TE OGH 1990/5/17 13Os35/90

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Veröffentlicht am 17.05.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Mai 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Lachner, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofko als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl N*** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 1 und Abs. 3 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 1.Februar 1990, GZ 20 k Vr 8.754/89-35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Toth zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 7 1/2 (siebeneinhalb) Jahre herabgesetzt.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde der am 23.April 1969 geborene Karl N*** der Verbrechen der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 1 und Abs. 3 StGB (Punkt A/ des Urteilssatzes) und der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB (Punkt B/ des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Darnach hat er am 23.Juli 1989 in Wien im einverständlichen Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Jugendlichen Andreas H*** als Mittäter

A/ Natascha G*** mit schwerer gegen sie gerichteter Gewalt und durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben zur Duldung des Beischlafs mit ihm selbst und zur Duldung dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen (Hand- und Mundverkehr) des Andreas H*** genötigt, indem er und der abgesondert verfolgte Andreas H*** die Genannte am Hals würgten, ihr mit den Fäusten ins Gesicht schlugen und mit den Füßen ins Gesicht traten und sie durch Äußerungen wie "sie solle die Goschn halten, sonst wäre sie hin" und "sollte sie weglaufen, würden sie ihr nachlaufen und dann wäre sie tot" mit dem Tode bedroht, wobei die vergewaltigte Person durch die Tat längere Zeit, nämlich zwischen ein und zwei Stunden lang, in einen qualvollen Zustand versetzt wurde und die Tat eine Schädelprellung, ein Brillenhämatom, eine Halsprellung, einen Nasenbeinbruch, ein weiteres massives Hämatom, Verfärbungen und Schwellungen im Gesicht, Würgemale am Hals, eine Bindehautblutung an beiden Augen, Schlaflosigkeit und eine reaktive Depression, sohin eine an sich schwere Körperverletzung mit Gesundheitsschädigung von mehr als 3-tägiger, jedoch nicht mehr als 24-tägiger Dauer zur Folge hatte; B/ Natascha G*** durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme der Anzeige der zu A/ angeführten Straftat genötigt, indem er die Genannte mit dem Umbringen bedrohte, sollte sie gegen ihn Anzeige erstatten, worauf Natascha G*** aus Angst erst am nächsten Tag auf Drängen ihrer Mutter Anzeige erstattete.

Die Geschwornen hatten die dem Schuldspruch entsprechenden (anklagekonformen) Hauptfragen 1/ und 2/ jeweils stimmeneinhellig bejaht. Die weiteren an sie gerichteten Eventualfragen 1/ (nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB) und 2/ (nach § 205 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 StGB) blieben - folgerichtig - ohne Antwort.

Rechtliche Beurteilung

Ersichtlich nur den wegen Vergewaltigung ergangenen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 6, 8 und 10 a des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der in keinem Anfechtungspunkt Berechtigung zukommt.

Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) erblickt der Beschwerdeführer im Unterbleiben einer Eventualfrage nach (sogenannter minderschwerer) Vergewaltigung im Sinne des § 201 Abs. 2 StGB. Er verweist dabei auf die Aussage der Zeugin Natascha G***, der zu entnehmen sei, daß die zu ihrer Verletzung führenden Schläge und Mißhandlungen "sich geraume Zeit vor der Erzwingung einer geschlechtlichen Handlung ereignet" hätten, mit einer solchen nicht im Zusammenhang gestanden seien und von keiner diesbezüglich deliktischen "Absicht" getragen gewesen wären. Damit wird allerdings das Fehlen eines auf die Erzwingung des Beischlafs oder einer diesem gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung abzielenden Vorsatzes schlechthin behauptet, welcher Möglichkeit einer Tatbeurteilung (nur) als vorsätzlich schwere Körperverletzung aber durch eine entsprechende Fragestellung ohnedies Rechnung getragen wurde. Der gleichfalls auf die Aussage der genannten Zeugin gestützte Einwand, daß der Angeklagte seinem letztlich konkret geäußerten Verlangen nach Duldung eines Geschlechtsverkehres nur durch - nicht weiter beschwerte und demzufolge bloß dem Gewaltbegriff des § 201 Abs. 2 StGB zu unterstellende - "Schläge" Nachdruck verliehen habe, stellt unzulässiger Weise auf ein willkürlich aus dem Zusammenhang gelöstes Detail der Zeugenaussage ab, übergeht aber gänzlich, daß nach der Darstellung der Zeugin die einen erheblichen Zeitraum andauernde, vielfältige und insgesamt unzweifelhaft als schwerwiegend zu beurteilende Gewalttätigkeit des Beschwerdeführers und seines Mittäters letztlich in den in Rede stehenden geschlechtlichen Mißbrauch mündete.

In Ausführung der Instruktionsrüge (Z 8) zeigt der Beschwerdeführer - an sich zutreffend - eine schon durch die unvollständige Wiedergabe des Textes der zu erläuternden Gesetzesbestimmung eingeleitete und auch im folgenden nicht aufgeklärte Unrichtigkeit der die Hauptfrage 1/ erläuternden Rechtsbelehrung auf, welche verschweigt, daß eine gefährliche Drohung als Begehungsmittel der (schweren) Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 1 StGB die Ankündigung (gegenwärtiger) schwerer Gefahr für Leib oder Leben voraussetzt.

Dieser Mangel der Rechtsbelehrung hat jedoch keine Urteilsnichtigkeit nach dem § 345 Abs. 1 Z 8 StPO zur Folge, weil er angesichts der durch die Geschwornen erfolgten Bejahung der Anwendung von schwerer Gewalt im Sinne des § 201 Abs. 1 StGB zu keiner auch nur in abstracto denkbaren Benachteiligung des Beschwerdeführers führen konnte (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr. 7 f zu § 345 Z 8 StPO). Der Angeklagte war nämlich unabhängig davon, ob er auch mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben drohte, jedenfalls schon wegen der (von den Geschwornen bejahten) Anwendung schwerer gegen das Opfer gerichteten Gewalt im Sinne des § 201 Abs. 1 StGB (in Verbindung mit Abs. 3 dieser Gesetzesstelle) schuldig zu sprechen. Daß die Geschwornen aber über den Rechtsbegriff der schweren Gewalt im Sinne der in Rede stehenden Gesetzesbestimmung richtig belehrt wurden, stellt der Beschwerdeführer selbst nicht in Frage.

Der unter Zitierung der S 3 der Rechtsbelehrung erhobene Vorwurf, diese erachtete rechtsirrig schon einen (schlichte) "Gewalt" umfassenden Vorsatz als im Sinne des § 201 Abs. 1 StGB qualifikationsbegründend, beruht auf isolierter Auslegung einer Passage der in ihrem Zusammenhang zu prüfenden Rechtsbelehrung: Bei Berücksichtigung der vorangegangenen (rechtsrichtigen) Ausführungen zum Erfordernis der Anwendung schwerer Gewalt als Mittel der Nötigung ist - da die in der Beschwerde zitierte Simplifizierung ersichtlich nur der Abgrenzung der sich aus der Annahme eines von vornherein auf die Vornahme oder Duldung des Beischlafs (oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung) oder eines zunächst nur auf die Verletzung des Tatopfers abzielenden Tätervorsatzes ergebenden rechtlichen Konsequenzen diente - mit Sicherheit eine Irreführung der Geschwornen über die mangelnde Eignung einer nicht erheblichen Gewaltanwendung zur Verwirklichung des in der Hauptfrage 1/ umschriebenen Tatbestandes auszuschließen. In Ansehung der abschließenden Kritik, die Rechtsbelehrung mache das "Zusammenspiel der vom Schwurgericht gestellten Fragen nicht hinlänglich deutlich", zumal insbesondere die Annahme eines "zunächst nur auf Körperverletzung und erst anschließend auf die Erzwingung einer geschlechtlichen Handlung" gerichteten Tätervorsatzes die - verabsäumte - Befassung mit dem Tatbestand nach dem § 201 Abs. 2 StGB erfordert hätte, genügt der Hinweis auf die bereits erörterte Haltlosigkeit dieses die rechtliche Natur des geltend gemachten Sittlichkeitsdeliktes verkennenden Standpunktes. Im übrigen ist der Rechtsbelehrung das Verhältnis der (tatsächlich gestellten) Fragen zueinander sehr wohl in ausreichendem Maße zu entnehmen.

Als gleichermaßen nicht stichhältig erweist sich letztlich auch das Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund nach dem § 345 Abs. 1 Z 10 a StPO. Der Beschwerdeführer verweist hier lediglich auf seine Verantwortung in der Hauptverhandlung, er sei vom Mittäter Andreas H*** gezwungen worden, das Mädchen zu schlagen, er habe einen Geschlechtsverkehr nur vorgetäuscht. Damit wendet er sich ausschließlich gegen die (nachvollziehbare) Beweiswürdigung der Geschwornen und zeigt auch nicht auf, inwiefern etwa die Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit in einer Weise verletzt worden wäre, daß daraus erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Verdikt festgestellten entscheidenden Tatsachen resultieren müßten.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 201 Abs. 3 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Dabei war mildernd das Geständnis zu Faktum B und das Alter unter 21 Jahren, erschwerend dagegen die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstraftat, das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen sowie die führende Beteiligung.

Die Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe anstrebt, ist im Ergebnis berechtigt.

Richtig ist zwar, daß nach der Aktenlage die Annahme der führenden Beteiligung (§ 33 Z 4 StGB) nicht berechtigt ist. Andererseits blieb aber unberücksichtigt, daß der Angeklagte nach der Verurteilung durch das Landesgericht Eisenstadt vom 25. April 1989, 15 e Vr 797/88, rasch rückfällig wurde, sodaß insoweit im Gewichtsverhältnis der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände letztlich keine Änderung eintritt. Auch vermag der Berufungswerber keine weiteren Milderungsgründe aufzuzeigen: Da ihm die Folgen des Alkoholkonsums bekannt waren, wird eine allenfalls bestandene Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit durch den Vorwurf aufgewogen, den der Genuß des berauschenden Mittels begründet (§ 35 StGB). Auch kann im Hinblick auf die Verfahrensergebnisse (vgl. die Aussage der Zeugin G*** S 313, 314 f.) keine Rede davon sein, daß der Angeklagte an der Tat nur in untergeordneter Weise beteiligt war.

Das Erstgericht hat jedoch auf das Alter des Angeklagten und auf seine nach Lage des Falles grundsätzlich zu bejahende Resozialisierungsfähigkeit zu wenig Bedacht genommen und demnach die Strafe etwas überhöht ausgemessen. Sie war daher in Abwägung der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß zu reduzieren.

Anmerkung

E20519

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0130OS00035.9.0517.000

Dokumentnummer

JJT_19900517_OGH0002_0130OS00035_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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