Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19.April 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Brustbauer, Dr. Kuch, Dr. Rzeszut und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wolf als Schriftführer in der Strafsache gegen Anton F*** wegen des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 FinStrG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 19.Oktober 1989, GZ 10 Vr 241/89-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 26.Feber 1947 geborene Gastwirt Anton F*** wurde mit dem angefochtenen Urteil der Vergehen der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 FinStrG (I.) und nach dem § 33 Abs. 2 lit a FinStrG (II.) verurteilt. Ihm liegt zur Last, in Wiener Neustadt (I.) unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, nämlich durch Nichterklärung von Wareneinsatz und -umsatz und durch die Abgabe unrichtiger Steuererklärungen Abgabenverkürzungen dadurch bewirkt zu haben, daß Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen waren, zu niedrig festgesetzt wurden, wobei im Jahr 1983 die Umsatzsteuer um 366.117 S sowie im Jahr 1984 die Umsatzsteuer um 314.667 S, die Einkommensteuer um 130.944 S und die Gewerbesteuer um 40.096 S verkürzt wurden; ferner (II.) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen nach dem § 21 UStG 1972 für den Zeitraum Dezember 1984 bis Dezember 1985 (richtig: für das Jahr 1985) eine Umsatzsteuervorauszahlungsverkürzung von 218.461 S wissentlich bewirkt zu haben.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch - gleich der Staatsanwaltschaft - mit Berufung.
Die Verfahrensrüge (Z 4) macht geltend, durch die Ablehnung des Antrages auf Vernehmung der Kellner Fritz A*** und Alois P*** zum Beweis dafür, daß eine Vielzahl von Kunden der Separees des Lokales des Angeklagten den im Separeepreis von 1.200 S inkludierten Sekt nicht konsumiert hätte und mit Einverständnis des Gastes, der Getränke für die "jeweiligen Damen" bezahlte, in diesen Getränken des öfteren nicht jene Alkoholmenge enthalten gewesen sei, die die Getränkekarte aufwies (im Antrag: "... in der Getränkekarte aufgezeichnet ...", AS 66), sei der Angeklagte in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt worden.
Diesen Anträgen liegt nach dem Sachzusammenhang die Behauptung zugrunde, die auffallende Diskrepanz zwischen Wareneinsatz und -umsatz sei darauf zurückzuführen, daß in der Registrierkasse größere Mengen alkoholischer Getränke boniert und verrechnet wurden als tatsächlich konsumiert worden seien.
Rechtliche Beurteilung
Das Erstgericht ging jedoch bei seiner Entscheidung ausdrücklich von der Annahme aus, daß tatsächlich sehr häufig wesentlich höhere Getränkepreise verrechnet wurden, als dem Alkoholkonsum der Animierdamen entsprach (US 7), wie dies auch vom Finanzamt bei Ermittlung der Wareneinsatzpreise berücksichtigt wurde (AS 63), mag auch die Behauptung, dies sei mit Einverständnis der Gäste geschehen, als unglaubhaft zurückgewiesen worden sein (US 8). Es nahm ferner als erwiesen an, daß selbst bei Berücksichtigung dieser Fehlverrechnung krasse (für die Vornahme von Falschverbuchungen zum Zweck der Steuerhinterziehung sprechende) quantitative und auch qualitative Differenzen zwischen Ein- und Verkaufsmengen der Alkoholika vorliegen (US 8). Diese Annahme hätte auch durch das von der Verteidigung erhoffte Ergebnis der beantragten Beweisaufnahmen nicht widerlegt werden können. Weder aus dem Beweisantrag noch aus dem Sachzusammenhang ergibt sich ein Anhaltspunkt dafür, daß die beantragten Zeugen imstande wären, durch (auch nur einigermaßen) genaue Angaben über Menge und Preis der vor mehreren Jahren einem Teil (nach dem Antrag "in einer Vielzahl von Fällen", AS 66) der Gäste in Rechnung gestellten, jedoch weder von ihnen noch ihrer Begleitung konsumierten Getränke die nach Ansicht des Erstgerichtes bedenklichen Unterschiede der Ein- und Verkaufsmengen als nur scheinbare Differenz aufzuklären. Mit der dieser Überlegung folgenden Begründung des Schöffengerichtes für die Ablehnung des Beweisantrages (US 7 f) wurde somit nicht unzulässigerweise eine Beweiswürdigung vorweggenommen. Die Tatrichter haben sich damit vielmehr bloß der (gebotenen) Prüfung unterzogen, ob die begehrte Beweisaufnahme überhaupt geeignet ist, das vom Antragsteller angestrebte Ergebnis zu erzielen und ob dieses Ergebnis Einfluß auf die Lösung der Tatfrage haben könnte (vgl Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr 83 zu § 281 Z 4). Die Verfahrensrüge muß deswegen versagen. Soweit der Beschwerdeführer in der Mängelrüge (Z 5) zunächst behauptet, die Tatrichter hätten Umstände verwertet, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen seien ("Stifterln" und "Marillensekt"), übersieht er, daß diese Umstände aus dem Arbeitsbogen der Betriebsprüfung des gemäß dem § 252 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung verlesenen Einkommensteueraktes hervorgehen (AS 67 iVm BlZ 35 und 38 des Arbeitsbogens).
Die weiteren Ausführungen, die unter "aushilfsweiser" Heranziehung auch des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO geltend machen, das Schöffengericht habe sich zur subjektiven Tatseite des Vergehens nach dem § 33 Abs. 2 lit a FinStrG (II des Schuldspruches) auf die begründungslose Anführung des Gesetzeswortlauts beschränkt, lassen sowohl die Entscheidungsgründe in ihrer Gesamtheit als auch den Wortlaut des § 33 Abs. 2 FinStrG außer acht und damit eine prozeßordnungsgemäße Ausführung sowohl der Mängel- als auch der Rechtsrüge vermissen. Die weiter nicht erörterungsbedürftige, aus sich heraus verständliche Urteilsannahme, die Verkürzung der Umsatzsteuervorauszahlungen für 1985 sei durch den Angeklagten wissentlich bewirkt worden (US 4), die in ihrer Wortwahl mit dem diesbezüglichen Gesetzestext nicht übereinstimmt (§ 33 Abs. 2 letzter Satz FinStrG: "... dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß hält.") wurde nicht bloß durch den Hinweis auf ihr eindeutiges Feststehen begründet. Das Schöffengericht zog vielmehr, wie aus den dazu angestellten Überlegungen hervorgeht, seine - insoferne lebensnahe und vertretbare - Schlußfolgerung aus krassen buchmäßigen Diskrepanzen und bewußt falschen Buchungen und wertete diese als Indizien für bewußt falsche Buchführung zur Verschleierung von "Schwarzein- und -verkäufen", also vor der Finanzbehörde zum Zweck der Steuerhinterziehung geheimgehaltenen Umsätzen (sh US 8). Mithin war die Nichtigkeitsbeschwerde schon bei einer nichtöffentlichen Beratung teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§ 285 d Abs. 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO), teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO) zurückzuweisen. Gemäß dem § 285 i StPO wird über die Berufungen das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben.
Anmerkung
E20523European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0130OS00019.9.0419.000Dokumentnummer
JJT_19900419_OGH0002_0130OS00019_9000000_000