Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Christian H***, Schüler, vertreten durch seine Eltern Johann und Erika H***, Wien 22, Rennbahnweg 27/55/7/27, diese vertreten durch Dr.Kurt Waneck, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W*** E***-V***, Wien 3, Lothringerstraße 22, vertreten durch Dr.Christoph Leon, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 65.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 10.April 1989, GZ 14 R 30/89-53, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 15.Dezember 1988, GZ 11 Cg 7/87-47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.706,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 617,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei betreibt in Wien 3., Lothringerstraße 22, eine Kunsteisbahn. Am 22.4.1984 begab sich der Lehrer Friedrich W*** im Rahmen des Turnunterrichts mit den Schülern der 2. Klasse der Hauptschule Wien 22., Lieblgasse 4, darunter dem Kläger, zum Eislaufplatz. Der Besuch der Klasse war der beklagten Partei ordnungsgemäß gemeldet worden. Der Kläger mußte als Schüler im Rahmen der Schulpflicht am Eislaufen teilnehmen. Punkt 2) der Platz- und Betriebsordnung der beklagten Partei, die in den Räumen des Eislaufplatzes angeschlagen ist, sieht vor, daß die Benützung der Eisfläche in jedem Fall auf eigene Gefahr erfolgt. Am 22.4.1984 war in der Mitte des Eislaufplatzes ein Teil in der Form eines Kreises mit einem Durchmesser von 6-7 m abgesperrt. Die Absperrung wurde in der Weise vorgenommen, daß an nicht mit dem Boden verbundenen Klötzen Stangen angebracht waren, die durch Seile miteinander verbunden waren. Diese Seile waren teilweise nicht gespannt, sondern hingen durch. An einer Stelle berührte das Seil den Boden. Ein unmittelbar vor dem Kläger fahrendes Kind stürzte über dieses herabhängende Seil auf die Eisfläche. Der Kläger sprang über das Kind, um einen Zusammenstoß zu vermeiden, kam in den inneren Kreis der Eisfläche, verlor das Gleichgewicht und setzte sich auf das Eis. In diesem Augenblick kippte eine Stange um und fiel auf den Kläger, der dadurch verletzt wurde. Es wurde ihm ein Teil des rechten ersten und zweiten Schneidezahns im Oberkiefer ausgeschlagen. Der Kläger erlitt durch den Unfall Schmerzen, die endgültige Zahnsanierung wird erst einige Jahre nach dem Unfall möglich sein und einen Kostenaufwand von ca. S 65.000 erfordern. Seitens der Schüler-Unfallversicherung erhielt der Kläger keine Leistungen. Am Tag des Unfalls war Willibald E*** als Ordner am Eislaufplatz tätig. Er übersah, daß an einer Stelle der Absperrung das Verbindungsseil den Boden berührte.
Strittig ist noch das Begehren des Klägers auf Feststellung, daß die beklagte Partei für alle künftigen ihm auf Grund des Unfalls vom 22.4.1984 erwachsenen Schäden zu haften habe. Der Kläger führte hiezu aus, die Eisfläche sei unsachgemäß abgesperrt gewesen, weil das Absperrseil am Boden aufgelegen sei; hiedurch sei es zum Unfall gekommen. Die Verletzung habe eine komplizierte Heilbehandlung erfordert. Auf Grund seines jugendlichen Alters komme derzeit nur eine provisorische Sanierung in Frage. Die endgültige Heilbehandlung werde erst nach Vollendung des 16. oder 17. Lebensjahres abgeschlossen werden können und einen Kostenaufwand von S 65.000 erfordern.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Laut der behördlich genehmigten Betriebs- und Platzordnung, die in den Räumen der beklagten Partei angeschlagen sei, erfolge die Benützung des Eislaufplatzes auf eigene Gefahr. Kosten der Heilbehandlung könne der Kläger infolge der Legalzession seiner Schadenersatzforderung auf den Sozialversicherer nicht geltend machen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die beklagte Partei habe ihre Haftung für den Unfall in der Betriebs- und Platzordnung ausgeschlossen. Ein derartiger Haftungsausschluß sei gemäß § 6 Abs. 1 Z 9 KSchG jedenfalls für leichte Fahrlässigkeit, wie sie hier vorliege, zulässig.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000, jedoch nicht S 300.000 übersteigt. Die Revision erklärte das Berufungsgericht für nicht zulässig. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils und billigte die rechtliche Beurteilung des Erstrichters.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen außerordentlichen Revision des Klägers kommt Berechtigung nicht zu. Der Kläger erfüllte durch den Besuch der 2. Klasse Hauptschule die Schulpflicht im Sinne des Schulpflichtgesetzes BGBl. 1985/76. Gemäß § 9 dieses Gesetzes haben die in die Pflichtschule aufgenommenen Schüler den Unterricht während der vorgeschriebenen Schulzeit regelmäßig und pünktlich zu besuchen und sich an den verpflichtend vorgeschriebenen sonstigen Schulveranstaltungen zu beteiligen. Ein Fernbleiben vom Unterricht ist gemäß § 2 dieses Gesetzes nur im Falle einer gerechtfertigten Verhinderung aus den im Gesetz näher angeführten Gründen zulässig. Der Ergänzung des lehrplanmäßigen Unterrichts dienen gem. § 13 Schulunterrichtsgesetz (SchUG) Schulveranstaltungen, die u.a. auch die körperliche Ertüchtigung zum Gegenstand haben. Die Schüler sind zur Teilnahme an solchen Schulveranstaltungen ohne Rücksicht darauf verpflichtet, ob sie innerhalb oder außerhalb der Schulliegenschaft stattfinden, sofern nicht die Vorschriften über das Fernbleiben von der Schule anzuwenden sind oder mit der Veranstaltung eine Nächtigung außerhalb des Wohnortes verbunden ist. Eine nähere Regelung der Schulveranstaltungen erfolgte durch die Verordnung des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst vom 24.6.1974, BGBl. 1974/368, die freilich den Besuch eines Eislaufplatzes nicht ausdrücklich erwähnt.
Die Teilnahme an Schulveranstaltungen wie Lehrausgängen, Wandertagen, Schulschikursen etc. fordert vielfach den Abschluß privatrechtlicher Verträge. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß auch die Benützung des Eislaufplatzes der beklagten Partei auf dieser Grundlage erfolgte. Die Revision geht davon aus, daß Friedrich W*** den Vertrag über die Benützung des Eislaufplatzes mit Wirkung für den Kläger abschloß. Sie wendet sich gegen die Annahme des Berufungsgerichtes, die Erziehungsberechtigten des Klägers hätten Friedrich W*** stillschweigend ermächtigt, einen Vertrag über die Benützung des Eislaufplatzes unter Anerkennung der Benützungsbedingungen der beklagten Partei, insbesondere betreffend den Haftungsausschluß abzuschließen. Es ist der Revision einzuräumen, daß für die Annahme einer privatrechtlichen Ermächtigung des Lehrers durch den Erziehungsberechtigten im vorliegenden Fall hinreichende Anhaltspunkte fehlen. Einer solchen Ermächtigung des Lehrers durch den Erziehungsberechtigten bedarf es aber auch nicht, weil der Lehrer zum Vertragsabschluß, soweit dieser erforderlich ist, um Schulveranstaltungen durchzuführen, auf Grund des Gesetzes ermächtigt ist. Der Kläger muß dann freilich auch eine (gesetzlich zulässige) Haftungsbeschränkung in allgemeinen Geschäftsbedingungen hinnehmen. Eine solche Bindung ist entgegen der Ansicht des Revisionswerbers auch nicht sittenwidrig. Ein Kontrahieren zu unangemessenen Bedingungen könnte freilich Amtshaftungsansprüche des Klägers auslösen, über die hier aber nicht zu entscheiden ist. Der Oberste Gerichtshof hegt auch keine Bedenken gegen die Annahme der Vorinstanzen, daß im vorliegenden Fall dem von der beklagten Partei mit der Aufsicht über die Eislauffläche eingesetzten Ordner nur ein leichtes Versehen anzulasten ist, sodaß der Haftungsausschluß, wie gleichfalls die Vorinstanzen zutreffend erkannten, wirksam wurde. Die vom Kläger in Aussicht genommene Sanierung des Gebisses, offenbar durch einen privaten Zahnbehandler (mit einem geschätzten Kostenaufwand von S 65.000) ist nicht durch Leistungen aus der Schüler-Unfallversicherung (§ 8 Abs. 1 Z 3 lit. h ASVG, § 175 Abs. 4 und 5 ASVG) gedeckt, sodaß auch eine Legalzession des behaupteten Anspruches auf den Sozialversicherungsträger nicht Platz gegriffen hat.
Demzufolge ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E20577European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00016.9.0521.000Dokumentnummer
JJT_19900521_OGH0002_0010OB00016_9000000_000