Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Antonia Maria S***, geboren am 26.Mai 1956 in Lenzing, Hausfrau, Lenzing, Stelzhamerstraße 12, vertreten durch Dr. Rudolf Franzmayr, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei Günther Johann S***, geboren am 25.Juni 1961 in Vöcklabruck, Chemiearbeiter, Regau, Fischergasse 1, vertreten durch Dr. Martin Morscher, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 13.November 1989, GZ R 865/89-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 17.Juli 1989, GZ 3 C 51/89-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.706,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 617,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile sind österreichische Staatsbürger. Sie schlossen am 22.8.1987 die Ehe. Durch die Eheschließung wurde der am 11.12.1985 geborene Sohn Günther legitimiert. Der letzte gemeinsame Wohnsitz war in Lenzing. Nach einer tätlichen Auseinandersetzung am 2.7.1988 verließ die Klägerin die Ehewohnung und brachte am 7.7.1988 die Scheidungsklage ein. Am 15.7.1988 versöhnten sich die Streitteile und lebten wieder zusammen. Die eheliche Gemeinschaft wurde endgültig am 21.11.1988 beendet. Beide Teile bezeichnen ihre Ehe als unheilbar zerrüttet.
Die Klägerin begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Der Beklagte sei Alkoholiker, er neige in alkoholisiertem Zustand zu Gewalttätigkeiten.
Der Beklagte trat zwar dem Scheidungsbegehren nicht entgegen, die überwiegende Mitschuld treffe aber die Klägerin. Die Klägerin habe ihn gröblichst beschimpft und sei gegen ihn tätlich vorgegangen. Bei der Kindererziehung habe sie sich vollständig dem Einfluß ihrer Mutter ausgeliefert. Am 23.2.1989 hätten die Streitteile einander verziehen.
Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten. Es stellte fest, im Laufe der Ehe sei es zwischen den Streitteilen immer wieder zu Streitigkeiten gekommen, die sich häufig daran entzündet hätten, daß die Klägerin den Beklagten in Fragen der Erziehung des gemeinsamen Kindes nicht für kompetent erklärte, sondern sich eher an die Ratschläge ihrer Mutter gehalten habe. Im Zuge solcher Streitigkeiten sei es zu gegenseitigen Beschimpfungen gekommen, die Klägerin habe dem Beklagten auch Ohrfeigen verabreicht. Schon seit Beginn der Bekanntschaft der Streitteile sei es mitunter vorgekommen, daß der Beklagte betrunken nach Hause gekommen sei. Seit Juli 1988 habe der Beklagte vermehrt zu trinken begonnen. Am 2.7.1988 sei der Beklagte erst um 6 Uhr früh nach Hause gekommen. Er habe ans Fenster geklopft, um in die Wohnung eingelassen zu werden. Nachher sei es zu einer Auseinandersetzung gekommen, in der der Beklagte die Klägerin bedrängt habe, mit ihm einen Geschlechtsverkehr durchzuführen. Dies habe die Klägerin abgelehnt, der Beklagte habe der Klägerin daraufhin eine Ohrfeige gegeben, die Klägerin habe einen zum Teil gefüllten Kanister dem Beklagten hinaufgeworfen. Da die Klägerin bei dieser Auseinandersetzung verletzt worden sei (Rißwunde der Mundschleimhaut,Druckschmerz im Bereich der linken Unterkieferregion) habe sie einen Arzt beigezogen. Als der Arzt eingetroffen sei, habe der Beklagte ihn aus der Wohnung werfen wollen. Auf Grund dieses Vorfalles sei die Klägerin 14 Tage bei ihrer Mutter geblieben. Am 20.11.1988 habe der Beklagte, als die Klägerin die Anstrengungen des Beklagten im Haushalt nicht genügend gewürdigt habe, gegen 15 Uhr die Wohnung verlassen. Er habe verschiedene Lokale aufgesucht und dort übermäßig Alkohol konsumiert. Als er nach Hause gekommen sei, habe er Likör getrunken. Dann habe er die Klägerin geweckt und sie aufgefordert, ihm beim Sterben zuzusehen. Er habe insgesamt 47 Tabletten eingenommen. Da er die Klägerin daran gehindert habe, telefonisch einen Arzt herbeizurufen, habe die Klägerin die Ehewohnung durch das Schlafzimmerfenster verlassen, um Hilfe zu suchen. Als die Klägerin gemeinsam mit der Gendarmerie zur Ehewohnung zurückgekehrt sei, sei der Beklagte tätlich gegen den Gendarmeriebeamten vorgegangen. Dieser habe Verstärkung anfordern müssen. Auch gegen diese habe sich der Beklagte aggressiv verhalten. Gendarmeriebeamte und Rettungsmänner seien verletzt, der Beklagte aber in Untersuchungshaft genommen worden. Am 23.11.1988 sei die über ihn verhängte Untersuchungshaft aufgehoben und ihm die Weisung erteilt worden, sich für die Dauer des Strafverfahrens sämtlicher alkoholischer Getränke zu enthalten. Die eheliche Lebensgemeinschaft sei nachher nicht wieder aufgenommen worden. Am 23.2.1989 sei der Beklagte zur Klägerin auf Besuch gekommen. Der Beklagte habe die Klägerin auf das Bett geworfen, um sie zu einer Versöhnung zu bewegen. Es sei aber weder zum Austausch von Zärtlichkeiten noch zu einem Geschlechtsverkehr gekommen. Am 2.3.1989 um 6,30 Uhr habe der Beklagte Einlaß in die Wohnung gesucht, er wolle mit der Klägerin reden. Die Klägerin habe geantwortet, der Beklagte möge sie in Ruhe lassen und das Kind nicht aufwecken. Daraufhin habe der Beklagte die Tür eingetreten. Der Beklagte habe sich zu der im Bett liegenden Klägerin begeben, sich niedergekniet, geweint und gemeint, daß er schon wieder einen Blödsinn gemacht habe. Es sei aber nicht zum Austausch von Zärtlichkeiten und zur Durchführung eines Geschlechtsverkehrs gekommen. Als kurz darauf die Mutter der Klägerin gefragt habe, was los sei, habe der Beklagte angefangen, seine Schwiegermutter zu beschimpfen. Diese habe sich darüber aufgeregt, dem Beklagten eine Ohrfeige gegeben, der Beklagte habe dann zurückgeschlagen. Wegen dieses Vorfalles wurde die Anzeige erstattet, der Beklagte wurde am 8.3.1989 in Haft genommen. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß die Eheverfehlungen der Klägerin bei weitem nicht so schwer wiegen wie jene des Beklagten. Das Verhalten des Beklagten am 20.11.1988 stelle einen Psychoterror dar.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten, der weiterhin den Ausspruch der überwiegenden Mitschuld der Klägerin anstrebte, nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Dem Beklagten sei vorzuwerfen, daß er zumindest seit Juli 1988 in vermehrtem Maße dem Alkohol zuspräche, dies stehe zweifellos im Zusammenhang mit den von der Klägerin gesuchten Auseinandersetzungen. Auch das Verhalten des Beklagten am 21.11.1988 sei mit Recht als schwere Eheverfehlung des Beklagten gewertet worden. Daß der Beklagte mit diesem Verhalten nicht die Klägerin unter Druck habe setzen wollen, sondern lediglich aus Verzweiflung gehandelt habe, sei nicht erwiesen. In diesem Zusammenhang sei von Bedeutung, daß der Beklagte auch in der Folge durch Gewalt versucht habe, Druck auf die Klägerin auszuüben, um sie zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Das Verhalten des Beklagten bei seiner Festnahme habe nicht eine tiefe innere Verzweiflung, sondern die Absicht erkennen lassen, der Umgebung mit Gewalt entgegenzutreten. Der Vorfall vom 21.11.1988 sei daher auf die Alkoholsucht des Beklagten zurückzuführen. Die dem Beklagten weiter vorzuwerfenden Eheverfehlungen am 23.2.1989 und 2.3.1989 fielen zwar in den Zeitraum, in dem bereits die Ehe zerrüttet gewesen sei, sie seien daher grundsätzlich in milderem Licht zu beurteilen; sie hätten aber zu einer weiteren Vertiefung der zwischen den Streitteilen eingetretenen Entfremdung geführt und manifestierten überdies die Absicht des Beklagten, seine Wünsche unter Anwendung von Gewalt durchzusetzen. Daß das Ziel des Beklagten, eine Versöhnung zu erreichen, die Gewaltanwendung am 23.2.1989 nicht rechtfertigen könne, bedürfe keiner näheren Erörterung. Gleiches gelte für den Vorfall vom 2.3.1989, als der Beklagte die Wohnungstür der Klägerin beschädigt habe. Auch hier könne seine Absicht, sich mit der Klägerin auszusprechen bzw. mit ihr Zärtlichkeiten auszutauschen, das aggressive Verhalten nicht rechtfertigen. Den Beklagten treffe daher das überwiegende Verschulden am Scheitern der Ehe. Die Zerrüttung der Ehe sei in erster Linie durch das grob ehewidrige Verhalten des Beklagten herbeigeführt worden. Das Gewicht des ehewidrigen Verhaltens der Klägerin trete gegenüber den Eheverfehlungen des Beklagten zurück.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten, mit der er den Ausspruch gleichteiligen Verschuldens anstrebt, ist nicht berechtigt. Für die Prüfung der beiderseitigen Verschuldensanteile ist es unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens der Eheleute wesentlich, wer den entscheidenden Beitrag zur unheilbaren Zerrüttung leistete (EFSlg 57.216, 54.461, 43.679 uva). Dies ist aber dem Beklagten anzulasten. Die bei ihm schon vorher bestandene Neigung zu Alkoholmißbrauch verstärkte sich seit Juli 1988. Seit diesem Zeitpunkt neigt der Beklagte dazu, in alkoholisiertem Zustand Aggressionshandlungen und seelischen Druck auf die Klägerin auszuüben. Diese Verhaltensweise führte schon im Juli 1988 zu einer vorübergehenden Trennung der Streitteile, der Beklagte änderte aber seine Einstellung auch nach Verzeihung seines Verhaltens nicht, sodaß es nach seiner auf seine Alkoholisierung zurückzuführende Verhaltensweise in der Nacht vom 20. auf den 21.11.1988 nicht nur zur Inhaftierung, sondern zur Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft gekommen ist. Durch diese Aufhebung wurde die unheilbare Zerrüttung manifestiert.
Die Versuche des Beklagten, seine Verhaltensweise in einem milderen Licht erscheinen zu lassen, scheitern. Eine Feststellung, auslösendes Moment für den Alkoholmißbrauch sei ausschließlich das Verhalten der Klägerin gewesen, wurde nicht getroffen. Der Beklagte neigte auch schon früher immer zu übermäßigem Alkoholkonsum. Die in der Revision aufgestellte Behauptung, das Verhalten des Beklagten sei von der Klägerin am 21.11.1988 überhaupt nicht gewürdigt, er sei schroff zurückgewiesen worden, ist ebenso tatsachenwidrig wie die Versuche des Beklagten, aus dem Verhalten der Klägerin einen größeren Beitrag für die Zerrüttung der Ehe abzuleiten. Das Erstgericht stellte weder fest, die Klägerin habe die Streitigkeiten entfacht noch sie sei herrschsüchtig und aggressiv gewesen. Auch ohne subtile Abwägungen tritt damit aber der Unterschied der Verschuldensgrade für die eingetretene unheilbare Zerrüttung der Ehe zu Ungunsten des Beklagten augenscheinlich hervor (EFSlg 57.230, 51.660, 43.691 uva), sodaß die Wertung der Vorinstanzen zu billigen ist.
Der Revision ist der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E20866European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00560.9.0502.000Dokumentnummer
JJT_19900502_OGH0002_0010OB00560_9000000_000