Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Eheangelegenheit des Wolfgang H***, geboren am 26. November 1952 in Salzburg, Inhaber einer Videothek, Straßwalchen, Irrsdorf 93, vertreten durch Dr. Othmar Taferner, Rechtsanwalt in Salzburg, und der Hildegard H***, geboren am 8. Dezember 1958 in Henndorf, Angestellte, Henndorf, Flurstraße 22, vertreten durch Dr. Robert Galler, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen nachehelicher Vermögensaufteilung nach §§ 81 ff. EheG infolge Rekurses der Frau gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 22. Februar 1990, GZ 22 a R 16/90-26, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neumarkt bei Salzburg vom 19. Dezember 1989, GZ. F 6/88-19, zur Verfahrensergänzung aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht stattgegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind Kosten des zu ergänzenden Verfahrens.
Text
Begründung:
Die im Dezember 1958 geborene Frau gebar am 19. August 1980 eine Tochter und lebte jedenfalls ab der Geburt dieses Kindes mit diesem und dessen im November 1952 geborenen Vater im Hause ihrer Eltern. Bereits während der Schwangerschaft unternahm der Mann unter wesentlicher Mithilfe seines späteren Schwiegervaters, eines Maurers, den Ausbau des Obergeschosses eines 1967 im Rohbau errichteten, zunächst aber nur im Untergeschoß ausgebauten Zweifamilienwohnhauses seiner Großmutter zu einer aus drei Zimmern, Bad, WC und Flur bestehenden, rund 65 m2 großen Wohnung, zu der auch ein Kellerraum gehört.
Mit Schenkungsvertrag vom 17. Oktober 1980 erhielt der Mann von seiner Großmutter 126/246-Anteile an ihrer Liegenschaft, mit denen das Wohnungseigentum an der im Obergeschoß gelegenen Wohnung verbunden wurde. Diese Eigentumswohnung des Mannes wurde im Sommer 1982 fertiggestellt und die Brautleute übersiedelten mit ihrem Kind in diese Wohnung.
Erst rund eineinhalb Jahre später, im Dezember 1983 gingen sie miteinander die Ehe ein.
Den ehelichen Haushalt, in dem unter Betreuung der Mutter auch das gemeinsame Kind aufwuchs, führten die Eheleute weiterhin in der Eigentumswohnung des Mannes. Diese war in Ansehung des Schlafzimmers und des Wohnzimmers schon vor der Eheschließung von der Frau möbliert worden, auch ein Mixer, eine Küchenmaschine, eine Kaffeemaschine, eine Kaffeemühle, Koch- und Tischgeschirr, die gesamte Bettwäsche und sonstiger Hausrat waren von der Frau eingebracht worden.
Während ihrer ehelichen Gemeinschaft schafften die Ehegatten gemeinsam einen in Selbstbauweise zusammengestellten Wohnzimmerkasten, die übrigen Möbel und zusätzliche Küchengeräte (E-Herd, weiterer Mixer, Plattengrill) in einem nunmehrigen Zeitwert von 15.000 S an.
Die Schlafzimmer- und die Wohnzimmereinrichtung verkauften die Eheleute und schafften an ihrer Statt gebrauchte Einrichtungsgegenstände an.
Während der ehelichen Lebensgemeinschaft war die Frau als Außendienstangestellte mit einem Nettomonatseinkommen in der Größenordnung von 6.000 S beschäftigt, der Mann als Fernfahrer mit einem Nettomonatsverdienst von etwa 10.000 S. Den gemeinsamen täglichen Lebensaufwand bestritten die Ehegatten aus dem Einkommen der Frau. Aus dem Einkommen des Mannes wurden Rückzahlungen auf einen bereits 1981 zur Abdeckung der Kosten des Wohnungsausbaues in der Höhe von 126.000 S aufgenommenen Förderungskredit getätigt, auf den jährlich rund 20.500 S zurückzuzahlen waren und der noch mit einem Restbetrag von rund 40.000 S aushaftet.
Im Oktober 1986 verließ die Frau mit dem Kind den ehelichen Haushalt. Sie fand wieder im Hause ihrer Eltern Unterkunft, wo sie mit dem Kind und ihrem späteren Ehegatten vor dem Einzug in die Eigentumswohnung gelebt hatte. Der Frau steht in der Wohnung ihrer Eltern zur ausschließlichen Benützung durch sie und ihre Tochter ein Raum sowie die Mitbenützung anderer Räume der ca. 90 m2 großen Wohnung zur Verfügung. Dafür zahlt sie ihren Eltern monatlich 2.000 S.
Die im Dezember 1983 geschlossene Ehe wurde über Klage und Widerklage mit Urteil vom 7. Januar 1988 aus beiderseitigem gleichteiligen Verschulden geschieden und mit der am 19. Februar 1988 eingetretenen Rechtskraft dieser Entscheidung aufgelöst.
Durch den am 25. November 1988 bei Gericht eingelangten Antrag der Frau wurde das gerichtliche Verfahren zur nachehelichen Vermögensaufteilung im Sinne der §§ 81 ff. EheG eingeleitet. Nach diesem Antrag wurden außer dem näher umschriebenen Hausrat die werterhöhenden Aufwendungen auf die Eigentumswohnung Gegenstand des Aufteilungsverfahrens. Dazu führte die Frau in ihrem anwaltlich verfaßten Antrag wörtlich aus:
"Durch die Arbeit meines Vaters und meine eigene Arbeit ist das Haus des Antragsgegners erheblich im Wert erhöht worden. Ich gehe davon aus, daß die Werterhöhung des Hauses zumindest S 500.000 ausmacht. Diese Werterhöhung ist zweifelsfrei unter dem Titel der ehelichen Ersparnisse bzw. allenfalls auch aus dem Titel der Ehewohnung aufzuteilen und beantrage ich mir aus diesem Titel einen Betrag von S 300.000 zuzuerkennen."
Der Mann wendete in Ansehung dieser Eigentumswohnung in erster Linie ein, daß diese auch mit dem vor der Eheschließung bewirkten Wertzuwachs gemäß § 82 Abs 1 Z 1 EheG von der nachehelichen Aufteilung auszunehmen wäre, zumal die Frau zur Sicherung ihrer Lebensbedürfnisse nicht auf die Weiterbenützung der Eigentumswohnung angewiesen wäre, die sie bereits eineinhalb Jahre vor der Ehescheidung in der Absicht verlassen habe, die eheliche Gemeinschaft endgültig aufzuheben.
Dem setzte die Frau erstmals in der Tagsatzung vom 1. März 1989 die Behauptung entgegen, über keine eigene Wohnung zu verfügen und bei ihren Eltern zu wohnen. Demgemäß begehrte sie zunächst ausdrücklich als Eventualaufteilungsvorschlag "die Übertragung dieser ehelichen Wohnung" an sie, änderte aber noch in derselben Tagsatzung ihren Aufteilungsvorschlag insofern, als sie nun primär "die Übertragung der Ehewohnung, in eventu die Ausgleichszahlung" wünschte. Dieses Hilfsbegehren auf Leistung einer Ausgleichszahlung dehnte die Frau nach Erstattung des Sachverständigengutachtens über den Zeitwert der Eigentumswohnung auf 485.000 S aus. Das Gericht erster Instanz sprach aus, daß die Eigentumswohnung im Eigentum des Mannes verbleibe (Punkt 1), die gesamte Wohnungseinrichtung und der übrige Hausrat in der Ehewohnung mit Ausnahme der von der Frau in die Ehe eingebrachten Schlaf- und Wohnzimmereinrichtung, Mixer, Küchenmaschine, Kaffeemaschine, Kaffeemühle, Stereoanlage, Bettwäsche, Teller, Besteck, Töpfe "etc", die der Mann ihr binnen 14 Tagen nach Rechtskraft der Aufteilungsentscheidung herauszugeben habe, in das Alleineigentum des Mannes übergingen (Punkt 2), und daß der Mann schuldig sei, die Frau hinsichtlich der Rückzahlung des bei der Landeshypothekenanstalt aufgenommenen Darlehens schad- und klaglos zu halten (Punkt 3). Weiters verpflichtete das Erstgericht den Mann zu einer binnen vier Wochen ab Rechtskraft der Aufteilungsentscheidung an die Frau zu leistenden Ausgleichszahlung von 200.000 S zuzüglich 8 % Verzugszinsen (Punkt 4). Die Verfahrenskosten hob das Gericht erster Instanz gegenseitig auf (Punkt 5).
In den Aussprüchen zu den Punkten 1 bis 3 erwuchs die erstrichterliche Entscheidung mangels Anfechtung in Rechtskraft. Mit seinem Rekurs gegen Punkt 4 strebte der Mann einen Entfall seiner Verpflichtung zur Leistung einer Ausgleichszahlung an, die Frau dagegen mit ihrem Rekurs eine Erhöhung der Ausgleichszahlungsverpflichtung auf 485.000 S und einen vollen Zuspruch der Verfahrenskosten.
Das Rekursgericht faßte in Stattgebung beider Rekurse hinsichtlich der Ausgleichszahlung (Punkt 4 der erstinstanzlichen Entscheidung) einen Aufhebungsbeschluß und hob auch die erstinstanzliche Kostenentscheidung auf. Dazu sprach das Rekursgericht gemäß § 14 Abs 4 AußStrG aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Das Rekursgericht legte seinem Aufhebungsbeschluß die das Gericht erster Instanz bindende Rechtsansicht zugrunde, daß die bereits vor der Eheschließung voll ausgebaute Eigentumswohnung weder als eheliche Ersparnis noch als Ehewohnung, auf deren Weiterbenützung die seit Jahren bei ihren Eltern wohnende Frau im Sinne des § 82 Abs 2 EheG angewiesen wäre, der nachehelichen Aufteilung nach Billigkeitsgrundsätzen unterläge.
Die Frau ficht den rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß wegen unrichtiger Lösung qualifizierter materiellrechtlicher Aufteilungsfragen mit einem Abänderungsantrag im Sinne ihres erstinstanzlichen Ausgleichszahlungsbegehrens, hilfsweise mit dem Begehren an, dem Gericht erster Instanz für die neue Entscheidung die Rechtsansicht zu überbinden, "daß die eheliche Wohnung jedenfalls Gegenstand der Aufteilung" sei, zumindest im Ausmaß der "Wertschöpfung durch die während aufrechter Ehe erfolgten Rückzahlungen".
Der Mann strebt die Bestätigung des angefochtenen Beschlusses unter Aufrechterhaltung der darin ausgesprochenen Rechtsansichten an.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Das Gericht erster Instanz hatte in Ansehung der Eigentumswohnung gefolgert, sie sei zwar vom Mann in die Ehe eingebracht worden, sei aber bis zum Auszug der Frau Ort der gemeinsamen Lebensführung gewesen und damit im aufteilungsrechtlichen Sinne Ehewohnung. Die Frau sei auf die Weiterbenützung dieser Wohnung in essentieller Weise angewiesen, weil sie für sich und ihre Tochter über keine eigene Wohnung verfüge und bei einem monatlichen Einkommen in der Größenordnung von 10.000 S und ihrer Vermögenslosigkeit wirtschaftlich außerstande wäre, sich eine ihren Bedürfnissen entsprechende Wohnmöglichkeit zu beschaffen. Zwar drohe der Frau nicht, von ihren Eltern aus deren Wohnung gewiesen zu werden, dennoch lebe sie mit dem ständigen Risiko eines Widerrufes der bloß als Bittleihe zu wertenden Wohnungsmitbenützung, wobei für beide Familien das Zusammenleben in einem Wohnungsverband auf Dauer unzumutbar erscheine. In diesem Sinne sei die Frau auf die Weiterbenützung der ehemaligen Ehewohnung angewiesen. Wenn ihr die Benützung dieser Wohnung nicht in irgendeiner Weise durch die Aufteilungsentscheidung gesichert würde, habe sie Anspruch auf eine Ausgleichszahlung, die sie zur Beschaffung einer Ersatzunterkunft instand setze. Im Hinblick auf die Verhältnisse des Mannes sei ein Betrag von 200.000 S billig, der gleichzeitig auch die (vorehelichen) Leistungen der Frau und ihres Vaters zum Ausbau der Eigentumswohnung angemessen abgelte. Das Rekursgericht stellte in Ansehung der Eigentumswohnung dagegen folgende Erwägungen an:
Der Ausbau der Eigentumswohnung sei noch vor der Eheschließung fertiggestellt worden. Der in ihr liegende Wert sei nicht während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft angesammelt, sondern vielmehr in die Ehe eingebracht worden. Als Ehewohnung unterläge sie der Aufteilung gemäß § 82 Abs 2 EheG nur unter der Voraussetzung, daß eine Weiterbenützung der Wohnung für den ihre Zuweisung anstrebenden Ehegatten eine Existenzfrage darstelle. Dies müsse für die Frau im vorliegenden Fall verneint werden, weil deren Nutzungsrecht in der Wohnung ihrer Eltern Bestandrechtscharakter habe und nicht als Bittleihe zu werten sei. Überdies müsse der Frau bei einem Monatseinkommen in der Größenordnung von 10.000 S die Anmietung einer geeigneten Unterkunft außerhalb des Hauses ihrer Eltern möglich sein.
Die Rekurswerberin vertritt zunächst weiterhin den Standpunkt, daß die vor der Eheschließung unter wesentlicher eigener Mitwirkung und Mitarbeit ihres Vaters ausgebaute und zur Stätte einer vorehelichen Lebensgemeinschaft gewidmete Eigentumswohnung des Mannes nicht von ihm in die Ehe eingebracht worden wäre. Die Rekurswerberin unternimmt aber nicht einmal den Versuch, die diesbezüglichen Argumente des Rekursgerichtes zu entkräften. Die bekämpfte zweitinstanzliche Rechtsansicht stimmt mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Sinne der in EvBl 1983/102 veröffentlichten Entscheidung überein, an der festzuhalten ist und zu der der erkennende Senat zuletzt in der Entscheidung vom 29. Juni 1989, 6 Ob 611/89, ausgeführt hatte: Die gesetzgeberische Zielsetzung sei, die Früchte eines auf familienrechtlicher Grundlage beruhenden Wirtschaftens zufolge Entfalles dieser Grundlage im partnerschaftlichen Sinne aufzuteilen. Daß dabei als eheliche Ersparnis nur solche Wertanlagen in die Aufteilungsmasse fallen, die die Ehegatten "während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft angesammelt haben", ist nach der Begriffsbestimmung des § 81 Abs 3 EheG in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise angeordnet. Vor der Eheschließung kann zwar eine Lebensgemeinschaft, aber keine "eheliche Lebensgemeinschaft" bestanden haben.
Auf die Eigentumswohnung des Mannes findet die Regelung des § 82 Abs 1 Z 1 EheG Anwendung, die Ausnahmeregel des § 82 Abs 2 EheG aber nicht. Das dort umschriebene Kriterium eines zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse auf einer Weiterbenützung Angewiesenseins ist zwar einer Auslegung zugänglich, räumt aber im Gegensatz zu der im Rekurs vertretenen Auffassung dem Rechtsanwender keinen Billigkeitsspielraum ein. Die Auslegung wurde in ständiger Rechtsprechung im Sinne der Entscheidung SZ 56/193 festgeschrieben, wie sie auch das Rekursgericht seinem Aufhebungsbeschluß zugrunde legte. Nach den festgestellten konkreten Umständen des Falles, die vor allem durch eine jahrelange entgeltliche Wohnraumbenützung im elterlichen Haus und durch ein Monatseinkommen in der Größenordnung von 10.000 S gekennzeichnet werden, in der Weiterbenützung der ehelichen Wohnung durch die Frau für sie keine Existenzfrage im Sinne der zitierten Rechtsprechung zu erblicken, ist eine nachvollziehbare Subsumtion ohne Wertungswiderspruch. Was aber die im Rekurs gegen den zweitinstanzlichen Aufhebungsbeschluß erstmals geltend gemachten "Rückzahlungen auf die Wohnungskredite" während aufrechter Ehe (richtig: in aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft, die außerstreitgestelltermaßen bereits im Oktober 1986 durch endgültige Rückkehr der Frau in ihr Elternhaus aufgehoben wurde und daher nur weniger als drei Jahre dauerte) anbelangt, wurde nicht behauptet, daß sie den angemessenen Mietwert der Eigentumswohnung überschritten hätten.
Nur soweit dies der Fall gewesen sein sollte, könnte darauf bei der Ausmittlung einer Ausgleichszahlung, deren Voraussetzungen nach dem rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß in dem unbekämpft gebliebenen Rahmen nach den Ergebnissen des zu ergänzenden Verfahrens zu prüfen übrig bleibt, Bedacht genommen werden, da eine Ausgleichszahlung erst dann und nur insoweit der Billigkeit entspricht, als nach der tatsächlichen, vereinbarten und gerichtlich angeordneten Aufteilung der gesamten Aufteilungsmasse ein ungerechtfertigt erscheinendes Übergewicht an Sachzuweisungen an den einen oder anderen Partner verbliebe.
Dem Rekurs gegen den zweitinstanzlichen Aufhebungsbeschluß war - von der zuletzt erwähnten Klarstellung abgesehen - ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenausspruch ist in der Analogie zu § 52 ZPO begründet.
Anmerkung
E20351European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00573.9.0426.000Dokumentnummer
JJT_19900426_OGH0002_0060OB00573_9000000_000