Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Kellner und Dr. Schalich als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 12. Feber 1987 verstorbenen, in Mauterndorf 1, 9462 St. Leonhard im Lavanttal wohnhaft gewesenen Altbäuerin Victoria D*** auch D***, infolge
Revisionsrekurses des erbserklärten Sohnes Viktor D***, Landwirt, Mauterndorf 1, 9462 Bad St. Leonhard im Lavanttal, vertreten durch Dr. Heinz Sacher, Rechtsanwalt in Wolfsberg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 14. Feber 1990, GZ. 3 R 42/90-36, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wolfsberg vom 3. Jänner 1990, GZ. A 114/87-30, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß des Rekursgerichtes und der davon betroffene Absatz 2 des erstgerichtlichen Beschlusses, dessen Absatz 1 als mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen unberührt bleibt, werden aufgehoben.
Die Verlassenschaftssache wird an das Erstgericht zum erneuten Vorgehen nach den §§ 125 und 126 AußStrG zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Die Erblasserin war Eigentümerin mehrerer Liegenschaften. Im Grundbuch ist die Beschränkung des Eigentums durch die Verpflichtung eingetragen, den "Besitz nur einem der Kinder Alfred, Hubert, Priska, Viktor oder Franz durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden zu übergeben oder von todeswegen zu hinterlassen".
Im Testament vom 7.6.1983 setzte sie den Sohn Viktor D*** zum Alleinerben ein und beschränkte die übrigen Kinder auf den Pflichtteil. Am 14.8.1986 verfügte sie letztwillig, daß der Sohn Viktor D*** nur zur Hälfte des Nachlasses Vorerbe und der Sohn Hubert D*** sein Nacherbe und Erbe der zweiten Nachlaßhälfte sein solle.
Die Erbin nach dem am 28.3.1987 nachverstorbenen Sohn Hubert D*** gab zur Hälfte des Nachlasses als Erbin (und zur zweiten Hälfte als Nacherbin) Erbserklärung ab.
Der Sohn Viktor D*** bestritt die Gültigkeit des Testamentes vom 14.8.1986, weil die Erblasserin geisteskrank gewesen sei und gab zum ganzen Nachlaß eine Erbserklärung auf Grund des Testamentes vom 7.6.1983 ab. Er unterlag im Erbrechtsstreit mit seinem Klagebegehren auf Feststellung der Ungültigkeit des späteren Testamentes wegen Testierunfähigkeit in allen Instanzen. Im fortgesetzten Abhandlungsverfahren erklärte sich der Sohn Viktor D*** erneut auf Grund des Testamentes vom 7.6.1983 zum Alleinerben und beantragte, für den nun zu führenden (zweiten) Erbrechtsstreit der Gegnerin die Klägerrolle zuzuteilen, weil sie ihr Erbrecht aus der gegen die Verfügungsbeschränkung der Erblasserin, die Liegenschaften nur einem Kind zu hinterlassen, verstoßenden letztwilligen Anordnung vom 14.8.1986 ableite. Das Erstgericht nahm diese Erbserklärung an und entschied ohne eine neue Vernehmung der Parteien, daß der Sohn Viktor D*** als Kläger aufzutreten und binnen vier Wochen die Klage zu erheben habe.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des zur Überreichung der Erbrechtsklage angewiesenen Sohnes nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und daß der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs. 1 AußStrG idF WGN 1989 zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Notwendigkeit der Einvernehmung der Parteien nach § 126 Abs. 2 AußStrG fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Sohn Viktor D*** gegen den bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist nach dem § 14 Abs. 1 AußStrG in der anzuwendenden Fassung nach Art. II WGN 1989 zulässig und berechtigt.
Nach § 125 Abs. 1 AußStrG hat der Zuteilung der Klägerrolle für den durch widersprechende Erbserklärungen erforderlichen Erbrechtsstreit eine Vernehmung der Parteien voranzugehen. Bei widerstreitenden Erbserklärungen mehrerer Testamentserben ist gemäß § 126 Abs. 2 AußStrG nach Vernehmung beider Teile derjenige der streitenden Erben zur Überreichung der Klage anzuweisen, der vorerst den stärkeren Erbrechtstitel des Gegners entkräften müßte, um sein Erbrecht geltend machen zu können. Das Gesetz stellt zwar Regeln auf, wem die Klägerrolle bei widerstreitenden Erbserklärungen zuzuteilen ist, doch kann die Beurteilung, wer den stärkeren Titel für sich hat, oft nur aus den besonderen Umständen des Einzelfalles erfolgen. Die Auslegung des vor Jahrzehnten geschlossenen Erbübereinkommens, das zur Einverleibung der sachlichen Verfügungsbeschränkung der Erblasserin über die Liegenschaften führte, hat allerdings letztlich nicht im Verlassenschaftsverfahren, sondern im Erbrechtsstreit stattzufinden.
In der Tagsatzung vor dem Gerichtskommissär am 24.10.1989 hatte der Sohn Viktor D*** nur angekündigt, die Gültigkeit des späteren Testamentes nun auch noch aus einem anderen als dem im abgeschlossenen Prozeß erledigten Grund bestreiten zu wollen, und sich die Abgabe der weiteren Erbserklärung vorbehalten. Erst am 2.1.1990 erklärte er sich erneut auf Grund des älteren Testamentes zum Alleinerben und behauptete, das jüngere Testament verstoße gegen die der Erblasserin auferlegte Beschränkung und sei ungültig. Schon am nächsten Tag nahm das Erstgericht diese Erbserklärung an und verteilte infolge des nun erneuten Widerspruches der abgegebenen Erbserklärungen die Parteirollen.
Daß früher eine Vernehmung der streitenden Erben erfolgt war, genügt nicht, denn Gegenstand des früheren Widerspruchs war die Behauptung der Testierunfähigkeit der Erblasserin zur Zeit der späteren Verfügung. Es ist nicht auszuschließen, daß sich bei der Vernehmung der Parteien zu dem neuen Widerspruch der zum Nachlaß abgegebenen Erbserklärungen Umstände ergeben, die für die Zuteilung der Klägerrolle von Bedeutung sind. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Vernehmung vor Gericht erforderlich ist (JBl. 1959, 636) oder eine schriftliche Stellungnahme oder eine protokollierte Erklärung vor dem Gerichtskommissar genügt hätte (SZ 26/161; SZ 46/117), weil die Parteien vor der Beschlußfassung des Erstrichters zu dem neuen Widerstreit überhaupt nicht gehört wurden und auch keine Gelegenheit zur Erörterung bestand.
Anmerkung
E20258European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00541.9.0418.000Dokumentnummer
JJT_19900418_OGH0002_0030OB00541_9000000_000