TE OGH 1990/5/2 1Ob590/90

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Veröffentlicht am 02.05.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Markus K***, geboren am 3. November 1984, Wien 21., Siemensstraße 21/55/242/6, infolge Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 7. Februar 1990, GZ. 44 R 66/90-46, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 28. Dezember 1989, GZ. 2 P 26/87-36, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der Beschluß des Rekursgerichtes wird in seinem Ausspruch über die Einstellung des Unterhaltsvorschusses mit 31. August 1989 dahin abgeändert, daß der erstinstanzliche Beschluß in seinem Punkt 1. wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Mit Beschluß vom 28.12.1989 stellte das Erstgericht u.a. den dem Kind mit seinem Beschluß vom 5.1.1989 für die Zeit vom 1.12.1988 bis 31.12.1989 - für die Dauer der voraussichtlichen Strafhaft des Vaters als Unterhaltsschuldners - gemäß § 4 Z 3 UVG weiter gewährten Unterhaltsvorschuß mit Ablauf des Monates August 1989 ein, weil sich der Vater seit einer Haftunterbrechung am 22.8.1989 auf der Flucht befinde und damit die Voraussetzungen der genannten Gesetzesstelle seither weggefallen seien.

Das Gericht zweiter Instanz hob diesen Ausspruch im erstinstanzlichen Beschluß ersatzlos auf und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Grundlage der trotz des Vollzuges der Freiheitsstrafe fortbestehenden Unterhaltspflicht sei der Gegenwert der Arbeitsleistungen des Unterhaltsschuldners während der Haft. Sich dem Strafvollzug durch Flucht zu entziehen, sei rechtswidriges Verhalten, das der Unterhaltsschuldner auch unter dem Gesichtspunkt des Anspannungsgrundsatzes zu unterlassen hätte. Die Flucht aus der Strafhaft sei somit kein Grund zur Einstellung des Unterhaltsvorschusses.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil die zweitinstanzliche Rechtsprechung zur Frage, ob der Unterhaltsvorschuß gemäß § 4 Z 3 UVG auch während der Dauer der Flucht des Unterhaltsschuldners aus dem Strafvollzug weiter zu gewähren sei, nicht einheitlich zu sein scheint (vgl. EFSlg. 41.492 bzw. ÖA 1988, 110; EFSlg. 54.731); er ist aber auch berechtigt. Der Unterhaltsvorschuß war dem Kind gemäß § 4 Z 3 UVG gewährt worden (ON 27) und wurde ihm allein aus diesem Grunde weiter gewährt (ON 32). Gemäß § 4 Z 3 UVG sind Vorschüsse zu gewähren, wenn dem Unterhaltsschuldner auf Grund einer Anordnung in einem strafgerichtlichen Verfahren länger als einen Monat im Inland die Freiheit entzogen wird und er deshalb seine Unterhaltspflicht nicht erfüllen kann. Weder der Wortlaut dieser Bestimmung noch die Gesetzesmaterialien (EB zur RV, 276 BlgNR 15. GP 9, 10) stützen die Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz.

Dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle zufolge ist es Voraussetzung für die Unterhaltsvorschußgewährung, daß der Unterhaltsschuldner infolge strafgerichtlich angeordneten Freiheitsentzuges zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht außerstande ist; das trifft bei der Flucht des Unterhaltsschuldners aus dem Strafvollzug allein schon deshalb nicht mehr zu, weil er sich - wenngleich infolge rechtswidrigen Verhaltens - für die Dauer der Flucht in Freiheit befindet und jedenfalls nicht durch den auf strafgerichtlicher Anordnung beruhenden Entzug seiner Freiheit an der Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gehindert wird.

Nach den Gesetzesmaterialien (aaO) finden die Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 3 UVG ihre Rechtfertigung in den von den Strafgefangenen während des Vollzuges der Freiheitsstrafe erbrachten Arbeitsleistungen (vgl. § 44 StVG), die als Deckungsfonds für die vom Bund - im Rahmen seiner zivilrechtlichen Kompetenz (Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG) - gewährten Vorschüsse aufgefaßt werden, zumal dem Strafgefangenen ohnedies keine volle Vergütung seiner Arbeitsleistungen gebührt (vgl. §§ 51 und 52 StVG; Knoll, Komm.z.UVG in ÖA, Rz 23 und 24 zu § 4 Z 2 und 3). Dieses Deckungsfonds entbehrten aber Vorschußleistungen des Bundes, wenn und solange sich der Unterhaltsschuldner dem Strafvollzug und damit auch seiner in dessen Rahmen wahrzunehmenden Arbeitspflicht durch Flucht entzieht. Setzt die Unterhaltsbevorschussung durch den Bund die während der Zeiträume, für welche Vorschüsse gewährt werden, aufrechte - und allenfalls anzuspannende - Fähigkeit des Unterhaltsschuldners voraus, für den gesetzlichen Unterhalt aufzukommen, und besteht dieses Leistungsvermögen (vgl. Knoll aaO) im Falle des § 4 Z 3 UVG in den - minder entlohnten - Arbeitsleistungen des Unterhaltsschuldners im Rahmen des Strafvollzuges, so kann dieser für die Dauer seiner Flucht - allenfalls im Wege der Anspannung seiner Leistungsfähigkeit - zu Unterhaltsleistungen für sein Kind verpflichtet sein, sodaß dem Kind für diesen Zeitraum bei Zutreffen der dort umschriebenen Voraussetzungen Unterhaltsvorschuß gemäß den §§ 3 bzw. 4 Z 1 UVG gebühren könnte (so in Wahrheit - worauf der Revisionsrekurswerber zutreffend hinweist - EFSlg. 54.731, aber auch ÖA 1988, 110), für den allein für diese Zeit für das Kind begehrten "Haftvorschuß" (§ 4 Z 3 UVG) fehlen jedoch die gesetzlichen Voraussetzungen. Da das Erstgericht den Unterhaltsvorschuß somit zu Recht eingestellt hat, ist sein Beschluß in Stattgebung des außerordentlichen Revisionsrekurses wiederherzustellen.

Anmerkung

E20567

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00590.9.0502.000

Dokumentnummer

JJT_19900502_OGH0002_0010OB00590_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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