TE OGH 1990/5/10 6Ob589/90

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Veröffentlicht am 10.05.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Kindes Timar Emanuel EL - S***, geboren am 29.März 1982, im Haushalt seiner Mutter Eva Maria EL- S***, Tierbetreuerin, Linz, Rosenauerstraße 26, wegen Weitergewährung von Vorschüssen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz 1985 infolge Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 19. März 1990, GZ 18 R 154/90-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 21.Februar 1990, GZ 4 P 362/87-13, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.

Text

Begründung:

Der am 29.März 1982 geborene Knabe wurde durch die nachfolgende Eheschließung seiner Eltern legitimiert. Das Kind ist österreichischer Staatsbürger. Es wächst bei seiner Mutter im Inland heran. Der Vater kehrte zu Beginn des Jahres 1987 in seine ägyptische Heimat zurück. Seither ist sein Aufenthalt den inländischen Angehörigen und Behörden nicht bekannt. Das Kind steht in der alleinigen Obsorge seiner Mutter. Die Ehe seiner Eltern wurde im Jahre 1988 geschieden. Eine Festsetzung des vom Vater für das Kind zu leistenden gesetzlichen Unterhaltes ist nicht aktenkundig. Die Einleitung eines Unterhaltsfestsetzungsverfahrens wurde nicht einmal behauptet.

Im Sinne eines Antrages vom 31.März 1987 war dem Kind gemäß § 4 Z 2 UVG für die Zeit vom 1.März 1987 bis 28.Februar 1990 ein monatlicher Unterhaltsvorschuß in der Höhe der Richtsätze nach § 6 UVG bewilligt worden.

Am 16.Februar 1990 beantragte das Kind durch das Jugendamt die Weitergewährung des gemäß § 4 Z 2 UVG gewährten Unterhaltsvorschusses für die Zeit vom 1.März 1990 bis 28.Februar 1993. Unter Hinweis auf das beim Pflegschaftsgericht abgeführte Scheidungsverfahren brachte der gesetzliche Vertreter des Kindes in seinem Antrag vor, der Aufenthalt des Unterhaltsschuldners sei nach wie vor unbekannt. Auch über seine Lebensverhältnisse herrsche völlige Unklarheit.

Das Pflegschaftsgericht bewilligte die Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse antragsgemäß. Es ging aufgrund der Aktenlage davon aus, daß die Voraussetzungen für die Weitergewährung vorlägen. Das Rekursgericht gab dem vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes gegen die Weitergewährung der Vorschüsse erhobenen Rekurs nicht statt. Dazu sprach es aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht legte in tatsächlicher Hinsicht zugrunde, daß der Unterhaltsschuldner seit Anfang des Jahres 1987, ohne seinen inländischen Angehörigen Nachricht über seinen Aufenthalt zu geben, sich vermutlich in seinem Heimatland Ägypten aufhalte. Nach der Aktenlage seien keine Anhaltspunkte über den derzeitigen Aufenthalt des Unterhaltsschuldners vorhanden.

Daraus folgerte das Rekursgericht, daß auch vom besonderen Sachwalter des Kindes keine weiteren Anstrengungen zur Ermittlung des Aufenthaltes des Unterhaltsschuldners zu verlangen gewesen wären. Die Ungewißheit über die nach § 140 Abs 1 ABGB maßgebenden Einkommens- und Lebensverhältnisse des Unterhaltsschuldners ließen auch eine Unterhaltsfestsetzung nach dem Anspannungsgrundsatz (in einem gegen einen Kurator durchzuführenden Verfahren) nicht aussichtsreich erscheinen. Verdachtsmomente im Sinne des § 18 Abs 1 Z 2 UVG lägen ebensowenig vor wie Hinweise dafür, daß ein Unterhaltsfestsetzungsversuch etwa nur deshalb unterlassen worden wäre, weil die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung niedriger als der Richtsatzvorschuß sein könnte.

Der Präsident des Oberlandesgerichtes ficht die bestätigende Rekursentscheidung mit dem Abänderungsantrag im Sinne einer Abweisung des Weitergewährungsantrages an.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Entscheidung über den Antrag auf Weitergewährung der Vorschüsse auf den von einem unbekannten Aufenthaltes im Ausland weilenden Unterhaltsschuldner nach dem Gesetz geschuldeten Unterhalt von der in der Rechtsprechung der Rechtsmittelinstanzen in den letzten Jahren nicht einheitlich beantworteten Auslegungsfrage abhängt, ob die Voraussetzung nach § 4 Z 2 UVG, daß die Unterhalts(neu-)festsetzung "nicht gelingt", in jedem Falle zumindest einen diesbezüglich unternommenen Versuch bedinge oder nicht, sowie ob das Unterbleiben jedes derartigen Versuches ein Versagungsgrund für die Weitergewährung der Vorschüsse gemäß § 4 Z 2 UVG für einen weiteren Dreijahreszeitraum sei. Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Vorweg ist festzuhalten, daß die Rechtsmittelausführung, der Unterhaltsschuldner sei nach der Aktenlage unter einer bestimmten Anschrift in Kairo wohnhaft, von der Sachverhaltsgrundlage des angefochtenen Beschlusses abweicht. Für die Rechtsmittelerledigung ist in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, daß der derzeitige, vermutlich im ägyptischen Heimatland gelegene Aufenthaltsort des Unterhaltsschuldners im Inland nicht bekannt ist.

Der Rechtsmittelwerber vertritt die Auffassung, die Anspruchsvoraussetzungen nach § 4 Z 2 UVG seien ausnahmslos erst dann erfüllt, wenn ein Unterhaltsfestsetzungsverfahren gegen den Unterhaltsschuldner - wenn auch erfolglos - wenigstens eingeleitet worden sei.

In dem vom Rechtsmittelwerber nicht besonders hervorgehobenen Fall einer Weitergewährung ist darüber hinaus zu prüfen, welchen Einfluß es auf den Anspruch auf Weitergewährung von Vorschüssen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz 1985 übt, wenn das einen Vorschuß beziehende Kind durch seinen gesetzlichen Vertreter - ohne nähere Ausführungen dazu - im abgelaufenen dreijährigen Vorschußzeitraum keinerlei Bemühungen zur Vorbereitung und Einleitung eines entsprechenden Unterhaltsfestsetzungsverfahrens unternommen hat.

Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Die durch das Unterhaltsvorschußgesetz gewährten Ansprüche zielen in erster Linie auf eine wirksame Sicherung bereits festgesetzter Unterhaltsansprüche ab, indem anstelle des Unterhaltspflichtigen Leistungen aus öffentlichen Mitteln erfolgen, die aber nur aushilfsweise als Vorschuß auf die vom Unterhaltspflichtigen kraft Gesetzes geschuldeten Leistungen bestimmt sind und sich daher in den Grenzen dieses Unterhaltsanspruches zu halten haben. Das vorschußwerbende Kind soll daher grundsätzlich primär die ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten zur Durchsetzung seines Unterhaltsanspruches ausschöpfen (vgl EBzRV 5 BlgNR XIV.GP, 5 ff, insbesondere 10 zu § 3). Die Leistungen aus öffentlichen Mitteln nach dem Unterhaltsvorschußgesetz 1985 sollen nur ein Ersatz für die nicht rechtzeitig geleisteten und deshalb ihren Zweck verfehlenden Zahlungen des Unterhaltsschuldners sein. Deshalb werden die Ansprüche nach dem Unterhaltsvorschußgesetz 1985 auch in ihrem Ausmaß im Regelfall durch die konkrete Unterhaltsfestsetzung begrenzt. Die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz 1985 sichern im Regelfall nur, daß die einem Kind titelmäßig zugesprochenen Unterhaltsbeträge rechtzeitig zur Verfügung stehen. Die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz 1985 gewährleisten auf diese Weise die Einbringlichkeit titelmäßig zuerkannter Unterhaltsansprüche.

Wirtschaftlich betrachtet tritt der Bund aufgrund der ihm nach dem Unterhaltsvorschußgesetz 1985 auferlegten Leistungspflichten als Garant für die rechtzeitige und vollständige Erfüllung der dem Unterhaltsschuldner aufgrund des Gesetzes gegenüber dem minderjährigen Kind geschuldeten Unterhaltsleistungen auf. Dieser Grundsatz wird auch dann nicht aufgegeben, wenn das Unterhaltsvorschußgesetz 1985 die Vorschußgewährung nicht an das Vorhandensein eines Exekutionstitels über den geschuldeten Unterhaltsbeitrag knüpft.

Nach § 4 Z 2 UVG sind Vorschüsse auch dann zu gewähren, wenn die

Festsetzung des Unterhaltsbeitrages... aus Gründen auf Seite des

Unterhaltsschuldners nicht gelingt, außer dieser ist nach seinen

Kräften offenbar zu einer Unterhaltsleistung... nicht imstande.

Auch in diesem Falle bleibt der Grundsatz aufrecht, daß die Vorschußleistung aus öffentlichen Mitteln wie die Garantenpflicht nur an die Stelle der vom Unterhaltspflichtigen geschuldeten, wenn auch betraglich noch nicht festgesetzten Leistungen zu treten hat (vgl § 7 Abs 1 Z 2 UVG).

Zwar hat der Gesetzgeber nicht ausdrücklich eine Obliegenheit des vorschußwerbenden oder -beziehenden Kindes aufgestellt, daß es um die Schaffung eines Exekutionstitels gegen den Unterhaltsschuldner emsig bemüht sein müsse, insbesondere hat das Gesetz keinen entsprechenden speziellen Versagungs- oder Einstellungsgrund normiert. Dennoch wird aus dem im Sinne der Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage dargelegten Zweck der Institution, nur die Einbringlichmachung eines konkreten gesetzlichen Unterhaltsanspruches zu gewährleisten, die Obliegenheit des Kindes gefolgert werden müssen, auch im Ausnahmefall des § 4 Z 2 UVG alles Zumutbare zur Unterhaltsfestsetzung zu unternehmen:

Ein Fortbezug von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz 1985 trotz Unterbleibens zumutbarer Bemühungen um die Schaffung eines Exekutionstitels gegen den Unterhaltsschuldner bedeutete Rechtsmißbrauch.

Ein solcher wäre auch im Falle einer Entscheidung über einen Antrag auf Weitergewährung nach § 18 UVG von Amts wegen aufzugreifen. Praktisch aussichtslose Versuche einer Unterhaltsfestsetzung sind allerdings vom vorschußwerbenden oder -beziehenden Kind und seinem gesetzlichen Vertreter nicht zu fordern (im selben Sinne Knoll, Komm. zum UVG, ÖA, § 4 Z 2 und 3 Rz 10).

Das Unterbleiben solcher Bemühungen stünde einer Vorschußgewährung nach § 4 Z 2 UVG nicht entgegen. Die Unterhaltsfestsetzung gelingt nicht nur dann nicht, wenn trotz Vorliegens der materiellen Voraussetzungen für eine Unterhaltsfestsetzung ein tatsächlich gestellter entsprechender Antrag aus Gründen, die in der Person des Unterhaltsschuldners gelegen sind, nicht in einer dem Unterhaltszweck angemessenen Zeit zum Erfolg führt, sondern schon dann, wenn ein solcher Antrag von vornherein deshalb unterbleibt, weil er aus Gründen, die in der Person des Unterhaltsschuldners liegen, nach objektiver Vorausschau zu keinem Erfolg führen kann.

Bei einem unbekannten Aufenthalt des Unterhaltsschuldners im Ausland hängt diese Beurteilung von den vertraglichen Regelungen und den praktischen Erfahrungen im Behördenverkehr mit den betreffenden ausländischen Stellen ab (vgl EFSlg 57.463, 54.709, 54.716 und 46.454, 51.859, 31.889).

Einen Unterhaltsfestsetzungsantrag gegen den sich höchstwahrscheinlich in seinem ägyptischen Heimatland unbekannten Aufenthaltes befindlichen Unterhaltsschulder bei völliger Ungewißheit über dessen Arbeits-, Vermögens- und sonstige Lebensverhältnisse haben die Vorinstanzen nach den aktenkundigen Umständen mit Recht als überflüssig und entbehrlich angesehen und nicht als Versagungsgrund wegen Obliegenheitsverletzung gewertet. Von einem den Fortbezug der Vorschüsse nach dem Unterhaltsvorschußgesetz 1985 als Rechtsmißbrauch zu qualifizierenden Unterbleiben von Bemühungen zur Schaffung eines Exekutionstitels gegen den Unterhaltsschuldner könnte auch dann nicht gesprochen werden, wenn bisher unversucht gelassen worden sein sollte, den derzeitigen Aufenthalt und soweit wie möglich auch die derzeitigen Lebensverhältnisse des Unterhaltsschuldners ausgehend von dessen zuletzt bekannter Heimatanschrift durch die österreichischen Vertretungsbehörden oder über deren Vermittlung durch entsprechende Amtsstellen in Ägypten ermitteln zu lassen. Sollten freilich auch in Hinkunft derartige Schritte ohne triftigen Grund unterbleiben, könnte dies als Obliegenheitsverletzung gewertet werden, die den Fortbezug der Vorschüsse nach dem Unterhaltsvorschußgesetz 1985 als Rechtsmißbrauch erscheinen ließe. Dem Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes war aber aus den dargelegten Gründen ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E20684

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00589.9.0510.000

Dokumentnummer

JJT_19900510_OGH0002_0060OB00589_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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