Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Mai 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wolf als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ali Osman B*** wegen des Verbrechens nach den §§ 12 SGG, 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über den Antrag des Angeklagten auf Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 8. Februar 1990, GZ 13 Os 164/89-6, sowie über dessen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 20.September 1989, GZ 35 Vr 242/89-54, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 8.Februar 1990, GZ 13 Os 164/89-6, womit die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ali Osman B*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 20.September 1989, GZ 35 Vr 242/89-54 als verspätet ausgeführt, zurückgewiesen wurden, wird aufgehoben.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Akten werden dem Oberlandesgericht Linz zur Entscheidung
über die Berufung zugeleitet.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Der im Spruch bezeichnete Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 8.Februar 1990 erging, weil nach der Aktenlage die Rechtsmittelausführungen des Angeklagten durch seinen Verteidiger um einen Tag verspätet bei Gericht "persönlich überreicht" worden waren. In seinem "Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens" bringt der Verteidiger vor, daß er die Ausführung seiner Rechtsmittel nicht persönlich bei Gericht überreicht habe, sondern, daß diese schon am Vortag zur Post gegeben wurde. Diese Behauptung wird durch vorgelegte Kopien des betreffenden Aufgabescheines und der Verständigung der Nachforschungsstelle des Postamts 5020 Salzburg (ON 83) und durch die Aussagen von in der Kanzlei des Verteidigers beschäftigten Personen (Dr. G***, ON 86 und Andrea S***, ON 87) bestätigt.
Es muß daher davon ausgegangen werden, daß die Rechtsmittelausführungen zeitgerecht (6.November 1989) zur Post gegeben wurden, zumal die an sich einer solchen Annahme entgegenstehenden Angaben des Leiters der Einlaufstelle des Landesgerichtes Salzburg (ON 89) nicht auf konkrete fallbezogene
Anhaltspunkte, sondern nur auf allgemeine Überlegungen (... bisher noch nie ... stets Briefkuverts der Größe DIN A 5) gestützt werden.
Der erstzitierte Beschluß des Obersten Gerichtshofes entsprach zwar der Aktenlage. Neu hervorgekommen ist aber die als vom Verteidiger bescheinigt anzusehende Tatsache, daß seine Ausführungen zu Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung schon am 6.November 1989 zur Post und damit fristgerecht aufgegeben wurden. In Kenntnis dieser Tatsache hätte der Oberste Gerichtshof die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung nicht als verspätet zurückgewiesen, sondern einer Sachentscheidung zugeführt. Es war daher in entsprechender Anwendung des § 358 StPO dieser Ausspruch aufzuheben (vgl. dazu ua EvBl. 1979 Nr. 183; 13 Os 145/79, 11 Os 55/81, 13 Os 98/83).
Der 27-jährige Türke Ali Osman B*** wurde des teils nur in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach dem § 15 StGB begangenen Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1, 2 und 3 SGG sowie des damit teilweise in Tateinheit verübten Finanzvergehens des bandenmäßigen Schmuggels nach den §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit. b FinStrG schuldig erkannt.
Darnach hat er als Mitglied einer jedenfalls aus dem gesondert verfolgten Mehmet E*** und Mehmet K*** bestehenden Bande, sowie als Mittäter des Erstgenannten am 29.Jänner 1989 das Fünfundzwanzigfache einer großen Suchtgiftmenge, nämlich 14 kg Heroin (Heroinbase: 6.807,75 Gramm, umgerechnet auf Heroinhydrochlorid 7.479,78 Gramm) nach Österreich geschmuggelt und zwei Tage später mit Mehmet E*** bei Salzburg/Walserberg das Suchtgift in die BRD auszuführen versucht.
Der Angeklagte macht Urteilsnichtigkeit aus dem § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit. a und 11 StPO geltend; er ist jedoch nicht im Recht. Das Erstgericht hat die vom Angeklagten geschilderte Vorgangsweise über die Verbringung des Fahrzeugs, in welchem schließlich das Heroin versteckt wurde, in die Türkei und von dort zurück, keineswegs übergangen, sondern sie als mit dem kaufmännischen Standpunkt eines Autohändlers, als welcher sich der Angeklagte gerierte, unvereinbar und unglaubwürdig gewertet, weil die nötigen Fahrzeugpapiere nicht mitgeführt wurden (US 6). Glaubten aber die Tatrichter nicht der Verkaufsversion des Angeklagten, so waren sie auch nicht verhalten, sich mit der Wiederverkaufsversion des bis zur deutschen Grenze rücktransportierten Fahrzeuges auseinanderzusetzen. Abgesehen davon haben die Tatrichter ohnehin auch diese Schilderung des Angeklagten dahin beurteilt, daß dies ein unnotwendiger und damit unglaubwürdiger Aufwand gewesen wäre (US 7). Nicht vollkommen unbeachtet - wie er in seiner Beschwerde behauptet - blieb weiters die Darstellung des Angeklagten, sein Begleiter E*** habe ohne sein Wissen entweder bei einer Rast in Nic oder während E*** das Auto einige Stunden allein zur Verfügung hatte, das Heroin im Fahrzeug versteckt. Diese Einlassung des Angeklagten wurde ebenfalls eingehend gewürdigt und in Abwägung von dagegenstehenden Argumenten im Urteil verworfen (US 8). Auch mit der selbst den Tatrichtern präsentierten wechselvollen Aussage des Belastungszeugen K*** haben sich die Erstrichter ausführlich auseinandergesetzt (US 8 ff); einer zusätzlichen Erörterung, inwieweit sich - neben dem Beschwerdeführer - auch andere Personen (H***) durch die Aussage des K*** zu Unrecht belastet fühlen, bedurfte es danach nicht mehr.
Zum Vorteil für den Angeklagten aber fiel die Nichtberücksichtigung jenes Teils der Aussage des K*** aus, der Angeklagte sei sogar "der Kopf der Bande" gewesen, weil eine führende Rolle im Sinne des § 12 Abs. 4 SGG dem Angeklagten nicht angelastet wurde.
Unbegründet ist die Mängelrüge ferner, wenn behauptet wird, das Erstgericht spreche dem Zeugen K*** schlicht jede Glaubwürdigkeit ab und erwähne seine Angaben überhaupt nicht. Im Gegenteil: Im Urteil wird vielmehr der Kern dieser, eine Mitwisserschaft leugnenden Aussage K*** wiedergegeben und ebenso auch dessen weitere Aussage gegenüber einem Zellengenossen und all das ausreichend gewürdigt (US 10).
Daß der Angeklagte um das Versteck des Heroins im Kraftfahrzeug wußte, ist ohne Widerspruch zur weiteren Urteilsannahme, daß er sogar selbst das Rauschgift dort verborgen hat. Im übrigen ist es rechtlich völlig unentscheidend, wer das Suchtgift in den Hohlräumen oberhalb der beiden Radkästen des Fahrzeugs sowie in dessen Rücksitzlehne placiert hat. Die für die Strafbarkeit entscheidende Tathandlung ist vielmehr das Einführen und die versuchte Ausfuhr und beides hat der Beschwerdeführer, wie festgestellt, gewollt und getan. Der deliktische Vorsatz des Angeklagten bezog sich festgestelltermaßen auf die gesamte eingeführte und auszuführen beabsichtigte Heroinmenge; diese war nun nicht wie die Rechtsrüge einleitend, aber urteilsfremd (und somit prozeßordnungswidrig) unterstellt, bloß so groß, daß deren Weitergabe geeignet gewesen wäre, im großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen (§ 12 Abs. 1 SGG), sondern vielmehr das weit mehr als Fünfundzwanzigfache davon (§ 12 Abs. 3 Z 3 SGG). Angesichts der vom Wissen und Willen des Angeklagten erfaßten überaus großen Menge (14 kg) Heroins bedurfte es keiner weiteren zusätzlichen Ausführungen zum diesbezüglichen Vorsatz (vgl. 10 Os 140/73; JBl. 1974, 536 uva).
Den weiteren Beschwerdeausführungen zum Finanzvergehen nach dem § 35 Abs. 1 FinStrG, es würden Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite fehlen, genügt es zu entgegnen, daß nach den Urteilskonstatierungen das dem Zollverfahren entzogene Heroin mit Eingangsabgaben von insgesamt 4,095.700 S belastet (US 2 und 4) und der Angeklagte auch diesbezüglich festgestelltermaßen der vorsätzlich Handelnde, nämlich der Schmuggler, war. Ebenso von seinem Vorsatz umfaßt war, wie aus den Urteilsgründen zu ersehen, daß er als Mitglied einer Bande handelte (US 6).
Der Vorwurf in der Nichtigkeitsbeschwerde (Z 11), es sei über den Angeklagten eine ungewöhnlich strenge und hohe Strafe verhängt worden, sowohl nach dem Suchtgiftgesetz als auch nach dem Finanzstrafgesetz, zeigt keinen Rechtsfehler auf, sondern wendet sich bloß gegen einen Ermessensentscheid in der Straffrage. Damit erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde teils als unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weshalb sie bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen war (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, § 285 d Abs. 1 Z 1 iVm § 285 a StPO). Der Beschwerdehinweis, wonach die Nichtigkeitsbeschwerde in einer anderen Strafsache (14 Os 91/89) vom Obersten Gerichtshof nicht in nichtöffentlicher Beratung, sondern in einem Gerichtstag erledigt wurde, ist ohne Bezug zur vorliegenden Strafsache. In jenem Verfahren war nämlich die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen Freispruch des Erstgerichtes gesetzmäßig ausgeführt und auch begründet. Der § 285 e StPO stellt aber nur auf Nichtigkeitsbeschwerden ab, die zum Vorteil des Angeklagten ergriffen wurden.
Gemäß dem § 285 i StPO wird über die Berufung das Oberlandesgericht Linz zu erkennen haben.
Anmerkung
E20525European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0130OS00042.9.0510.000Dokumentnummer
JJT_19900510_OGH0002_0130OS00042_9000000_000