Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 25.April 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofko als Schriftführerin in der Strafsache gegen Roland H*** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1, 143, vorletzter Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Renü S*** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Jugendschöffengericht vom 18.Oktober 1989, GZ 18 Vr 190/89-47, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, der gesetzlichen Vertreterin Anna S***, des Angeklagten Renü S*** und des Verteidigers Dr. Rauscher zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem den Angeklagten Renü S*** betreffenden Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Renü S*** wird nach dem § 143, erster Strafsatz, StGB unter Bedachtnahme auf § 5 Z 4 JGG 1988 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 16 (sechzehn) Monaten verurteilt.
Mit seiner Berufung wird Renü S*** auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen diesem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 25.Juli 1971 geborene Jugendliche Roland H*** des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1, 143, vorletzter Fall, StGB und der am 12.Juli 1971 geborene Jugendliche Renü S*** des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 12 (2.Fall), 15, 142 Abs. 1, 143, erster Fall, StGB schuldig erkannt.
Darnach haben am 2.März 1989 in Bruck an der Mur
1./ Roland H*** versucht, Franz L*** mit den Worten:
"Geld her", wobei er ihm zwei Messerstiche in den Rücken versetzte, sohin mit Gewalt gegen dessen Person, fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Geldbetrag von 900.000 S mit dem Vorsatz abzunötigen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Gewaltanwendung eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen, nämlich eine Lähmung des rechten Beines, zur Folge hatte; 2./ Renü S*** dadurch, daß er Roland H*** auf das von Franz L*** verwahrte Geld aufmerksam machte, mit ihm die Örtlichkeiten beim Wohnhaus des Franz L*** auskundschaftete, die gewaltsame Zueignung des Geldes besprach und ihm zur Durchführung der Tat die Verkleidung, und zwar einen schwarzen Kampfanzug bzw. schwarzen Kimono, schwarze Handschuhe und Ärmelschoner sowie zwei Messer zur Verfügung stellte, Roland H*** dazu bestimmt, Franz L*** mit Gewalt gegen dessen Person fremde bewegliche Sachen, nämlich 900.000 S Bargeld mit dem Vorsatz abzunötigen, sich durch Zueignung dieses Betrags unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe, nämlich eines Wurf- oder Taschenmessers verüben sollte und wobei es beim Versuch blieb. Dieses Urteil, das der Angeklagte Roland H*** unangefochten ließ, wird vom Angeklagten Renü S*** mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 5 a, 10 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.
In seiner Mängelrüge (Z 5) macht der Beschwerdeführer dem Erstgericht zum Vorwurf, die Urteilsannahmen, wonach er von der durch Roland H*** geplanten Verwendung eines Messers bei der Tatausführung nicht nur gewußt, sondern den Erstangeklagten sogar aufgefordert hätte, das Tatopfer damit zu bedrohen und auf diese Weise zur Herausgabe des Geldes zu bewegen, zu Unrecht auf die bezughabenden Einlassungen der beiden Angeklagten gegründet zu haben (die Beschwerde spricht im vorliegenden Zusammenhang - rechtlich verfehlt - von einer Aktenwidrigkeit der betreffenden Feststellung; vgl. hiezu Mayerhofer-Rieder, StPO2, § 281 Abs. 1 Z 5, ENr. 185 und 191). Wie der Erstangeklagte Roland H*** nämlich in der Hauptverhandlung vom 18.Oktober 1989 angegeben habe, sei am 2. März 1989 bloß geplant gewesen, das Tatopfer zu Boden zu reißen und es festzuhalten; von der Verwendung eines Messers sei darnach (und ebenso nach der Verantwortung vor dem Untersuchungsrichter) am 2. März 1989 nicht bzw. jedenfalls nicht ausdrücklich die Rede gewesen. Auch aus der eigenen Einlassung des Beschwerdeführers, der in der Hauptverhandlung vom 18.Oktober 1989 lediglich erklärt hätte, ein tätliches Vorgehen Roland H*** gegen das Tatopfer befürchtet zu haben, ergebe sich kein Hinweis dafür, daß am 2. März 1989 die Verwendung eines Messers als Tatwaffe besprochen worden wäre.
Rechtliche Beurteilung
Mit diesen Einwendungen stellt die Beschwerde jedoch - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt - auf eine isolierte Betrachtung der bezughabenden Passagen aus den jeweiligen Einlassungen der beiden Angeklagten ab (vgl. AS 61 c und verso/Bd. I, sowie AS 112 und 117 f/jeweils Bd. II), ohne den Zusammenhang mit den Verfahrensergebnissen in ihrer Gesamtheit zu beachten. Denn zum einen gab der Mitangeklagte H*** ausdrücklich an, vom Beschwerdeführer, von dem auch der Plan zur Beraubung des Tatopfers stammte (vgl. dazu dessen insoweit übereinstimmende eigenen Einlassung, AS 240 und 241/Bd. I), insgesamt zwei Messer gerade zu dem - im Zuge der Aktivitäten vor der Tat auch eingehend erörterten - Zweck erhalten zu haben, sie gegen das Tatopfer als Drohmittel (mit einer tatsächlichen Verletzung des Opfers sei der Beschwerdeführer nicht einverstanden gewesen) zu gebrauchen (insbesondere AS 61 a verso, 61 b und verso, 61 e verso und 61 f/jeweils Bd. I sowie AS 109, 111, 112 und 114/jeweils Bd. II). Zum anderen wurde vom Beschwerdeführer selbst eingeräumt, Roland H*** auch am 2.März 1989 durch Überlassung entsprechender Bekleidung ausgeholfen zu haben, obwohl er befürchtet hätte, daß dieser Angeklagte - entsprechend seinen früheren Bekundungen - das Messer auch zur Verletzung des Opfers verwenden werde (insbesondere AS 247/Bd. I und AS 117/Bd. II). Daß am 2.März 1989 der Einsatz eines Messers nicht neuerlich besprochen wurde, war demnach mangels Signifikanz nicht erörterungsbedürftig; vielmehr konnte das Erstgericht aufgrund der gebotenen Einbeziehung der dargelegten Verfahrensergebnisse in den Kreis seiner Erwägungen aus dem (gesamten) Vorbringen der Angeklagten denkmöglich ableiten, daß die Verwendung eines Messers (zumindest) als Drohmittel auch vom Vorsatz des Beschwerdeführers umfaßt war.
Es ergeben sich aber auch aus den Akten keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der den Beschwerdeführer betreffenden Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite (Z 5 a). Soweit dieser Angeklagte neuerlich behauptet, mit Roland H*** bloß die Überwältigung des Tatopfers mit Einsatz von Körperkraft und demnach ohne Gebrauch einer Waffe besprochen zu haben, kann er sich nach dem Gesagten nicht auf die Aktenlage berufen. Der weitere Beschwerdeeinwand, Roland H*** wäre am 2.März 1989 durch das Zuwerfen der für den Gebrauch bei der Tat gedachten Kleidungsstücke vom Beschwerdeführer weder zur Ausführung bestimmt noch im Tatentschluß bestärkt worden, geht von einer bloß punktuellen Sicht dieses - entgegen der Beschwerde als physische Beihilfe zu beurteilenden und daher gegenüber der dem Beschwerdeführer überdies angelasteten Bestimmungstäterschaft subsidiären - Tatbeitrages aus. Sowohl mit dieser Argumentation als auch durch das abermalige Zurückgreifen auf den Umstand, daß die Verwendung eines Messers am 2. März 1989 nicht neuerlich besprochen wurde, sucht der Angeklagte nach Art einer - ihm unter dem Gesichtspunkt (auch) des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes verwehrten - Schuldberufung lediglich einer für ihn günstigeren Tatversion zum Durchbruch zu verhelfen. Verfehlt ist auch die gegen die Annahme der Qualifikation nach dem § 143, erster Fall, StGB gerichtete Behauptung (Z 10), das Erstgericht habe es ungeachtet entsprechender Beweisergebnisse verabsäumt, Feststellungen zu treffen, die eine Beurteilung des Tatverhaltens des Beschwerdeführers als gelinder pönalisiertes Vergehen nach dem § 286 Abs. 1 StGB ermöglicht hätten. Denn zum einen erweist sich die Beschwerdeargumentation schon als nicht aktengetreu: Seinem Vorbringen zuwider nahm der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben nämlich in Abänderung des ursprünglichen Tatplanes bloß von seiner unmittelbaren Mitwirkung an dem gegenständlichen Raubüberfall Abstand, leistete jedoch Roland H*** die entsprechende Beihilfe (AS 117 bis 119/Bd. II); des weiteren wurde zufolge der ausdrücklichen Einlassungen des Erstangeklagten H*** in der Hauptverhandlung vom 18.Oktober 1989 das Tatvorhaben vom 28.Februar 1989 wegen des beim Eindringen in die Wohnung des Tatopfers befürchteten Lärms, nicht aber auf Betreiben des Beschwerdeführers aufgegeben; schließlich wäre es ohne die inkriminierte Unterstützung durch den Beschwerdeführer auch nicht zu dem am 2.März 1989 unternommenen Tatversuch gekommen (insbesondere AS 112 und 115/Bd. II). Zum anderen setzt sich der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen aber auch über jene - den vermißten Feststellungen entgegenstehenden - Urteilsannahmen hinweg, wonach er seinen Komplizen auf die Gelegenheit zur Erbeutung eines Betrages von 900.000 S aufmerksam machte und ihm die gemeinschaftliche Verübung eines Raubüberfalles nahelegte, mit ihm die Tatausführung wiederholt konkret erörterte und ihm schließlich Kleidung und Messer zwecks Verwendung bei der Tat zur Verfügung stellte. Seine Subsumtionsrüge erweist sich daher als nicht gesetzmäßig ausgeführt. Soweit sich der Angeklagte schließlich auf den Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO beruft, geht er insoweit fehl, als er einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs. 2 StGB) und damit eine Nichtigkeit nach der Z 11, zweiter Fall, der vorangeführten Gesetzesstelle darin erblickt, daß ihm das Erstgericht die angenommene - bereits
strafbegründende - Urheberschaft der Tat im Rahmen der Strafbemessung zusätzlich als erschwerenden Umstand anlastete. Ein solcher Verstoß läge allenfalls dann vor, wenn der Angeklagte ausschließlich wegen Bestimmung eines anderen zur Tat schuldig erkannt wäre (vgl. ÖJZ-LSK 1976/264), was hier nicht der Fall ist. Vielmehr verantwortet der Angeklagte nach den Feststellungen des Schöffengerichtes neben der Bestimmungstäterschaft auch noch die Leistung eines sonstigen Beitrages im Sinn des § 12, dritter Fall, StGB, der infolge seiner Subsidiarität in der Bestimmungstäterschaft aufgeht (vgl. neuerlich Mayerhofer-Rieder, StGB3, § 12, ENr. 90). Der demnach vorliegende mehrfache Tatbeitrag wurde daher - im Ergebnis - zutreffend im Rahmen der Strafbemessung als erschwerend berücksichtigt (vgl. Mayerhofer-Rieder, aaO, § 12 StGB, ENr. 91). Hingegen weist die Beschwerde zu Recht darauf hin, daß das Erstgericht seine Strafbefugnis (Z 11, erster Fall) überschritt. Anders als im Fall des Erstangeklagten H***, dem (auch) die (im Erwachsenenstrafrecht mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren bedrohte) Qualifikation nach dem § 143, vorletzter Fall, StGB zur Last liegt, wurde beim Beschwerdeführer bloß die Qualifikation nach dem § 143, erster Fall, StGB (Raub unter Verwendung einer Waffe) als erwiesen angenommen, für die das Erwachsenenstrafrecht nur eine Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren vorsieht. Nach der Z 3 des § 5 JGG 1988 tritt bei Jugendlichen an die Stelle einer Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren die Androhung einer solchen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, wogegen die Z 4 dieser Gesetzesstelle diesfalls das Höchstmaß aller sonst angedrohten zeitlichen Freiheitsstrafen auf die Hälfte herabsetzt und kein Mindestmaß vorsieht. Daher wäre die über den Beschwerdeführer zu verhängende Strafe nicht nach der Z 3 des § 5 JGG 1988 - wie durch das Erstgericht -, sondern nach der Z 4 dieser Gesetzesstelle (und demnach - ohne Mindestgrenze - unter Zugrundelegung einer Strafobergrenze von siebeneinhalb Jahren) zu bestimmen gewesen.
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war mithin das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, in dem den Angeklagten Renü S*** betreffenden Strafausspruch aufzuheben und insoweit mit gesetzmäßiger Strafneubemessung vorzugehen.
Hiebei wertete der Oberste Gerichtshof den mehrfachen Tatbeitrag als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber die bisherige Unbescholtenheit, das umfassende Geständnis sowie den Umstand, daß die Tat beim Versuch blieb, als mildernd.
Auf der Basis der gesetzeskonformen materiellrechtlichen Grundlage des Strafbemessungsvorganges erachtete der Oberste Gerichtshof eine 16-monatige Freiheitsstrafe als tatschuldadäquat. Eine - wenn auch nur teilweise - bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe schied nicht nur im Hinblick auf das erhebliche Gewicht des Tatunrechts, sondern auch deswegen aus dem Kreis der Erwägungen aus, weil nach dem Bericht (ON 51) der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur im Rahmen der Jugendgerichtshilfe beim bisher jede therapeutische Betreuung ablehnende Renü S*** eine Charakterstruktur vorliegt, die angesichts der gegebenen familiären Beziehungsproblematik aus präventiven Erwägungen eine entsprechende Nacherziehung im Jugendstrafvollzug erfordert.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E20804European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0110OS00027.9.0425.000Dokumentnummer
JJT_19900425_OGH0002_0110OS00027_9000000_000