TE OGH 1990/5/9 2Ob605/89 (2Ob1504/89)

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Veröffentlicht am 09.05.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Melber, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1) Walter S***, Hauptabteilungsleiter, Mühlgrundgasse 3, 1220 Wien,

2) RegRat Friedrich S***, Pensionist, Mühlgrundgasse 1, 1220 Wien, und 3) Erna S***, Geschäftsfrau, ebendort wohnhaft, alle vertreten durch Dr.Heinrich Wille, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei C*** Handelsgesellschaft m.b.H., Gotramgasse 11, 1220 Wien, vertreten durch Dr.Andreas Puletz, Rechtsanwalt in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei R*** Borax Ltd., Borax House, Carlisle Place, London SW1P 1 HT, Großbritannien, vertreten durch Dr.Friedrich Mosing, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1) Feststellung (S 61.000,--), Handlung bzw. Unterlassung (S 61.000,--) und Zahlung von

S 488.039,-- s.A. (5 Cg 174/84 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien) und 2) Feststellung (S 61.000,--), Handlung bzw. Unterlassung (S 61.000,--) und Zahlung von S 895.400,-- s.A. (5 Cg 233/84 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien), infolge der außerordentlichen Revision und des Rekurses der klagenden Parteien gegen das Urteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28.Februar 1989, GZ 12 R 22/89-92, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30.April 1987, GZ 5 Cg 174/84-73, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zur weiteren Behandlung der Revision der klagenden Parteien als ordentliche Revision zurückgestellt.

Text

Begründung:

Der Erstkläger stellte in seiner zu 5 Cg 174/84 des Erstgerichtes eingebrachten Klage als Eigentümer der Liegenschaft EZ 382 KG Stadlau im wesentlichen mit der Begründung, daß von den Liegenschaften der Beklagten EZ 225 und EZ 305 KG Stadlau unzulässige die Liegenschaft des Erstklägers beeinträchtigende Immissionen ausgingen, das Begehren, 1) es werde festgestellt, daß die Beklagte und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum ihrer Liegenschaften schuldig sind, dem Erstkläger und seinen Rechtsnachfolgern im Eigentum seiner Liegenschaft alle Schäden zu ersetzen, die ihm und seinen Rechtsnachfolgern im Eigentum seiner Liegenschaft durch Bor noch entstehen werden, das von den Liegenschaften der Beklagten ausgeht oder bereits ausgegangen ist; gleichzeitig habe die Beklagte in die grundbücherliche Einverleibung dieser Verpflichtung ob den ihr gehörigen Liegenschaften zugunsten des jeweiligen Eigentümers der Liegenschaft des Erstklägers als Reallast einzuwilligen, 2) die Beklagte und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum ihrer Liegenschaften seien gegenüber dem Erstkläger und seinen Rechtsnachfolgern im Eigentum seiner Liegenschaft schuldig, durch geeignete Vorkehrungen zu verhindern, daß von ihren Liegenschaften weiterhin Bor ins Grundwasser gelangt und 3) die Beklagte sei schuldig, dem Kläger den Betrag von S 448.039,-- s.A. zu bezahlen.

Der Zweitkläger und die Drittklägerin stellten in ihrer zu 5 Cg 233/84 des Erstgerichtes eingebrachten Klage als Miteigentümer (zu je 1/2-Anteil) der Liegenschaft EZ 381 KG Stadlau aus dem gleichen Rechtsgrund gegen die Beklagte gleichartige Begehren; ihr Leistungsbegehren ist auf Zahlung eines Geldbetrages von S 895.400,-- s.A. gerichtet.

Die beiden Rechtsstreite wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, gegenüber allen drei Klägern durch geeignete Vorkehrungen zu verhindern, daß von ihren Parzellen weiterhin Bor ins Grundwasser gelangt sowie dem Erstkläger den Betrag von S 200.500,-- s.A. und dem Zweitkläger und der Drittklägerin den Betrag von S 554.000,-- s.A. zu bezahlen. Das Mehrbegehren der Kläger wies es ab.

Diese Entscheidung des Erstgerichtes wurde von allen Klägern, der Beklagten und dem auf ihrer Seite dem Rechtsstreit beigetretenen Nebenintervenienten mit Berufung bekämpft. Die Kläger bekämpften sie insoweit, als ihrem zu 1) gestellten Begehren nicht stattgegeben und ihrem zu 2) gestellten Begehren nicht zu Gunsten ihrer Rechtsnachfolger und gegenüber den Rechtsnachfolgern der Beklagten stattgegeben wurde. Die Beklagte und der ihr beigetretene Nebenintervenient bekämpfen die Entscheidung des Erstgerichtes in ihrem klagsstattgebenden Teil.

Das Berufungsgericht verwarf mit Beschluß die Berufung des Nebenintervenienten, soweit sie Nichtigkeit geltend machte. Es gab mit Urteil der Berufung der Kläger in der Hauptsache keine Folge und bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes im Umfang der Abweisung des Feststellungsund Einwilligungsbegehrens sowie der teilweisen Abweisung des Unterlassungsbegehrens als Teilurteil. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes beim Feststellungs- und Einwilligungsbegehren einerseits sowie beim Unterlassungsbegehren andererseits bei jeder der klagenden Parteien S 60.000,--, aber nicht S 300.000,-- übersteigt und daß die Revision nicht zulässig sei. Im übrigen gab das Berufungsgericht mit Beschluß den Berufungen der Beklagten und des ihr beigetretenen Nebenintervenienten Folge, hob die Entscheidung des Erstgerichtes in ihrem klagsstattgebenden Teil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß die im § 502 Abs. 4 Z 1 (a.F.) normierten Voraussetzungen nicht gegeben seien.

Die Kläger bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes mit einem als außerordentliche Revision bezeichneten Rechtsmittel erkennbar aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der vollinhaltlichen Stattgebung ihrer zu 1) und 2) gestellten Klagebegehren abzuändern; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag. Den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes bekämpfen die Kläger mit Rekurs mit dem Antrag, die Entscheidung in diesem Umfang im Sinne der Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise beantragen sie, "die Entscheidung des Berufungsgerichtes in diesem Umfang aufzuheben und die Rechtssache dem Berufungsgericht zur Verfahrensergänzung und Neuentscheidung im bestätigenden Sinn aufzutragen".

Rechtliche Beurteilung

Das als außergerichtliche Revision bezeichnete Rechtsmittel der Kläger wurde bisher dem Prozeßgegner nicht zugestellt. Über die vorliegenden Rechtsmittel kann derzeit aus folgenden Gründen nicht abgesprochen werden:

Die Verbindung mehrerer Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung ist nach ständiger Rechtsprechung für die Beurteilung der Rechtsmittelzulässigkeit ohne Bedeutung (SZ 37/22; JBl 1980, 430 ua). Für diese Beurteilung sind gemäß § 55 Abs. 1 Z 2 JN mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen, wenn sie von mehreren Parteien erhoben werden, die Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind, die also in Ansehung des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft stehen oder aus demselben tatsächlichen Grund oder solidarisch berechtigt sind. Weitere Personen sind aus dem gleichen tatsächlichen Grund berechtigt, wenn sie ihre Rechte aus einem für alle Rechtsgenossen insgesamt einheitlich zu beurteilenden Sachverhalt ableiten. Entscheidend ist der gleiche tatsächliche Klagegrund, demnach ein einheitlicher rechtserzeugender Sachverhalt (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 371; 8 Ob 551/85 ua). Mehrere von einer Partei in einer Klage geltend gemachte Ansprüche sind für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nur unter der Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 1 JN zusammenzurechnen, wenn sie also in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (Fasching aaO Rz 1830; 2 Ob 113/88 ua). Für die Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs. 4 Z 2 ZPO (a.F.) ist der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, maßgebend, gleichgültig, ob diese Entscheidung zur Gänze oder zum Teil bestätigend oder abweisend oder zum Teil auch aufhebend ist (Petrasch in ÖJZ 1983, 175; 2 Ob 91/88; 2 Ob 99,1057/89 ua).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt folgendes:

Für die Beurteilung der Zulässigkeit der vorliegenden Revision sind nicht die in den getrennten Klagen geltend gemachten Ansprüche zusammenzurechnen, wohl aber die vom Erstkläger geltend gemachten Ansprüche (sie werden aus dem gleichen rechtserzeugenden Sachverhalt abgeleitet und stehen damit zumindest in einem tatsächlichen Zusammenhang) einerseits und die vom Zweitkläger und der Drittklägerin geltend gemachten Ansprüche (Zweitkläger und Drittklägerin sind in Ansehung des Verfahrensgegenstandes als Miteigentümer der beeinträchtigten Liegenschaft als materielle Streitgenossen anzusehen und die von ihnen geltend gemachten einzelnen Ansprüche werden gleichfalls aus dem gleichen rechtserzeugenden Sachverhalt abgeleitet und stehen damit zumindest in einem tatsächlichen Zusammenhang) andererseits, soweit das Berufungsgericht darüber entschieden hat.

Demnach ergibt sich hinsichtlich des Zweitklägers und der Drittklägerin das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs. 4 Z 2 ZPO (a.F.) schon daraus, daß hinsichtlich dieser Kläger der mit ihren übrigen Ansprüchen zusammenzurechnende in Geld bestehende Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, für sich allein schon S 300.000,-- übersteigt. Hinsichtlich des Erstklägers betrug der in Geld bestehende Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, nur S 200.500,--. Wenn das Berufungsgericht aber (für den Obersten Gerichtshof insoweit unüberprüfbar) aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes auch für diesen Kläger sowohl beim Feststellungs- und Einwilligungsbegehren einerseits als auch beim Unterlassungsbegehren andererseits, die beide Gegenstand der Entscheidung des Berufungsgerichtes waren, S 60.000,-- übersteigt, dann ergibt die erforderliche Zusammenrechnung auch hinsichtlich dieses Klägers, daß der ihn betreffende Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- überstieg.

Unter diesen Umständen ist aber der unzutreffende Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs. 3 ZPO (a.F.) als nicht beigesetzt anzusehen und ist die Revision der Kläger nach § 502 Abs. 4 Z 2 ZPO (a.F.) jedenfalls zulässig.

Es handelt sich daher bei dem vorliegenden gegen das Urteil des Berufungsgerichtes gerichteten Rechtsmittel der Kläger trotz seiner unzutreffenden Bezeichnung als "außerordentliche Revision" um eine ordentliche Revision, über die nach den Vorschriften der §§ 507, 508 ZPO (a.F.) zu verfahren sein wird.

Anmerkung

E20881

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00605.89.0509.000

Dokumentnummer

JJT_19900509_OGH0002_0020OB00605_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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