Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19.April 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Brustbauer, Dr. Kuch, Dr. Rzeszut und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wolf als Schriftführer in der Strafsache gegen Wilhelm W*** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges unter Ausnützung einer Amtsstellung nach den §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall, 313 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 12. Dezember 1989, GZ 11 e Vr 248/89-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Reis zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird zurückgewiesen.
Der Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die Verurteilung gemäß dem § 20 StGB zur Zahlung eines Betrages von 100.000 S aufgehoben wird. Im übrigen wird ihr nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 28.September 1938 geborene (derzeit suspendierte) Beamte der niederösterreichischen Landesregierung, Wilhelm W***, wurde des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges unter Ausnützung einer Amtsstellung nach den §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall, 313 StGB und des Verbrechens der Geschenkannahme durch Beamte nach dem § 304 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last,
(I./) in den Jahren ab 1984 bis Ende 1988 als Beamter der niederösterreichischen Landesregierung, Abteilung B/3-A, in seiner Eigenschaft als örtlicher Bauführer der vorwiegend mit der Errichtung von Hochwasserschutzbauten betrauten Gebietsbauleitung Marchfeld-Weinviertel gewerbsmäßig den abgesondert verfolgten Transportunternehmern Margaretha H*** und Johann K*** im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit diesen Personen die Richtigkeit von ihnen gelegter Rechnungen, in denen auch tatsächlich nicht erbrachte (Transport-)Leistungen verzeichnet waren, wobei im Fall der Margaretha H*** in 55 Angriffen insgesamt zumindest 466 Stunden und 15 Minuten zuviel an Arbeitsleistung verrechnet wurden, in Kenntnis dieses Umstandes bestätigt und solcherart mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Täuschung über Tatsachen, nämlich infolge Vorlage dieser inhaltlich unrichtigen Rechnungen durch Margaretha H*** und Johann K*** an das Amt der niederösterreichischen Landesregierung die dortigen Bediensteten zur Ausbezahlung der überhöhten Rechnungsbeträge,sohin zu Handlungen verleitet zu haben, welche die Republik Österreich, das Land Niederösterreich und verschiedene Gemeinden bzw Hochwasserschutzverbände um mehr als 25.000 S schädigten (Gesamtschaden zumindest 161.926,25 S) und weiters
(II./) für die vorerwähnte Bestätigung der (angeblichen) Richtigkeit dieser Rechnungen über erbrachte Transportleistungen, die mehr als tatsächlich erbrachte Leistungen enthielten, sohin für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäftes, von den Genannten einen 25.000 S übersteigenden Vermögensvorteil, nämlich insgesamt 161.926,25 S angenommen zu haben.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer ausdrücklich auf den § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und mit Berufung, wobei die angemeldete Schuldberufung im Gerichtstag zurückgezogen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.
Die Mängelrüge (Z 5) behauptet inneren Widerspruch und Aktenwidrigkeit des Ausspruches über entscheidende Tatsachen. Den Feststellungen (und der auch im Urteilsspruch aufscheinenden Formulierung) entgegen sei der Angeklagte zur "fachtechnischen" Überprüfung der Rechnungen gar nicht befugt gewesen. Die Rüge releviert damit jedoch keine entscheidenden Tatsachen. Für die Schuldsprüche allein wesentlich ist der Umstand, daß der Angeklagte (als zuständiger Beamter der Abteilung B/3-A des Amtes der niederösterreichischen Landesregierung und damit) als jeweils verantwortlicher Bauführer die Richtigkeit der auf den Rechnungen der Transportunternehmer Margaretha H*** und Johann K*** verzeichneten Leistungen mit seiner Unterschrift bestätigte, obwohl diese tatsächlich nicht erbrachte Leistungen enthielten (US 6 und 7). Dies wurde vom Angeklagten gar nicht bestritten. Er erklärte vielmehr ausdrücklich, daß ua die Bestätigung der (Richtigkeit der) gelegten Rechnungen und deren Kontrolle in seinen Aufgabenbereich als Bauführer fielen (AS 53/I, 74/II), gestand überdies auch ein, auf den von Margaretha H*** und Johann K*** gelegten Rechnungen Leistungen bestätigt zu haben, die tatsächlich nicht erbracht wurden (AS 83, 425/I; 3, 9, 65/II) und in diesem Zusammenhang von Margaretha H*** (AS 10, 65/II) und Johann K*** (AS 425/I) auch Geldbeträge (von insgesamt erheblich) mehr als 25.000 S erhalten zu haben. Die bekämpften Urteilsfeststellungen finden aber nicht nur in der dargestellten Verantwortung des Angeklagten, sondern vor allem auch in der Darstellung der Zeugin Margaretha H*** im Vorverfahren (ON 10; AS 455/I) und in der Hauptverhandlung (AS 18, 19, 22, 69/II) volle Deckung. Soweit der Beschwerdeführer die ihm angelastete Schadenshöhe (von jeweils insgesamt 161.926,25 S) bekämpft, versagt die Rüge ebenso. Das Erstgericht stützt die Feststellung der Schadenshöhe bzw des Vermögensvorteils vor allem auf die (für glaubwürdig erachteten) Angaben der Zeugin Margaretha H***, welche über die von ihr tatsächlich erbrachten Transportleistungen Aufzeichnungen führte. Die Erhebungsbeamten des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich konnten daher durch Vergleich mit den vom Beschwerdeführer bestätigten (und in der Folge auch honorierten) Rechnungen auf unbedenkliche Weise den dem Beschwerdeführer als Betrugsschaden angelasteten und von ihm als Vermögensvorteil entgegengenommenen Betrag errechnen (AS 97 und 99/I; US 9 f). Die Beschwerde vermag also auch damit einen die Urteilsnichtigkeit verursachenden Begründungsmangel nicht aufzuzeigen. Die Mängelrüge releviert ferner die schöffengerichtliche Feststellung, im Falle der Margaretha H*** seien Transportleistungen im Ausmaß von 466 Stunden und 15 Minuten fälschlich als erbracht anerkannt worden. In diesem Zusammenhang muß jedoch die Beschwerde selbst die Richtigkeit der dazu herangezogenen Rechnung einräumen. Mit der dabei hervorgehobenen Differenz zwischen den Aufzeichnungen der Zeugin H*** und der verrechneten Zeit von einer halben Stunde in einem Fall hat sich das Erstgericht auseinandergesetzt und dies den Verfahrensergebnissen entsprechend (als Zeiten für Fahrten zur und von der Baustelle; sh AS 21/II) mängelfrei begründet (US 10). Soweit sich der Beschwerdeführer mit seiner Mängelrüge gegen die das Faktum Johann K*** betreffenden Urteilsfeststellungen wendet (I./2. und II./2. des Schuldspruchs), übergeht er sein vom Erstgericht gleichfalls als Urteilsgrundlage herangezogenes Geständnis im Vorverfahren (AS 425/I). Die Beschwerdebehauptung, er habe sich stets damit verantwortet, von K*** niemals Geld erhalten zu haben, steht demnach mit der Aktenlage nicht im Einklang. Er hat vielmehr vor dem Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich anläßlich seiner Vernehmung am 24.Juli 1989 ausdrücklich zugegeben, von Johann K*** 15.000 S dafür erhalten zu haben, daß er auf dessen Rechnungen tatsächlich nicht erbrachte Leistungen bestätigt hatte. Die in der Mängelrüge wiederholte Verantwortung des Angeklagten, das von Margaretha H*** und Johann K*** erhaltene Geld nicht für sich selbst, sondern im Interesse seines Dienstgebers (so zur Anschaffung von Werkzeugen und zum Betanken von Dienstfahrzeugen) verwendet zu haben, hat das Erstgericht mit ausführlicher und denkmöglicher Begründung zurückgewiesen. Hiebei konnte es sich auf die (für unbedenklich erachteten) Angaben der Zeugen Dipl.Ing. Walter T*** (AS 203/I, 23/II) und Dipl.Ing. Alfred G*** (AS 197/I, 27/II), aber auch auf das diesbezügliche Geständnis des Angeklagten im Vorverfahren stützen (AS 83 a/I; vgl US 11).
Auch die Rechtsrügen (Z 9 lit a und 10) versagen.
Die Beschwerdeausführungen über die vom Angeklagten behauptete Verwendung der ihm von Margaretha H*** und Johann K*** zugekommenen Geldbeträge im Interesse seines Dienstgebers bestreiten inhaltlich eine bei ihm eingetretene Bereicherung (Urteilsfaktum I./) bzw einen ihm zugekommenen Vermögensvorteil (Urteilsfaktum II.). Die Rechtsrüge entbehrt diesbezüglich jedoch einer gesetzmäßigen Darstellung, weil sie sich über die gegenteiligen Urteilsfeststellungen hinwegsetzt (s US 7).
Der gegen den Schuldspruch wegen Verbrechens der Geschenkannahme durch Beamte nach dem § 304 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB gerichtete rechtliche Einwand, seine dem Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnende Tätigkeit als Baustellenleiter und damit auch die Bestätigung der unrichtigen Rechnungen der Margaretha H*** und des Johann K*** entspräche nicht dem Begriff des Amtsgeschäftes im Sinne des § 304 StGB, sodaß sein Schuldspruch zu Punkt II./ wegen Verbrechens nach dem § 304 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB rechtsirrig erfolgt sei, geht fehl. Anders als der § 302 StGB setzen die Tatbestände des § 304 Abs 1 und Abs 2 StGB nämlich keineswegs ein Handeln des Beamten im Rahmen der Hoheitsverwaltung voraus, weil der § 304 StGB nicht auf die "Vollziehung der Gesetze" abstellt. Es fallen daher auch Tätigkeiten des Beamten im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung unter den Begriff des Amtsgeschäftes (vgl Foregger-Serini, StGB4, Erl I, Mayerhofer-Rieder, StGB3, Anm 1, jeweils zu § 304 und die dort zitierte Judikatur).
Der gegen die Anführung des § 313 StGB im Urteilsspruch gerichtete Einwand ist schon deshalb unbeachtlich, weil das Erstgericht von dieser bloß fakultativ anzuwendenden Strafbemessungsvorschrift (Evbl 1978/136 = SSt 49/32 uva) in Wahrheit gar nicht Gebrauch gemacht hat. Entgegen der Auffassung der Beschwerde steht das Handeln eines Beamten im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung der Anwendung des § 313 StGB keineswegs entgegen. Diese Norm stellt eine Strafschärfungsvorschrift gerade für jene Delikte eines Beamten dar, bei denen die Beamteneigenschaft nicht deliktsbegründend wirkt (wie für den vom Angeklagten begangenen Betrug; vgl Foregger-Serini, aaO, Erl I zu § 313). Mit dem gegen die Verfallsersatzstrafe gemäß dem § 20 Abs 2 StGB gerichteten Beschwerdeeinwand, daß der dem Angeklagten auferlegte Betrag von 100.000 S weitaus überhöht sei, macht der Beschwerdeführer der Sache nach ebenso wie mit seinen Einwänden gegen die Privatbeteiligtenzusprüche bloß Berufungs (-und keine Nichtigkeits-)gründe geltend (s.u.).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über Wilhelm W*** nach den §§ 28 Abs 1, 148, 1.Strafsatz, StGB eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von vierzehn Monaten, wobei gemäß dem § 43 a Abs 3 StGB ein Strafteil von zehn Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen, den langen Tatzeitraum und eine fast schon erpressungsnahe Involvierung von H*** und K*** in das Strafverfahren, mildernd waren der bisher ordentliche Lebenswandel und das teilweise zur Wahrheitsfindung beitragende Geständnis. Die bedingte Nachsicht eines Strafteiles von zehn Monaten wurde mit der erlittenen Untersuchungshaft (von fast zwei Monaten), die Notwendigkeit des Vollzuges eines Strafteiles von insgesamt vier Monaten gleichermaßen mit spezial- und generalpräventiven Rücksichten begründet.
Gemäß dem § 20 StGB wurde der Angeklagte ferner zur Zahlung eines Betrages von 100.000 S verurteilt, wobei das Schöffengericht bei Festsetzung der Höhe dieser Nebenstrafe den noch zu verbüßenden Strafteil, die Gehaltskürzung auf 2/3 eines relativ geringen Einkommens und den drohenden Amtsverlust (im Sinne der Vermeidung unbilliger Härte) berücksichtigte.
Letztlich wurde Wilhelm W*** gemäß den §§ 366 Abs 2, 369 StPO die Zahlung von jeweils 64.770,50 S an die Privatbeteiligten Republik Österreich (Land- und Forstwirtschaftsverwaltung, Wasserbau) sowie an das Land Niederösterreich auferlegt. Der Angeklagte behielt sich unmittelbar nach Verkündung des Urteils drei Tage Bedenkzeit vor (AS 75/II). Er meldete fristgerecht (Postaufgabe 14.Dezember 1989, ON 38) die "Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe" an. Eine (rechtzeitige) Anmeldung der Anfechtung des Ausspruches über die privatrechtlichen Ansprüche liegt nicht vor. Da somit die Anmeldung der Berufung ausdrücklich auf den Strafausspruch beschränkt wurde, ist die Anfechtung des Entschädigungserkenntnisses erst in der Rechtsmittelausführung - auch bei der Rechtslage nach dem StRÄG 1987 - verspätet (15 Os 8/88, 11 Os 31/89). Die erst in der Rechtsmittelausführung erhobene Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche war daher zurückzuweisen. Das Schöffengericht hat die vorhandenen Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig erfaßt und auch ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt. Die Berufung gegen das Strafmaß vermag selbst weitere Milderungsgründe nicht aufzuzeigen. Bei dem diesfalls von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmen (§ 148 1. Strafsatz StGB) ist die vom Erstgericht verhängte vierzehnmonatige Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafgrundsätze des § 32 StGB keinesfalls überhöht. Aus den im Urteil zutreffend angeführten Präventionsrücksichten ergibt sich aber auch, daß die bedingte Nachsicht der gesamten Strafe nicht ausreichend abhaltend auf den Angeklagten wirken würde, weswegen der § 43 StGB zu Recht nicht angewendet und vom § 43 a Abs 3 StGB Gebrauch gemacht wurde.
Insoweit konnte daher auch der Berufung kein Erfolg beschieden sein.
Dagegen kommt ihr Berechtigung in dem gegen die Nebenstrafe nach dem § 20 StGB gerichteten Begehren zu. Nach den schöffengerichtlichen Feststellungen ist der Angeklagte Beamter der niederösterreichischen Landesregierung und derzeit vom Dienst suspendiert. Sein monatliches Nettoeinkommen ist infolgedessen auf 10.250 S gekürzt. Er ist für seine (nicht berufstätige) Gattin und ein Kind von 14 Jahren sorgepflichtig. Als Vermögen besitzt er einen Personenkraftwagen, Baujahr 1988 (Marke Toyota Corolla; sh insgesamt AS 2/II). Mit Rechtskraft des Urteils tritt gemäß dem § 27 Abs 1 StGB der Verlust seines Amtes ein. Diese Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Angeklagten rechtfertigen entgegen der Auffassung des Schöffengerichts, von der Verurteilung zur Zahlung eines Geldbetrages (§ 20 Abs 2 StGB) ganz abzusehen, weil sie den Verurteilten im Hinblick auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig hart träfe (§ 20 Abs 4 StGB).
Die Kostenentscheidung ist in der angeführten Gesetzesbestimmung begründet.
Anmerkung
E20825European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0130OS00004.9.0419.000Dokumentnummer
JJT_19900419_OGH0002_0130OS00004_9000000_000