TE OGH 1990/5/23 2Ob561/90 (2Ob562/90)

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Veröffentlicht am 23.05.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei Ernestine R***, geboren am 3. Jänner 1942, Hausfrau, Höcken 10, 5212 Scheegattern, vertreten durch Dr. Josef Bleierer und Dr. Sylvia Bleierer, Rechtsanwälte in Mattighofen, wider die beklagte und widerklagende Partei Helmut R***, geboren am 17. August 1941, Pensionist, Weißenkirchnerstraße 13, 4890 Frankenmarkt, vertreten durch Dr. Hubert Stüger, Rechtsanwalt in Frankenmarkt, wegen Ehescheidung und Bestimmung eines einstweiligen Unterhaltes, infolge Rekurses der klagenden und widerbeklagten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Berufungs- und Rekursgerichtes vom 14. März 1990, GZ R 214, 217/90-20, womit die Berufung und der Rekurs der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Urteil und den Beschluß des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 6. Dezember 1989, GZ 2 C 596/89-15, zurückgewiesen wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungs- und Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über die Rechtsmittel der klagenden und widerbeklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Rekurskosten der klagenden und widerbeklagten Partei sind als weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu behandeln.

Text

Begründung:

Beide Streitteile begehrten mit Klage und Widerklage die Scheidung ihrer Ehe aus dem Verschulden des Gegners. Die Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Im Zuge dieses Rechtsstreites stellte die Klägerin und Widerbeklagte (in der Folge als Klägerin bezeichnet) den Antrag, den Beklagten und Widerkläger (in der Folge als Beklagter bezeichnet) mit einstweiliger Verfügung zur Leistung eines einstweiligen Unterhaltes von monatlich S 2.700,- ab 1. August 1989 bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Rechtsstreites zu verhalten (ON 10). Das Erstgericht wies mit einer einheitlichen Entscheidung vom 6. Dezember 1989 (ON 15) mit Beschluß den Provisorialantrag der Klägerin ab und schied mit Urteil die Ehe der Streitteile aus dem Verschulden beider Ehegatten, wobei es aussprach, daß das Verschulden der Klägerin überwiegt.

Diese Entscheidung wurde dem Vertreter der Klägerin am 15. Dezember 1989 zugestellt.

Am 26. Jänner 1990 langte ein am 25. Jänner 1990 zur Post gegebener Schriftsatz der Klägerin beim Erstgericht ein, mit dem sie die Abweisung ihres Provisorialantrages mit Rekurs und das Scheidungsurteil des Erstgerichtes mit Berufung bekämpfte.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungs- und Rekursgericht wies diese Rechtsmittel im wesentlichen mit folgender Begründung zurück:

Wenn in einer gemeinsamen Ausfertigung mehrere Entscheidungen getroffen worden seien, für die verschiedene Rechtsmittelfristen bestünden, komme für ihre Anfechtung - gleichgültig, welche Entscheidung angefochten werde - immer die längere Rechtsmittelfrist zum Tragen. Es gelte daher auch dann die längere - also die vierwöchige - Rechtsmittelfrist, wenn das Urteil über ein Scheidungsbegehren gleichzeitig mit der Verweigerung des Provisorialunterhaltes ergangen sei. Im vorliegenden Fall sei aber zu berücksichtigen, daß in den Lauf dieser Frist die Gerichtsferien - 24. Dezember 1989 bis 6. Jänner 1990 - fielen und das Scheidungsbegehren keine Ferialsache sei, während Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt bzw Anträge auf Bewilligung von einstweiligen Verfügungen Ferialsachen seien. Durch die Verbindung eines Scheidungs- mit einem Unterhaltsbegehren werde auch die Ehesache zur Ferialsache; nach der Absicht des Gesetzgebers sollten Prozesse, in denen neben den im § 224 Abs 1 ZPO angeführten Streitgegenständen auch über andere Ansprüche zu entscheiden sei, zur Gänze Ferialsachen sein. Nichts anderes könne dann gelten, wenn die Entscheidung in der Hauptsache und der Beschluß über einen Antrag auf Bewilligung einer einstweiligen Verfügung in einer einzigen Ausfertigung ergingen, weil jede andere Auslegung mit dem Zweck des Provisorialverfahrens, das ein beschleunigtes, vereinfachtes Verfahren sei und dem Gläubiger rasch zu einer Entscheidung verhelfen solle, in einem krassen Widerspruch stünde. Es würde sich nämlich ansonsten die Dauer der Rekursfrist allein auf Grund der Tatsache, daß die Entscheidung über die beantragte einstweilige Verfügung in das Scheidungsurteil aufgenommen worden sei, gegenüber einer gesondert erlassenen einstweiligen Verfügung durch die Gerichtsferien um bis zu zehn Wochen verlängern, was mit dem Zweck einer einstweiligen Verfügung nicht mehr in Übereinstimmung gebracht werden könne. Es gelte daher in einem solchen Fall zwar auch für die Bekämpfung der Entscheidung über die beantragte einstweilige Verfügung die vierwöchige Rechtsmittelfrist, jedoch komme eine weitere Verlängerung dieser Frist durch die Gerichtsferien sowohl für die Bekämpfung der Entscheidung in der Hauptsache als auch der ergangenen Provisorialentscheidung nicht in Betracht.

Die Rechtsmittelfrist gegen die Entscheidung des Erstgerichtes habe daher am 12. Jänner 1990 geendet, sodaß die Rechtsmittel der Klägerin verspätet seien.

Gegen diese Entscheidung des Berufungs- und Rekursgerichtes richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Dieser Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß durch die Verbindung einer Ferialsache mit einer Nichtferialsache in einer Klage auch die Nichtferialsache zu einer Ferialsache wird (SZ 8/345; EvBl 1975/222; 2 Ob 529/85 ua). Dies wurde in Fällen, in denen ein Scheidungsbegehren mit einem Klagebegehren auf Leistung des gesetzlichen Unterhaltes verbunden wurde, für die Zeit nach dem Inkrafttreten der ZVN 1983 insbesondere aus den Gesetzesmaterialien abgeleitet, aus denen sich ergibt, daß die ratio der durch die ZVN 1983 geänderten Bestimmung des § 224 Abs 1 Z 4 ZPO darin lag, zu bewirken, daß Prozesse, in denen neben den im § 224 Abs 1 ZPO angeführten Streitgegenständen auch über andere Ansprüche zu entscheiden ist, zur Gänze Ferialsachen sein sollen (1337 BlgNR 15. GP 11; 2 Ob 529/85; JBl 1985, 630).

Allein darum handelt es sich im vorliegenden Fall nicht. Die Klägerin hat nicht mit ihrem Scheidungsbegehren ein auf Leistung des gesetzlichen Unterhaltes durch den Beklagten gerichtetes Klagebegehren verbunden, sondern im Verlauf des Scheidungsprozesses den Antrag gestellt, dem Beklagten im Wege einer einstweiligen Verfügung die Leistung eines einstweiligen Unterhaltes an sie im Sinne des § 382 Z 8 lit a EO aufzutragen. Es trifft sicher zu, daß sich die in dieser Gesetzesstelle geregelte Provisorialmaßnahme von anderen in der Exekutionsordnung behandelten einstweiligen Verfügungen unterscheidet und daß es sich dabei um eine ganz besonders geartete Verfügung handelt, die dem Berechtigten einen (in der Regel endgültig zustehenden) einstweiligen Unterhalt zubilligt (siehe dazu SZ 52/121 mwN). Das ändert aber nichts daran, daß es sich um eine Provisorialmaßnahme handelt, die den Vorschriften der Exekutionsordnung über die einstweiligen Verfügungen im Sinne der §§ 378 ff EO unterliegt.

Wird also im Zuge eines Ehescheidungsverfahrens von einer Partei ein Antrag auf Bestimmung eines einstweiligen Unterhaltes im Sinne des § 382 Z 8 lit a EO gestellt, so wird damit nicht ein klageweise durchzusetzender Anspruch auf nach dem Gesetz gebührenden Unterhalt im Sinne des § 224 Abs 1 Z 4 ZPO geltend gemacht, sondern ein Antrag auf Bewilligung einer einstweiligen Verfügung im Sinne des § 224 Abs 1 Z 6 ZPO gestellt. Das Verfahren über einen solchen Antrag ist nach dieser Gesetzesstelle zweifellos eine Ferialsache, wobei es im übrigen im Hinblick auf die Vorschrift des § 223 Abs 2 ZPO der ausdrücklichen Regelung des § 224 Abs 1 Z 6 ZPO gar nicht bedürfte.

Daraus ist aber noch keineswegs abzuleiten, daß damit die gesamte Rechtssache, in der ein solcher Provisorialantrag gestellt wird, zur Ferialsache wird. Gewiß liegt der Zweck einer einstweiligen Verfügung, wie sich schon aus § 378 Abs 1 EO ergibt, darin, zur Sicherung der Ansprüche einer Partei unter möglichster Beschleunigung einstweilige Vorkehrungen zu treffen. Damit ändert sich aber an der Natur des von der Partei klageweise geltend gemachten Anspruches nichts. Ebensowenig, wie etwa eine gesetzliche Handhabe dafür besteht, den Rechtsstreit über die Leistung eines in Geld bestehenden Kaufpreises deswegen als Ferialsache im Sinne des § 224 Abs 1 ZPO zu qualifizieren, weil der Kläger im Rechtsstreit die Sicherung seines Anspruches durch eine einstweilige Verfügung beantragte und bewilligt erhielt, ist dies auch bezüglich eines Ehescheidungsverfahrens deswegen der Fall, weil eine der Parteien im Zuge des Rechtsstreites eine einstweilige Verfügung nach § 382 Z 8 lit a EO beantragte und bewilligt erhielt. Gewiß ist in derartigen Fällen das Verfahren über die einstweilige Verfügung gemäß § 224 Abs 1 Z 6 ZPO (§ 223 Abs 2 ZPO) eine Ferialsache; es besteht aber keine gesetzliche Vorschrift, aus der abzuleiten wäre, daß deswegen auch das Ehescheidungsverfahren selbst zur Ferialsache würde.

Ergeht daher in einem derartigen Fall das Ehescheidungsurteil und der Beschluß über die einstweilige Verfügung in einer einheitlichen Ausfertigung, dann gilt im Sinne der Lehre und der einheitlichen Rechtsprechung (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 2345; ZBl 1932/282; RZ 1983/40; 4 Ob 336, 337/87; 6 Ob 706, 707/88 uva) - gleichgültig, welcher Teil der Entscheidung angefochten wird - die längere Rechtsmittelfrist, im vorliegenden Fall also die durch die Gerichtsferien verlängerte Rechtsmittelfrist für die Bekämpfung des Ehescheidungsurteiles. Da die Rechtsmittel der Klägerin innerhalb dieser Frist eingebracht wurden, sind sie entgegen der vom Berufungs- und Rekursgericht vertretenen Rechtsmeinung rechtzeitig.

Es war daher in Stattgebung des Rekurses der Klägerin wie im Spruch zu entscheiden.

Der Vorbehalt der Rekurskosten beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E20887

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00561.9.0523.000

Dokumentnummer

JJT_19900523_OGH0002_0020OB00561_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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