TE OGH 1990/4/24 4Ob57/90

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Veröffentlicht am 24.04.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z***'S B*** Blumenhandelsgesellschaft mbH, Wien 16., Maroltingergasse 88, vertreten durch Dr.Karl F.Engelhart und Dr.Nikolaus Reininger, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei H*** B*** Gesellschaft mbH, Gerasdorf, Brünnerstraße 151, vertreten durch Dr.Peter Schütz, Rechtsanwalt in Schwechat, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 500.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 18.Jänner 1990, GZ 2 R 233/89-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 28.August 1989, GZ 19 Cg 63/88-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 17.317,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.886,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Beide Streitteile betreiben an verschiedenen Wiener Standorten den Einzelhandel mit Blumen; ein Blumengeschäft führt die Beklagte im Hause Wien 10., Laxenburgerstraße 102. An Sonn- und Feiertagen verkauft sie dort Blumen an einem im Hof dieses Hauses aufgestellten Stand. Am Geschäftslokal waren Schilder angebracht, die auf diesen Verkauf an Sonn- und Feiertagen hinwiesen.

Mit der Behauptung, daß die Beklagte mit dem Offenhalten dieses Standes gegen das Arbeitsruhegesetz (ARG) und das Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz (BZG) und damit gleichzeitig gegen die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) verstoße, begehrt die Klägerin die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, im geschäftlichem Verkehr beim Kleinhandel mit Blumen in Wien ihre Betriebsstätten an Sonn- und Feiertagen offenzuhalten, sofern dies nicht für einzelne Betriebsstätten auf Grund gesetzlicher Ausnahmeregelungen erlaubt ist. Ferner stellt sie ein Veröffentlichungsbegehren.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der von ihr auf einem unbebauten Teil der Liegenschaft Laxenburgerstraße 102 an Sonn- und Feiertagen betriebene Verkaufsstand habe keine bauliche Verbindung mit ihrer festen Betriebsstätte; er befinde sich auf privatem Grund an der der Laxenburgerstraße zugewandten Seite des Grundstückes. Dabei handle es sich um einen transportablen offenen Verkaufswagen, auf dem sie - auf Grund einer entsprechenden Gewerbeberechtigung - an Sonn- und Feiertagen von 9 Uhr bis 15 Uhr den Straßenhandel mit Naturblumen ausübe; das Geschäftslokal Laxenburgerstraße 102 sei hingegen an Sonn- und Feiertagen stets geschlossen. Ihr Verkaufswagen werde durch einen Lieferwagen versorgt.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Der Ausnahmetatbestand gemäß Pkt II Z 7 lit b der Anlage zur Wiener Arbeitsruhegesetz-Verordnung, LGBl 1986/27, (Wr ARG-VO) liege nicht vor, weil sich der Verkaufsstand der Beklagten nicht auf der Straße, sondern auf einem privaten Grundstück befinde und ein räumliches Naheverhältnis zur festen Betriebsstätte in der Laxenburgerstraße 102 bestehe. Die Vorschriften über die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen wären sinnlos, wenn der Geschäftsinhaber an diesen Tagen zwar seine ständige Betriebsstätte geschlossen halten müßte, neben dieser Betriebsstätte aber von einem Stand aus die gleichen Waren verkaufen dürfte.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes (= Entscheidungsgegenstandes) S 50.000 übersteige und die Revision zulässig sei. Abgesehen davon, daß der Verkauf im Hof eines Gebäudes kein Straßenhandel sei, schließe nicht nur das Vorliegen einer baulichen oder organisatorischen Verbindung die Anwendung der Z 7 der Anlage zur Wr ARG-VO aus. Schon die enge räumliche Verbindung zwischen den beiden Verkaufsstellen verhindere, daß der Ausnahmetatbestand verwirklicht ist. Die Beklagte spreche mit ihrem Verkaufsstand im Hof denselben Kundenkreis an, den sie mit dem Verkaufslokal im Gebäude mit Blumen versorge und dem sie damit auch an Sonn- und Feiertagen ihre Blumen zum Kauf anbiete. Es sei offensichtlich, daß die Beklagte mit dem Verkaufsstand im Hof das Verbot, ihre Betriebsstätte an Sonn- und Feiertagen offenzuhalten, zu umgehen versuche. Das zeigten die Schilder am Geschäftslokal, mit denen auf den Verkauf an Sonn- und Feiertagen hingewiesen wurde. Daß eine "bauliche" Verbindung zwischen den beiden Verkaufsstellen fehle, nütze der Beklagten nichts. Unter Verbindung im Sinne der genannten Verordnung müsse vielmehr jede Verbindung verstanden werden, die dazu führe, daß derselbe Kundenkreis betreut werde. Dem Verordnungsgeber könne nicht unterstellt werden, daß er mit der erwähnten Ausnahmebestimmung dazu habe einladen wollen, das Verbot, Betriebsstätten an Sonn- und Feiertagen offenzuhalten, dadurch zu umgehen, daß in räumlicher Nähe des Geschäftslokals ein Verkaufsstand im Freien eingerichtet werde.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Streittsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zweiter oder erster Instanz zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Beklagte hält auch in dritter Instanz an ihrer Rechtsauffassung fest, daß der beanstandete Verkauf an Sonn- und Feiertagen im Hof des Hauses Laxenburgerstraße 102 nach der Wiener Arbeitsruhegesetz-Verordnung zulässig sei; die für die rechtliche Beurteilung erforderlichen Feststellungen fehlten indes noch. Dem kann nicht gefolgt werden.

Nach § 1 Abs 1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien vom 9. Juli 1986, LGBl 27, betreffend Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe (Wr ARG-VO) ist während der Wochenend- und Feiertagesruhe die Beschäftigung von Arbeitnehmern bei den in der Anlage genannten Tätigkeiten im jeweils bestimmten örtlichen und zeitlichen Rahmen zulässig. Punkt II Z 7 lit b der Anlage nennt als zulässigen Fall eines Verkaufes von Blumen sowie Erzeugnissen des Blumenbindergewerbes an Sonn- und Feiertagen den "an sonstigen Standorten nicht in Verbindung mit einer festen Betriebsstätte ausgeübten Straßenhandel mit Naturblumen von 9 Uhr bis 19 Uhr". Was diese Verordnung unter dem - auch in der Gewerbeordnung nicht definierten - Begriff des "Straßenhandels" versteht (vgl dazu Dr.Gablers Wirtschafts-Lexikon2, II 2799), braucht diesmal nicht untersucht zu werden, weil auch dann, wenn man eine Handelstätigkeit auf einem neben einer Straße gelegenen privaten Grundstück als Straßenhandel ansehen wollte, für die Beklagte nichts zu gewinnen wäre. Davon, daß der Verkaufsstand der Beklagten mit ihrer festen Betriebsstätte im Hause Laxenburgerstraße 102 "nicht in Verbindung" stünde, kann nämlich keine Rede sein. Die - für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes beweispflichtige - Beklagte hat in erster Instanz die mangelnde Verbindung zwischen "Verkaufswagen" und Geschäftslokal damit begründet, daß ein baulicher Zusammenhang fehle und der Verkaufswagen durch einen Lieferwagen (und damit nicht aus dem daneben gelegenen Geschäftslokal) versorgt werde. Aus diesen Umständen ergibt sich aber nicht die fehlende Verbindung im Sinne der Wr ARG-VO. Der Verkaufsstand der Beklagten liegt nicht nur in unmittelbarer Nähe der im Haus Laxenburgerstraße 102 untergebrachten Geschäftsräume; an der Außenseite dieses Geschäftslokals war vielmehr ein Schild angebracht, das auf den Verkauf an Sonn- und Feiertagen im nebenan gelegenen Hof hinwies. Damit wird aber für das Publikum der Zusammenhang zwischen beiden Verkaufsstätten offenkundig; der Verkaufsstand erscheint als Ersatz für das Geschäfslokal in der Zeit, in der dieses geschlossen sein muß. Eine "bauliche Verbindung" - daß also der Verkaufsstand an die Außenmauern der festen Betriebsstätte "angelehnt" ist - wird von der Wr ARG-VO nicht gefordert. Ob die Blumen aus dem Lieferwagen der Beklagten unmittelbar zum Verkaufsstand gebracht oder in der festen Betriebsstätte abgeliefert und erst von dort zum Verkaufsstand getragen werden, kann rechtlich ebensowenig eine Rolle spielen, wie die Frage, ob die Beklagte beim Verkaufsstand Dienstnehmer beschäftigt, die auch im Geschäftslokal Laxenburgerstraße 102 tätig sind. Allein das festgestellte Hinweisschild und die räumliche Nähe der beiden Verkaufsstätten bewirken, daß - wie schon das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat der gleiche Kundenkreis angesprochen und versorgt wird. Wollte man der Rechtsansicht der Beklagten folgen, würde - wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben - jedem Blumenhändler die Möglichkeit eröffnet, die Bestimmungen über die Sonn- und Feiertagesruhe damit zu umgehen, daß er vor oder neben seinem Geschäftslokal einen Verkaufsstand aufstellt, um an Sonn- und Feiertagen von dort aus zu verkaufen. Eine solche Absicht kann dem Verordnungsgeber nicht unterstellt werden, ist doch der Landeshauptmann nach § 13 Abs 1 ARG, BGBl 1983/144, nur berechtigt, weitere, über die ARG-VO des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung, BGBl 1984/149, hinausgehende Ausnahmen dann zuzulassen, wenn ein außergewöhnlicher regionaler Bedarf für Versorgungsleistungen gegeben ist; zu einer im Ergebnis völligen Aufhebung der Vorschriften des ARG für einen Geschäftszweig wie den der Blumenhändler ist er jedoch nicht berechtigt.

Da die Vorinstanzen zu allen rechtlich erheblichen Behauptungen der Beklagten Feststellungen getroffen haben, liegt kein rechtlicher Feststellungsmangel vor.

Fällt der Betrieb der Beklagten somit nicht unter die von ihr herangezogene Ausnahmebestimmung, dann kann sich die Beklagte nicht auf § 2 Abs 1 Z 1 lit a BZG, also darauf berufen, daß sie eine Tätigkeit vornehme, zu deren Durchführung nach den arbeitsrechtlichen Vorschriften die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zulässig ist, sie hat demnach gegen § 2 Abs 2 BZG verstoßen. Daß sie dies in der Absicht getan hat, sich damit auf Kosten ihrer gesetzestreuen Mitbewerber einen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen, liegt auf der Hand; sie hat daher auch den guten Sitten im Wettbewerb zuwidergehandelt (§ 1 UWG). Auf den Veröffentlichungsausspruch kommt die Beklagte in ihrer Revision nicht mehr zurück; hierauf war daher nicht einzugehen. Der Revision mußte mithin ein Erfolg versagt bleiben. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E20652

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00057.9.0424.000

Dokumentnummer

JJT_19900424_OGH0002_0040OB00057_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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