TE OGH 1990/5/8 14Os51/90 (14Os52/90)

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Veröffentlicht am 08.05.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.Mai 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofko als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Richard C*** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 127 ff StGB über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.Juli 1989, GZ 1 b Vr 1615/83-127, und einen Vorgang im Verfahren zum AZ 10 a Vr 119/89 des Kreisgerichtes Krems an der Donau erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach Anhörung des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, in öffentlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Das Gesetz wurde verletzt:

1. dadurch, daß im Verfahren zum AZ 10 a Vr 119/89 des Kreisgerichtes Krems an der Donau nach der Beschlußfassung vom 12. Juli 1989 gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO auf Widerruf der dem Verurteilten Richard C*** durch Gnadenakt des Bundespräsidenten gewährten bedingten Strafrestnachsicht die unverzügliche Verständigung des von dieser Entscheidung zum AZ 1 b Vr 1615/83 betroffenen Landesgerichtes für Strafsachen Wien unterblieb, in der Bestimmung des § 494 a Abs. 8 StPO;

2. durch den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.Juli 1989, GZ 1 b Vr 1615/83-127, womit die dem Verurteilten Richard C*** durch Gnadenakt des Bundespräsidenten gewährte bedingte Strafrestnachsicht für endgültig erklärt wurde, in dem sich aus den Vorschriften des XX. Hauptstückes der Strafprozeßordnung ergebenden Grundsatz, daß in derselben Sache nicht noch einmal entschieden werden darf.

Dieser Beschluß wird aufgehoben.

Text

Gründe:

Richard C*** wurde nach teilweiser Verbüßung der mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafachen Wien als Schöffengericht vom 20.Juni 1984, GZ 1 b Vr 1615/83-67, über ihn wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 2 StGB (aF) sowie wegen der Vergehen des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und Abs. 2 StGB und der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB verhängten Freiheitsstrafe von 2 1/2 Jahren (bei einem offenen Strafrest von sechs Monaten und 24 Tagen) zufolge Entschließung des Bundespräsidenten vom 12. Dezember 1985, Zl 500-10/3, ("aus Anlaß des Weihnachtsfestes 1985") mit den Wirkungen der bedingten Entlassung (richtig: mit den Wirkungen der bedingten Strafrestnachsicht) begnadigt und demzufolge am 18.Dezember 1985 unter bedingter Nachsicht des Restes der Freiheitsstrafe aus der Strafhaft entlassen, wobei die Probezeit mit drei Jahren bestimmt wurde (S 443 und 445 des Aktes 1 b Vr 1615/83; Gw 231/89).

Mit dem Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 12.Juli 1989, GZ 10 a Vr 119/89-47, wurde Richard C*** wegen des (während der Probezeit begangenen) Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1, 130 (zweiter Strafsatz) StGB sowie des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Gleichzeitig wurde mit dem gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO in der Hauptverhandlung gefaßten Beschluß (unter Wahrung der Widerrufsfrist des § 56 letzter Fall StGB) die oben angeführte gnadenweise bedingte Entlassung widerrufen. Das Urteil und der (Widerrufs-)Beschluß sind in Rechtskraft erwachsen. Entgegen der Vorschrift des § 494 a Abs. 8 StPO hat jedoch das Kreisgericht Krems an der Donau das Landesgericht für Strafsachen Wien (als Titelgericht) vom Widerruf der bedingten Strafrestnachsicht nicht unverzüglich verständigt. Eine solche Verständigung ist nach der Aktenlage bislang nicht erfolgt.

Mangels einer Verständigung und somit offensichtlich in Unkenntnis des vom Kreisgericht Krems an der Donau ausgesprochenen Widerrufs der bedingten Strafrestnachsicht hat das Landesgericht für Strafsachen Wien im Verfahren 1 b Vr 1615/83 über Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluß vom 21.Juli 1989 gemäß § 497 Abs. 1 StPO ausgesprochen, daß die in diesem Verfahren über Richard C*** verhängte und bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 1/2 Jahren (richtig: der noch offene und durch Gnadenakt des Bundespräsidenten bedingt nachgesehene Rest dieser Freiheitsstrafe) endgültig nachgesehen ist (ON 127 des genannten Aktes). Auch dieser Beschluß ist in Rechtskraft erwachsen.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst wurde, wie die Generalprokuratur zutreffend geltend macht, dadurch, daß es der Vorsitzende des Schöffensenates des Kreisgerichtes Krems an der Donau unterlassen hat, das vom Widerruf der bedingten Strafrestnachsicht (zum AZ 1 b Vr 1615/83) betroffene Landesgericht für Strafsachen Wien unverzüglich zu verständigen, das Gesetz in der Bestimmung des § 494 a Abs. 8 StPO verletzt. Diese Verständigungspflicht ist nicht von der Rechtskraft der Widerrufsentscheidung abhängig. Die im § 494 a Abs. 8 StPO vorgeschriebene Verständigung hat nämlich, umso mehr, wenn infolge Ablaufes der Probezeit eine allfällige Entscheidung über die endgültige Nachsicht der Strafe durch ein anderes (hiefür an sich zuständiges) Gericht zu erwarten ist, unverzüglich zu erfolgen. Es steht aber auch der Beschluß des Vorsitzenden des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.Juli 1989, GZ 1 b Vr 1615/83-127, auf endgültige Nachsicht des dem Verurteilten C*** bedingt nachgesehenen Strafrestes mit dem Gesetz nicht im Einklang. Denn angesichts der dieser Beschlußfassung zeitlich vorausgegangenen (in Rechtskraft erwachsenen) Widerrufsentscheidung des Kreisgerichtes Krems an der Donau stand einer neuerlichen (gegenteiligen) Entscheidung in dieser Sache die materielle Rechtskraft des vorerwähnten Widerrufsbeschlusses vom 12.Juli 1989 und die damit verbundene Sperrwirkung entgegen. Somit verstößt der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.Juli 1989 über die endgültige Strafrestnachsicht gegen den sich aus dem XX. Hauptstück der Strafprozeßordnung ergebenden, auf der materiellen Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung (hier: des Beschlusses des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 12.Juli 1989) beruhenden Grundsatzes "ne bis in idem" (vgl. 14 Os 156/87). Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß dem Vorsitzenden des Landesgerichtes für Strafsachen Wien im Zeitpunkt der Beschlußfassung auf endgültige Strafrestnachsicht der (gemäß dem § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO gefaßte) Widerrufsbeschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau offensichtlich nicht bekannt war.

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. Juli 1989 konnte weder den schon vorher durch das Kreisgericht Krems an der Donau (mit konstitutiver Wirkung) ausgesprochenen Widerruf der dem Verurteilten C*** (gnadenweise) gewährten bedingten Strafrestnachsicht beseitigen, noch sonst für den Genannten irgendwelche Rechtswirkungen erzeugen. Der Ausspruch (vom 21. Juli 1989) über die endgültige Strafrestnachsicht ist vielmehr wirkungslos und konnte demnach die mit dem schon zuvor ergangenen Widerrufsbeschluß des gemäß dem § 494 a Abs. 1 StPO hiefür zuständigen Schöffensenates des Kreisgerichtes Krems an der Donau verbundenen Rechtsfolgen nicht mehr rückgängig machen. Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien war sohin zu beseitigen (14 Os 156/87).

In Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher wie im Spruch zu erkennen.

Anmerkung

E20532

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0140OS00051.9.0508.000

Dokumentnummer

JJT_19900508_OGH0002_0140OS00051_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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