TE OGH 1990/4/10 5Ob12/90

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Veröffentlicht am 10.04.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichthofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Mietrechtrechtssache des Antragstellers Milutin P***, Hilfsarbeiter, Wien 16, Wiesberggasse 13/14, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner

1. Franz L***, Pensionist, Wien 10, Leibnitzgasse 15, vertreten durch Dr. Franz Bixner jun., Rechtsanwalt in Wien, 2. Maria L***, Pensionistin, Wien 5, Johannagasse 21, wegen § 37 Abs 1 Z 1 MRG infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 1. September 1988, GZ 41 R 249/88-35, womit infolge Rekurses des Erstantragsgegners der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 4. März 1988, GZ 4 Msch 26/86-31, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Es wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben, der angefochtene Sachbeschluß aufgehoben und dem Rekursgericht eine neue Entscheidung über den Rekurs des Erstantragsgegners gegen den Sachbeschluß des Erstgerichtes aufgetragen.

Text

Begründung:

Der Erstantragsgegner ist der alleinige Eigentümer des Hauses Wien 16, Wiesberggasse 13. Die Zweitantragsgegnerin ist seine Ehefrau.

Der Antragsteller begehrte vor der Schlichtungsstelle, als Hauptmieter der Wohnung top Nr 14 in diesem Haus anerkannt zu werden. Der Hauptmietvertrag zwischen dem Erstantragsgegner als Hauseigentümer und der Zweitantragsgegnerin als angeblicher Hauptmieterin sei nur zur Untervermietung durch diese und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem Mietrechtsgesetz zustehenden Rechte geschlossen worden. Die Zweitantragsgegnerin habe die Wohnung nie bewohnt.

Der Erstantragsgegner beantragte die Abweisung des Antrages. Der Hauptmietvertrag zwischen ihm und der Zweitantragsgegnerin bestehe seit vielen Jahren. Er schreibe der Zweitantragsgegnerin den Hauptmietzins vor, den diese auch an ihn bezahle. Zwischen ihm und dem Antragsteller sei nie ein Hauptmietvertrag abgeschlossen worden. Er habe dem Antragsteller nie einen Hauptmietzins vorgeschrieben, dieser habe nie an ihn Zahlungen geleistet.

Nachdem die Entscheidung der Schlichtungsstelle durch rechtzeitige Anrufung des Erstgerichtes seitens des Erstantragsgegners außer Kraft getreten war, erkannte das Erstgericht im Sinne des Antrages. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Vor einigen Jahren (zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt) schloß der Erstantragsgegner mit der Zweitantragsgegnerin einen mündlichen Hauptmietvertrag hinsichtlich der Wohnung top Nr 14 ab. Die Zweitantragsgegnerin beabsichtigte, diese Wohnung in Untermiete zu vergeben. Der Hauptmietvertrag zwischen ihr und dem Erstantragsgegner wurde nur zu dem Zweck geschlossen, um zu verhindern, daß der künftige Benützer der Wohnung die Stellung eines Hauptmieters erhält. Die Wohnung war schon seit den Jahren 1974/75 immer wieder in Untermiete vergeben worden. Weder die Zweitantragsgegnerin noch ihr Sohn Werner L*** haben die Wohnung je selbst bewohnt. Ab 1. August 1979 wurde die Wohnung an den Antragsteller gegen Bezahlung eines monatlichen Benützungsentgeltes von 900 S wertgesichert in Untermiete vergeben. Die Untermietzinse bezahlt der Antragsteller mittels Erlagscheins. Diese Zahlungen gingen zuerst auf ein Konto mit der Bezeichnung "L***", in den letzten Monaten auf ein Konto mit der Bezeichnung "Maria L***".

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus:

Gemäß § 2 Abs 3 MRG sei es wesentlich, daß das Scheingeschäft und die Umgehungsabsicht schon bei Abschluß des Hauptmietvertrages vorgelegen seien. Im vorliegenden Fall sei der Mietgegenstand vom Hauseigentümer an ein Familienmitglied vermietet worden. Nach der bisher gewonnenen Erfahrung würden solche Verträge im Regelfall nur zum Schein oder in Umgehungsabsicht abgeschlossen. Die Antragsgegner hätten an der Aufklärung des Sachverhaltes in der Richtung, daß weder ein vorgetäuschter Vermietungsablauf vorliegt noch eine Umgehungsabsicht bestand, nicht durch Behauptungen und Beweise mitgewirkt, sodaß dem Antrag stattzugeben gewesen sei. Das Rekursgericht wies den Antrag ab. Eine Anwendung der (im einzelnen zutreffend wiedergegebenen) herrschenden Lehre und Rechtsprechung zu § 2 Abs 3 MRG auf den vorliegenden Fall ergebe folgendes:

Der Antragsteller habe sich wohl nicht auf ein Umgehungsgeschäft berufen dürfen, weil das seine Position als Untermieter rechtfertigende Hauptmietverhältnis Jahre vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes zurückliegen müsse. Das Sachvorbringen des Antragstellers vor der Schlichtungsstelle, die denselben Familiennamen wie der Hauseigentümer tragende angebliche Hauptmieterin habe das dem Antragsteller allein vermietete Objekt nie bewohnt, er entrichte den monatlichen Mietzins an die Hausverwaltung, bei Abschluß des Untermietvertrages sei ein anderer Angehöriger des Hauseigentümers aufgetreten, eigne sich aber ebenso gut zur Beurteilung desjenigen Vertrages, der die Position des Antragstellers als Untermieter rechtfertigen solle, als ohne wahren Rechtsfolgewillen geschlossenes Scheingeschäft. Der Erstantragsgegner habe Behauptungen, die zur Widerlegung des vom Antragsteller dargetanen und bewiesenen Anscheins des Vorliegens eines Scheingeschäftes geeignet wären, nicht aufgestellt, indem er sich darauf zurückgezogen habe, auf den Bestand seines Hauptmietverhältnisses mit der Zweitantragsgegnerin zu pochen; die Zweitantragsgegnerin habe sich auf das Verfahren überhaupt nicht eingelassen.

Auf der Basis des vom Antragsteller bewiesenen Anscheins wäre es bei dieser Verfahrenslage dem Erstgericht freigestanden, die Feststellung zu treffen, daß zwischen den Antragsgegnern ein Rechtsfolgewille in Richtung des vom Erstantragsgegner behaupteten Abschlusses eines Hauptmietvertrages nicht vorgelegen war, was rechtlich zu einer Qualifikation dieses Hauptmietvertrages als Scheingeschäft und damit zur Stattgebung des Antrages nach § 2 Abs 3 MRG geführt hätte. Tatsächlich habe das Erstgericht jedoch die vorliegende Verfahrenslage zum Anlaß für die Feststellung genommen, daß die Antragsgegner den Hauptmietvertrag in der Absicht geschlossen hätten, daß die Zweitantragsgegnerin die Wohnung in Untermiete vergeben würde, wobei es der Zweck des Vertrages gewesen sei, zu verhindern, daß der künftige Benützer der Wohnung die Stellung eines Hauptmieters erhalte. Diese Feststellung eines Rechtsfolgewillens der Parteien des Hauptmietvertrages binde das Rekursgericht, weil sie vom obsiegenden Antragsteller nicht angefochten worden sei. Es müßte dem Antragsteller freilich unbenommen sein, die erstgerichtliche Feststellung über das Vorliegen eines Rechtsfolgewillens zwischen den Antragsgegnern bei Abschluß ihres "Hauptmietvertrages" in der Anfechtung des rekursgerichtlichen abändernden Sachbeschlusses zu bekämpfen. Gebunden an die unangefochten gebliebene Feststellung des Erstgerichtes über das Vorliegen eines Rechtsfolgewillens der Parteien des Hauptmietvertrages aber habe das Rekursgericht dem Rechtsmittel des Antragsgegners Folge zu geben und den erstgerichtlichen Sachbeschluß im Sinne der Abweisung des gestellten Antrages abzuändern gehabt, weil die erstgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen rechtlich eine Qualifikation des Hauptmietvertrages der Antragsgegner als Scheingeschäft ausschlössen und zu einer Beurteilung ihrer Vereinbarung als Umgehungsgeschäft zwängen, welches der Antragsteller im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 1 MRG nicht erfolgreich anfechten könne, wenn es - wie hier - geraume Zeit vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes abgeschlossen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist berechtigt. Der Oberste Gerichtshof pflichtet dem Rekursgericht zwar darin bei, daß der Antragsteller im Hinblick darauf, daß sowohl der "Hauptmietvertrag" zwischen den Antragsgegnern als auch der "Untermietvertrag" zwischen dem Antragsteller und der Zweitantragsgegnerin vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes geschlossen wurde, mit seinem Antrag nach § 2 Abs 3 MRG nur dann Erfolg haben könnte, wenn der erstgenannte Vertrag als Scheinvertrag zu qualifizieren wäre (vgl MietSlg 39.236, 5 Ob 93/88, 5 Ob 68/89; ob dies auch in Fällen gilt, in denen wohl der "Hauptmietvertrag" vor, der "Untermietvertrag" aber nach dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes geschlossen wurde - vgl dazu einerseits EvBl 1989/4 und 3 Ob 2/90 und andererseits WoBl 1989, 136 -, braucht hier nicht untersucht zu werden). Er ist jedoch abweichend vom Rekursgericht der Auffassung, daß der Antragsteller in seiner Rekursbeantwortung ohnehin die erstgerichtliche Feststellung, der "Hauptmietvertrag" zwischen den Antragsgegnern sei mit einem Rechtsfolgewillen abgeschlossen worden, bekämpft und die Feststellung eines die Annahme eines Scheingeschäftes rechtfertigenden Sachverhaltes angestrebt hat. Das Rekursgericht wäre daher verpflichtet gewesen, die bekämpfte erstgerichtliche Feststellung zu überprüfen.

Da dies nicht geschehen ist, war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und spruchgemäß zu beschließen.

Anmerkung

E20339

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0050OB00012.9.0410.000

Dokumentnummer

JJT_19900410_OGH0002_0050OB00012_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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