TE Vwgh Erkenntnis 2005/11/24 2004/11/0111

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Veröffentlicht am 24.11.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

AVG §37;
FSG 1997 §24;
FSG 1997 §26 Abs1 Z2;
FSG 1997 §30 Abs1;
FSG 1997 §30 Abs3;
StVO 1960 §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des G in S, vertreten durch Dr. Walter Sarg, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 27, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 20. April 2004, Zl. UVS- 2004/23/076-1, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, Lenkverbot und Aberkennung des Rechts, von der ausländischen Lenkberechtigung Gebrauch zu machen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Mandatsbescheid vom 24. November 2003 sprach die Bezirkshauptmannschaft Schwaz aus, dass die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Klassen A1, BE, C1E und ML für einen Zeitraum von vier Monaten, gerechnet ab 17. November 2003, entzogen werde. Weiters wurde dem Beschwerdeführer das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen für die Dauer dieses Entzuges der Lenkberechtigung verboten. Ferner wurde dem Beschwerdeführer das Recht aberkannt, von "einer allfällig erteilten" ausländischen Lenkberechtigung auf die Dauer des Entzuges der Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Als Rechtsgrundlagen wurden die §§ 7, 24, 25, 26 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 8, 28 Abs. 2, 29, 30 Abs. 1 und 32 Abs. 1 FSG genannt. Es wurde weiters ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer seinen Führerschein ("ausgestellt von : Stadt Bayreuth am: 16.09.2003 ....") unverzüglich bei der Bezirkshauptmannschaft oder beim zuständigen Gendarmerieposten abzugeben habe.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 5. März 2004 wurde die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Vorstellung als unbegründet abgewiesen; gemäß § 64 Abs. 2 AVG wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. April 2004 wurde die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides von den von der Erstbehörde getroffenen Feststellungen aus. Danach habe der Beschwerdeführer am 17. November 2003 um

14.54 in Achenkirch an einer näher bezeichneten Örtlichkeit ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verschuldet. Ein vom Beamten des Gendarmerieposten Achenkirch durchgeführter Alkotest habe um

16.12 Uhr "ein Ergebnis von 0,40 mg/l" erbracht. Nach Darstellung der Rechtslage führte die belangte Behörde aus, dass nach § 5 Abs. 1 zweiter Satz StVO 1960 eine unwiderlegliche Rechtsvermutung dahin bestehe, dass bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt gelte. Dem Beschwerdeführer wäre es freigestanden, die Veranlassung einer Blutabnahme zu verlangen und damit den Gegenbeweis gegen den gemessenen Atemluftalkoholgehalt zu erbringen. Das Ergebnis einer Atemluftalkoholuntersuchung sei nur durch Einholung eines Gutachtens über den Blutalkoholgehalt entkräftbar. Der Beschwerdeführer habe ein Gutachten vorgelegt, welches dem nicht entspreche. Die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid - worin die Erstbehörde zu dem Ergebnis gelangt war, dass angesichts des Alkoholisierungsgrades, des Umstandes, dass eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 als besonders verwerflich anzusehen sei, und unter Berücksichtigung, dass der Beschwerdeführer überdies einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verschuldet habe, die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers mit vier Monaten anzunehmen sei - sei daher als unbegründet abzuweisen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und stellte den Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 24 Abs. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4; darunter insbesondere die Verkehrszuverlässigkeit) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen. Gemäß § 7 Abs. 1 Z.1 FSG stellt es insbesondere auch eine die Verkehrszuverlässigkeit ausschließende bestimmte Tatsache dar, wenn der Betreffende die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährdet. Gemäß § 7 Abs. 3 Z. 1 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahrzeug lenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat.

Gemäß § 25 Abs. 1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Gemäß § 26 Abs. 1 Z. 2 FSG hat die Entziehungsdauer mindestens drei Monate zu betragen, wenn der Lenker bei der erstmaligen Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 einen Verkehrsunfall verschuldet hat.

Gemäß § 5 Abs. 1 StVO 1960 darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen, wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt. Gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt.

Gemäß § 30 Abs. 1 FSG kann Besitzern von ausländischen Lenkberechtigungen das Recht, von ihrem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt werden, wenn Gründe für eine Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen. Die Aberkennung des Rechtes, vom Führerschein Gebrauch zu machen, ist durch ein Lenkverbot entsprechend § 32 auszusprechen. Gemäß § 30 Abs. 3 leg. cit. hat die Behörde eine Entziehung auszusprechen und den Führerschein des Betroffenen einzuziehen und der Ausstellungsbehörde zurückzustellen, wenn das Verfahren gemäß Abs. 1 den Besitzer einer in einem EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung, der seinen Hauptwohnsitz nach Österreich verlegt hat, betrifft.

Gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 FSG hat die Behörde Personen, die u.a. nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig sind, das Lenken eines Motorfahrrades, eines vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder eines Invalidenkraftfahrzeuges ausdrücklich zu verbieten.

Der Beschwerdeführer führt gegen den angefochtenen Bescheid ins Treffen, dass er eine ausländische Lenkberechtigung besitze, deutscher Staatsangehöriger sei und seinen Hauptwohnsitz in Bayreuth habe, sodass es verfehlt gewesen sei, ihm unter Anwendung des § 24 FSG die Lenkberechtigung zu entziehen.

Schon mit diesem Einwand ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht: Aus § 30 Abs. 1 in Verbindung mit § 30 Abs. 3 FSG folgt, dass die Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 24 FSG sich grundsätzlich nur auf die Besitzer einer in Österreich erteilten Lenkberechtigung bezieht. Betrifft jedoch das Verfahren gemäß § 30 Abs. 1 FSG den Besitzer einer in einem anderen EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung, der seinen Hauptwohnsitz nach Österreich verlegt hat, so hat gemäß § 30 Abs. 3 FSG auch diesfalls, obwohl es sich um eine ausländische Lenkberechtigung handelt, die Behörde eine Entziehung der Lenkberechtigung - bei Vorliegen der hiefür erforderlichen Voraussetzungen - auszusprechen.

Die belangte Behörde hat die Adresse des Beschwerdeführers mit "S" angegeben. Ob es sich hiebei um den Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers, eines nach der Aktenlage deutschen Staatsangehörigen, dessen Lenkberechtigung in Deutschland erteilt wurde, handelt, hat die belangte Behörde nicht festgestellt, sodass nicht nachvollzogen werden kann, ob der Ausspruch über eine Entziehung der ausländischen Lenkberechtigung des Beschwerdeführers (entsprechend § 30 Abs. 3 FSG) zulässig war. Daran vermag auch der in der Anzeige handschriftlich hinzugefügte Vermerk "HW" bei der angegebenen Wohnadresse des Beschwerdeführers in S nichts zu ändern. Dagegen ließe sich aus einer im Verwaltungsakt erliegenden Meldebestätigung ableiten, dass der Beschwerdeführer am 18. März 2004 von dieser Adresse abgemeldet wurde, sodass ein Indiz dafür gegeben wäre, dass er zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - welcher dem Beschwerdeführer am 28. April 2004 zugestellt wurde - dort keinen Wohnsitz mehr hatte.

Auch im Übrigen ist die Beschwerde begründet: Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Aberkennung des Rechts, vom Führerschein Gebrauch zu machen, jedenfalls dann auszusprechen, wenn die Voraussetzungen für eine Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen (vgl. uva. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2005, Zl. 2004/11/0118). Es trifft auch zu, wie die belangte Behörde annahm, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Feststellung der Alkoholisierung das Ergebnis einer korrekt durchgeführten Atemluftuntersuchung nur durch die Einholung eines Gutachtens über den Blutalkoholgehalt entkräftet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 2003, Zl. 2003/02/0168, mit weiterem Hinweis). Ein solches hat der Beschwerdeführer nicht beigebracht. Dies enthob die belangte Behörde jedoch nicht von ihrer Aufgabe, Ermittlungen und Feststellungen über die Alkoholbeeinträchtigung bzw. den Atemluftalkoholgehalt des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt zu treffen.

Sowohl die Behörde erster Instanz als auch ihr folgend die belangte Behörde gingen davon aus, dass der Beschwerdeführer, der nach den maßgeblichen Feststellungen um 14.54 Uhr ein Kraftfahrzeug gelenkt hatte, "um 16.12 Uhr" den nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 maßgeblichen Grenzwert für die Rechtsvermutung hinsichtlich einer Beeinträchtigung durch Alkohol aufgewiesen hat. Der Beschwerdeführer hatte schon im Verwaltungsverfahren vorgebracht, er habe erst unmittelbar vor Fahrtantritt und "weniger als 5 Minuten" vor dem Unfall die Hälfte eines "großen Spritzers" - nämlich einen Weißweinanteil von 0,125 l - ausgetrunken. Feststellungen über den Alkohol- und Speisenkonsum des Beschwerdeführers, was Zeitpunkt und Menge des Konsumierten anlangt, und über andere maßgebliche Umstände, etwa das Körpergewicht des Beschwerdeführers, hat die belangte Behörde nicht getroffen, sodass nicht ausgeschlossen werden kann, dass durch eine Rückrechnung, bezogen auf den Tatzeitpunkt, zu Gunsten des Beschwerdeführers ein anderes Ergebnis, was seine Alkoholisierung anlangt, erzielt worden wäre. In der Anzeige wurde von den Beamten festgehalten, dass der Beschwerdeführer zwar einen deutlichen Alkoholgeruch aufwies, im Übrigen jedoch die Sprache deutlich und sein Benehmen unauffällig war und "sonstige Merkmale" nicht gegeben waren. Konkrete und nachvollziehbare Feststellungen, inwiefern der Beschwerdeführer beim Lenken des Kraftfahrzeuges durch Alkohol "beeinträchtigt" gewesen wäre (etwa durch Darstellung der näheren Umstände des Verkehrsunfalls), wurden gleichfalls nicht getroffen. Derartige Feststellungen sind jedoch erforderlich, um die Annahme der belangten Behörde, es liege ein Fall des § 26 Abs. 1 Z. 2 FSG vor, und damit die Voraussetzung für die Aberkennung des Rechtes, vom ausländischen Führerschein Gebrauch zu machen, nachvollziehbar zu machen.

Da somit der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht hinreichend geklärt wurde, war der angefochtene Bescheid aus den genannten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, im Rahmen des gestellten Begehrens.

Wien, am 24. November 2005

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung ärztliches Gutachten Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel Verfahrensbestimmungen Amtswegigkeit des Verfahrens Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004110111.X00

Im RIS seit

08.01.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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