TE OGH 1990/4/25 9ObA54/90

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.04.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Walter Bacher als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Herbert Z***, Angestellter, Wien 21, Skraupstraße 24/40/3, vertreten durch Dr.Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V*** A*** Gesellschaft mbH, Hard, Schäfferhofstraße 15, vertreten durch DDr.Walter Barfuß ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen 299.203,10 S brutto und 27.686,60 S netto sA (Revisionsstreitwert 314.378,70 S), infolge der auch als Rekurs zu behandelnden Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10.November 1989, GZ 34 Ra 117/89-48, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 21.Februar 1989, GZ 4 Cga 2025/86-36, teils bestätigt, teils abgeändert, teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

I. den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1) Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung eines 118.171,02 S brutto sA übersteigenden Mehrbegehrens von 142.016,08 S brutto sA richtet, zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden diesbezüglich gegenseitig aufgehoben.

2) Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die diesbezüglichen Kosten des Verfahrens 3. Instanz sind weitere Verfahrenskosten.

II. zu Recht erkannt:

Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die diesbezüglichen Kosten des Verfahrens 3. Instanz sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 3.September 1982 bis 5.November 1985 bei der beklagten Partei beschäftigt, und zwar bis Ende Mai 1983 als Bezirksleiter, danach bis Ende Mai 1984 als Verkaufsleiteranwärter und ab 1.Juni 1984 als Verkaufsleiter.

Abschnitt XV (Reisekosten- und Reiseaufwandsentschädigung) des Kollektivvertrages der Handelsangestellten enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

"1. Die Bestimmungen dieses Abschnittes finden keine Anwendung, wenn durch Betriebsvereinbarung oder einzelvertragliche Regelung Reisekosten- und/oder Reiseaufwandsentschädigung geregelt oder mit einem vereinbarten Pauschalsatz oder Entgelt Reisekosten und/oder Reiseaufwand abgegolten werden. .......

9. Verfall von Ansprüchen:

Ansprüche im Sinne dieses Abschnittes müssen spätestens innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Dienstreise bzw. der vereinbarten oder aufgetragenen Vorlage des Fahrtenbuches bei sonstigem Verfall beim Arbeitgeber durch Rechnungslegung bzw. Vorlage des Fahrtenbuches geltend gemacht werden."

In der einen Teil des Kollektivvertrages bildenden Gehaltsordnung heißt es unter anderem:

"A (Allgemeiner Teil)

1. a) Angestellten und Lehrlingen ist ein monatliches

Mindestentgelt nach den in den Gehaltstafeln nach

Beschäftigungsgruppen, Berufsjahren und Gehaltsgebieten gestaffelten

Sätzen zu bezahlen. Die in den Gehaltstafeln angeführten

Brutto-Monatsgehälter sind Mindestsätze. .......

6. Als Berufsjahre für die Einstufung in die Gehaltstafeln

gelten nur die Jahre der praktischen Angestelltentätigkeit sowie die

Jahre der Tätigkeit als selbständiger Kaufmann. Lehrzeit oder die

die Lehrzeit gemäß F.II, j, ersetzenden drei Angestelltendienstjahre

fallen nicht darunter. Die Zeiten der Wehrdienstleistung,

Notdienstverpflichtung und Arbeitsdienst werden nur dann als

Berufsjahre gewertet, wenn zur Zeit der Einberufung ein

Angestellten- bzw. Lehrverhältnis bestanden hat. .......

D (Sonderzahlungen für Platzvertreter mit Provision und Reisende

mit Provision)

.......

b) Platzvertreter und Reisende, mit denen nur Provisionen

vereinbart sind, erhalten spätestens am 31.Dezember Sonderzahlungen

in dem Ausmaß, als sie mit ihrem im abgelaufenen Kalenderjahr ins

Verdienen gebrachten Provisionseinkommen einschließlich

Urlaubsentgelt und allfälligem Krankenentgelt aber ausschließlich

Überstundenentgelt das 14-fache des Durchschnittssatzes nach

Beschäftigungsgruppe 3 bzw. 4 nicht erreicht haben. .......

Das kollektivvertragliche Mindestgehalt betrug in der Beschäftigungsgruppe 3, 18. Berufsjahr, im Jahre 1983 11.285 S brutto, in der Beschäftigungsgruppe 4, 18. Berufsjahr, im Jahr 1983 13.950 S brutto, im Jahr 1984 14.420 S brutto und im Jahr 1985 15.170 S brutto.

Der Kläger begehrte 272.034,89 S netto sA (laut Ausdehnung AS 25). Er sei auf Grund seiner Tätigkeit und seiner Vordienstzeiten gemäß dem Kollektivvertrag der Handelsangestellten in die Beschäftigungsgruppe 4 im 18. Beschäftigungsjahr einzustufen gewesen. Als Bezug habe der Kläger Provision, eine Superprovision von 2 % des Provisionsumsatzes, einen Spesenhöchstbetrag bis zu 1 % des Umsatzes und eine Regiekostenzulage von 1 % sowie Urlaubszuschuß und Weihnachtsremuneration erhalten. Die an den Kläger ausgezahlten Provisionen und Sonderzahlungen hätten das kollektivvertragliche Mindestentgelt nicht erreicht. Weiters sei der Kläger zu Unrecht mit Messespesen belastet worden und seien ihm andererseits im Zeitraum Juli bis September 1985 erwachsene Spesen nicht ersetzt worden. Der Kläger habe zur Bewältigung der vorgeschriebenen Aufgaben und Umsatzziele mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten müssen und im Jahre 1984 durchschnittlich 14, im Jahre 1985 durchschnittlich 6 Überstunden pro Woche geleistet.

Mit Schreiben vom 21.Oktober 1985 habe der Kläger die beklagte Partei aufgefordert, seinen offenen August- und Septembergehalt sowie die Spesen für Juli bis September 1985 zu überweisen und einen zu Unrecht einbehaltenen Betrag auszuzahlen. Er habe der beklagten Partei eine Zahlungsfrist bis 4.November 1985 unter Androhung des Austrittes gesetzt. Am 4.November 1985 sei dem Kläger von der Zentralsparkasse, Zweigstelle Ottakring, schriftlich mitgeteilt worden, daß das Gehalt in Höhe von 19.463 S von der beklagten Partei rückgefordert werde, sodaß dem Kläger dieser Betrag nicht zur Verfügung gestanden sei. Die Überweisung des Gehalts für Oktober 1985 in Höhe von 11.091 S sei erst am 6.November 1985 erfolgt. Der Kläger habe daher mit Schreiben vom 5.November 1985 seinen Austritt erklärt. Erst nach der Austrittserklärung sei ihm von der Zentralsparkasse mitgeteilt worden, daß die Mitteilung über die Sperre irrtümlich erfolgt sei und dem Kläger der Betrag von 19.463 S gutgeschrieben worden sei.

Im einzelnen machte der Kläger folgende Beträge geltend:

1. Differenz zwischen kollektivvertraglichem Mindestgehalt und

ausgezahlten Provisionen und Sonderzahlungen für die Jahre 1983 bis

1985 brutto 117.562,60 S

das ergibt netto                                95.931,08 S

2. zu Unrecht einbehaltene Messespesen

netto                                           12.511,-- S

3. Differenz zwischen von Juli bis

September 1985 geltend gemachten Kilometer-

geld und Taggeldern von 26.190,60 S und

darauf gezahlten Ersparnisprämien von

11.015 S netto                                  15.175,60 S

4. Überstundenentgelt für den Zeitraum

1. April 1984 bis 31.Juli 1985 brutto

94.737,14 S, das ergibt netto                   71.260,47 S

5. Kündigungsentschädigung für den Zeit-

raum 6.November bis 31.Dezember 1985

inklusive Sonderzahlungen von brutto

32.446,95 S, das ergibt netto                   23.789,45 S

7. zwei Monatsentgelte Abfertigung von

brutto 35.396,67 S, das ergibt netto            34.688,74 S

8. Urlaubsentschädigung für 28 Werktage

brutto 19.059,74 S, das ergibt netto            18.678,55 S

netto                                          272.034,89 S

Insgesamt macht der Kläger daher Bruttobeträge von 299.203,10 S, entsprechende Nettobeträge von 244.348,29 S sowie weitere (reine) Nettobeträge von 27.686,60 S geltend.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Während der Beschäftigung als Bezirksleiter sei der Kläger in Beschäftigungsgruppe 3, danach in Beschäftigungsgruppe 4 einzustufen gewesen. Vordienstzeiten seien nicht anzurechnen gewesen, weil der Kläger hiezu weder Urkunden vorgelegt noch entsprechende Angaben gemacht habe. Der Kläger sei daher im Jahr 1983 fünf Monate in Beschäftigungsgruppe 3 und sieben Monate in Beschäftigungsgruppe 4, jeweils zweites Berufsjahr, im Jahre 1984 zwölf Monate in Beschäftigungsgruppe 4, drittes Berufsjahr, sowie im Jahr 1985 zehn Monate in Beschäftigungsgruppe 4, drittes Berufsjahr, einzustufen gewesen. Er habe an Provisionen und Superprovisionen jeweils mehr als das kollektivvertragliche Mindestgehalt erhalten. Die Spesenforderungen bestünden nicht zu Recht, weil sie nicht entsprechend dem Kollektivvertrag spätestens zwei Monate nach der Dienstreise bzw. der Messe geltend gemacht worden seien. Darüber hinaus stünden diesen Ansprüchen auch einzelvertragliche Regelungen über Spesenhöchstbeträge entgegen. Überstunden seien nicht geleistet worden; die Eintragungen in den Fahrtenblättern ergäben darüber hinaus kein verläßliches Bild. Der Kläger sei am 11.September 1985 anschließend an einen Urlaub dienstfrei gestellt worden. Am 14. Oktober 1985 habe sich der Kläger krank gemeldet und unter Androhung des Austrittes per 4.November 1985 die Zahlung eines angeblich ungerechtfertigt zurückbehaltenen Betrages von 19.463 S begehrt. Die beklagte Partei habe daraufhin diesen Betrag innerhalb der vom Kläger gesetzten Frist überwiesen, das Dienstverhältnis zum 31. Dezember 1985 gekündigt und die Dienstfreistellung zurückgenommen. Daraufhin habe der Kläger seinen Austritt zum 5. November 1985 mitgeteilt.

Das Erstgericht gab der Klage im Umfang eines Teilbetrages von 125.919,36 S brutto und von 27.686,60 S netto sA statt und wies das Mehrbegehren von 173.283,74 S brutto sA ab.

Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Bei der Aufnahme des Klägers wurde nicht über Vordienstzeiten gesprochen. Nach dem Versicherungsnachweis vom 1.Oktober 1986 hatte der Kläger bis zum Eintritt bei der beklagten Partei einschließlich der Zeiten der selbständigen Erwerbstätigkeit

259 Versicherungsmonate, das wären 21,58 Dienstjahre, zurückgelegt, sodaß der Kläger im 18. Berufsjahr einzustufen ist. Bezirksleiter und Verkaufsleiteranwärter erhalten - neben Provisionen für eigene Umsätze - auf Basis des Provisionsumsatzes einschließlich eigener Verkäufe 2 % (bei höherem Umsatz 3 %) Superprovision und 1 % Spesenersatz (Spesenhöchstbetrag). Der Verkaufsleiter erhält daneben noch einen weiteren Spesenhöchstbetrag von 1 % des Umsatzes unter der Bezeichnung "Regiekostenzuschlag". Erreichen die nachgewiesenen Spesen nicht die Spesenhöchstbeträge, wird die Differenz als Ersparnisprämie nach Abzug von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen ausgezahlt.

Der Kläger erhielt im Jahr 1983 an Provisionen und Sonderzahlungen 197.027 S, im Jahr 1984 an Provisionen 34.950 S, an Superprovisionen 130.371 S, an Zulagen 100 S, an Abschlußersparnissen 20.957 S, an Sonderzahlungen 31.262,58 S und an Leistungsprämien 25.000 S und daher einen Bruttobezug von 242.640,58 S; im Jahr 1985 erhielt er 7.811 S Provisionen, 79.153 S Superprovisionen, 26.000 S Prämien und 27.961,76 S an Sonderzahlungen. An Messespesen wurden im Jahr 1983 insgesamt 12.511 S netto einbehalten.

Am 18.September 1985 übersandte der Kläger die Spesenabrechnung für Juli und September 1985.

Mit Schreiben vom 21.Oktober 1985 teilte der Kläger der beklagten Partei mit, daß er weder den August- noch den Septembergehalt erhalten habe. Überdies forderte er den Betrag von

19.463 S, den die beklagte Partei einbehalten habe. Weiters nannte der Kläger seine Spesenforderungen für Juli und September 1985 von 26.190,60 S. Wörtlich heißt es dann: "Bis 4.November gebe ich Ihnen Gelegenheit, diesen Betrag auf mein Gehaltskonto zu überweisen. Sollte dies nicht geschehen, sehe ich mich gezwungen, einen berechtigten vorzeitigen Firmenaustritt bekanntzugeben."

Der Betrag von 19.463 S wurde als Warenwert von Kommissionsware in Abzug gebracht, die der Kläger trotz mehrmaliger Aufforderung des Landesleiters nicht zurückgestellt hatte. Dieser Betrag wurde von der beklagten Partei am 31.Oktober 1985 an den Kläger überwiesen. Am 31. Oktober 1985 langte um 12.02 Uhr bei der Zentralsparkasse und Kommerzialbank Wien ein telefonisches Aviso ein, wonach ein Betrag von 19.463 S auf das dortige Gehaltskonto des Klägers zu buchen sei. Auf Grund eines derartigen Avisos ist der Kunde zu verständigen, daß er über diesen Betrag sofort, bevor noch eine Buchung erfolgt ist, verfügen kann. Infolge eines durch schlechtes Einlegen des Papiers verursachten Übermittlungsfehlers wurden von dem Aviso die Buchstaben TEL 1 nicht vollständig ausgedruckt, sondern nur verstümmelt mit L 1 wiedergegeben. Trotz dieses Fehlers mußte der Sachbearbeiterin klar sein, daß es sich um ein Telefonaviso handelt, auf Grund dessen eine Buchung vorzunehmen ist. Die Sachbearbeiterin nahm jedoch auf Grund des nur für den Kunden bestimmten Textes an, daß dieser Betrag rückgefordert wird und verfügte eine Sperre, die dem Kläger am 4.November 1985 schriftlich bestätigt wurde. Daraufhin richtete der Kläger an die beklagte Partei am 5.November 1985 folgendes Schreiben: "Leider mußte ich feststellen, daß meine Gehaltsnachzahlung nicht termingerecht per 4.November 1985 erfolgte. Zudem wurde der Septembergehalt kontomäßig gesperrt. Aus diesem Grund erkläre ich mit heutigem Tag, gemäß den Bestimmungen des § 26 des Angestelltengesetzes, den berechtigten vorzeitigen Austritt ......."

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß dem kollektivvertraglichen Mindesteinkommen nur die Provisionen, Superprovisionen, Sonderzahlungen und Prämien gegenüberzustellen seien. Lediglich im Jahre 1985 habe der Kläger mit aus diesen Titeln erhaltenen 140.926 S brutto (um 39.016 S brutto) weniger als den sich bei Einstufung in Beschäftigungsgruppe 4, 18. Berufsjahr, ergebenden kollektivvertraglichen Mindestgehalt von 179.942 S brutto erhalten. Die Messespesen stünden dem Kläger zu, weil die beklagte Partei nicht berechtigt sei, solche Spesen in Abzug zu bringen. Die für Juli bis September begehrten Spesen seien nicht verfallen, weil sie bereits im September schriftlich geltend gemacht worden seien. Der Austritt sei vom Kläger zu Recht erklärt worden, weil die beklagte Partei zwar seiner Zahlungsaufforderung nachgekommen sei, der Kläger aber durch einen Fehler der Bank am 4.November 1985 über diesen Betrag nicht verfügen konnte. Die Höhe der Ansprüche sei von der beklagten Partei nicht bestritten worden; das Gericht gehe daher gemäß § 273 ZPO von der Berechnung des Klägers aus. Dieses Urteil wurde von der beklagten Partei bezüglich des gesamten stattgebenden Teiles, vom Kläger nur hinsichtlich der Abweisung eines Mehrbegehrens von 31.267,66 S brutto sA bekämpft. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht, der Berufung der beklagten Partei hingegen teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß unter Einbeziehung des unangefochten gebliebenen und des bestätigten Teiles mit Teilurteil dem Klagebegehren mit einem Betrag von 12.511 S netto sA stattgegeben und das Mehrbegehren von 260.187,10 S brutto sA abgewiesen wurde; im übrigen - hinsichtlich der Beträge von 15.175,60 S netto und 39.016 S brutto sowie im Kostenpunkt - wurde das Ersturteil aufgehoben und die Sache in diesem Umfang unter Setzung eines Rechtskraftvorbehaltes an das Erstgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß sämtliche Entgeltleistungen des Arbeitgebers, die nicht Aufwandersatz seien, auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt anzurechnen seien; das Begehren des Klägers, diverse Zulagen, nämlich Schmutzzulage, Ersparnisprämie, Punkteprämie und Anwerbeprämie, nicht anzurechnen, sei daher unberechtigt. Die beklagte Partei sei nicht im Recht, soweit sie die Anrechnung von Vordienstzeiten mit der Begründung ablehne, sie seien ihr nicht bekannt gegeben worden. Die Berufsjahre seien als Folge der Unabdingbarkeit kollektivvertraglicher Arbeitnehmeransprüche unabhängig von der Kenntnis des Arbeitgebers entgelterhöhend anzurechnen. Dennoch sei die Sache diesbezüglich nicht spruchreif, weil die auf Grund des Versicherungsnachweises getroffenen Feststellungen über vom Kläger erworbene Versicherungszeiten nicht die Beurteilung ermöglichten, wie viele Berufsjahre im Sinne von Abschnitt A Punkt 6 der Gehaltsordnung zum Kollektivvertrag der Kläger zurückgelegt habe. Der vorzeitige Austritt sei nicht berechtigt. Durch die Bekanntgabe eines Gehaltskontos bei einer Bank seiner Wahl ermächtigte der Arbeitnehmer den Arbeitgeber, die Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis mit schuldbefreiender Wirkung durch Überweisung auf dieses Konto zu tilgen; die Gefahr gehe daher schon bei Einlangen bei diesem Geldinstitut auf den Arbeitnehmer über. Ebensowenig wie der bloße Verdacht eines Entlassungsgrundes den Arbeitgeber zur Entlassung berechtigte, werde der Arbeitnehmer durch den von seinem Geldinstitut veranlaßten Anschein eines Austrittsgrundes zum Austritt berechtigt. Der auf die Titel der Abfertigung, Kündigungsentschädigung und Urlaubsentschädigung gestützte Teil des Klagebegehrens sei daher unberechtigt. Der begehrte Spesenersatz für den Zeitraum Juli bis September 1985 von 15.175 S netto stehe dem Kläger im Hinblick auf die vereinbarte Pauschalierung mit 1 % des Provisionsumsatzes nur soweit zu, als das dem Kläger nach Abzug des dem pauschalierten Spesenersatz übersteigenden Teiles der Spesen verbleibende Entgelt hinter dem kollektivvertraglichen Mindestentgelt zurückbleibe. Um diesen Anspruch des Klägers auf die Differenz zum kollektivvertraglichen Mindestentgelt unter Berücksichtigung allfälliger, über das Pauschale hinausgehender Spesen zu beurteilen, reichten die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nicht aus. Hingegen sei der Anspruch des Klägers auf Ersatz der Messespesen von 12.511 S netto berechtigt.

Gegen dieses Urteil und diesen Beschluß - und zwar gegen die Abweisung eines Bruttobetrages von 260.187,10 S sA sowie die Aufhebung hinsichtlich der Beträge von 15.175,60 S netto und 39.016 S brutto sA richten sich die Revision und der (unrichtig als Revision bezeichnete) Rekurs des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil (und den angefochtenen Beschluß) im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision (und dem Rekurs) nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich die Revision gegen die Abweisung eines Bruttobetrages von mehr als 118.171,02 S sA richtet, ist sie unzulässig, weil der Kläger mit seiner Berufung lediglich den Zuspruch eines Bruttobetrages von insgesamt 157.187,02 S sA anstrebte, sodaß die Abweisung des Mehrbegehrens von 142.016,08 S brutto sA durch das Erstgericht in Rechtskraft erwachsen ist. Berücksichtigt man, daß das Ersturteil bezüglich des Zuspruches von 39.016 S brutto sA aufgehoben wurde, verbleibt ein noch nicht in Rechtskraft erwachsener abweisender Teil von 118.171,02 S brutto sA. Im übrigen sind die Revision und der Rekurs nicht berechtigt. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß ein allfälliger durch Entscheidung über die den begehrten Nettobeträgen entsprechenden Bruttobeträge unterlaufener Verstoß des Erstgerichtes gegen § 405 ZPO im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht wurde, sodaß die dadurch allenfalls begründete Mangelhaftigkeit vom Obersten Gerichtshof auch dann nicht wahrgenommen werden könnte, wenn sie vom Revisionswerber geltend gemacht worden wäre (vgl. RZ 1989/16). Auch der Oberste Gerichtshof geht daher von den den Gegenstand der Entscheidung der Vorinstanzen bildenden Bruttobeträgen aus. Zur Frage des vorzeitigen Austritts ist auf die zutreffende Beurteilung durch das Berufungsgericht hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers zu entgegnen,

daß die beklagte Partei der vom Kläger unter Austrittsdrohung

erhobenen Zahlungsaufforderung nachgekommen ist, in dem sie die

verlangte Überweisung so rechtzeitig durchführte, daß der Betrag von

19.463 S - nur dieser Betrag wird in der Revision zur Begründung des

Austrittes herangezogen - bereits am 31.Oktober 1985 und damit vier

Tage vor Ablauf der vom Kläger gesetzten Frist dem Kläger auf seinem

Gehaltskonto zur Verfügung gestanden wäre, hätte nicht eine

Angestellte der dieses Gehaltskonto im Auftrag des Klägers führenden

Bank irrtümlich eine Sperre dieses Betrages verfügt. Dieser Fehler

kann dem Arbeitgeber ebensowenig angelastet werden wie etwa das

Verhalten eines vom Arbeitnehmer vereinbarungsgemäß zur

fristgerechten Übernahme des Entgeltes gesandten Boten, der dem

Arbeitnehmer sodann wahrheitswidrig erklärt, er habe das Geld vom

Arbeitgeber nicht erhalten. Die Abweisung der austrittsabhängigen

Ansprüche im Gesamtbetrag von 86.903,36 S brutto sA erfolgte daher

zu Recht. Die vom Revisionswerber angestrebte Kulpakompensation

gemäß § 32 AngG kommt schon deswegen nicht in Frage, weil der

beklagten Partei kein Verschulden an der Sperre des rechtzeitig auf

das Gehaltskonto des Klägers überwiesenen Betrages anzulasten ist

(vgl. Kuderna, Entlassungsrecht 50).

Teilweise zu Recht wendet sich der Revisionswerber allerdings

gegen die Beurteilung des auf den Titel der

unterkollektivvertraglichen Entlohnung gestützten restlichen

Anspruches von 70.283,66 S brutto sA durch das Berufungsgericht.

Geht man von der Zulässigkeit einer pauschalen Abgeltung des Aufwandes aus (vgl. RdW 1989, 139), dann ist diese Pauschale nicht in die Entgeltberechnung einzubeziehen, zumal weder behauptet noch bewiesen wurde, daß es unrealistisch hoch angesetzt worden wäre (vgl. DRdA 1980/20, 390). Soweit dem Kläger daher unverbrauchte Teile des pauschalen Aufwandsersatzes als Ersparnisprämie ausgezahlt wurden, sind sie bei einem Vergleich mit dem kollektivvertraglichen Mindestentgelt nicht in Ansatz zu bringen. Dies gilt auch für die Schmutzzulage, soweit dadurch ein Mehraufwand für Reinigung abgegolten wird. Andere, nicht der Abgeltung eines Aufwandes dienende Entgeltbestandteile, wie Superprovision und Leistungsprämien (Punkteprämie, Anwerbeprämie) sind hingegen bei der Prüfung, ob das kollektivvertragliche Mindestentgelt erreicht wurde, zu berücksichtigen. Soweit sich der Revisionswerber auf Abschnitt D Punkt b der Gehaltsordnung beruft, ist ihm zu erwidern, daß sich diese Regelung auf Platzvertreter und Reisende bezieht, mit denen (als Entgelt) nur Provisionen vereinbart wurden; diese Regelung schließt daher nicht die Berücksichtigung weiterer Entgeltteile aus, die nicht als Aufwandsersatz zu qualifizieren sind. Geht man von den bezüglich der auf Provision, Superprovision und Prämien entfallenden Entgeltteile dem Sachverständigengutachten ON 19 folgenden, unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes aus, ergibt sich für die Jahre 1984 und 1985 - für 1983 wird, wie sich aus der Berufung des Klägers ergibt, eine Minderzahlung nicht mehr geltend gemacht - folgendes:

Im Jahr 1984 erhielt der Kläger an Provision, Superprovision und Sonderzahlungen 196.584 S und an Leistungsprämien weitere 25.000 S, sohin insgesamt 221.584 S brutto - bei der Annahme von 222.584 S im Ersturteil handelt es sich offenbar um einen aus dem dort zitierten Gutachten AS 97 übernommenen Rechenfehler -, sodaß in diesem Jahr das kollektivvertragliche Mindestentgelt von 201.880 S auch dann überschritten wurde, wenn man von der Einstufung in die Beschäftigungsgruppe 4, 18. Berufsjahr, ausgeht.

Im Jahre 1985 erhielt der Kläger an Provision, Superprovision

und Sonderzahlungen 114.925,76 S (vom Erstgericht aufgerundet auf

114.926 S) und an Prämien 26.000 S, sohin insgesamt 140.926 S

brutto, sodaß in diesem Jahr das sich bei einer Einstufung in

Beschäftigungsgruppe 4, 18. Berufsjahr, ergebende

kollektivvertragliche Mindestentgelt von 179.942 S um 39.016 S

unterschritten wurde. Hiebei sind die vom Kläger geltend gemachten,

durch das Spesenpauschale nicht gedeckten Spesen für Juli bis

September 1985 von 15.175,60 S netto, zu denen eigens Stellung zu

nehmen sein wird, nicht berücksichtigt. Dennoch ist die Sache nicht

im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils im Umfang eines

Zuspruches von 39.016 S brutto sA spruchreif. Die "Feststellung" des

Erstgerichtes, "aus dem Versicherungsnachweis vom 1.Oktober 1986

hatte der Kläger bis zum Eintritt bei der beklagten Partei

einschließlich der selbständigen Zeiten 259 Versicherungsmonate, das

wären 21,58 Dienstjahre, zurückgelegt, sodaß der Kläger nunmehr im

18. Berufsjahr ist" ist, soweit darin das Vorliegen von Dienst- und

Berufsjahren erschlossen wird, als rechtliche Beurteilung zu werten,

die, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, durch die

vorangehende Feststellung über die vom Kläger erworbenen

Versicherungsmonate nicht ausreichend untermauert ist.

Was schließlich den Spesenersatz für den Zeitraum Juli bis

September 1985 betrifft, ist - wie das Berufungsgericht zutreffend

erkannt hat - zu berücksichtigen, daß dem Kläger zur Abdeckung der

Reisespesen ein Spesenpauschale von 1 % des Provisionsumsatzes

gewährt wurde. Wenn nun, wie oben dargelegt, nicht verbrauchte, als

Ersparnisprämie bezeichnete Teile des Spesenpauschales bei Prüfung,

ob das kollektivvertragliche Mindestentgelt erreicht wurde, nicht zu

berücksichtigen sind, dann führt auch die Überschreitung des Pauschales in einzelnen Monaten nicht ohne weiteres zu einem Anspruch des Arbeitnehmers auf Vergütung des Mehrbetrages. Es ist vielmehr das in einem längeren Beobachtungszeitraum - hier bietet sich das gesamte Jahre 1985 an - ausgezahlte Pauschale den entsprechenden, in diesem Zeitraum erwachsenen Aufwendungen gegenüberzustellen und ein verbleibender Mehraufwand soweit zu vergüten, als dadurch das kollektivvertragliche Mindestentgelt unterschritten wird. Zur Beurteilung dieser Frage wären nicht nur ergänzende Feststellungen über die im Jahre 1985 insgesamt erwachsenen Spesen und den in diesem Jahr gewährten pauschalen Spesenersatz sondern - zur Ermittlung des kollektivvertraglichen Mindestentgelts und der hiefür maßgeblichen Berufsjahre - auch noch die oben erwähnten Feststellungen über die vom Kläger vor Antritt der gegenständlichen Beschäftigung ausgeübten Tätigkeiten erforderlich. Schließlich fehlt es an jeder Feststellung, ob dem Kläger die für den Zeitraum von Juli bis September 1985 geltend gemachten Spesen von insgesamt 26.190,60 S (siehe AS 23) tatsächlich erwachsen sind.

Der Revision und dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Der Vorbehalt bezüglich der Kosten des Verfahrens 3. Instanz beruht auf § 52 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Hinsichtlich des zurückgewiesenen Teiles der Revision waren die Kosten gegenseitig aufzuheben, weil die beklagte Partei nicht auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat (§§ 43 Abs. 1, 50 ZPO).

Anmerkung

E20442

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00054.9.0425.000

Dokumentnummer

JJT_19900425_OGH0002_009OBA00054_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten