TE OGH 1990/5/29 10ObS108/90

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Veröffentlicht am 29.05.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Fellner (Arbeitgeber) und Leo Samwald (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Gabriele P***, Angestellte, 4020 Linz, Hainbuchenweg 3, vertreten durch Dr. Christian Slana und Dr. Günter Tews, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei O*** G***, 4020 Linz, Gruberstraße 77, vertreten durch

Dr. Vera Kremslehner und Dr. Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 5.658,94, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Jänner 1990, GZ 12 Rs 187/89-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 23. Juni 1989, GZ 13 Cgs 1002/89-9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. In der Sache selbst wird zu Recht erkannt, daß das (abweisliche) Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 2.636,16 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zweiter und dritter Instanz (darin enthalten S 439,36 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 21. Dezember 1988 wies die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Erstattung der Kosten für die von ihr für ihre Kinder Manuela und Andrea angekauften Kosmetikartikel ("G***-Aufbaucremen") ab, weil es sich dabei weder um Heilmittel, noch um Hilfsmittel iS der §§ 136 und 154 ASVG, sondern um Kosmetikartikel handle, deren Beistellung nicht zum Aufgabenkreis der gesetzlichen Krankenversicherung zähle.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Klage mit dem Begehren auf Zuspruch von S 5.658,94. Die beiden Kinder der Klägerin hätten seit der Geburt an Neurodermitis gelitten, wobei weder die Behandlung durch den Haus- und den Kinderarzt, noch in weiterer Folge die fachärztliche Behandlung mit einer cortisonhaltigen Salbe zu einem nachhaltigen Heilungserfolg geführt hätten. Im Frühjahr 1988 habe die Klägerin zufällig von einer neuen Behandlungsmethode erfahren, welche in der Bundesrepublik Deutschland seit einigen Jahren praktiziert werde. Ein bundesdeutscher Arzt habe die Behandlung des Leidens mit einer von der Firma G***-Kosmetik hergestellten Aufbaucreme empfohlen. Bereits wenige Wochen nach der Anwendung des Präparates habe sich eine deutliche Besserung der Neurodermitis eingestellt, nach einer cirka halbjährigen Behandlung seien die Kinder nunmehr vollständig geheilt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte folgenden Sachverhalt fest:

Bei der mj. Manuela P*** (geb. 1985) begann die Hautkrankheit im Gesicht etwa im 3. Lebensmonat, später nahmen die Hautveränderungen an Intensität zu. Besonders im Frühjahr und Herbst waren die ekzementösen Hautveränderungen besonders stark. Die Behandlung erfolgte seit dieser Zeit bei verschiedenen Ärzten, die zumeist Ölbäder und Salben, auch Cortisonsalben verordneten. Diese brachten aber nur vorübergehende Besserung. Seit Mai 1988 wurden bei dem Kind die der Klägerin empfohlenen G***-Aufbaucremen gelb und weiß abwechselnd verwendet. Schon nach etwa 4 1/2 Monaten war bei dem Kind die Haut sehr gut und es traten seit dieser Zeit keine Verschlechterungen und kein Juckreiz mehr auf. Bei der mj. Andrea P*** (geb. 1986) besteht der gleiche Krankheitsverlauf, doch waren die Hautveränderungen im gesamten gesehen nicht so intensiv. Bei der G***-Creme handelt es sich um eine schwefelhaltige Masse mit Zinkoxyd-, Pflanzenextrakt und Bienenprodukten, somit um tierisch-, pflanzlich- und lebensmittelgerecht gearbeitete Öle und Fette. Eine Behandlung der bei den Kindern bestehenden Neurodermitis war notwendig, es kann aber nicht festgestellt werden, ob die zwischenzeitig eingetretene, fast gänzliche Beschwerdefreiheit auf die pflegende Wirkung der G***-Aufbaucrme oder auf eine Spontanremission, unabhängig von der gegenständlichen Behandlung zurückzuführen ist.

Die Neurodermitis ist eine konstitutionell bedingte Hautkrankheit, die vom Säuglingsalter an zu ekzementösen Hautveränderungen führt. Ihr Verlauf ist meist recht veränderlich, wobei vor allem die Klimaabhängigkeit des Leidens hervorzuheben ist.

Die Erkrankung zeigt auch eine große Spontanheilungstendenz: In etwa der Hälfte der Fälle im Kleinkindesalter bilden sich die Hautveränderungen von selbst zurück.

Die Cremen der Firma G***-C*** sind angenehm

anzuwendende Präparate, jedoch hätten auch viele andere gut verträgliche Hautpflege- und Heilmittel den gleichen Effekt erzielen können, weil wichtige Grundlage jeder Behandlung der Neurodermitis eine gute Hautpflege ist.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, bei der Frage des Kostenersatzes für Heilmittel und Heilbehelfe komme es nicht darauf an, ob das entsprechende Heilmittel in die "Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Arznei- und Heilmitteln sowie Heilbehelfen" aufgenommen worden sei. Dem Versicherten sei ein Anspruch auf Übernahme der Kosten solcher Mittel, die in den Richtlinien nicht enthalten sind, dann zuzuerkennen, wenn dies infolge seines Leidenszustandes und nach den Ergebnissen der Behandlung mit diesen Mitteln notwendig sei. Dabei sei der Versicherte nicht verpflichtet, alle oder zumindest einen Großteil der im Spezialitätenverzeichnis enthaltenen Mittel ohne entsprechenden Behandlungserfolg anzuwenden und so den Nachweis zu erbringen, daß sein Leidenszustand nur durch die Anwendung eines nicht in die Richtlinien aufgenommenen Mittels gebessert werden könne. Der Versicherte müsse aber im sozialrechtlichen Streitverfahren den Nachweis erbringen, daß gerade durch das von ihm verwendete Mittel sein Leidenszustand gebessert worden sei. Dieser Nachweis sei der Klägerin nicht gelungen, da nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens genausogut die Möglichkeit bestehe, daß die Neurodermitis - wie in der Hälfte aller Fälle bei

Kleinkindern - spontan und unabhängig von der Anwendung der gegenständlichen Cremen abgeheilt sei. Unter diesen Umständen könne dahingestellt bleiben, ob die Präparate überhaupt ärztlich verordnet und über eine Apotheke bezogen worden seien. Der Krankenversicherungsträger sei nämlich zur Tragung der Kosten für Heilmittel nur dann verpflichtet, wenn eine Verschreibung durch einen Vertrags- oder Wahlarzt vorliege und das Heilmittel in einer Apotheke angeschafft werde (SVSlg. 28.948 uva).

Das Berufungsgericht hob über Berufung der Klägerin das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es verwarf zunächst die Tatsachen- und Beweisrüge und trat dem Erstgericht darin bei, daß die vorhandenen Indizien für einen Kausalzusammenhang zwischen der Behandlung und dem Erfolg für eine positive Feststellung nicht ausreichen. Die Schlußfolgerung, daß auch andere Präparate, die ebenso wie die verwendete G***-Creme nur pflegende Wirkung hätten, mit gleichen Erfolg verwendbar gewesen wären, könnte nicht widerlegt werden. Wie aber der Oberste Gerichtshof in der jüngst ergangenen Entscheidung 10 Ob S 211/89 dargelegt habe, sei auch bei schuldmedizinisch nicht anerkannten Behandlungsmethoden und Anwedung von Heilmitteln, die nicht in den Richtlinien der Sozialversicherungsträger enthalten seien, nicht von vornherein eine Kostenerstattungspflicht abzulehnen, auch wenn der Nachweis der Heilung nicht erbracht sei. Entscheidend sei vielmehr, daß zunächst eine Behandlung mit anerkannten Methoden und Heilmitteln versucht werde. Der dem Versicherten offenstehende Beweis, daß im Einzelfall der Einsatz einer nicht anerkannten Behandlung erforderlich und zweckmäßig war, sei schon dann erbracht, wenn er dartun könne, daß mit dem in Frage stehenden Heilmittel typischerweise, also in einer für die Bildung eines Erfahrungssatzes ausreichenden Zahl von Fällen wirksam, ein Erfolg erzielt werden könne. Zur Abklärung der Frage, ob mit anerkannten Mitteln tatsächlich nicht das Auslangen zu finden gewesen sei bzw. ob kostengünstigere Pflegepräparate mit vergleichbarer Zusammensetzung in Betracht kämen, bedürfe es näherer Feststellungen zu den tatsächlich verordneten Heilmitteln durch Befragung der behandelnden Ärzte unter Beiziehung des dermatologischen Sachverständigen. Ergebe diese Sachverhaltsergänzung, daß schon mit geringeren Kosten das Auslangen gefunden hätte werden können, komme die beantragte Kostenerstattung nicht in Betracht. Darüber hinaus werde zu prüfen sein, ob der G***-Creme typische Wirksamkeit in einer ausreichenden Zahl von Fällen zur Bildung eines Erfahrungssatzes zuzuschreiben sei. Auch dazu werde die Befragung der behandelnden Ärzte, allenfalls weiterer Ärzte, die diese Behandlungsmethode empfehlen, erforderlich sein. Entgegen der in der Rechtsprechung bisher vertretenen Auffassung (SVSlg. 28.948 ua) komme es nämlich nicht darauf an, ob die Behandlung mit einem nicht anerkannten Heilmittel auf einer ärztlichen Verschreibung beruhe und das Präparat durch eine Apotheke bezogen worden sei. Dem § 133 ASVG sei eine derartige Einschränkung nicht zu entnehmen, vielmehr stellten die Verordnung eines nicht anerkannten Heilmittels durch einen Arzt und der Bezug über eine Apotheke lediglich ein den Nachweis durch den Versicherten erleichterndes Indiz dar, daß die gewählte Behandlung zweckmäßig und notwendig gewesen sei. Die Kostentragung könne davon nicht abhängig sein.

Gegen diesen Beschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der für zulässig erklärte Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, in der Sache selbst zu entscheiden und das abweisliche Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Klägerin beantragte, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher zum Ersatz der Kosten einer kosmetischen Hautcreme noch nicht Stellung genommen hat (§ 46 Abs 1 Z 1 iVm § 47 Abs 1 ASGG).

Der Rekurs ist auch berechtigt.

Gemäß § 133 Abs 1 ASVG umfaßt die Krankenbehandlung 1. ärztliche Hilfe, 2. Heilmittel, 3. Heilbehelfe. Nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle muß die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Durch die Krankenbehandlung sollen die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederhergestellt, gefestigt oder gebessert werden. Die Leistungen der Krankenbehandlung werden, soweit im ASVG nichts anderes bestimmt wird, als Sachleistungen erbracht. Nimmt der Anspruchsberechtigte nicht die Vertragspartner oder die eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des Versicherungsträgers zur Erbringung der Sachleistungen und Krankenbehandlung (ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe) in Anspruch, so gebührt ihm gemäß § 131 Abs 1 ASVG der Ersatz der Kosten einer anderweitigen Krankenbehandlung in der Höhe des Betrages, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner des Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wäre.

In der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 19. Dezember 1989, 10 Ob S 211/89 (= SSV-NF 3/154) war die Frage des Kostenersatzes einer von einem Wahlarzt der dortigen Klägerin durchgeführten Heilbehandlung zu beantworten, die in den Honorarordnungen für praktische Ärzte und Fachärzte nicht enthalten und nach den Feststellungen auch keine wissenschaftliche anerkannte Heilmethode war. In dieser Entscheidung wurde ausgeführt, dem Patienten müsse der Beweis zulässig sein, daß im Einzelfall eine wissenschaftlich noch nicht allgemein gesicherte Methode erforderlich und zweckmäßig gewesen sei. Dies wäre dann der Fall, wenn mit der in Frage stehenden Behandlungsmethode typischerweise - also in einer für die Bildung eines Erfahrungssatzes ausreichenden Zahl von Fällen wirksam - ein Erfolg erzielt werden könne oder wenn auch ohne diese Voraussetzungen bewiesen werde, daß die Behandlungsmethode bei dem Versicherten erfolgreich gewesen sei. Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um den Ersatz der Kosten für ärztliche Hilfe, so daß vorweg iS des § 131 Abs 1 ASVG geprüft werden muß, ob es sich bei der von der Klägerin gekauften und verwendeten kosmetischen Creme um ein Heilmittel oder um einen Heilbehelf handelt.

Die Heilmittel umfassen gemäß § 136 Abs 1 ASVG a) die notwendigen Arzneien und b) die sonstigen Mittel, die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges dienen. Unter Arzneien sind Mittel zu verstehen, die im wesentlichen auf den inneren Organismus wirken, indem sie diesen in geeigneter Weise (Einnehmen, Einlauf, Einreibungen, Einspritzungen udgl.) zugeführt werden, oder örtliche Erkrankungen der Haut oder Schleimhäute beeinflussen (Salben, Pinselungen udgl.). Die sonstigen Heilmittel umfassen die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges dienenden anderweitigen Mittel einschließlich Verbandmittel und Verbandstoffe sowie äußerlicher Einwirkungen auf den Körper (Teschner-Fürböck ASVG 46. ErgLfg. 788 Anm. 1 a und 2; SSV-NF 3/68; vgl. auch Binder in Tomandl SV-System

4. ErgLfg. 215). Gemäß § 1 Abs 1 Arzneimittelgesetz sind "Arzneimittel" Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen, oder nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind, bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen, die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen, vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen, Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen oder die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen. Als Arzneimittel gelten nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle Gegenstände, die ein Arzneimittel enthalten oder auf die ein Arzneimittel aufgebracht ist oder die zur Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, sofern sie dazu bestimmt sind, für die Herstellung von Arzneimittel verwendet zu werden. Keine Arzneimittel sind unter anderem kosmetische Mittel iS des § 5 des Lebensmittelgesetzes, sofern ihre Anwendung und Wirkung auf den Bereich der Haut und ihre Anhanggebilde und der Mundhöhle beschränkt sind

(§ 1 Abs 3 Z 3 Arzneimittelgesetz). Kosmetische Mittel sind nach § 5 LMG Stoffe, die zur Reinigung, Pflege oder Vermittlung bestimmter Geruchseindrücke des Menschen, zur Beeinflussung des menschlichen Äußeren, zum Schutz der Haut oder zur Reinigung, Pflege oder Verbesserung des Gebrauches von Prothesen bestimmt sind. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Wettbewerbssachen sind für die Beurteilung, ob ein Arzneimittel vorliegt oder nicht, grundsätzlich zwei Kriterien maßgeblich, nämlich einerseits die objektive Zweckbestimmung und andererseits die subjektive Zweckbestimmung durch den Hersteller, Depositeur oder Großhändler (ÖBl 1987, 71; ÖBl 1986, 45 uva).

Im Sinne der zitierten Bestimmungen ist die Aufbaucreme der Fa. G***-C*** weder ein Arzneimittel iS des § 136 Abs 1 lit a ASVG noch ein sonstiges Mittel iS des § 136 Abs 1 lit b ASVG, weil es sich um ein kosmetisches Mittel handelt, das weder nach der allgemeinen Verkehrsauffassung, noch nach der Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt ist, zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges zu dienen. Wie sich aus dem Beweisverfahren ergibt, dient eine derartige Hautcreme vielmehr zum Schutz und zur Pflege der Haut. Auch in der Bundesrepublik Deutschland gelten Kosmetika nicht als Heilmittel und werden von Ärzten auch nicht verschrieben (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung II 386 g I, II). Deshalb ist auch die Feststellung bedeutsam, daß der von der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland aufgesuchte Arzt ihr nicht etwa die Anwendung der gegenständlichen Creme "verschrieb", sondern lediglich "empfahl", was offenbar einer Empfehlung zu vergleichen ist, beim Sonnenbad zur Vermeidung eines Sonnenbrandes eines Sonnencreme zu benützen. Daß die Creme einen Behandlungserfolg hatte, ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht erwiesen. Ob sie typischerweise Erfolg erzielen könnte, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes aber nicht wesentlich, weil die Creme weder nach den Beweisergebnissen noch nach den Behauptungen der Klägerin dazu bestimmt ist, Krankheiten zu lindern oder einen Heilerfolg zu sichern. Daß auch ein Heilbehelf iS des § 137 ASVG nicht vorliegt, bedarf angesichts der dort genannten Brillen, orthopädischen Schuheinlagen und Bruchbänder keiner näheren Erörterung. Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 133 Abs 3 ASVG berufen, wonach kosmetische Behandlungen als Krankenbehandlung gelten, wenn sie zur Beseitigung anatomischer oder funktioneller Krankheitszustände dienen.

Auch hier ist darauf zu verweisen, daß die Creme eben nicht dazu bestimmt ist, Krankheitszustände zu beseitigen, sondern vielmehr ein allgemeines Hautpflegemittel darstellt. Anders als im Fall der Verwendung einer Creme zum Abdecken von entstellenden, die Arbeitsfähigkeit wesentlich beeinträchtigenden und keiner Behandlung zugänglichen Hautverfärbungen im Gesicht (SSV-NF 1/9 = SZ 60/127) handelt es sich hier auch nicht um ein Hilfsmittel im Sinne des § 154 Abs 1 ASVG (zur Beeinflussung körperlicher Gebrechen durch kosmetische Behandlung vgl. Binder, Aktuelle Fragen im Leistungsrecht der Krankenversicherung, ZAS 1990, 11 Ä14 fÜ). Im Fall der Entscheidung vom 6. Juni 1989, 10 Ob S 62/89 (= SSV-NF 3/68) ging es um den Ersatz der Kosten für ein spezielles Desinfektionsmittel gegen die Hausstaubmilbe ("Acarosan"); der erkennende Senat führte dort aus, auch ein Mittel, das nicht am oder im menschlichen Körper angewendet wird, jedoch die Beseitigung oder Linderung einer bestehenden Krankheit bewirkt oder der Sicherung des Heilerfolges dient (Hausstaubmilbenallergie), könne ein sonstiges Heilmittel im Sinne des § 64 Abs 1 Z 2 B-KUVG sein, weil es sich dabei um ein Mittel handle, das für gesunde Menschen nicht angeschafft werde. Diese Entscheidung steht mit den obigen Ausführungen nicht im Widerspruch.

Da es also im gegenständlichen Fall nicht um die Frage der Anwendung noch nicht anerkannter Heilmethoden geht, sondern eine Heilmethode überhaupt nicht vorliegt, bedarf es der vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltenen Verfahrensergänzung nicht. Die Sache ist vielmehr im Sinne einer Abweisung der Klage spruchreif. Gemäß § 519 Abs 2 ZPO konnte der Oberste Gerichtshof durch Urteil in der Sache selbst im Sinne einer Wiederherstellung des abweislichen Urteils des Erstgerichtes erkennen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage iS des § 46 Abs 1 Z 1 ASGG abhing, entspricht es der Billigkeit, der unterlegenen Klägerin die Hälfte ihrer Kosten zuzusprechen (SSV-NF 1/66, 2/29, 3/116 ua).

Anmerkung

E21535

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00108.9.0529.000

Dokumentnummer

JJT_19900529_OGH0002_010OBS00108_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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