Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Mai 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Lachner, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofko als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johanna H*** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Johanna H*** sowie die Berufung der Angeklagten Liane N*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 16.November 1989, GZ 34 Vr 718/89-38, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, der Angeklagten Johanna H*** und Liane N*** sowie der Verteidiger Dr. Zwerger und Mag. Martin zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen Teilfreispruch beider Angeklagten enthält, wurden die am 15.April 1937 geborene Johanna H*** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 und 15 StGB (Punkte A/I/1/ und 3/ des Urteilssatzes) sowie deren am 1.Juni 1954 geborene Tochter Liane N*** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 15 StGB (Punkte A/I/1/ und 2/ des Urteilssatzes) schuldig erkannt.
Darnach liegt Johanna H*** und Liane N*** zur Last, fremde bewegliche Sachen nachangeführten Personen mit dem Vorsatz weggenommen (zu ergänzen ist: und wegzunehmen versucht) zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:
A/I/1/ in bewußten und gewolltem Zusammenwirken am 29.März 1989 in St.Gilgen, Ried 72, dem Karl S*** aus dessen Wohnhaus Sachen unbekannten Wertes, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist; 2/ Liane N*** allein am 29.März 1989 in Strobl der Karoline L*** Sachen in einem S 25.000,-- übersteigenden Wert, und zwar
1 Andenkenbecher aus bernsteinfärbigem Glas im Wert von S 600,--,
8 Henkeltassen im Wert von S 6.500,--,
4 Henkeltassen aus Porzellan im Wert von S 4.000,--,
1 Andenkenzierteller im Wert von S 1.500,--,
1 Wandzierteller im Wert von S 1.500,-- sowie
7 Stück Sturzgläser im Wert von S 20.000,--
durch Eindringen in dessen (gemeint ist: deren) versperrtes Wohnhaus mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug; 3/ Johanna H*** am 17.März 1988 in St.Wolfgang in Gesellschaft einer unbekannten Mittäterin Gertraud U***, Elisabeth U*** und N. U*** einen Bargeldbetrag von insgesamt
S 18.000,-- durch Eindringen in die versperrte Wohnung mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug oder mittels des widerrechtlich erlangten Originalschlüssels.
Die Angeklagte Johanna H*** bekämpft den sie betreffenden Schuldspruch mit einer auf die Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Den Strafausspruch ficht sie mit Berufung an; die Angeklagte Liane N*** hat lediglich Berufung ergriffen.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.
Der Einwand der Mängelrüge (Z 5), das Erstgericht habe die Annahme unbegründet gelassen, daß das langsame Weggehen der Beschwerdeführerin und ihrer Tochter vom Haus der Familie S*** (Faktum A/I/1/) nicht auf das gute Gewissen der Genannten zurückzuführen war, negiert die unbedenkliche Argumentation der Tatrichter, wonach Johanna H*** und ihre Tochter bis zu ihrer Betretung noch keine Gelegenheit zur Wegnahme von Sachen und demgemäß auch keinen Anlaß gehabt hatten, eine Überführung durch bei ihnen sichergestelltes Diebsgut zu befürchten (US 23). Soweit die Beschwerde diesen Ausführungen entgegenhält, ein nicht übermäßig eiliges Sich-Entfernen vom Tatort würde eher für ein gutes Gewissen der beiden Frauen sprechen, läuft ihr Vorbringen der Sache nach lediglich auf eine - unter dem Gesichtspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes unzulässige - Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung hinaus.
Auch mit dem weiteren - nominell auf die Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten - Vorbringen der Mängelrüge wird kein Begründungsmangel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO aufgezeigt.
Den Beschwerdeausführungen zuwider hat das Gericht die Urteilskonstatierung, die Angeklagte sei in das Haus der Familie S*** eingedrungen, um daraus verwertbare Sachen und Bargeld zu stehlen (US 13), zureichend begründet.
Denn es hat die Einlassung (auch) dieser Angeklagten, sich bloß auf der Suche nach etwas Trinkbarem in das Wohnhaus der Familie S*** begeben zu haben, mit dem - allgemeiner Lebenserfahrung nicht widersprechenden - Hinweis auf deren (weiteres) Vorbringen, ohnedies kurz vor der Tat ihren Durst bei einem Brunnen gestillt zu haben (AS 267 und 273; vgl dazu auch AS 49 a, betreffend die - wiewohl vom Erstgericht nicht zusätzlich erwähnten - Angaben der Angeklagten über die weitere Einnahme eines Getränks an einer Autobahnraststelle auf dem Weg zum Tatort) sowie auf die exponierte Lage des nach Durchquerung des gesamten Ortsgebietes aufgesuchten Objektes (US 13 iVm US 21 bis 23) in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) für widerlegt erachtet. Mit dem sinngemäßen Einwand, die Angeklagte und ihre Tochter hätten bei der beabsichtigten Nachfrage nach einem Getränk weder die tatsächliche Abwesenheit der Bewohner des gegenständlichen Hauses vorhergesehen, noch könne ein Wiederauftreten des Durstgefühls ausgeschlossen werden, zeigt die Beschwerdeführerin demgegenüber keinen formellen Begründungsmangel auf, sondern argumentiert nur neuerlich in unzulässiger Weise gegen die erstrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung. Nicht anders verhält es sich mit der Beschwerdebehauptung, das Erstgericht habe den Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt, weil es sich auch durch den Umstand, daß keine Beobachtungen der in Frage kommenden Zeugen vorliegen, nach denen sich die Angeklagte Johanna H*** und ihre Tochter eines allfälligen Tatwerkzeuges oder etwaigen Diebsgutes entledigt hätten, und auch durch die Tatsache, daß keine derartigen Gegenstände aufgefunden wurden, zu keiner anderen Beurteilung des inkriminierten Tatverhaltens (auch in subjektiver Hinsicht) veranlaßt sah. Haben doch die Tatrichter durch Bezugnahme auf die Lückenhaftigkeit der Beobachtungen der betreffenden Zeugen und die Beschaffenheit des Geländes schlüssig dargelegt, warum sie die betreffenden Gesichtspunkte für bedeutungslos erachteten (vgl US 24); daß auf Grund der vorliegenden Verfahrensergebnisse auch andere - für die Beschwerdeführerin
günstigere - Schlußfolgerungen denkmöglich gewesen wären, vermag den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zu begründen. Der Einwand der Mängelrüge zum Faktum A/I/3/, das Schöffengericht hätte etwaige Farbunterschiede zwischen den Haaren der von der Zeugin Josefa L*** beobachteten Person und der Angeklagten Johanna H*** im Zeitpunkt der Hauptverhandlung mit dem Hinweis auf die Möglichkeit einer zwischenzeitigen Haarfärbung bagatellisiert, betrifft keinen entscheidenden Umstand. Die genannte Zeugin, aus deren Angaben das Erstgericht seine Feststellungen über die Mitwirkung der Angeklagten Johanna H*** an dem erwähnten Faktum denkfolgerichtig ableitete (US 24 ff), hat nämlich Letztere ausschließlich auf Grund ihres Gesichtes, das sie sich beim Zusammentreffen am Tatort einprägen konnte, als (Mit-)Täterin identifiziert (AS 389, 391, 394 und 395); sonstigen Einzelzeiten des Äußeren der Angeklagten wurde demnach im vorliegenden Zusammenhang zu Recht keine ausschlaggebende Bedeutung zuerkannt. Soweit die Beschwerdeführerin - nominell gleichfalls aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO - zu Faktum A/I/3/ geltend macht, das Erstgericht habe "im übrigen" (gemeint ist offenkundig: hinsichtlich der Urteilsannahmen in objektiver Hinsicht) keine Begründung angegeben, setzt sie sich zur Aktenlage in Widerspruch. Die Behauptung schließlich, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite wären nur unzureichend begründet, übergeht die auch dafür als Urteilsgrundlage angeführte Aussage der Zeugin Josefa L*** (US 24 ff).
Ebensowenig durchzudringen vermag die Angeklagte Johanna H*** aber auch mit ihrer Subsumtionsrüge (Z 10), die sich gegen die Beurteilung ihres Tatverhaltens zum Faktum A/I/3/ des Urteilssatzes als Mittäterschaft nach dem § 12, erster Fall, StGB statt als bloße Beitragstäterschaft (dritter Fall dieser Gesetzesstelle) richtet. Zum einen hat sich die Angeklagte Johanna H*** den bezughabenden Urteilsannahmen zufolge nämlich keineswegs auf die bloße Sicherung der betreffenden Haustür nach Art der Leistung von Aufpasserdiensten beschränkt, sondern vielmehr im Zusammenwirken mit ihrer Komplizin durch unmittelbare Mitwirkung am Öffnen der versperrt gewesenen Küchentür auch Ausführungshandlungen vorgenommen (US 15 und 16). Da zur Annahme unmittelbarer Täterschaft nicht jeder Mittäter das gesamte Tatbild verwirklichen muß, es vielmehr genügt, daß er in der Ausführungsphase an der Tat mitwirkt, also in dieser Phase in bezug auf seine Person als unmittelbarer Täter tätig wird (Leukauf-Steininger, Komm2, § 12 RN 10), ist die Tat der Angeklagten Johanna H*** daher rechtsrichtig als Mittäterschaft im Sinne des § 12, erster Fall, StGB beurteilt worden.
Zum anderen wäre für die Angeklagte aber selbst für den - nach den Urteilsannahmen aber ohnehin unaktuellen - Fall nichts zu gewinnen, daß ihr bloß Beitragstäterschaft zur Last zu legen gewesen wäre. Denn angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der im § 12 StGB umschriebenen Täterschaftsformen hätte ihr aus der rechtsirrigen Annahme einer unmittelbaren (Mit-)Täterschaft anstelle bloßer Beitragstäterschaft kein Nachteil erwachsen können, weshalb eine materielle Urteilsnichtigkeit in keinem Fall vorläge (vgl insbes EvBl 1983/74).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte die Angeklagten jeweils nach dem § 129 StGB zu Freiheitsstrafen, und zwar Johanna H*** zu neun Monaten, Liane N*** zu sieben Monaten, wobei für Liane N*** gemäß dem § 43 a Abs 3 StGB ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von fünf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Bei der Strafbemessung waren bei beiden Angeklagten erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und die Wiederholung der Taten, bei Liane N*** überdies die zweifache Qualifikation des Diebstahls. Mildernd hingegen war hinsichtlich beider Angeklagten der Umstand, daß der Diebstahl in einem Falle beim Versuch blieb, hinsichtlich N*** überdies das Teilgeständnis und die Sicherstellung des Diebsgutes.
Mit ihrer Berufung strebt die Angeklagte H*** eine Herabsetzung der Strafe an, während die Angeklagte N*** die bedingte Nachsicht der gesamten Freiheitsstrafe begehrt.
Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt. Bei vergleichender Abwägung der Strafwürdigkeit der Beteiligten (vgl Leukauf-Steininger, Komm2 § 34 RN 11) ist das Vorbringen der Angeklagten H*** unbegründet, sie sei an der Begehung des Diebstahls Faktum A/I/3/ nur in untergeordneter Weise (§ 34 Z 6 StGB) beteiligt gewesen. Im Hinblick auf die Vorstrafen und die Wirkungslosigkeit der vorangegangenen Verurteilungen ist die über die Angeklagte verhängte Freiheitsstrafe nach der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) keineswegs zu streng ausgemessen worden, sodaß eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe nicht angebracht ist.
Es trifft zwar zu, daß die Sicherstellung der Diebsbeute allein auf Grund der Mithilfe der Angeklagten N*** möglich war. Im Hinblick auf drei Vorverurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten und den Umstand, daß in einem Falle die bedingte Maßnahme wirkungslos geblieben ist, kann nicht gesagt werden, daß die Androhung der Vollziehung allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen werde, um diese Angeklagte von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Es bedarf vielmehr - ungeachtet des angeführten, auf Schuldeinsicht hinweisenden Umstandes - aus spezialpräventiven Gründen des Vollzuges eines Teils der verhängten Strafe.
Mithin war insgesamt wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen. Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E20826European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0130OS00041.9.0517.000Dokumentnummer
JJT_19900517_OGH0002_0130OS00041_9000000_000