TE OGH 1990/4/25 2Ob35/90

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Veröffentlicht am 25.04.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Jensik, Dr.Melber und Dr.Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hubert Josef H***, kaufmännischer Angestellter, Marktplatz 2, 3352 St. Peter in der Au, vertreten durch Dr.Josef Lechner und Dr.Ewald Wirleitner, Rechtsanwälte in Steyr, wider die beklagten Parteien, 1) Franz Xaver A***, Schüler, St. Michael am Bruckbach 3, 3352 St. Peter in der Au,

2) Franz A***, Landwirt, ebendort wohnhaft, 3) Elisabeth G***, kaufmännische Angestellte, Fabrikstraße 90, 4400 Steyr, und 4) E*** N*** V***-AG, Roßauerlände 47-49,

1010 Wien, alle vertreten durch Dr.Herwig Kubac und Dr.Harald Svoboda, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 622.500 s.A. und Feststellung (S 100.000), Revisionsstreitwert S 37.500, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 22.Dezember 1989, GZ 13 R 177/89-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 7.April 1989, GZ 1 Cg 458/87-14, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Ein Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens findet nicht statt.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 23.8.1968 geborene Kläger wurde am 31.8.1986 bei einem Verkehrsunfall in Niederösterreich verletzt. Es ist nicht mehr strittig, daß die Beklagten zur ungeteilten Hand dem Kläger für drei Viertel seiner Unfallschäden ersatzpflichtig sind.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 622.500 sA; überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für drei Viertel seiner künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren. Das Leistungsbegehren des Klägers umfaßt unter anderem einen Betrag von S 75.000 s.A. aus dem Titel der Verunstaltungsentschädigung; nur die Höhe dieses Anspruches ist noch Gegenstand des Revisionsverfahrens. Der Kläger stützte dieses Begehren im wesentlichen darauf, daß er wegen der verbliebenen Unfallsfolgen in seinem besseren Fortkommen und in seinen Heiratsaussichten behindert sei. Es gebühre ihm eine angemessene Verunstaltungsentschädigung von (ungekürzt) S 100.000; drei Viertel davon hätten ihm die Beklagten zu ersetzen. Die Beklagten bestritten den Anspruch des Klägers auf Zuspruch einer Verunstaltungsentschädigung dem Grunde und der Höhe nach. Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 487.500 s.A. an den Kläger und gab dem Feststellungsbegehren statt; das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 135.000 s.A. gerichtete Leistungsmehrbegehren wies es ab. Es ging dabei davon aus, daß dem Kläger im Sinne des § 1326 ABGB eine angemessene Verunstaltungsentschädigung von (ungekürzt) S 100.000 gebühre; drei Viertel davon hätten ihm die Beklagten zu ersetzen. Die Entscheidung des Erstgerichtes über das Leistungsbegehren wurde sowohl vom Kläger als auch von den Beklagten mit Berufung bekämpft. Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil beiden Rechtsmitteln teilweise Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes über das Leistungsbegehren dahin ab, daß es dem Kläger einen Betrag von S 510.000 sA zusprach und sein auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 112.500 sA gerichtetes Mehrbegehren abwies.

Das Berufungsgericht erachtete die dem Kläger zustehende Verunstaltungsentschädigung mit (ungekürzt) S 50.000 für angemessen und sprach daher dem Kläger aus diesem Titel nur S 37.500 zu, während es das diesbezügliche Mehrbegehren des Klägers von S 37.500 abwies.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie im Umfang der Abweisung seines Begehrens mit einem Betrag von S 37.500 s.A.

(Verunstaltungsentschädigung) aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Beklagten zur Zahlung eines weiteren Betrages von S 37.500 s.A. an den Kläger verurteilt werden. Die Beklagten haben keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 4 Z 2 ZPO (a.F.) zulässig, sachlich aber nicht berechtigt.

Der Kläger führt in seiner Rechtsrüge im wesentlichen aus, daß die ihm zustehende Verunstaltungsentschädigung bei seiner Meinung nach richtiger rechtlicher Beurteilung mit (ungekürzt) S 100.000 zu bemessen sei.

Dem ist nicht zu folgen.

Die Vorinstanzen sind im wesentlichen von folgendem Sachverhalt

ausgegangen:

Der Kläger erlitt bei dem Unfall vom 31.8.1986 eine Hirnquetschung, einen offenen linksseitigen Oberschenkelbruch, einen offenen Unterkieferbruch, Serienrippenbrüche links (3. bis 6. Rippe) mit Austritt von Luft und Blut in den linken Rippenfellraum, einen Bruch des linken Schulterblattes, einen Bruch des rechten Schlüsselbeines und zahlreiche Rißquetsch- und Schnittwunden mit Glaskörpereinsprengungen, vor allem im Gesichts- und Halsbereich. Die Behandlung dieser Verletzungen erforderte mehrfache Operationen. Beim Kläger sind infolge der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen, abgesehen von einem leichtgradigen organischen Psychosyndrom, das sich in einer gewissen Verlangsamung, in leichter Schwerbesinnlichkeit und Umständlichkeit, in gelegentlichen leichten Wortfindungsstörungen, in einer gewissen "Klebrigkeit" sowie einer leichten motorischen Sprachstörung im Sinne einer Dysarthrie äußert, folgende Beeinträchtigungen der äußeren Erscheinung verblieben: Quer über der Drosselgrube ist eine etwas zackig verlaufende, nicht ganz zarte, jedoch reizlose 9 cm lange Narbe vorhanden. Zwischen dem mittleren und dem inneren Drittel des rechten Schlüsselbeines ist eine knochenharte haselnußgroße Vorwölbung entsprechend der alten Bruchgeschwulst vorhanden. Beim Kopfheben aus dem Liegen springt im Bereich des Ansatzes des Kopfwendermuskels im Schlüsselbein eine etwa pflaumengroße muskelharte Geschwulst vor. Links am seitlichen Brustkorb ist eine Narbe nach einer Drainage vorhanden. Im Bereich der linken Hüfte verblieb eine gekreuzte Narbe; der senkrecht verlaufende Schenkel dieser Narbe ist 15 cm lang, der horizontale etwa 29 cm. Er reicht in einem unregelmäßigen Bogen vom großen Rollhöcker entlang der unteren Gesäßfalte bis gegen die Analgegend. In Schaftmitte außenseitig hat der Kläger am linken Oberschenkel eine weitere gekreuzte Narbe mit einer Schenkellänge von 4 bis 5 cm, in Schaftmitte eine 3 cm lange Narbe. Über dem Kreuzbein liegt eine winkelige Narbe von 11 cm und 8 cm Schenkellänge. Das Endglied der linken Großzehe ist gekürzt; die Kuppe wird von einer dicken hornigen Kruste eingenommen. Der Nagel ist gekürzt und stark verdickt. Das rechte obere Sprunggelenk ist selbsttätig im Bereich der Streckung endlagig eingeschränkt; es ist eine geringe restliche Streckerschwäche verblieben. Es kann sein, daß sich ein Teil dieser Verletzungsfolgen in der weiteren Zukunft noch bessern wird; wahrscheinlich wird aber eine dauernde Beeinträchtigung des Klägers verbleiben.

Der Kläger ist unverheiratet. Er arbeitet im Betrieb seiner Eltern als kaufmännischer Angestellter.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist unter Verunstaltung im Sinne des § 1326 ABGB eine wesentliche nachteilige Veränderung der äußeren Erscheinung zu verstehen. Darunter fallen aber nicht nur äußerlich sichtbare Beeinträchtigungen der Körpersubstanz, sondern auch durch äußerlich nicht sichtbare Verletzungsfolgen hervorgerufene Beeinträchtigungen der äußeren Erscheinung, wie etwa eine Sprachstörung oder eine Ungeschicklichkeit (EFSlg 57.017 mwN). Maßgebend für die Höhe der Verunstaltungsentschädigung sind der Grad der Verunstaltung und die Wahrscheinlichkeit der Behinderung des besseren Fortkommens (EFSlg 57.011 uva).

Daß der Kläger nach diesen rechtlichen Gesichtspunkten durch die verbliebenen Verletzungsfolgen verunstaltet ist, ist nicht zweifelhaft. Sein äußeres Erscheinungsbild ist nicht nur durch die ihm verbliebenen Narben erheblich beeinträchtigt, sondern auch durch die mit dem leichtgradigen organischen Psychosyndrom verbundene Verlangsamung und Sprachstörung, wobei die letztgenannten Verletzungsfolgen nach den Feststellungen der Vorinstanzen allerdings nur einen leichten Grad erreichen. Daß die Heiratsaussichten des unverheirateten Klägers durch diese Verunstaltung beeinträchtigt werden können, bedarf keiner näheren Begründung (vgl EFSlg 57.012); eine Möglichkeit der Beeinträchtigung des besseren Fortkommens des Klägers in beruflicher Hinsicht infolge seiner Verunstaltung ist allerdings nicht erkennbar, zumal er als kaufmännischer Angestellter im Betrieb seiner Eltern arbeitet. Unter Bedachtnahme auf die im vorliegenden Fall festgestellten Umstände in ihrer Gesamtheit ist weder der Grad der Verunstaltung des Klägers so schwer, noch die Wahrscheinlichkeit der Behinderung seines besseren Fortkommens so groß, daß die dem Kläger gebührende Verunstaltungsentschädigung im Sinne des § 1326 ABGB unter Bedachtnahme auf Zusprüche in anderen Fällen höher als mit S 50.000 bemessen werden müßte. In der Bemessung der dem Kläger gebührenden Verunstaltungsentschädigung durch das Berufungsgericht ist daher entgegen den Revisionsausführungen des Klägers ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen.

Der Revision des Klägers muß unter diesen Umständen ein Erfolg versagt bleiben.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen (§§ 41, 50 ZPO). Die Beklagten haben sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Anmerkung

E20909

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00035.9.0425.000

Dokumentnummer

JJT_19900425_OGH0002_0020OB00035_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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