinnendrehung und -kippung, hochgradige Bewegungseinschränkung des Sprunggelenkes, stark reduzierte Belastbarkeit des Beines, Stehen nur auf dem gesunden Bein, Gehen mit schmerzhafter, kurz gehaltener Auftrittsphase ohne Abrollen des Fußes vom Boden mit ausgeprägtem Schonhinken (Schmerzhinken).
Ein solches Krankheitsbild wäre also bei einer massiven Verletzung des Kapselbandapparates am Außenknöchel - nach dem Berufungswerber ein 'Bänderriss', der nach seiner Behauptung überdies übersehen wurde - zu erwarten gewesen und hätte ohne angemessene, nur symptomatische Behandlung eine Funktionseinschränkung mit Dienstunfähigkeit von ca. 8 Wochen zu Folge gehabt.
Nach 8 Tagen waren laut Aktenlage äußerlich keine Verletzungsfolgen mehr feststellbar. Somit ist evident, dass das oben beschriebene Krankheitsbild und somit auch eine schwere Verletzung des Sprunggelenkes nicht vorgelegen ist, weshalb es auch verständlich ist, dass der Berufungswerber bereits in der ersten Jännerhälfte Schilaufen konnte.
Die Verletzung am 27. Dezember 2000 durch Umkippen des linken Fußes - laut Aktenlage war es der rechte - war leicht, ist binnen einer Woche ohne erkennbare Folgen und ohne wesentliche Behandlung abgeheilt und war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht geeignet eine schwere Außenbandinstabilität des Sprunggelenkes herbeizuführen.
Das angeschuldigte Ereignis wirkte bloß zufällig auslösend auf bereits fortgeschrittene krankhafte Veränderungen (Außenbandschwäche), welche schon unter leichten alltäglichen Belastungen dekompensieren. Eine Kausalität im gutachterlichen Sinn liegt nicht vor.
Das Umkippen beim Schilauf 'wirklich bei jeder Rechtskurve' kann nicht auf die Bagatellverletzung am 27. Dezember 2000 zurückgeführt werden. 'Umkippen, Überknöcheln, Einknicken', sind die gängigen Bezeichnungen für das seitliche Herauskippen des Sprungbeinkopfes aus der Sprunggelenksgabel (Teilverrenkung, Subluxation). Dies ist nur dann möglich, wenn der Bandapparat zwischen Außenknöchel einerseits und Sprungbein-Fersenbein andererseits schwer geschädigt ist. Eine solche Bandschwäche, ggf. sogar ein Defekt des Bandapparates, ist das Resultat von häufigen, geringfügigen Verletzungen, die ohne entsprechende Behandlung zu einer Defektheilung mit Ausdünnung und Überdehnung des Bandapparates führen.
Ein dermaßen geschwächter, narbig veränderter, eventuell sogar fehlender, weil enzymatisch abgebauter Bandapparat, ist schon bei geringen Gewalteinwirkungen nicht imstande, das Herauskippen des Sprungbeinkopfes zu verhindern. Diese Subluxationen sind (nahezu) schmerzlos, weil dabei keine nennenswerten, neuen Gewebsläsionen mehr gesetzt werden (die habituelle Schulterluxation ist ein anderes, bekanntes Beispiel).
Wenn der Berufungswerber in seiner Berufung sagt, dass er beim Schilauf 'bei jeder Rechtskurve' mit dem linken Fuß umgekippt und beim Tauchen im April 2001 'bei jedem Flossenschlag der linke Fuß weggeklappt sei', so ist dies ein Indiz für einen schweren alten Bandschaden, der nicht mehr imstande ist, den Sprungbeinkopf selbst bei geringfügiger Gewalteinwirkung in der Sprunggelenksgabel zu halten, sodass dieser schon bei geringfügigen Belastungen subluxiert und unmittelbar darauf wiederum in die Sprunggelenksgabel rückverlagert wird. Es handelt sich dabei um eine habituelle Subluxation des Sprungbeines bei schwerem, veraltetem Bandschaden.
Dass das Umkippen nicht schmerzhaft ist, keine nennenswerten, neuen Gewebsläsionen setzt und eine gewisse Gewöhnung eingetreten ist, macht verständlich, dass der Berufungswerber im LKH Bad Aussee, das er wegen einer Handgelenksprellung, die er sich bei Stürzen beim Schilauf zugezogen hat, aufsuchte, auf seine Sprunggelenksbeschwerden nicht hingewiesen hat.
Am 26. Mai 2001 ist der Berufungswerber bei einer Alpinausbildung im Raum S beim Bergabgehen mit dem linken Fuß umgekippt und hat, nachdem er vom Sanitäter mit Salbe und elastischer Binde versorgt worden war, den Marsch fortgesetzt.
Am 28. Mai 2001 erfolgte die Untersuchung im Militärspital Innsbruck, wo laut Befund der Garnisonssanitätsanstalt H gleichen Datums folgende Diagnose aktenkundig ist:
'Sublux.tali sup.sin.non rec.' (nicht frische Teilverrenkung des linken Sprunggelenkes nach außen). Die Operation wurde empfohlen und am 5. Juni 2001 im Heeresspital in Wien durchgeführt.
Dort wurde laut Operationsbericht folgende Operationsindikation gestellt:
'Sublux tali supinatoria links. Es stellt sich heraus, dass es eine vielfach rezidivierende, chronische Verletzung ist.'
Im Operationsbefund werden 'bereits alt granulierende Bandreste' und ein alter Ausriss mit Verlagerung eines Außenbandes (lig. fibulo calcaneare) beschrieben. Es wurde somit die Diagnose des Militärspitals Innsbruck, die 3 Tage nach dem Unfall gestellt wurde und in der eine nicht frische Verletzung des Bandapparates festgestellt wird, durch den Operationsbefund bestätigt.
Alte Granulationen bilden sich nicht innerhalb von 10 Tagen - das ist die Zeitspanne vom angeschuldigten Ereignis bis zur Operation - sondern erst im Laufe von Monaten, insbesondere dann, wenn der Heilungsvorgang durch wiederholte, geringfügige Gewebstraumatisierung gestört und verzögert ist.
Abschließend kann Folgendes gesagt werden:
Die Verletzung am 26. Mai 2001 durch Umkippen des linken Fußes war leicht und nicht geeignet, den chronischen Außenbandschaden des linken Sprunggelenkes herbeizuführen. Das angeschuldigte Ereignis wirkte bloß zufällig auslösend auf bereits fortgeschrittene, krankhafte Veränderungen, welche schon unter leichten, alltäglichen Belastungen dekompensieren. Eine Kausalität im gutachterlichen Sinn liegt nicht vor.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Verletzung des linken Sprunggelenkes am 27. Dezember 2000 und 26. Mai 2001 im Rahmen des Dienstes beim Bundesheer leicht und nicht geeignet waren, eine schwere, chronische Bandschwäche, die durch die Operation bestätigt wurde, herbeizuführen.
Die angeschuldigten Ereignisse haben einen bereits geschädigten Bandapparat betroffen und stellen eine Gelegenheitsursache dar."
Dazu habe der Beschwerdeführer Stellung genommen.
Die Sachverständigengutachten Dris. L und Dris. H seien vollständig, schlüssig und in sich widerspruchsfrei. Es werde festgestellt, dass die geltend gemachten Gesundheitsschädigungen keine Dienstbeschädigung darstellten, weil sie in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Wehrdienst oder den der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnissen stünden. Die rezidivierende Kieferhöhlenzyste links sei als schicksalhaftes Leiden anzusehen. Beide Verletzungen am linken Sprunggelenk im Rahmen des Dienstes beim Bundesheer seien leicht und nicht geeignet, eine schwere, chronische Bandschwäche, die durch die Operation bestätigt worden sei, herbeizuführen. Die angeschuldigten Ereignisse hätten einen bereits geschädigten Bandapparat betroffen und stellten eine Gelegenheitsursache dar.
Zu den Einwendungen des Beschwerdeführers erwiderte die belangte Behörde Folgendes:
"Wie im otologischen Sachverständigengutachten nachvollziehbar ausgeführt wird, kann der Belastungsmarsch nicht für die danach auftretenden Beschwerden und die Zystenbildung verantwortlich gemacht werden. Auch nach den in weiterer Folge endoskopischen Eingriffen im Bereich der Nasennebenhöhlen kam es ohne postoperative körperliche Anstrengung zu identen Beschwerden und zur Zystenbildung.
Zu der Behauptung, die Verletzung im Sprunggelenk vom 27. Dezember 2000 sei keineswegs leicht gewesen, muss auf die Ausführungen Dris. H verwiesen werden, wonach ein übersehener Bänderriss mit Sicherheit nicht nach 8 Tagen ausgeheilt gewesen wäre, sondern eine Dienstunfähigkeit von ca. 8 Wochen bewirkt hätte.
Das angeschuldigte Ereignis vom 26. Mai 2001 wirkte bloß zufällig auslösend auf bereits fortgeschrittene, krankhafte Veränderungen, welche schon unter leichten, alltäglichen Belastungen dekompensieren."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 erster Satz HVG ist eine Gesundheitsschädigung, die ein Soldat infolge des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes, einschließlich einer beruflichen Bildung im freiwillig verlängerten Grundwehrdienst oder im Wehrdienst als Zeitsoldat, erlitten hat, nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes als Dienstbeschädigung zu entschädigen (§ 2).
Eine Gesundheitsschädigung ist nach § 2 Abs. 1 erster Satz HVG als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen, wenn und soweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.
Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, die (im gesamten Verfahren umstritten gewesene) Kausalitätsbeurteilung sei rechtswidrig.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 99/09/0013) dargelegt hat, ist bei der Kausalitätsbeurteilung im Bereich der Heeresversorgung von der Theorie der "wesentlichen Bedingung" auszugehen. Danach ist es für eine solche Bedingtheit - dann, wenn die festgestellte Gesundheitsschädigung auf mehrere Ursachen, darunter auch ein von § 2 Abs. 1 HVG erfasstes schädigendes Ereignis (hier: Präsenz- bzw. Ausbildungsdienst des Beschwerdeführers sowie Vorfälle während in dieser Zeit stattgefundener Märsche) zurückgeht - erforderlich, dass das in Betracht kommende schädigende Ereignis eine wesentliche Ursache der Schädigung ist. Dies ist das Ereignis dann, wenn es nicht im Hinblick auf andere mitwirkende Ursachen erheblich in den Hintergrund tritt. Nur jene Bedingung, ohne deren Mitwirkung der Erfolg überhaupt nicht oder nur zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur in geringerem Umfang eingetreten wäre, ist wesentliche Bedingung. Wirken eine krankhafte Veranlagung (hier:
vom Gutachter angenommene "bereits fortgeschrittene krankhafte Veränderungen - Außenbandschwäche") und ein (hier: zwei) Unfallereignis/se bei Entstehung einer Gesundheitsschädigung zusammen, so ist demnach zu beurteilen, ob das/die Unfallereignis/se eine wesentlich mitwirkende Bedingung für die Schädigung gewesen ist/sind oder ob die krankhafte Veranlagung alleinige oder überragende Ursache war. Letzteres ist anzunehmen, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zur selben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Eine krankhafte Veranlagung hindert also die Annahme einer unfallbedingten Auslösung nicht. Eine solche kann auch vorliegen, wenn eine vorhandene krankhafte Veranlagung zu einer plötzlichen, in absehbarer Zeit nicht zu erwartenden Entwicklung gebracht oder eine bereits bestehende Erkrankung verschlimmert worden ist. Für die Frage, ob die Auswirkungen des Unfalles eine rechtlich wesentliche Teilursache des nach dem Unfall eingetretenen Leidenszustandes sind, ist in erster Linie von Bedeutung, ob dieser Leidenszustand auch ohne den Unfall etwa zum gleichen Zeitpunkt eingetreten wäre oder durch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis hätte ausgelöst werden können, ob also die äußere Einwirkung wesentliche Teilursache oder nur Gelegenheitsursache war.
Die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Bedingung (mittels der genannten Theorie) ist keine Sachverhalts-, sondern eine Rechtsfrage. Der Versorgungswerber (der die Beschädigtenversorgung nach dem HVG begehrt) braucht demnach die Kausalität nicht zu beweisen. Anlageschäden sind regelmäßig durch überholende Kausalität derart gekennzeichnet, dass auf Grund der (medizinischen) Sachverhaltsprüfung neben der realen Ursache der Schädigung (etwa durch einen Unfall oder durch die Belastungen der Dienstleistung) eine hypothetische nachfolgende Ursache (als "Reserveursache") angenommen bzw. festgestellt wird. Die Zurechnung ist im Wesentlichen davon abhängig, dass die aus dem geschützten Bereich stammende Ursache zu einer Verfrühung oder Erschwerung des Schadens führte.
1.) zur "Teilverrenkung ...":
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Beweiskraft eines Sachverständigengutachtens unter anderem durch den Nachweis erschüttert werden, dass es mit den Denkgesetzen oder mit den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht in Einklang zu bringen ist oder den Erfahrungen der ärztlichen Wissenschaft widerspricht. Wird jedoch vorgebracht, das Gutachten stehe mit den Erfahrungen der in Betracht kommenden Wissenschaft in Widerspruch, so muss diese Behauptung - und zwar tunlichst unter präziser Darstellung der gegen das Gutachten gerichteten sachlichen Einwände - durch das Gutachten eines anderen Sachverständigen unter Beweis gestellt werden; durch eine bloße gegenteilige Behauptung die einer Sachverständigengrundlage entbehrt, kann das Gutachten eines Sachverständigen nicht entkräftet werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. April 2001, Zl. 98/09/0218, und die darin angegebene Judikatur).
Der Beschwerdeführer ist dem - nicht als unschlüssig zu erkennenden - Sachverständigengutachten Dris. H im Verwaltungsverfahren nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.
Allerdings hat die belangte Behörde nicht untersucht, ob die vorhandene krankhafte Veranlagung (Vorschädigung) des Beschwerdeführers durch die beiden Vorfälle vom 27. Dezember 2000 und vom 26. Mai 2001 zu einer plötzlichen, in absehbarer Zeit nicht zu erwartenden Entwicklung gebracht oder eine bereits bestehende Erkrankung verschlimmert worden ist, also, ob die Auswirkungen der Unfälle eine rechtlich wesentliche Teilursache des nach den Unfällen eingetretenen Leidenszustandes sind (vgl. nochmals die oben wiedergegebenen Ausführungen aus dem hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 99/09/0013). Insbesondere hat die belangte Behörde nicht bedacht, dass es sich bei den Vorfällen vom 27. Dezember 2000 (Umkippen bei einem Eilmarsch bei Nacht) und vom 26. Mai 2001 (Nachtdienst, am folgenden Tag Klettertour, Umkippen beim Abstieg) nicht um alltäglich vorkommende Ereignisse handelt.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher im Punkt "Teilverrenkung ..." mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
2.) zur "Zyste ...":
Der Beschwerdeführer bringt gegen das (im Ergebnis mit dem im Verfahren vor der Behörde erster Instanz erstellten HNO-Gutachten übereinstimmende) Gutachten Dris. L vor, aus neuerer Literatur ergebe sich, dass die primäre Wundheilung nach einer Kieferhöhlenendoskopie nach 7 bis 12 Tagen abgeschlossen sei. Das Gutachten Dris. L gehe aber davon aus, dass der Wundheilungsprozess nach 10 Tagen abgeschlossen sei. Die belangte Behörde hätte eine Ergänzung des Sachverständigengutachtens Dris. L veranlassen müssen.
Der Beschwerdeführer zeigt aber auf gleicher fachlicher Ebene (vgl. wieder das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 18. April 2001, Zl. 98/09/0218) nicht auf, dass aus der Teilnahme an einem am 11. Tag nach der Endoskopie stattgefundenen Belastungsmarsch, also der Möglichkeit, dass zu diesem Zeitpunkt die Wundheilung allenfalls noch nicht restlos abgeschlossenen war, die als Gesundheitsschädigung geltend gemachte "Zyste ..." - entgegen der auch auf andere medizinische Aspekte als die abgeschlossene Wundheilung gestützten Argumentation Dris. L - resultiere. Er behauptet (weder im Verwaltungsverfahren, noch in der Beschwerde) auch nicht, dass er sich gleich nach dem Belastungsmarsch wegen Problemen in der Kieferhöhle/Nase in ärztliche Behandlung begeben habe (vgl. die im Akt einliegende Behandlungskarteikarte, nach der der Beschwerdeführer gleich nach dem Belastungsmarsch am 10. Mai 2001 nur wegen einer "Adduktorenzerrung" ärztliche Behandlung in Anspruch nahm; er begab sich - übereinstimmend mit seinem eigenen Vorbringen - aber erst am 24. Juli 2001 wegen Problemen in der Kieferhöhle/Nase in Behandlung). Daher zeigt der Beschwerdeführer weder die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels noch eine Unschlüssigkeit oder Unrichtigkeit des von der belangten Behörde verwerteten Gutachtens Dris. L auf.
Die Beschwerde war daher, soweit sie den Punkt "Zyste ..."
betrifft, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 23. November 2005
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005090081.X00Im RIS seit
08.01.2006