Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Herbert Vesely und Walter Bacher als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gustav P***, Angestellter, Perchtoldsdorf, Balthasar-Krauss-Gasse 36, vertreten durch Dr. Werner Neuner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei M*** Selbstbedienungs-Großhandel Gesellschaft mbH, Vösendorf, Ortsstraße 23-37, vertreten durch Dr. Viktor Wolczik und Dr. Alexander Knotek, Rechtsanwälte in Baden, wegen Unwirksamerklärung einer Kündigung und einer Entlassung (Streitwert S 120.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. November 1989, GZ. 33 Ra 96/89-56, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 21. Februar 1989, GZ. 23 Cga 1087/88-47, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 1.8.1984 bei der Beklagten zuletzt als Betriebsleiter beschäftigt. Mit Schreiben vom 11.3.1987 entband die Beklagte den Kläger von der Erbringung weiterer Arbeitsleistungen. Mit einem weiteren Schreiben vom 19.3.1987 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.5.1987 und forderte den Kläger auf, das Betriebsgelände und die Betriebsräumlichkeiten ab sofort nicht mehr zu betreten. Am 24.3.1987 wurde der Kläger telegraphisch entlassen. Mit der am 27.3.1987 eingebrachten Klage begehrt der Kläger nach entsprechender Anleitung, sowohl die Entlassung als auch die Kündigung für unwirksam zu erklären. Der gemeinsame Betriebsrat der Beklagten habe der willkürlichen Kündigung, die auch sozial ungerechtfertigt sei, widersprochen. Es gebe keine betrieblichen Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstünden. Hingegen sei der Kläger in seiner Existenz gefährdet bzw. für die Zukunft finanziell erheblich schlechter gestellt. Er habe für seine schulpflichtigen Kinder zu sorgen und sei mit Kreditraten belastet. Es sei fraglich, inwieweit er wieder einen Arbeitsplatz erlangen könne.
Mit dem Verbot, das Betriebsgelände nicht mehr zu betreten, habe die Beklagte das Ziel verfolgt, dem Kläger jegliche Kontaktaufnahme mit dem Betriebsrat zu verwehren und ihn von der Teilnahme an einem Staplerfahrerkurs auszuschließen. Als er am 24.3.1987 das Büro des Betriebsrats aufsuchen habe wollen, hätten zwei Betriebsleiter versucht, ihn tätlich daran zu hindern. Daraufhin habe die Beklagte völlig ungerechtfertigt und willkürlich die Entlassung ausgesprochen. Die Beklagte bestritt das Klagevorbringen und beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Vom Beginn seiner Tätigkeit an habe es ständig Beschwerden über den Kläger gegeben. So habe er ständig private Telefongespräche auf Kosten der Beklagten geführt, keinerlei Bereitschaft gezeigt, sich von den anderen Betriebsleitern umfassende Informationen zu verschaffen, seinen PKW verbotenerweise auf dem Kundenparkplatz abgestellt, sich an den Verkostungsständen unerlaubt diverse Alkoholika reichen lassen, die Vorbereitung für die Jahresinventur 1986 nur mangelhaft erledigt, Kunden schlecht behandelt und den Geschäftsführer und Prokuristen der Beklagten, Horst T***, der Äußerung nachweisbarer Unwahrheiten bezichtigt. Auf Grund dieses Verhaltens sei der Kläger vorerst vom Dienst freigestellt und, als er sein Verhalten fortgesetzt habe, gekündigt worden.
Trotz des erteilten Hausverbots habe der Kläger die Möglichkeit gehabt, Kontakt mit dem Betriebsrat aufzunehmen. Der Kläger sei jedoch am 23.3.1987 erschienen, um in den Betriebsräumlichkeiten der Beklagten an einem Staplerfahrerkurs teilzunehmen. Am 24.3.1987 habe sich der Kläger den Zutritt zum Kursraum gewaltsam erzwungen. Nach einer Intervention durch die Gendarmerie sei die Entlassung ausgesprochen worden.
Das Erstgericht wies im ersten Rechtsgang das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß der Kläger einen Entlassungsgrund im Sinne des § 27 AngG verwirklicht habe. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf. Es liege zwar kein Entlassungsgrund vor, doch seien noch die behaupteten Voraussetzungen des § 105 Abs 3 ArbVG zu prüfen (9 Ob A 74/88).
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. Es traf folgende für das Revisionsverfahren wesentliche Feststellungen:
Der zum Zeitpunkt der Auflösungserklärung 38 Jahre alte Kläger hatte eine Lehre bei der Fa. M*** absolviert und war bis 1971 als Erster Verkäufer praktisch stellvertretender Filialleiter. Anschließend arbeitete er als Vertreter von Sanitärprodukten, wobei er es bis zum Verkaufsrepräsentanten für Ost- und Südösterreich brachte. Nach dem Abschluß eines Lehrganges für Hörgeräte und Akustik im WIFI war er im Jahr 1973 bei der Firma P*** mit dem Verkauf von Hörgeräten sowie der Anpassung und Untersuchung der Probanden beschäftigt. Es oblag ihm auch die Einschulung des Fachpersonals bei den Optikern und die Einführung von Audiometern. Er wechselte nach einem Jahr in den Bereich Bürotechnik und besuchte über zwei Jahre einen Tag monatlich einen Marketingkurs beim Ausbildungsinstitut Herberstein. Daneben hielt er auch noch Seminare für den Vertrieb von Büroartikeln. Da er auch für den Vertrieb der Personalcomputer eingesetzt wurde, erhielt er eine diesbezügliche Schulung, die ingesamt 2 1/2 bis 3 Jahre dauerte, mit einem fünfwöchigen Einschulungskurs begann und einer anschließenden Schulung in der Dauer von ein bis zwei Tagen pro Monat endete. Ab dem Jahre 1981 war der Kläger im Vertrieb von Hochleistungsdruckern und EDV-Zubehör tätig.
In der Folge arbeitete der Kläger bei der Fa. A & O in Zwettl als Vertriebsleiter. Er erhielt dort eine betriebswirtschaftliche Ausbildung und war Vorgesetzter über 85 Arbeitnehmer. Da er jedoch wieder in den Raum Wien zurückwollte, meldete er sich über ein Inserat bei der Beklagten. Er wurde insgesamt vier Monate in den Filialen Graz und Langenzersdorf eingeschult und schließlich in die Filiale Vösendorf überstellt, wo er zuletzt als Betriebsleiter beschäftigt war und S 24.669 brutto pro Monat verdiente. Zusätzlich zu seinen beruflichen Erfahrungen hatte der Kläger auch die Sanitätsprüfung des Roten Kreuzes abgelegt.
Auf Grund der Ausbildung und der beruflichen Erfahrungen des Klägers wäre er ohne sozialen Abstieg mit guten Verdienstmöglichkeiten allgemein am Arbeitsmarkt zu vermitteln gewesen; dies sowohl zum Zeitpunkt der Auflösungserklärungen als auch noch in einem Zeitraum von einem halben bis einem Jahr danach. In der Handelsbranche besteht ein Mangel an berufserfahrenen Führungskräften, so daß sich die vielseitige Berufserfahrung des Klägers, insbesondere auch im Bereich EDV, hier positiv auswirkte. Altersspezifische Vermittlungsprobleme treten erst in einem Alter der Arbeitnehmer zwischen 45 und 50 Jahren auf. Als Marktleiter hätte der Kläger z.B. ein monatliches Bruttogehalt zwischen S 30.000 und S 35.000 erzielen können. Im bürotechnischen Bereich verdienen Spitzenverkaufskräfte Bruttomonatsgehälter zwischen S 30.000 und S 45.000. Der Umstand, daß das vorangegangene Dienstverhältnis durch eine Entlassung beendet wurde, bewirkte keinen gravierenden Unterschied in der Vermittelbarkeit. Erst etwa nach einem halben bis einem Jahr Abwesenheit vom Arbeitsmarkt wären Vermittlungsprobleme entstanden.
Obwohl sich der Kläger wiederholt und immer wieder um eine Stelle beworben hat und er auch einige Führungspositionen mit einer besseren Einstufung als bei der Beklagten erhalten hätte können, blieben seine Bewerbungen allein deshalb erfolglos, weil er das gegenständliche Verfahren anhängig hatte; nur dieses Verfahren, das auf die Weiterführung des alten Dienstverhältnisses mit der Beklagten gerichtet ist, war ihm bei seinen Bewerbungen hinderlich. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß bei Prüfung der Frage, ob wesentliche Interessen des Gekündigten beeinträchtigt seien, auf eine vom Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses ausgehende Prognose über die nach diesem Zeitpunkt aller Voraussicht nach wirksam werdenden Folgen der Kündigung abzustellen sei. Das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung wesentlicher Interessen sei nur dann erfüllt, wenn die durch die Kündigung bewirkte finanzielle Schlechterstellung ein solches Ausmaß erreiche, daß sie eine fühlbare, ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage zur Folge habe. Eine solche Beeinträchtigung könne aber dann nicht eintreten, wenn der gekündigte Arbeitnehmer in der Lage sei, jederzeit eine neue Anstellung, womöglich noch in einer besseren Verwendung, zu erlangen. In diesem Fall trete durch die Beendigung des Dienstverhältnisses keine Interessenbeeinträchtigung ein, da an dieses unmittelbar ein weiteres Dienstverhältnis anschließe und sohin lediglich der Dienstgeber wechsle. So habe der Kläger auch schon vorher mehrmals den Dienstgeber gewechselt.
Soweit allein das anhängige Anfechtungsverfahren die Vermittelbarkeit eines Arbeitnehmers erschwere, könne dies nicht dazu führen, daß dadurch erst die Voraussetzungen für den Erfolg des Verfahrens geschaffen würden. Unter Bezug auf den genannten Prognosezeitraum sei nicht davon auszugehen, daß ein gut vermittelbarer Arbeitnehmer überhaupt ein Anfechtungsverfahren führe, da der Gesetzgeber eine solche Möglichkeit eben nur für jene Arbeitnehmer vorgesehen habe, deren wesentliche Interessen durch die Kündigung beeinträchtigt seien. Da die Beeinträchtigung wesentlicher Interessen sowohl für die Entlassung als auch für die Kündigungsanfechtung eine unabdingbare Voraussetzung bilde, die aber nicht gegeben sei, sei das Klagebegehren schon aus diesem Grunde abzuweisen, ohne daß auf die von der Beklagten eingewendeten und festgestellten Kündigungsgründe und deren Tragfähigkeit in Abwägung mit den Interessen des Klägers eingegangen werden müßte. Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 30.000,-- übersteige. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß bei der Beurteilung der wesentlichen Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitnehmers nicht nur auf die Möglichkeit der Erlangung eines neuen, einigermaßen gleichwertigen Arbeitsplatzes, sondern auf die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers abzustellen sei. Dabei sei der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung nur grundsätzlich entscheidend, weil das Vorliegen objektiver Umstände bis zur Entscheidung erster Instanz zu berücksichtigen sei. Bei kurzer Dauer des Anfechtungsverfahrens sei die Beurteilung der sozialen Härte oft nur in Form einer Prognose möglich, wie sie sich im Zeitpunkt der Entscheidung über die Anfechtung darstelle. Ansonsten komme es aber grundsätzlich auf die Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse bis zur Entscheidung an; sohin auf den Zeitraum von der beabsichtigten Beendigung des Dienstverhältnisses durch Entlassung am 24.3.1987 bis zu der am 21.2.1989 ergangenen Entscheidung erster Instanz. Da dem Kläger in seiner konkreten Situation die Erlangung einer gleichwertigen Beschäftigung für die Dauer des Verfahrens tatsächlich nicht möglich gewesen sei - er habe erst seit 1.7.1989 eine mit monatlich S 35.000 brutto dotierte Stellung als zweiter Geschäftsführer erhalten - reiche eine sonst übliche Prognose der theoretischen Vermittelbarkeit nicht aus. Das Betreiben eines vom Gesetz eingeräumten Anfechtungsverfahrens dürfe dem Arbeitnehmer nicht zum Nachteil gereichen. Da die lange mit der Art der Beendigung des Dienstverhältnisses in Zusammenhang stehende, vom Kläger nicht verschuldete Arbeitslosigkeit eine wesentliche finanzielle Schlechterstellung bewirkt habe, sei sohin von einer wesentlichen Interessenbeeinträchtigung des Klägers auszugehen. Umstände, die in der Person des Klägers lägen, und die betriebliche Interessen nachteilig berührten, seien nicht gegeben. Seine Kündigung sei als sozial ungerechtfertigt anzusehen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Der vom Kläger "vorsichtshalber" geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Vom Berufungsgericht nicht als gegeben erachtete Mängel des Verfahrens erster Instanz können in der Revision nicht mit Erfolg als Mangel des Berufungsverfahrens gerügt werden (SZ 27/4; RZ 1989/16 uva.). Im übrigen hat das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichts auf Grund eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung zur Gänze übernommen.
Wie der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen hat, ist bei der Beurteilung des Anfechtungsgrundes des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG unter Anlegung eines objektiven Maßstabes primär zu prüfen, ob wesentliche Interessen des gekündigten - seit wenigstens 6 Monate Beschäftigten - Arbeitnehmers beeinträchtigt sind. Für diese Umstände ist der anfechtende Kläger behauptungs- und beweispflichtig. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der durch die angefochtene Kündigung herbeigeführten Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Konkretisierungszeitpunkt). Entscheidend ist eine vom Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgehende Prognose über die nach diesem Zeitpunkt aller Voraussicht nach wirksam werdenden Folgen der Kündigung für die wesentlichen Interessen der Arbeitnehmer (vgl. Kuderna, Die sozial ungerechtfertigte Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG, DRdA 1975, 9 ff., 12; DRdA 1989/24 mwH). Insoweit ist auch die künftige Entwicklung der Verhältnisse nach der Kündigung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses heranzuziehen, soweit diese mit der angefochtenen Kündigung noch in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen (Kuderna aaO; DRdA 1989/23 mit Bespr. von Floretta). Das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung wesentlicher Interessen ist erfüllt, wenn die durch die Kündigung bewirkte finanzielle Schlechterstellung ein solches Ausmaß erreicht, daß sie eine fühlbare, ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage zur Folge hat, ohne daß es dabei schon zu einer sozialen Notlage oder Existenzgefährdung kommen müßte. Auf die Beibehaltung des konkreten Arbeitsplatzes und die Aufrechterhaltung eines bestimmten Arbeitsverhältnisses kann es dabei - ungeachtet der Vorteile einer längeren Betriebszugehörigkeit - in der Regel nicht ankommen.
Auch wenn es belanglos ist, ob bestimmte Auswirkungen der Kündigung auf die soziale Interessenssphäre des betroffenen Arbeitnehmers für den Arbeitgeber vorhersehbar sind (vgl. Kuderna aaO 13), muß es für beide Teile absehbar sein, ob im konkreten Fall eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung vorliegen wird oder nicht. Wie Tomandl (Bemerkungen zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum allgemeinen Kündigungsschutz, ZAS 1984, 203 ff, 206 f) zutreffend ausführt, ist dem ArbVG nicht zu unterstellen, daß jeder Kündigungsfall ein Kündigungsschutzverfahren auslöst; es soll vielmehr vor allem bewirkt werden, daß sozial ungerechtfertigte Kündigungen unterbleiben.
Die Anfechtung der Entlassung setzt gemäß § 106 Abs 2 ArbVG voraus, daß ein Anfechtungsgrund im Sinne des § 105 Abs 3 ArbVG vorliegt und die Entlassung ungerechtfertigt ist. Insoweit gehen zwar Kündigungs- und Entlassungsschutz von verschiedenen Auflösungserklärungen des Arbeitgebers aus, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen, aber sie greifen dann mit den gleichen sachlichen Mitteln diese Auflösungserklärung an, um den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu schützen (Floretta in Floretta-Strasser, Handkomm.z.ArbVG 681 f). Obgleich die Entlassung ungerechtfertigt erfolgte (9 Ob A 74/88), beendete sie mangels Sozialwidrigkeit das Arbeitsverhältnis des Klägers. Ausgehend von den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen, daß der Kläger zum Zeitpunkt der Entlassung einige Führungspositionen mit einer besseren Einstufung als bei der Beklagten erhalten hätte können und daß seine Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt auch allgemein gut war, ist dem Erstgericht beizupflichten, daß die Auflösungserklärung der Beklagten nicht sozial ungerechtfertigt war. Es liegt diesbezüglich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes keine hypothetische Prognose, sondern eine konkrete Feststellung vor. Der Kläger sagte selbst aus, daß er höher eingestufte Positionen deshalb nicht erhalten habe, weil der Prozeß anhängig sei; in den Gesprächen sei ihm gesagt worden, daß man warten wolle, bis der Prozeß beendet sei. Der Kläger hat sich damit, daß er sohin bei bester Möglichkeit der lückenlosen Weiterbeschäftigung ein Anfechtungsverfahren dennoch anstrengte, was ihm an sich unbenommen war, gewissermaßen selbst in eine Lage versetzt, durch die seine wesentlichen Interessen beeinträchtigt wurden. Es ist daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht auf die tatsächliche Arbeitslosigkeit des Klägers bis zur Entscheidung erster Instanz abzustellen, sondern, wie das Erstgericht zutreffend ausführte, darauf, daß im zusammenfallenden Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses und der Anfechtung keine wesentlichen Interessen des Klägers im Sinne des § 105 Abs 3 ArbVG beeinträchtigt waren.
Die Kostenentscheidung ist in § 58 Abs 1 ASGG sowie in den §§ 40 und 50 ZPO begründet. Die obsiegende Beklagte verzeichnete keine Revisionskosten.
Anmerkung
E20763European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00067.9.0425.000Dokumentnummer
JJT_19900425_OGH0002_009OBA00067_9000000_000