Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Veschy und Walter Bacher in der Arbeitsrechtssache der antragstellenden Partei Ö*** G*** FÜR D*** G*** Ö*** D***, Wien 1,
Teinfaltstraße 7, vertreten durch den Vizepräsidenten Hofrat Rudolf S***, dieser vertreten durch Prof.Dr.Alfred Stifter, Zentralsekretär der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, Wien 1, Teinfaltstraße 7, wider die Antragsgegnerin R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, über den gemäß § 54 Abs. 2 ASGG gestellten Feststellungsantrag in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Es wird festgestellt, daß die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Republik Österreich stehenden Vertragslehrer gegenüber ihrem Dienstgeber für die Dauer der Ableistung von Präsenzdiensten im Sinne des § 36 Abs. 1 Z 1 bis 6 Heeresgebührengesetz (HGG) 1985 gemäß § 39 HGG (auch) Anspruch auf Fortzahlung von Mehrdienstleistungsvergütung gemäß § 61 GehG iVm § 45 VBG 1948 haben.
Text
Begründung:
Der Antragsteller ist eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer im Sinne des § 4 Abs. 2 ArbVG. Die Kollektivvertragsfähigkeit wurde ihm vom Obereinigungsamt im Jahre 1957 zuerkannt; diese Zuerkennung gilt nach dem Inkrafttreten des ArbVG weiter. Die Antragsgegnerin ist gemäß dem § 7 ArbVG eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitgeber. Antragsteller und Antragsgegnerin sind daher im Sinne des § 54 Abs. 2 erster Satz ASGG als Parteien des gegenständlichen besonderen Feststellungsverfahrens legitimiert.
Der Antragsteller führt zur Begründung seines aus dem Spruch ersichtlichen Antrages auf, eine Vielzahl von auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages von der Antragsgegnerin beschäftigten, in den Organisationsbereich des Antragstellers fallenden Vertragslehrern, die im Rahmen ihres Dienstverhältnisses Mehrdienstleistungen im Sinne der §§ 45 VBG und 61 GehG zu erbringen hätten, seien zum Präsenzdienst im Sinne des WehrG herangezogen worden. Der Oberste Gerichtshof habe die Rechtsfrage, ob diese Vertragslehrer auf Grund der im § 39 HGG geregelten Fortzahlung der Dienstbezüge auch Anspruch auf Fortzahlung ihrer Mehrleistungsvergütung gemäß § 61 GehG iVm § 45 VBG hätten, im Einzelrechtsstreit 9 Ob A 164/89 bejaht. In diesem Fall habe es sich um eine Kaderübung gehandelt; der Antragsteller strebe eine Klarstellung auch für alle anderen in Betracht kommenden Arten des Präsenzdienstes an.
Ergänzend brachte der Antragsteller vor, daß sich das Feststellungsbegehren nur auf Zeiträume beziehe, in denen die betroffenen Vertragslehrer ohne Verhinderung durch die Ableistung des Päsenzdienstes weiterhin gemäß § 61 GehG zu vergütende Mehrleistungen erbracht hätten. Die strittigen Fortzahlungsansprüche bestünden nur für die Dauer eines in § 36 Abs. 1 Z 1 bis 6 HGG genannten Präsenzdienstes; dazu zähle weder der Grundwehrdienst noch der Wehrdienst zur Hilfeleistung im Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen oder der Liga der Rot-Kreuz-Gesellschaft.
Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung dieses Feststellungsantrages. Abgesehen von der nach § 61 Abs. 1 GehG zu leistenden Vergütung bei dauernder Überschreitung eines bestimmten Ausmaßes an Lehrverpflichtung seien im § 61 Abs. 5, 6 und 8 GehG auch Vergütungen für eine vorübergehende und auch nur vertretungsweise ausgeübte Unterrichtstätigkeit vorgesehen. Darüber hinaus könne gemäß § 45 Abs. 2 VBG ein teilbeschäftigter Vertragslehrer des Schemas I L zur Vertretung eines vorübergehend verhinderten anderen Lehrers nur dann herangezogen werden, wenn der Unterricht sonst nicht sichergestellt sei. Nach § 45 Abs. 3 VBG könne unter den gleichen Voraussetzungen ein Vertragslehrer des Schemas II L zur Vertretung eines anderen Lehrers herangezogen werden. Werde ein Vertragslehrer zur Ableistung des Päsenzdienstes in der Dauer von 6 bis 8 Monaten einberufen, könne eine unmittelbar vor der Einberufung beispielsweise für die Dauer von 3 Kalendertagen ausgeübte vorübergehende Vertretungstätigkeit nicht dazu führen, dem Vertragslehrer für die gesamte Dauer des Präsenzdienstes eine besondere Vergütung gemäß § 61 GehG zuzuerkennen. Der Einsatz nach § 45 Abs. 2 und 3 VBG unterscheide sich von der Überschreitung des Lehrverpflichtungsausmaßes im Sinne des § 61 Abs. 1 GehG dadurch, daß teilbeschäftigte Vertragslehrer des Schemas I L und Vertragslehrer des Schemas II L nur zu Vertretung eines vorübergehend verhinderten Lehrers herangezogen werden könnten; eine dauernde Mehrdienstleistung im Sinne des § 61 Abs. 1 GehG komme für diese Gruppen von Vertragslehrern nicht in Betracht. Die vom Antragsteller zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes spreche nicht gegen diese Auffassung, weil dort davon ausgegangen worden sei, daß der als Kläger auftretende Vertragslehrer während des fraglichen Zeitraumes von 12 Tagen tatsächlich Mehrdienstleistungen erbracht hätte, wäre er nicht zu einer Kaderübung beim Österreichischen Bundesheer einberufen worden. Schließlich gebe es im Rahmen außerordentlicher Präsenzdienste zumindest mehrere Monate dauernde Hilfeleistungen im Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen oder der Liga der Rot-Kreuz-Gesellschaften. Angehörige des Lehrpersonals, die solche Sondereinsätze leisteten, meldeten sich dafür freiwillig und erhielten für diese Einsätze regelmäßig eine besondere Vergütung. Es sei nicht einzusehen, daß eine nur kurzfristig erbrachte Mehrdienstleistung im Rahmen einer pädagogischen Tätigkeit die Grundlage dafür bieten solle, dem Bediensteten während der Zeit derartiger besonders entlohnter Einsätze auch noch Überstundenvergütungen aus dem Dienstverhältnis zu zahlen.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat auf der Grundlage des behaupteten Sachverhaltes (§ 54 Abs. 4 erster Satz ASGG) über den Feststellungsantrag erwogen:
Der Feststellungsantrag hat eine Rechtsfrage des materiellen Rechtes auf dem Gebiete der Arbeitsrechtssachen nach dem § 50 ASGG zum Gegenstand, die schon ihrem Wesen nach für mindestens drei Arbeitnehmer von Bedeutung ist.
Der Feststellungsantrag ist auch berechtigt.
Gemäß § 36 Abs. 1 HGG gebührt Wehrpflichtigen, die Truppenübungen, Kaderübungen, freiwillige Waffenübungen, einen außerordentlichen Präsenzdienst im Falle des § 40 Abs. 2 WehrG, außerordentliche Übungen oder einen außerordentlichen Präsenzdienst in den Fällen des § 2 Abs. 1 lit. a bis c WehrG leisten, für die Dauer eines solchen Präsenzdienstes eine Pauschalentschädigung. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle gebührt dem Wehrpflichtigen auf seinen Antrag eine Entschädigung in der Höhe des Verdienstentganges, wenn die Pauschalentschädigung den Verdienstentgang des Wehrpflichtigen nicht deckt. Gemäß § 37 Abs. 1 HGG besteht die Entschädigung für unselbständig erwerbstätige Wehrpflichtige aus einem Grundbetrag und Zuschlägen. Die Höhe des Grundbetrages ist nach dem durchschnittlichen Einkommen der letzten drei Monate vor Antritt des Präsenzdienstes zu bemessen. § 37 Abs. 3 HGG iVm § 26 Abs. 3 Z 1 HGG stellt dazu klar, daß als Einkommen im Sinne des § 37 Abs. 1 HGG sämtliche steuerpflichtigen und steuerfreien Bezüge aus nichtselbständiger Arbeit (sohin auch Überstundenentgelt) anzusehen sind. Andererseits soll durch die Verlegung des Bemessungszeitraumes vor den Antritt des Präsenzdienstes gewährleistet werden, daß die Entschädigung dem tatsächlichen Verdienstentgang besser entspricht (1003 BlgNR 15.GP, 18). Gemäß § 39 Abs. 1 Z 1 HGG haben Wehrpflichtige, die in einem Dienstverhältnis zum Bund stehen, für die Dauer des Präsenzdienstes zwar keinen Entschädigungsanspruch, aber einen Anspruch auf Fortzahlung ihrer nach den Dienstrechtsvorschriften gebührenden Monatsbezüge zuzüglich allfälliger Nebengebühren (Dienstbezüge).
In diesen Bestimmungen des HGG kommt der ganz allgemein für das Entgeltfortzahlungsrecht geltende Grundsatz zum Ausdruck, daß der Arbeitnehmer durch die Arbeitsverhinderung keinen wirtschaftlichen Schaden erleiden soll. Der Bemessung der Fortzahlung ist daher das regelmäßige Entgelt zugrunde zu legen, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre. Dieses Ausfallsprinzip erfordert es, auch allfällige Überstundenvergütungen dem laufenden Entgelt zuzurechnen. Der Arbeitnehmer ist so zu behandeln, als hätte er gearbeitet (vgl. Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht I3 213 f; Schwarz-Löschnig, Arbeitsrecht4 336 ff). Wie der Oberste Gerichtshof zu 9 Ob A 164/89 ausgesprochen hat, ist auch der in § 39 Abs. 1 HGG gebrauchte Begriff der "Fortzahlung" in diesem Sinn auszulegen. Es kommt daher zwar nicht darauf an, ob die Ansprüche "laufend" gebühren oder pauschalierungsfähig sind bzw. im vorliegenden Fall auch nicht darauf, ob die Mehrdienstleistung dauernd im Sinne des § 61 Abs. 1 GehG oder vorübergehend im Sinne des § 61 Abs. 5, 6 und 8 GehG iVm § 45 Abs. 2 und 3 VBG zu erbringen ist, sondern darauf, ob dem Arbeitnehmer die Vergütung für eine Mehrdienstleistung gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung durch die Leistung eines im § 36 Abs. 1 HGB genannten Präsenzdienstes eingetreten wäre. Diese bereits in der zitierten Entscheidung ausgesprochenen Grundsätze haben in gleicher Weise auf jene Fallgruppen Anwendung zu finden, auf die sich der gegenständliche Antrag bezieht. Aus dem Begriff der Fortzahlung ergibt sich aber auch, daß bereits vor dem Zeitpunkt des Eintrittes des Fortzahlungsfalles ein Sachverhalt gegeben sein muß, auf dessen Grundlage der Umfang des fortzuzahlenden Entgeltes beurteilt werden kann. Es muß also bereits in diesem Zeitpunkt feststehen, in welchem Umfang der betroffene Lehrer während der Dauer der Präsenzdienstleistung zu zusätzlichen Diensten herangezogen worden wäre, hätte er tatsächlich Dienst verrichtet. Der Umstand, daß erst zu einem späteren Zeitpunkt zutage tritt, daß sich bei einer Dienstleistung während dieser Zeit die Möglichkeit zu einer einen Anspruch auf entsprechende Vergütung begründenden Mehrdienstleistung ergeben hätte, vermag einen Anspruch auf Fortzahlung nach dem HGG nicht zubegründen.
Gemäß § 54 Abs. 4 Satz 1 ASGG hat der Oberste Gerichtshof über den Feststellungsantrag auf der Grundlage des darin angegebenen Sachverhaltes zu entscheiden. Mit Schriftsatz ON 6 hat der Antragsteller klargestellt, daß sich das Feststellungsbegehren nur auf Zeiträume bezieht, in denen die betroffenen Vertragslehrer ohne Verhinderung durch Ableistung des Präsenzdienstes weiterhin gemäß § 61 GehG zu vergütende Mehrdienstleistungen erbracht hätten. Dieses Begehren trägt daher dem Ausfallsprinzip und dem diesbezüglichen Einwand der Antragsgegnerin Rechnung. Ein damit in Widerspruch stehendes Ergebnis läßt sich im Hinblick auf den vom Antragsteller ergänzten Sachverhalt auch aus dem Spruch des Feststellungsantrages nicht ableiten.
Dem Antrag war daher stattzugeben.
Anmerkung
E20745European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00512.89.0425.000Dokumentnummer
JJT_19900425_OGH0002_009OBA00512_8900000_000