TE OGH 1990/4/25 9Ob901/90

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Veröffentlicht am 25.04.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Maier, Dr.Petrag und Dr.Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sepp K***, Angestellter, Straßhof, Bartosch-Straße 8, vertreten durch Dr.Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Johannes J***, Rechtsanwalt in Wien 1., Reischachstraße 3/12 A, als Masseverwalter im Konkurs der S*** Gesellschaft mbH Wien (6 S 1/88 des Handelsgerichtes Wien) und der auf Seiten des Beklagten beigetretenen Nebenintervenienten A*** V***

WIEN und I***-A***-F*** beim Bundesministerium für

Arbeit- und Soziales, Wien, beide vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Feststellung einer Konkursforderung (Streitwert S 61.200), infolge Revision der beklagten Partei und der Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 9.November 1989, GZ 3 R 214/89-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30.Juni 1989, GZ 25 Cg 279/88-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1.) Das A*** V*** wird als

Nebenintervenient mit allen Anträgen einschließlich der Revision zurückgewiesen.

2.) Der Revision des Beklagten und der (Zweit-)Nebenintervenientin (I***-A***-F***) wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 14.880,20 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (davon S 5.000 Barauslagen und S 1.646 Umsatzsteuer) und der Nebenintervenientin (I***-A***-F***) die mit S 3.133,54 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (davon S 20 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Handelsgericht Wien eröffnete am 16.9.1987 über die S*** Gesellschaft mbH das Ausgleichsverfahren. Die Ausgleichsschuldnerin kündigte das Dienstverhältnis des Klägers, der bei ihr seit 1.8.1985 als Angestellter beschäftigt gewesen war, mit Schreiben vom 20.11.1987 auf Grund einer Ermächtigung durch das Ausgleichsgericht (§ 20 b Abs 2 AO iVm § 20 c Abs 2 AO) zum 20.2.1988 auf. Am 11.1.1988 wurde über das Vermögen der Ausgleichsschuldnerin der Anschlußkonkurs eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Am 8.2.1988 trat der Kläger gemäß § 25 KO vorzeitig aus und meldete im Konkurs für die Zeit vom 21.2.1988 (AS 54) bis 31.3.1988 eine der Höhe nach außer Streit gestellte Schadenersatzforderung von S 61.200 netto an. Der Beklagte bestritt diese Forderung in der Prüfungstagsatzung.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß seine im Konkurs der Gemeinschuldnerin angemeldete Forderung von S 61.200 netto zusätzlich zu den bisher anerkannten Forderungen als Konkursforderung zu Recht bestehe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil der Kläger vor seinem Austritt rechtswirksam zum 20.2.1988 gekündigt und seine Ansprüche bis zu diesem Zeitpunkt anerkannt worden seien. Auf Grund der Aufforderung des Masseverwalters traten das A*** V*** WIEN und der I***-A***-F*** beim

Bundesministerium für Arbeit und Soziales dem Verfahren als Nebenintervenienten bei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Auch nach § 20 c Abs 2 AO könne der Ausgleichsschuldner - ebenso wie der Masseverwalter nach § 25 KO - einen Arbeitsvertrag unter Einhaltung der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfrist lösen, ohne hiebei an die vereinbarte Vertragsdauer oder eine längere Kündigungsfrist gebunden zu sein. Ebenso wie der Masseverwalter brauche er bestehende Kündigungstermine nicht einhalten. Bei Lösung des Arbeitsverhältnisses nach § 20 c AO könne der Vertragsgegner Ersatz des verursachten Schadens verlangen. Wegen dieser ausdrücklichen Regelung komme es auf die Frage der Rechtswidrigkeit der Kündigung nicht an. Dieser Schadenersatzanspruch umfasse den durch die vorzeitige Kündigung entgangenen Lohn oder sonstige (entgangene) Einkünfte abzüglich des während des fraglichen Zeitraums durch anderweitige Verwertung der Arbeitskraft erzielten Verdienstes. Einen konkreten Schaden habe aber der Kläger nicht behauptet.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil im Sinne der Stattgebung der Feststellungsklage ab. Es sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Der Kläger habe am 8.2.1988 noch den vorzeitigen Austritt gemäß § 25 Abs 1 KO erklären können, obwohl er bereits im Ausgleichsverfahren durch die Ausgleichsschuldnerin gekündigt worden war, weil die Kündigungsfrist im Zeitpunkte des Austritts noch nicht abgelaufen und daher das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet gewesen sei. Wegen dieses vorzeitigen Austritts stehe dem Kläger eine Kündigungsentschädigung gemäß § 29 Abs 1 AngG für den Zeitraum zu, der bis zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine dem § 25 Abs 1 KO entsprechende Kündigung durch den beklagten Masseverwalter hätte verstreichen müssen. Der beklagte Masseverwalter hätte zum 8.4.1988 kündigen können. Diese Begrenzung greife jedoch im vorliegenden Fall nicht ein, weil der Kläger ohnehin nur für die Zeit bis 31.3.1988 eine Entschädigung begehre. Der Anspruch des Klägers auf Kündigungsentschädigung sei jedoch auch insoweit begrenzt, als er nicht über den bereits bestehenden Schadenersatzanspruch gemäß § 20 d AO hinausgehen könne. Da der fiktive Anspruch des Klägers auf Kündigungsentschädigung über den 31.3.1988 hinausreiche, sei der Klageanspruch letztlich nach § 20 d AO zu beurteilen.

Die Ausgleichsschuldnerin habe bei der Kündigung des Klägers die gesetzliche Kündigungsfrist, nicht aber den gesetzlichen Kündigungstermin des § 20 Abs 2 AngG (Quartalskündigung) beachtet. Diese Vorgangsweise der Schuldnerin habe jedoch dem § 20 c Abs 2 AO entsprochen, weil diese Bestimmung nur die Einhaltung der gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder der zulässigerweise vereinbarten kürzeren Kündigungsfrist, nicht aber die Bindung an Kündigungstermine vorschreibe. Diese Auslegung entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers des IRÄG 1982, weil dieser den § 20 c Abs 2 AO zwar durch die Einfügung der Berücksichtigung kollektivvertraglicher Kündigungsfristen geändert, einen Hinweis auf Kündigungstermine aber unterlassen habe, obwohl ihm die die Beachtlichkeit der Kündigungstermine verneinende Rechtsprechung bekannt gewesen sei.

Die Bestimmung des § 20 d AO gewähre dem Arbeitnehmer den Ersatz des durch die gemäß § 20 c AO vorgenommene Auflösung des Arbeitsverhältnisses verursachten Schadens; ein solcher könne eintreten, wenn durch die außerordentliche Kündigung die Dauer des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem ordentlichen Lösungsvorgang verkürzt worden sei. Der über die Kündigungsfrist hinausreichende Entgeltanspruch verändere sich in einen Schadenersatzanspruch. Als Schadenersatz wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei die Kündigungsentschädigung zu leisten. Die Höhe des Schadens sei außer Streit gestellt worden. Der Kläger hätte wegen der gemäß § 20 c AO vorgenommenen Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Ausgleichsforderung auf Ersatz des verursachten Schadens gehabt. § 25 Abs 2 KO in der inzwischen ersatzlos aufgehobenen Fassung vor der Insolvenzrechts-Nov 1959 habe dem Arbeitnehmer den Ersatz des ihm verursachten Schadens - anders als § 20 d AO - unter der Voraussetzung gewährt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Masseverwalters vor Ablauf der bestimmten Zeit, für die es eingegangen worden sei, gelöst wurde oder im Vertrag eine längere Kündigungsfrist vereinbart worden sei.

Nach § 20 Abs 2 AngG hätte der Kläger (unter Beachtung der Kündigungstermine) frühestens zum 31.3.1988 gekündigt werden können. Er habe daher Anspruch auf Ersatz des durch den früheren Ablauf der Kündigungsfrist entstandenen Schadens in der außer Streit gestellten Höhe.

Der Masseverwalter und die Nebenintervenienten bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragen die Wiederherstellung des Ersturteils. Sie regen ferner an, beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung des § 20 d AO (oder der Worte "ohne Arbeitsverhältnis" in dieser Gesetzesstelle) aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit zu beantragen.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision des Masseverwalters nicht Folge zu geben und die Revisionen der Nebenintervenienten zurückzuweisen. Nicht § 20 d AO, sondern § 25 KO sei verfassungswidrig.

Rechtliche Beurteilung

Zuerst ist auf die Frage der Zulässigkeit der Nebenintervention einzugehen, weil davon die Entscheidung darüber abhängt, ob das Rechtsmittel der Nebenintervenienten meritorisch zu behandeln ist. Der Kläger ist der Ansicht, daß den Nebenintervenienten die Teilnahme am Zivilprozeß mangels Parteifähigkeit verwehrt sei. Darüber hinaus fehle es beiden Nebenintervenienten auch an dem von § 17 ZPO geforderten rechtlichen Interesse.

Diesen Ausführungen ist nur teilweise zu folgen. Gemäß § 17 Abs 1 ZPO kann, wer ein rechtliches Interesse daran hat, daß in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreite die eine Person obsiege, dieser Partei im Rechtsstreite beitreten. Ein rechtliches Interesse hat der Nebenintervenient dann, wenn die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf seine privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt (Fasching Komm II 208 f; ähnl Holzhammer2, 87). Das rechtliche Interesse muß allerdings ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse hinausgeht (Fasching, LB2, Rz 398). Ein rechtliches Interesse haben insbesondere alle jene Personen, auf die sich die Entscheidung notwendigerweise erstrecken muß (§ 20 ZPO), sei es durch die positive Gestaltungswirkung, durch eine ausdrückliche gesetzliche Rechtskrafterstreckung (Fasching, Komm II 209) oder eine im Gesetz für die Lösung von Vorfragen angeordnete Bindungswirkung.

Das Gericht hat nach Abgabe der Beitrittserklärung die Einhaltung der Formvorschriften, das Vorliegen der allgemeinen Prozeßvoraussetzungen beim Nebenintervenienten und das rechtliche Interesse (und zwar letzteres insofern) zu prüfen, ob entsprechende, dieses Interesse schlüssig begründende Tatsachen vorgetragen wurden. Abgesehen von den Fällen der Nichteinhaltung von Formvorschriften und des Fehlens von Prozeßvoraussetzungen (insbesondere der Partei- und Prozeßfähigkeit des Nebenintervenienten ÄFasching, LB2 Rz 397Ü) kann das Gericht die Nebenintervention nach der Beitrittserklärung nach Ansicht von Fasching (Komm II 217 f; derselbe, LB2, Rz 401; ähnl JBl 1964, 265) von Amts wegen zurückweisen, wenn sich das Interventionsinteresse aus den zur Begründung der Nebenintervention vorgetragenen Tatsachen schon in abstracto nicht ergibt, die Beitrittserklärung also in bezug auf das rechtliche Interesse unschlüssig ist. Nach Ansicht der ausführlich begründeten Entscheidung SZ 45/141 = JBl 1973, 421 (König) ist hingegen eine Zurückweisung wegen Unschlüssigkeit ebenso wie bei einer Klage ohne mündliche Verhandlung nicht möglich; bei dieser könne aber eine Prüfung der Zulässigkeit der Nebenintervention nur stattfinden, wenn eine Partei einen Antrag auf deren Zurückweisung stelle, woraus folge, daß die Nebenintervention (wegen fehlenden Feststellungsinteresses) niemals von Amts wegen zurückgewiesen werden dürfe. Einhelligkeit besteht jedoch darüber, daß im weiteren Verlauf des Verfahrens mangels eines Zurückweisungsantrages nur mehr das Fehlen von Prozeßvoraussetzungen (in bezug auf den Nebenintervenienten), nicht aber das Fehlen des rechtlichen Interesses von Amts wegen wahrgenommen werden kann (Fasching Komm II 218; derselbe, LB2, Rz 401). Der Antrag einer der Prozeßparteien auf Zurückweisung des Nebenintervenienten (§ 18 Abs 2 ZPO) ist zwar nicht fristgebunden, muß aber jedenfalls gestellt werden, bevor sich die Partei in Kenntnis des Zurückweisungsgrundes in die Verhandlung in der Hauptsache mit dem Nebenintervenienten einläßt (Fasching, LB2, Rz 402). Wenn die Bestreitung der Nebenintervention in erster Instanz unterlassen wurde, kann diese Frage im Revisionsverfahren nicht mehr aufgegriffen werden (SZ 7/237; 3 Ob 569/82). Der Kläger ist der mit Schriftsatz vom 2.11.1988 erklärten Nebenintervention durch das A*** V*** WIEN und

den I***-A***-F*** beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales weder in erster Instanz noch im Berufungsverfahren entgegengetreten. Die Frage des rechtlichen Interesses der Nebenintervenienten, sich an diesem Verfahren zu beteiligen, darf daher im Revisionsverfahren nicht mehr aufgerollt werden. Zu prüfen ist aber, ob die beigetretenen Nebenintervenienten parteifähig sind. Für den I***-A***-F*** ist dies schon auf Grund der klaren Regelung des § 13 Abs 1 und 4 IESG, wonach der Fonds Rechtspersönlichkeit besitzt und unbeschadet der Vertretung durch die Finanzprokuratur ermächtigt ist, insbesondere für die Geltendmachung und weitere Verfolgung seiner Ansprüche iS des § 11 Abs 1 IESG hiefür geeignete physische und juristische Personen heranzuziehen bzw. zu beauftragen, anzunehmen. Der Fonds kann auch gemäß § 13 Abs 5 IESG hinsichtlich seiner rechtsgültigen Forderungen Stundungen und Ratenzahlungen bewilligen sowie Forderungen ganz oder teilweise abschreiben. Der I***-A***-F*** besitzt

daher - im Rahmen seines gesetzlichen Aufgabenbereiches - die volle Privat- und Prozeßrechtsfähigkeit. Auf die Frage der Auswirkungen des vorliegenden Verfahrens auf die Rechtstellung des I***-A***-F*** ist aber aus den bereits erwähnten verfahrensrechtlichen Gründen nicht einzugehen.

Hingegen fehlt dem A*** V*** die Partei- und Prozeßfähigkeit. Bei den Arbeitsämtern handelt es sich um keine juristischen Personen des öffentlichen Rechts, sondern, wie der Kläger zutreffend ausführt, um Behörden, die kraft öffentlich-rechtlicher Vorschrift eingerichtet wurden und im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig sind. Lediglich in Sozialrechtssachen nach § 65 Abs 1 Z 7 ASGG tritt an die Stelle des (beklagten) Versicherungsträgers gemäß § 10 Abs 1 IESG (§ 97 Z 3 ASGG) das Arbeitsamt, das den Bescheid erlassen hat. Gemäß § 66 ASGG sind diejenigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, die sich auf den Versicherungsträger beziehen, auch auf die Arbeitsämter anzuwenden. Es handelt sich bei dieser Regelung um eine durch Gesetz statuierte Prozeßstandschaft (Fasching LB2 Rz 343 und 2301/1), die dem Arbeitsamt über den gesetzlichen Aufgabenbereich in Sozialrechtssachen nach § 65 Abs 1 Z 7 ASGG hinaus keine allgemeine Prozeßfähigkeit in sonstigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, insbesondere in Arbeitsrechtssachen nach § 50 Abs 1 ASGG oder (wie hier:) Streitigkeiten nach § 111 KO verleiht. Das A*** V*** ist daher im vorliegenden Rechtsstreit nicht

partei- und prozeßfähig.

Dieser Mangel führt nur zur Zurückweisung der Nebenintervention und aller von diesem Nebenintervenienten gestellten Anträge, nicht aber zur Vernichtung des Verfahrens zwischen den beiden Hauptparteien und dem weiteren Nebenintervenienten (SZ 13/2; Fasching Komm II 220).

Die Revision des Beklagten und des Zweitnebenintervenienten ist berechtigt.

Der Kläger ist während des Ausgleichsverfahrens vom Ausgleichsschuldner auf Grund einer Ermächtigung durch das Ausgleichsgericht (§ 20 b AO) unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist, jedoch ohne Einhaltung des gemäß § 20 Abs 2 AngG bestimmten Kündigungstermins (31.3.1988) zum 20.2.1988 gekündigt worden.

Wie der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit einem Teil des Schrifttums (Adler-Höller in Klang2 V 329; Wachter, ZAS 1972, 89; Kryda, SozSi 1977, 141; Winkler, ZAS 1979, 1927 FN 26;

Bartsch-Heil, Insolvenzrecht5 59; Rechberger, ZAS 1981, 49;

Tutschka, Handbuch des Österreichischen Arbeitsrechts 521; aM Mayer-Grünberg, Komm z HandlungsgehilfenG 270; Holzer zu DRdA 1978, 39; Kropf, DRdA 1975, 252, bes. 255; Hemmer zu DRdA 1980, 219;

Spielbüchler, Insolvenz- und Arbeitsrecht, DRdA 1982, 213 und ZAS 1983, 107; Floretta in Floretta-SpielbüchlerStrasser, Arbeitsrecht3 I 256; Pfeil, DRdA 1983, 10 f; Martinek-Schwarz, AngG6, 676; Krejci in Rummel2 Rz 14 zu § 1161; s aber nunmehr Schwarz-Holler-Holzer, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz2, 423; Holzer, Insolvenz- und Arbeitsverhältnis, DRdA 1984, 422; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4, 502) ausgesprochen hat, ist der Masseverwalter bei Ausübung seines Kündigungsrechts nach § 25 KO zwar an die gesetzliche Kündigungsfrist, nicht aber an die Einhaltung gesetzlicher Kündigungstermine (insbesondere jener nach § 20 Abs 2 AngG) gebunden (Arb 5.729; SZ 46/73 = Arb 9.128;

SZ 53/34 = Arb 9.857 = ZAS 1981, 49  lrb 9.748 = DRdA 1980, 219

ÄHemmerÜ; Arb 10.093 = ZAS 1983, 107 ÄSpielbüchlerÜ; SZ 57/145 =

Arb 10.377; Arb 10.328 = ZAS 1985, 221 ÄWachterÜ; SZ 59/97 =

WBl 1987, 18; ZfVB 1987/3, 1.300 = ÖJZ 1987, 564).

An dieser Ansicht wurde trotz der erwähnten Gegenstimmen (zu diesen s SZ 57/145 = Arb 10.377) insbesondere deshalb festgehalten, weil der erkennbare Zweck des § 25 Abs 1 KO auf die Erweiterung und Erleichterung der Kündigungsmöglichkeiten im Konkurs des Arbeitgebers gerichtet ist (s auch Schwarz-Holler-Holzer aaO 431 f; SZ 51/186 = Arb 9.748; Arb 9.904; Arb 10.093 = ZAS 1983, 107 ÄSpielbüchlerÜ). Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht nunmehr vor allem die Entstehungsgeschichte des IRÄG 1982. In der RV (3 BlgNR 15.GP 10) war nämlich eine Neufassung des § 25 Abs 1 KO unter anderem durch Einfügung der Worte "zu den für den Arbeitgeber geltenden Kündigungsterminen" vorgesehen. Begründet wurde dies damit, daß die Neufassung eine alte Forderung der Interessenvertretung der Arbeitnehmer insoweit erfülle, als der Masseverwalter nun grundsätzlich an den Kündigungstermin gebunden werde. Diesem Antrag sind jedoch der JA - ohne nähere Begründung (1147 BlgNR 15.GP 20) und das Plenum des Nationalrates nicht gefolgt. Dies kann, wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 57/145 = Arb 10.377 ausführlich dargelegt hat, nur so gedeutet werden, daß der Gesetzgeber die bestehende Auffassung der Judikatur von der Unverbindlichkeit der Kündigungstermine billigt (idS auch Schwarz-Holler-Holzer aaO 423 u 432; ferner Holzer, DRdA 1984, 422 Äzu § 20 c Abs 2 AOÜ und Schwarz-Löschnigg aaO 502). Den gegenteiligen Ausführungen von Krejci in Rummel aaO Rz 14, wonach letztlich auch aus den Gesetzesmaterialien nichts gewonnen werden kann, ist nicht zu folgen, da dem Gesetzgeber der gegenteilige Standpunkt des Obersten Gerichtshofes bei der Diskussion um die letztlich doch nicht erfüllte Forderung der Interessenvertretung der Arbeitnehmer nicht entgangen sein kann.

Ist daher an dieser Ansicht zur Auslegung des § 25 Abs 1 KO weiterhin festzuhalten, so kann auch für die insofern inhaltlich übereinstimmende Vorschrift des § 20 c AO nichts anderes gelten. Auch hier ist der Ausgleichsschuldner an die Einhaltung gesetzlicher Kündigungstermine nicht gebunden, zumal der Gesetzgeber des IRÄG 1983 § 20 c Abs 2 AO (so wie § 25 KO iS der E Arb 9.539 = DRdA 1978, 39 ÄHolzerÜ) zwar durch Einfügung der kollektivvertraglichen Kündigungsfristen verändert, von einem Hinweis auf Kündigungstermine jedoch abgesehen hat, obwohl ihm die einschlägige Diskussion bekannt war (Schwarz-Holler-Holzer aaO 343, 495; derselbe, Insolvenzund Arbeitsverhältnis, DRdA 1984, 422). Ist aber von der Rechtsansicht auszugehen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die zulässige "außerordentliche Kündigung" nach § 20 c AO (vgl Schwarz-Holler-Holzer aaO 343; Wachter, ZAS 1972, 96) mit 20.11.1987 in das Auflösungsstadium getreten ist und am 20.2.1988 geendet hätte, so kann der Kläger aus seinem Austritt während der bereits in Lauf befindlichen Kündigungsfrist gemäß § 25 KO schon nach der allgemeinen Regel, daß bei einer vorzeitigen Auflösung während der Kündigungsfrist Ersatzansprüche nur bis zu dem Tag gebühren, an dem das Arbeitsverhältnis auf Grund der (vorangegangenen) Kündigung geendet hätte (Kuderna, Entlassungsrecht 23; Martinek-Schwarz AngG6, 656; Arb 9.471; JBl 1986, 537), nur Ansprüche bis 20.2.1988 ableiten. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Anknüpfung des Ersatzanspruches des Klägers an den Zeitpunkt seines Austrittes nach § 25 KO (8.2.1988) und den Zeitraum, der von da an bis zu einer begünstigten Lösung des Dienstverhältnisses durch den Masseverwalter hätten verstreichen müssen (8.4.1988), ist daher verfehlt. Auf den vom Obersten Gerichtshof und vom Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochenen Grundsatz, daß der Anspruch des Dienstnehmers auf Kündigungsentschädigung mit jenem Zeitpunkt begrenzt ist, zu dem der Masseverwalter seinerseits das Dienstverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist, jedoch ohne Bindung an einen bestimmten Kündigungstermin aufkündigen

könnte (Arb 9.539; 9.904; Arb 10.093 = ZAS 1983, 107 ÄSpielbüchlerÜ;

SZ 57/145 = Arb 10.377, Arb 10.328 = ZAS 1985, 221 ÄWachterÜ;

Schwarz-Holler-Holzer aaO 437; SchwarzLöschnigg aaO 503; Krejci in Rummel2, Rz 21 zu § 1161) kommt es daher im vorliegenden Fall gar nicht an.

Da das Dienstverhältnis des Klägers letztlich nicht durch die außerordentliche Kündigung durch den Ausgleichsschuldner nach § 20 c Abs 2 AO, sondern erst im Anschlußkonkurs durch seinen Austritt nach § 25 KO gelöst worden ist, ist die Frage, ob dem Kläger über die nur für die verkürzte Kündigungsfrist gebührende Kündigungsentschädigung hinaus für die Zeit vom 21.2.1988 bis 31.3.1988 ein weitergehender Schadenersatz gebührt, nicht nach der Ausgleichsordnung, sondern nach der Konkursordnung zu beurteilen. Nach § 20 d AO stünde dem Kläger ein solcher Anspruch, sofern sich durch das außerordentliche Kündigungsrecht die ordentliche Kündigungsfrist verkürzt, zu (Schwarz-Löschnigg aaO 504; Schwarz-Holler-Holzer aaO 343, 499). Auf die vom Beklagten und der Zweitnebenintervenientin geltend gemachten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 20 d AO (bzw die Anwendung dieser Bestimmung auf Arbeitsverhältnisse) ist nicht einzugehen, weil der Oberste Gerichtshof bei der rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Falles nur die Bestimmung des § 20 c Abs 2 AO, wegen des nachfolgenden Austritts des Klägers nach § 25 KO aber nicht § 20 d AO (iS des Art 89 Abs 2 B-VG) "anzuwenden" hat. Der Kläger hält der Revision des Beklagten und der Nebenintervenientin entgegen, daß nicht § 20 d AO, der den Arbeitnehmer mit anderen Ausgleichsgläubigern gleichstelle, sondern § 25 KO, der Schadenersatzansprüche im Falle der Konkurseröffnung aus Gründen beschränke, die im Vergleich zu anderen Konkursgläubigern (§§ 21 Abs 2, 23 Abs 1 KO) eine sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellung bewirkten. Auch ein Eingehen auf diese Bedenken ist nicht erforderlich.

Die Frage, ob dem Arbeitnehmer ein Schadenersatzanspruch zusteht, wenn durch eine außerordentliche Kündigung des Masseverwalters (nach § 25 KO) die Kündigungsfrist verkürzt wird, ist strittig. Die Konkurs- und Ausgleichsnovelle 1959 entfernte die einen solchen Schadenersatz (als Konkursforderung) gewährende Bestimmung aus dem früheren § 25 Abs 2 KO, wogegen in § 20 d AO weiterhin ein solcher Anspruch bestehen blieb. Dennoch anerkannten die meisten Autoren (Kryda aaO 141; Wachter aaO ZAS 1972, 89;

Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht2 I 187; Spielbüchler;

DRdA 1982, 275; Fenyves, Erbenhaftung 353; derselbe in FS Strasser

350) weiterhin einen derartigen Schadenersatzanspruch und reihten ihn nach der Rechtslage vor dem IRÄG 1982 unter die Masseforderungen ein (Schwarz-Holler-Holzer aaO 431; vgl auch Schwarz-Löschnigg aaO 502 f). Diese Ansicht wurde damit begründet, daß die Konkurs- und Ausgleichsnovelle 1959 nur eine Besserstellung der Arbeitnehmer beabsichtigt habe. Der Oberste Gerichtshof ist dieser Meinung in der ausführlich begründeten Entscheidung SZ 53/34 = Arb 9.857) nicht gefolgt und hat dem vom Masseverwalter gemäß § 25 Abs 1 KO vorzeitig gekündigten Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Ersatz des ihm dadurch verursachten Schadens zugebilligt. Er hat in dieser Entscheidung auch darauf verwiesen, daß der Arbeitnehmer gemäß § 25 Abs 2 KO aF nicht etwa - wie bei grundloser Entlassung oder berechtigtem vorzeitigen Austritt - das volle Entgelt bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragszeit oder der vereinbarten (längeren) Kündigungsfrist, also die sogenannte "Kündigungsentschädigung" iS des § 1162 b ABGB, § 29 AngG verlangen könne, sondern sein Schadenersatz nur den tatsächlich erlittenen Schaden, also den durch die vorzeitige Kündigung verursachten Entgang an Lohn, Provisionen, Naturalbezügen und sonstigen Einkünften abzüglich des während des fraglichen Zeitraums durch anderwertige Verwertung seiner Arbeitskraft erzielten Verdienstes umfasse.

Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um einen Schadenersatzanspruch aus der Lösung des Arbeitsverhältnisses durch den Masseverwalter, sondern durch vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers. § 25 KO hat in keiner seiner Entwicklungsphasen das Problem des Schadenersatzanspruches des austretenden Arbeitnehmers geregelt (Fenyves in FS Strasser 362). Ein Ersatzanspruch des Dienstnehmers ist nur daraus abzuleiten, daß das für den Fall des Konkurses des Dienstgebers in § 25 KO normierte Austrittsrecht des Dienstnehmers einen über die Austrittsgründe des § 26 AngG hinausgehenden weiteren Austrittsgrund des Dienstnehmers schafft (bzw die Generalklausel des § 1162 ABGB konkretisiert) (Arb 7.024; Arb 9.014 = ZAS 1973/221 ÄWachterÜ; Arb 10.041; Arb 10.411), der infolge des bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zu vermutenden Verschuldens (§ 1298 ABGB; Kuderna, Das Verschulden des Arbeitgebers am vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers, DRdA 1984, 8; RdW 1988,

137) einen Ersatzanspruch des Angestellten gemäß § 29 AngG (bzw § 1162 b ABGB) auslöst (Arb. 10.041). Daß dem Arbeitnehmer, der seinen vorzeitigen Austritt gemäß § 25 Abs 1 KO erklärt, Ansprüche nach § 29 AngG (§ 1162 b ABGB) lediglich für einen kürzeren Zeitraum zustehen als bei Inanspruchnahme eines anderen Austrittsgrundes, ist nur eine notwendige Folge der in § 29 AngG vorgesehenen Bedachtnahme auf die Möglichkeit einer "ordnungsgemäßen Kündigung" des Arbeitsverhältnisses durch den Masseverwalter (§ 25 Abs 1 KO). Nur in diesem Zusammenhang, nämlich bezüglich der in § 25 Abs 1 enthaltenen Vorschriften über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Masseverwalter, käme eine Anwendung dieser Bestimmung gemeinsam mit § 29 AngG in Betracht. Nur insofern könnten verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 25 Abs 1 KO, welche aber der Oberste Gerichtshof jedenfalls für die vor dem Inkrafttreten des IRÄG bestehende Gesamtregelung als nicht gegeben erkannt hat (Arb 10.093 = ZAS 1983, 107 ÄSpielbüchlerÜ), von Bedeutung sein. Auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieses Teiles des § 25 Abs 1 KO ist aber schon deshalb nicht einzugehen, weil die Ersatzansprüche des Klägers aus dem vorzeitigen Austritt (§ 29 AngG) nicht wegen der Berücksichtigung der umstrittenen begünstigten Kündigungsmöglichkeit durch den Masseverwalter nach § 25 Abs 1 KO (die zu einer fiktiven Auflösung mit 8.4.1988 geführt hätte), sondern wegen der bereits im Ausgleichsverfahren erfolgten Kündigung seines Dienstverhältnisses durch den Ausgleichsschuldner mit 20.2.1988 begrenzt sind. Da die Ersatzansprüche des Klägers bis 20.2.1988 erfüllt wurden, ist der Revision Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Da der Zweitnebenintervenient hier nicht parteifähig ist, kam eine Auferlegung von Kosten nicht in Betracht. Ob allfällige Amtshaftungsansprüche gegen den Bund bestehen, ist hier nicht zu beurteilen.

Anmerkung

E20742

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0090OB00901.9.0425.000

Dokumentnummer

JJT_19900425_OGH0002_0090OB00901_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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