TE OGH 1990/5/17 7Ob563/90

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Veröffentlicht am 17.05.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingeborg S***, Besitzerin, Lauffen, Kaltenbach 162, vertreten durch Dr. Peter Pfarl, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wider die beklagte Partei Mag. Andrea Z***, Mittelschullehrerin, Lauffen, Kaltenbach 162, vertreten durch Dr. Josef Raffl, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wegen Räumung (Streitwert S 12.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 17. Jänner 1990, GZ. R 683/89-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Gmunden vom 8. Juni 1989, GZ. 2 C 1482/88-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, die im Haus Kaltenbach 162 gemietete, im 2. Stock gelegene, vom ostseitigen Stiegenhaus aus erreichbare und links von diesem Stiegenhaus befindliche Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, einem Kabinett, einer Küche, WC, Dusche und Vorraum binnen 14 Tagen zu räumen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.890,76 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 2.245,-- Barauslagen und S 1.940,96 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin und Margarethe L*** sind je zur Hälfte Miteigentümerinnen der Liegenschaft EZ 402 KG Kaltenbach mit dem Haus Kaltenbach 162. Mit schriftlichem, mit 1. Juni 1987 datierten Mietvertrag mietete die Beklagte eine Wohnung in diesem Haus. Der Mietvertrag hat auszugsweise folgenden Wortlaut: "Ab 1. Juni 1987 mietet Mag. Z*** die .... Wohneinheit ..... Die Vereinbarung wird auf ein Jahr befristet abgeschlossen, kann aber im beiderseitigen Einvernehmen, drei Monate vor Ablauf dieser Frist, jeweils wieder auf ein Jahr verlängert werden. Sollte sich ergeben, daß die Mieter diese Wohnung aufgeben wollen oder müssen oder die Eigentümer einen besonderen Kündigungsgrund (z.B. Eigenbedarf) haben, wird eine gegenseitige Kündigungsfrist von drei Monaten vereinbart."

Die Klägerin begehrt mit der am 3. August 1988 eingebrachten Klage die Räumung der Wohnung wegen Auflösung des Mietvertrages durch Zeitablauf. Sie ist von der anderen Miteigentümerin bevollmächtigt, diese in allen Wohnangelegenheiten zu vertreten und auch Kündigungen vorzunehmen.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Nach seinen Feststellungen führten die Streitteile etwa ab Anfang März 1987 Gespräche über die Vermietung der Wohnung, wobei von einem monatlichen Mietzins von rund S 3.500,-- die Rede war. Über eine bestimmte Dauer des Mietverhältnisses wurde nicht gesprochen, die Beklagte deponierte aber ihren Wunsch, länger in der Wohnung zu bleiben. Anfang Juni 1987 zog die Beklagte mit ihrem Lebensgefährten in die Wohnung ein. Einige Tage vor dem Einzug hatte ihr die Klägerin mitgeteilt, daß sie S 4.000,-- an Mietzins verlangen müsse. Etwa 14 Tage nach dem Einzug übergab die Klägerin der Beklagten eine von ihr verfaßte, mit 1. Juni 1987 datierte schriftliche Vereinbarung mit dem Ersuchen, diese zu unterschreiben und zu retournieren. Der Beklagten war bewußt, daß der ihr übergebene schriftliche Mietvertrag eine Bestimmung über die Befristung auf ein Jahr enthielt. Sie glaubte jedoch, daß sich "die Ehegatten S*** zu Beginn des Mietverhältnisses nur irgendwie absichern wollten" und auf Grund des anfänglich guten Einvernehmens der Vertragspunkt über die Befristung nicht zum Tragen kommen werde. Im Laufe der Zeit kam es aber zu verschiedenen Mißverständnissen und Schwierigkeiten zwischen der Klägerin und der Beklagten bzw. deren Lebensgefährten. Daraufhin sprach die Beklagte mit dem Mietvertrag beim Mieterschutzverband vor, wobei sie ausdrücklich auf die Befristung hinwies. Es wurde der Beklagten sinngemäß die Auskunft erteilt, sie könne den Vertrag bedenkenlos unterschreiben, weil die Bestimmung über die Befristung des Mietverhältnisses in dieser Form nicht gültig sei. Im Jänner oder Feber 1988 unterfertigte die Beklagte die schriftliche Vereinbarung, nachdem sie im Einvernehmen mit der Vermieterin noch drei Vertragspunkte (über die Zurverfügungstellung von Holz, über die Regelung der Benützung des Dachbodens und der PKW-Abstellplätze) hinzugesetzt hatte. Angesichts der laufenden Schwierigkeiten mit der Beklagten und ihrem Lebensgefährten wollte die Klägerin klarstellen, daß sie das Mietverhältnis auf keinen Fall verlängern wolle. Sie verfaßte daher am 28. März 1988 ein Schreiben an die Beklagte mit folgendem Inhalt:

"Am 1. Juni 1987 ist unsere Mietvereinbarung mit Ihnen für die Wohneinheit "A", auf ein Jahr befristet, abgeschlossen worden. Wir verlängern den Vertrag nicht und kündigen diesen mit 1. April 1988 auf. Bei dreimonatiger Kündigungsfrist, wie im Vertrag vorgesehen, ist das Ende des Mietverhältnisses der 30. Juni 1988. Da Sie im Mai und Juni mit Schulabschluß und Matura zeitlich eingeschränkt sind, können Sie bis zum 31. Juli 1988 in dieser Wohnung bleiben. Diese ist spätestens am 31. Juli 1988 in ordentlichem, sauberem Zustand zu übergeben." Auf dieses Schreiben antwortete die Beklagte erst am 17. Juni 1988. In ihrem Antwortschreiben erklärte sie die schriftliche Kündigung mit der Begründung für gegenstandslos, daß die Aufkündigung nicht gerichtlich erfolgt und die einjährige Frist des Mietverhältnisses bereits abgelaufen sei. Es liege ein unbefristeter Mietvertrag vor. Die Beklagte antwortete auf das Kündigungsschreiben erst deshalb so spät, weil sie im fraglichen Zeitraum in der Schule sehr beschäftigt war und ihr Lebensgefährte beim Bundesheer als Reserveoffizier mehrere Übungen absolvieren mußte.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes liege ein Mietvertrag mit unbedingtem Endtermin nach § 29 Abs. 1 Z 3 lit. c MRG vor, der durch Ablauf der bedungenen Zeit aufgelöst worden sei. Der Mietvertrag sei weder durch ausdrückliche Parteienvereinbarung verlängert worden, noch sei es zu einer stillschweigenden Erneuerung des Mietvertrages gekommen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die Revision zulässig ist. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsansicht.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Beklagten ist berechtigt.

Das Mietrechtsgesetz hat das Prinzip des § 23 MG, wonach Mietverträge, die durch Zeitablauf ohne Kündigung erlöschen, nur unter bestimmten Voraussetzungen wirksam vereinbart werden können, erweitert. Nach § 29 Abs. 1 Z 3 lit. c MRG wird ein Mietvertrag durch Zeitablauf aufgelöst, wenn ohne Vorliegen der Voraussetzungen nach lit. a oder b in einem Hauptmietvertrag über eine Wohnung schriftlich vereinbart worden ist, daß er durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlischt und die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer ein Jahr nicht übersteigt. Gemeinsam ist allen Fällen des Abs. 1 Z 3 das Erfordernis der Schriftform und der unbedingte, durch Datum oder Fristablauf von vornherein bestimmte Endtermin. Insoweit besteht auch Übereinstimmung mit § 23 MG, sodaß die bisher zu dieser Bestimmung ergangene Rechtsprechung auch zur Beurteilung der genannten Voraussetzungen herangezogen werden kann. Für die Einhaltung der Schriftform genügt danach die Unterfertigung der Urkunde durch beide Vertragsteile (MietSlg. 34.507). Der unbedingte Endtermin muß aus der Urkunde selbst hervorgehen, sei es durch Datumsangabe oder durch Fristablauf. Nicht erforderlich ist es, besonders festzulegen, daß der Vertrag ohne Kündigung erlischt (MietSlg. 31.478/29; 26.345; vgl. auch Würth in Rummel, ABGB, Rz 5 zu § 29 MRG; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 243 f.). Die Vereinbarung einer vorzeitigen Kündigungsmöglichkeit aus bestimmten Gründen steht jedenfalls einem von vornherein bestimmten Endtermin nicht entgegen (MietSlg. 35.382/36; vgl. auch Würth-Zingher aaO 244). Die Einhaltung der Schriftform wird von der Revision nicht in Abrede gestellt. Der Behauptung, es sei überhaupt zu keiner Willenseinigung hinsichtlich der Befristung des Mietvertrages gekommen, ist entgegenzuhalten, daß eine von beiden Parteien unterfertigte Urkunde vorliegt, deren Inhalt durch die Unterfertigung zum Erklärungsinhalt gemacht wurde (vgl. Koziol-Welser8 I 116). Ein Willensmangel der Beklagten wurde in erster Instanz nicht geltend gemacht und in dieser Richtung auch kein Sachvorbringen erstattet. Die festgestellten Schwierigkeiten zwischen den Streitteilen begründen entgegen der Meinung der Revision noch keinen Zwang im Sinne des § 870 ABGB. Ein Irrtum der Beklagten über die Rechtswirksamkeit der Erklärung wäre schon mangels Vorliegens der sonstigen Voraussetzungen nach § 871 ABGB unbeachtlich. Es ist aber auch der Standpunkt der Revision abzulehnen, daß infolge unklarer Bestimmung des Endtermins ein unbefristeter Mietvertrag vorliege. Durch den festgelegten Beginn des Mietverhältnisses und dessen Befristung mit einem Jahr ist der Endtermin von vornherein hinreichend bestimmt (MietSlg. 26.345). Richtig ist, daß der Bestandvertrag als

Konsensualvertrag - Abschlußwille vorausgesetzt - schon mit Einigung der Parteien über Bestandsache und Bestandzins zustandekommt, sofern nicht ein, wenn auch unwesentlicher Vertragspunkt ausdrücklich vorbehalten wurde (Würth aaO Rz 3 zu den §§ 1092 bis 1094 mwN.). Die Frage, ob hier vor Abschluß des schriftlichen Mietvertrages bereits ein Mietvertrag und zwar mangels Vereinbarung eines Endtermins auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde, kann unerörtert bleiben, weil es den Parteien frei stand, einen neuen Mietvertrag auch mit geändertem Inhalt abzuschließen, sofern die Vereinbarung nicht der Umgehung des Mietrechtsgesetzes diente (vgl. MietSlg. 20.539). Letzteres trifft hier nicht zu. Das Erfordernis der einjährigen Vertragsdauer nach § 29 Abs. 1 Z 3 lit. c MRG wurde durch den schriftlichen Mietvertrag nicht überschritten.

Liegt aber ein Mietvertrag mit unbedingtem Endtermin vor, bedurfte es der Kündigung durch die Klägerin nicht. Nach § 1114 ABGB werden Bestandverträge stillschweigend erneuert, wenn der Bestandnehmer nach Verlauf der Bestandzeit fortfährt, die Sache zu gebrauchen oder zu benützen, und der Bestandgeber es dabei bewenden läßt. Der § 569 ZPO bestimmt zusätzlich, daß solche Bestandverträge nur dann als stillschweigend erneuert anzusehen sind, wenn der Bestandgeber nicht binnen 14 Tagen nach Ablauf der Bestandzeit die Klage auf Zurückstellung erhebt. Die Rechtsvermutung des § 1114 ABGB wird nach herrschender Ansicht nicht nur durch die in § 569 ZPO vorgesehene rechtzeitige Klagseinbringung widerlegt, sondern durch jeden Vorgang, durch den ein Vertragspartner seinen Willen, die stillschweigende Erneuerung des Vertrages zu verhindern, durch unverzügliche, nach außen erkennbare Erklärungen oder Handlungen so deutlich zum Ausdruck gebracht hat, daß bei objektiver Würdigung kein Zweifel an seiner ernstlichen Ablehnung einer solchen Vertragserneuerung aufkommen kann (Würth aaO Rz 4 zu § 1114; SZ 60/182; MietSlg. 31.209 ua.). Das Verhalten des Bestandgebers muß nach Ablauf der Bestandzeit gesetzt bzw. für den Bestandnehmer erkennbar werden. Ein Verhalten vor Ablauf der Bestandzeit reicht nicht aus (EvBl. 1982/130; 5 Ob 571/77 = MietSlg. 29.175). Abgesehen davon, daß das Kündigungsschreiben der Klägerin bereits vom 28. März 1988 stammt, kann es bei objektiver Betrachtung zwar dahin verstanden werden, daß die Klägerin die im Mietvertrag in Aussicht gestellte einvernehmliche Vertragsverlängerung auf ein weiteres Jahr ablehnt. Die Erklärung, daß die Beklagte mit Rücksicht auf ihre persönlichen Verhältnisse noch bis 31. Juli 1988 in der Wohnung bleiben kann, kann vom Empfängerhorizont aus auch als Zustimmung zu einer Vertragsverlängerung bis zu diesem Zeitpunkt verstanden werden und schließt nicht jeden Zweifel an einer ernstlichen Ablehnung einer Vertragsverlängerung bis zu diesem Zeitpunkt aus. Von einer bloßen Verlängerung der Räumungsfrist könnte, entgegen der Meinung der Vorinstanzen, nur dann gesprochen werden, wenn sich die Beklagte zur bedingungslosen Räumung zu dem genannten Zeitpunkt verpflichtet hätte (vgl. MietSlg. 8.658; Würth aaO). Dies war aber hier nicht der Fall. Wurde daher das Mietverhältnis über die Jahresfrist des § 29 Abs. 1 Z 3 lit. c MRG hinaus stillschweigend verlängert, wurde es zu einem Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E21449

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00563.9.0517.000

Dokumentnummer

JJT_19900517_OGH0002_0070OB00563_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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