Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Herbert Vesely und Walter Bacher als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Wilhelmine H***, Reinigungsfrau, Villach, Markus-Pernhard-Str. 16, vertreten durch Dr. Hans Gradischnig, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagte Partei Ö*** B***, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen S 62.190,-- brutto sA (Streitwert im Revisionsverfahren S 7.788,-- brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25.Jänner 1990, GZ 8 Ra 100/89-13, womit infolge Berufung der beklagten partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 18.Juli 1989, GZ 33 Cga 54/89-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie einschließlich des unangefochtenen Teils zu lauten haben wie folgt:
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 46.728,-- brutto samt 4 % Zinsen seit 1.November 1988 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 15.462,-- brutto samt 4 % Zinsen seit 1. November 1988 zu zahlen, wird abgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.470,40 (darin S 1.303,40 Umsatzsteuer und S 1.650,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Hingegen ist die klagende Partei schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.372,80 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 1.648,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war bei der beklagten Partei vom 26.März 1974 bis 31. Oktober 1988 als Lohnbedienstete im Reinigungsdienst beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis endete durch Arbeitgeberkündigung. Sie bezog zuletzt einschließlich der Allgemeinen Dienstzulage ein monatliches Bruttoentgelt von S 11.682,--.
Mit der vorliegenden Klage begehrt sie eine Abfertigung in Höhe des vierfachen Monatsentgeltes im Betrag von S 62.190,-- sA. Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sie bestritt den geltend gemachten Anspruch dem Grunde und der Höhe nach und wendete für das Revisionsverfahren noch wesentlich ein, daß das vierfache Monatsentgelt nur S 46.728,-- betrage. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang eines Teilbetrages von S 54.516,-- brutto sA statt und wies das Mehrbegehren von S 7.674,-- brutto sA ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß in die gemäß § 27 der Bundesbahn-Dienst- und Lohnordnung (BBDLO) gebührende Abfertigung alle Entgeltarten, sohin auch die Sonderzahlungen (Weihnachtsremuneration und Urlaubsbeihilfe) einzubeziehen seien.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die Revision nach § 46 Abs 1 Z 1 ASGG zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß der Hinweis in § 9 BBDLO, der den Monatslohn definiere, auf "allfällige" Zulagen darauf schließen lasse, daß die in Parenthese angeführten Zulagen nicht vollständig aufgezählt seien. Daraus folge, daß der Begriff des Monatsentgelts gemäß § 27 Abs 4 BBDLO im Gegensatz zu den Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes als Oberbegriff zu verstehen sei, der alle Entlohnungen umfasse, wie es auch im Arbeitsrecht, etwa im Angestelltengesetz, allgemein üblich sei. Es seien daher nicht nur alle Zulagen, sondern auch die aliquoten Sonderzahlungen in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung einzubeziehen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne eines Zuspruches von S 46.728,-- brutto sA und der Abweisung des Mehrbegehrens.
Die Klägerin beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur gegenständlichen Frage fehlt (§ 46 Abs 1 Z 1 ASGG); sie ist auch berechtigt.
Gemäß § 27 Abs 4 BBDLO, BGBl. 1954/96, idF der 11.Novelle BGBl. 1968/266, hat die Klägerin nach einer Dauer des Dienstverhältnisses von mindestens zehn Jahren Anspruch auf das Vierfache des ihr für den letzten Kalendermonat des Dienstverhältnisses in ihrer ständigen Verwendung (§ 14 Abs 3) gebührenden "Monatsentgeltes". Nach § 9 Abs 1 BBDLO idF BGBl. 1974/298, erhält der Lohnbedienstete ein "Monatsentgelt". Dieses besteht aus dem Monatslohn und allfälligen Zulagen (Haushaltszulage, Dienstzulage, Ergänzungszulage und Teuerungszulage). Durch diese Aufzählung der Zulagen ist das "Monatsentgelt" der Lohnbediensteten ähnlich wie der Monatsbezug der Bundesbahnbeamten in § 6 Abs 2 BBO klar definiert; es ist ein eindeutig bestimmter Begriff und nicht - wie sonst im Arbeitsrecht - ein die gesamte Entlohnung umfassender Obergriff (9 Ob A 320/89). Die Aufzählung der Zulagen ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes aber auch erschöpfend; sie umfaßt nämlich die ursprünglich als Familienzulage (§ 15) bezeichnete Haushaltszulage (BGBl. 1965/131), die durch die 17.Novelle, BGBl. 1974/298, nach den gleichen Grundsätzen und in gleicher Höhe wie für die Bundesbahnbeamten eingeführte Dienstzulage (§ 15 a), die nach den Übergangsbestimmungen zustehende Ergänzungszulage (§ 30) und die jeweils gewährte und insoweit gesondert geregelte Teuerungszulage (etwa BGBl. 1972/193). Weitere "Zulagen" sind nicht vorgesehen. Daß die in § 9 Abs 1 BBDLO nur mit ihrer Kurzbezeichnung aufgezählten Zulagen einer weiteren Determination hinsichtlich Höhe und Anspruchsgrundlage bedürfen, liegt auf der Hand (vgl. etwa die Aufzählung der Nebengebühren in § 15 Abs 1 GehG und deren nähere Ausgestaltung in den §§ 16 ff GehG). Im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichtes kann sohin aus dem Erfordernis einer weiteren Detailregelung nicht geschlossen werden, daß "daneben in den §§ 15 und 15 a BBDLO noch Zulagen genannt seien". Der Hinweis auf "allfällige" Zulagen in § 9 Abs 1 BBDLO schränkt, wie die Revisionswerberin zutreffend ausführt, demnach lediglich die im Einzelfall Anspruchsberechtigten auf den Kreis jener Lohnbediensteten ein, die die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen für die Zulage tatsächlich erfüllen. Abgesehen davon, daß Sonderzahlungen keine Zulagen sind, werden Sonderzahlungen daher nicht von einem "allgemeinen" Entgeltbegriff des § 9 Abs 1 BBDLO umfaßt. Insbesondere liegt auch keine eine analoge Anwendung des ArbAbfG rechtfertigende planwidrige Gesetzeslücke vor (9 Ob A 70/89). Sonderzahlungen in Höhe eines entsprechenden Teils des Monatslohnes wurden für den Bereich der BBDLO erst nachträglich durch die 1.Novelle, BGBl. 1956/66, eingeführt (§ 11 a), wobei als Monatslohn damals der "Lohn und allfällige Zulagen (Familienzulagen und Teuerungszulagen)" galt. In der 3.Novelle zur BBDLO, BGBl. 1959/252, wurde im § 11 a Abs 1 ausdrücklich festgehalten, daß dem Lohnbediensteten eine Sonderzahlung "außer dem Lohn" gebührt (vgl. dazu die ähnliche Rechtslage nach den §§ 2, 8 a Abs 2, 35 Abs 4 VBG; JBl 1955, 291 = Arb. 6139; EvBl 1972/203 = Arb. 8970; 9 Ob A 305/89). In der 11.Novelle zur BBDLO, BGBl. 1968/266, wurde dieser Wortlaut zwar nicht mehr aufrechterhalten, aber festgelegt, daß dem Lohnbediensteten eine Sonderzahlung in der Höhe von 50 vH des "Monatsentgelts" gebührt und zugleich ebenso unmißverständlich der Begriff des Monatsentgelts im § 9 Abs 1 eindeutig definiert. Zum Unterschied zu § 8 a VBG gebühren dem Lohnbediensteten nicht das Monatsentgelt und allfällige Zulagen, sondern das Monatsentgelt des Lohnbediensteten "besteht aus dem Monatslohn und allfälligen (erschöpfend aufgezählten) Zulagen", die durch die 17.Novelle zur BBDLO, BGBl. 1974/298, in der Folge um die gleichzeitig eingeführte Dienstzulage und die Ergänzungszulage erweitert wurden. Eine Absicht des Normgebers, den bestehenden Unterschied zwischen den Begriffen "Monatsentgelt" und "Sonderzahlung" aufzugeben, ist daraus nicht zu entnehmen. Der Begriff des Monatsentgelts wird in der BBDLO nicht nur im § 27 Abs 4, sondern vielmehr in dem von der Revisionswerberin zutreffend aufgezeigten Sinn des öfteren verwendet, wie etwa in § 11 a für die Bemessung der Sonderzahlungen selbst in § 11 b für die Höhe der Lohnvorschüsse und Geldaushilfen, in § 17 für die Bemessung einmaliger Belohnungen (BGBl. 1972/190), in § 20 a betreffend den Verwaltungszuschuß (BGBl. 1962/214) und in § 27 Abs 5 hinsichtlich des Sterbekostenbeitrags. Soweit daher in der Bestimmung des § 27 Abs 4 BBDLO auf das Monatsentgelt verwiesen wird, ist darunter nur der Monatslohn und eine allenfalls bezogene Haushaltszulage, Dienstzulage, Ergänzungszulage oder Teuerungszulage zu verstehen. Die Sonderzahlungen sind in die Bemessung der Abfertigung der Klägerin daher nicht einzubeziehen. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz ist in § 43 Abs 1 ZPO begründet. Da die Klägerin mit ca. 75 % ihres Begehrens obsiegte, stehen ihr 50 % der verzeichneten Kosten und 75 % der Barauslagen zu. Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Rechtsmittelverfahrens zweiter und dritter Instanz stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E20474European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00103.9.0425.000Dokumentnummer
JJT_19900425_OGH0002_009OBA00103_9000000_000