TE OGH 1990/5/8 10ObS124/90

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Veröffentlicht am 08.05.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Raimund Kabelka und Mag. Robert Renner (beide AG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Richard G. K***, Pensionist, 1040 Wien, Favoritenstraße 16, vertreten durch Dr. Friedrich Fritsch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** DER G***

W***, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, diese vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Höhe einer Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 1989, GZ 34 Rs 233/89-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 28. Juli 1989, GZ 17 Cgs 561/88-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden, soweit damit das Begehren des Klägers auf Bezahlung einer höheren Alterspension als 19.647 S monatlich (schlüssig) abgewiesen wird, und ferner im Kostenpunkt aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die beklagte Partei gewährte dem Kläger ab 1.6.1988 die Alterspension in der Höhe von 19.082,10 S monatlich. In seiner Klage begehrte der Kläger erkennbar die Zuerkennung einer höheren Alterspension und brachte dazu vor, daß die beklagte Partei bei der Bemessung der Pension zu Unrecht aus der Zeit vom 1.8.1938 bis 30.6.1941 und vom 2.10.1945 bis September 1947 keine Versicherungsmonate berücksichtigt habe. Im zuerst genannten Zeitraum sei er als mithelfendes Familienmitglied im Betrieb seines Vaters tätig, in zweiten Zeitraum sei er Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft gewesen.

Die beklagte Partei wendete zum zweiten Zeitraum, der im Rechtsmittelverfahren allein noch strittig ist, ein, daß die Gesellschaft erst ab 30.8.1947 über eine Gewerbeberechtigung verfügt habe, weshalb die Versicherungspflicht erst ab diesem Zeitpunkt angenommen werden könne.

Der Kläger erwiderte hierauf, daß die Gesellschaft zunächst auf Grund der Gewerbeberechtigung des anderen Gesellschafters tätig gewesen sei und daß sich die Formalitäten zur Umschreibung bis 1947 hingezogen hätten, obwohl der Antrag "sogleich" gestellt worden sei. Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger ab 1.6.1988 eine Alterspension von 19.647 S monatlich zu bezahlen, ohne ein Mehrbegehren abzuweisen. Es berücksichtigte bei der Bemessung der Pension aus der Zeit vom 1.8.1938 bis 30.6.1941 35 Ersatzmonate und stellte zu dem zweiten, noch strittigen Zeitraum folgendes fest:

Der Kläger schloß am 1.10.1945 mit seinem Vater einen Gesellschaftsvertrag über die Gründung einer offenen Handelsgesellschaft. Als Zeitpunkt des Beginns der Gesellschaft wurde der 1.1.1945 festgesetzt. Die Gesellschaft arbeitete mit der Gewerbeberechtigung des Vaters. "Sogleich" wurde der Antrag auf Erteilung einer Gewerbeberechtigung für die Gesellschaft gestellt. Diese erlangte die Gewerbeberechtigung und damit die Kammermitgliedschaft aber erst ab 30.8.1947.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß der Kläger in der Zeit vom 2.10.1945 bis 31.8.1947 keine Beitragsmonate (gemeint wohl: Ersatzmonate) in der Sozialversicherung der Selbständigen habe erwerben können, weil die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft nur dann pflichtversichert seien, wenn die Gesellschaft Mitglied einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft sei. Auf die Gründe, weshalb die Mitgliedschaft nicht (früher) zustande gekommen sei, könne nicht Bedacht genommen werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, wobei es sich im wesentlichen der Rechtsansicht des Erstgerichtes anschloß.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich, soweit damit das Klagebegehren abgewiesen wurde, die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß ihm die Alterspension unter Einschluß des Zeitraums vom 1.10.1945 bis 31.8.1947 als Ersatzzeiten gewährt wird. Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinn eines Antrags auf Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen, der im Revisionsantrag des Klägers enthalten ist (SZ 48/1; SZ 48/19 ua), berechtigt.

Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß dem Kläger aus dem strittigen Zeitraum gemäß dem hier allein in Betracht kommenden § 116 Abs 1 Z 1 GSVG Ersatzzeiten nur angerechnet werden können, wenn und soweit die Gesellschaft, deren Gesellschafter er gewesen ist, Mitglied einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft war, weil er nur dann gemäß § 2 Abs 1 Z 2 GSVG in der Pensionsversicherung pflichtversichert gewesen wäre, wenn diese Bestimmung schon gegolten hätte. Hiezu bestimmt § 3 Abs 2 des seit 10.10.1946 in Kraft stehenden Handelskammergesetzes (HKG) BGBl 1946/182, daß Mitglieder der Kammern der gewerblichen Wirtschaft alle physischen und juristischen Personen sowie offenen Handelsgesellschaften (Kommanditgesellschaften) sind, die zum selbständigen Betrieb von Unternehmungen des Gewerbes, der Industrie, des Handels, des Geld-, Kredit- und Versicherungswesens, des Verkehrs- und des Fremdenverkehrs berechtigt sind. Für den Beginn der Mitgliedschaft bei der Kammer und damit der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung kommt es daher bei einer Erwerbstätigkeit, die der Gewerbeordnung unterliegt, darauf an, ab wann die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes gegeben war. Dies ergibt sich ferner aus § 6 Abs 1 Z 1 bis 3 GSVG, wonach die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung mit dem Tag der "Erlangung" der die Pflichtversicherung begründenden Berechtigung beginnt. Nicht entscheidend ist, ab wann die Kammer die Person oder Gesellschaft als Mitglied behandelte.

§ 3 Abs 2 HKG ist auch für die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes liegende Zeit maßgebend. Damals waren die selbständig Erwerbstätigen allerdings noch nicht unmittelbar Mitglieder der Kammern, sondern diesen gehörten gewählte Berufsvertreter als Mitglieder an (s die Einführung zum HKG in Heinl-Loebenstein-Verosta, Das österreichische Recht VIII a 1, 1 ff). § 2 Abs 1 GSVG wäre in dieser Zeit daher nicht anwendbar gewesen. Die Regelung, wonach für den Erwerb von Ersatzzeiten nach § 116 Abs 1 Z 1 GSVG zu fingieren ist, daß dieses Gesetz schon zur Zeit der Ausübung der selbständigen Erwerbstätigkeit galt, muß aber auch für jene Vorschriften gelten, die nunmehr die Grundlage der Versicherungspflicht nach dem GSVG bilden. Für die Frage der Kammermitgliedschaft ist daher von der Geltung des HKG auszugehen.

Die Feststellungen des Erstgerichtes reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ab wann die offene Handelsgesellschaft, deren Gesellschafter der Kläger war, nach § 3 Abs 2 HKG Mitglied einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft gewesen wäre oder war, zumal es sich bei den Ausführungen, daß die Gesellschaft die Gewerbeberechtigung und damit die Kamemrmitgliedschaft erst ab 30.8.1947 "erlangt" habe, um eine rechtliche Schlußfolgerung handelt, für die aber die Tatsachengrundlage fehlt. Die Lösung der Frage, wann eine Gewerbeberechtigung "erlangt" ist, hängt davon ab, ob es sich um ein konzessioniertes oder ein Anmeldungsgewerbe handelt. Es ist für den Bereich der nunmehr geltenden GewO 1973 unbestritten, daß die Gewerbeberechtigung bei konzessionierten Gewerben mit der Rechtskraft des Bescheides über die Erteilung der Konzession, bei Anmeldungsgewerben aber schon mit der Anmeldung des Gewerbes entsteht, in diesem Fall allerdings unter der Voraussetzung, daß die für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen allgemeinen und gegebenenfalls auch besonderen Voraussetzungen erfüllt sind (Kinscher in Rill, Grundfragen der GewO 1973, 124; Heinl-Mayr, Gewerberecht I/2, 18; Fialka-Wallner, Kommentar zur GewO 1973 bei § 5; Walter-Mayr, Besonderes Verwaltungsrecht2 312; Rechtsprechung des VwGH, zitiert bei Mache-Kinscher, in der MGA GewO4 in Anm 3 und 9 zu § 5). Da die Rechtslage im wesentlichen gleich geblieben ist, gilt das Gesagte auch für die GewO 1859, die im strittigen Zeitraum in Kraft stand (in diesem Sinn schon Branberger-Knauer, Gewerberecht2, 31, 59 und 73).

Die Vorinstanzen haben zwar richtig erkannt, daß die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung die Kammermitgliedschaft und damit die Pflichtversicherung nicht begründet (SSV-NF 2/124). Dies ändert jedoch nichts daran, daß hier die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes nicht ausreichen, um beurteilen zu können, ab wann die Gesellschaft die Gewerbeberechtigung erlangte und der Kläger daher in der Pensionsversicherung pflichtversichert gewesen wäre, wenn das GSVG schon gegolten hätte.

Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren somit Feststellungen über die Art des von der offenen Handelsgesellschaft ausgebüten Gewerbes zu treffen haben. Sollte es sich dabei, was nach der Aktenlage wahrscheinlich ist, um ein Anmeldungsgewerbe gehandelt haben, so wird festzustellen sein, wann das Gewerbe angemeldet wurde und ob zu dieser Zeit die Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes erfüllt waren. Die Feststellung, daß das Gewerbe "sogleich" angemeldet wurde, ist ungenügend, zumal es nicht auf den Tag der Absendung der Anmeldung, sondern auf den Tag ankommt an dem die Anmeldung bei der Behörde einlangte. Da dieser Tag zu den den Anspruch des Klägers begründenden Tatsachen gehört, hat er ihn zu beweisen (vgl SSV-NF 1/48).

Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten beruht auf § 2 Abs 1 ASGG iVm § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E21538

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00124.9.0508.000

Dokumentnummer

JJT_19900508_OGH0002_010OBS00124_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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