Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Mai 1990 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wolf als Schriftführer in der Strafsache gegen Friedrich W*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren und mit Waffen sowie gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs NZ4, 129 Z 1 und Z 4, 130 vierter Fall und § 15 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 14. Februar 1990, GZ 19 Vr 357/89-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten dieses Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet (§ 285 i StPO).
Text
Gründe:
Mit dem von ihm angefochtenen Urteil wurde Friedrich W*** (A) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren und mit Waffen sowie gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 4, 130 "zweiter Deliktsfall" (gemeinE: vierter Qualifikationsfall) und § 15 StGB sowie der Vergehen (B) der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, (C) der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 StGB und (D, E) nach § 36 Abs 1 Z 1 und Z 5 WaffG schuldig erkannt.
Rechtliche Beurteilung
In Beschwerde gezogen (§ 281 Abs 1 StPO) werden der Schuldspruch zum Faktum A II 1, zu dem der Angeklagte einen strafaufhebenden Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) reklamiert (Z 9 lit b), ferner die Qualifikationen (zu A) nach § 130 StGB (Z 5, 5 a und 10) und (zu C) nach § 84 Abs 2 Z 1 StGB (Z 5) sowie schließlich der Strafausspruch (Z 11).
Die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe liegen nicht vor. Zum Faktum A II 1 läßt die Rechtsrüge mit der Behauptung des Fehlens einer Feststellung darüber, ob der Beschwerdeführer von der Fortsetzung des Einbruchs trotz der Annahme abgesehen habe, daß dessen dem Tatplan entsprechende Vollendung gleichwohl noch möglich sei, eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen; denn mit der (in der Beschwerde ohnehin zitierten) Konstatiprung dahin, daß er sich nach dem Durchzwicken des Auslagengitters vor dem tatgegenständlichen Geschäftslokal aus dem gegenüber gelegenen Haus beobachtet und gestört fühlte, "worauf er" von einer Fortsetzung des Diebstahlsversuchs "absah und flüchtete" (US 7), hat das Erstgericht ganz unmißverständlich nicht bloß eine temporale, sondern auch eine kausale Beziehung zwischen den damit relevierten Phasen des Tatgeschehens zum Ausdruck gebracht, also deutlich genug als erwiesen angenommen, daß er zur Zeit seiner Flucht eine tatplangemäße Vollendung seines Vorhabens keineswegs mehr für möglich hielt. Materiellrechtliche Nichtigkeitsgründe indessen können nur durch einen Vergleich der Urteilsfeststellungen in ihrem tasächlichen Sinngehalt mit den darauf angewendeten Strafbestimmungen gesetzmäßig dargestellt werden.
Im wesentlichen Gleiches gilt für die zu den Fakten A erhobene Rechtsrüge gegen die Beurteilung der in der Zeit vom 22.März 1988 bis zum 20.April 1989 verübten sechs Einbruchsdiebstähle und -diebstahlsversuche des einschlägig schwer vorbestraften Angeklagten als gewerbsmäßig begangen: hat sich doch das Schöffengericht bei der insoweit bekämpften Urteilsannahme, daß er dabei durch deren wiederkehrende Begehung eine "fortlaufende" Einnahme zu erlangen bezweckte (US 2, 6, 12), entgegen dem dahingehenden Beschwerdeeinwand durchaus nicht auf die Wiedergabe der "bloßen verba legalia" beschränkt, sondern vielmehr mit den (im Kern von ihm übergangenen) Feststellungen, daß er "überhaupt nie einer geregelten Arbeit nachgegangen" ist und (mangels eines ausreichenden sonstigen Einkommens) deswegen die Diebstähle verübt hat, "um ... dadurch seinen Lebensunterhalt zu bestreiten" (US 6, 10, 12), sehr wohl auf ein in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, daß er sich solcherart eine für einen längeren Zeitraum wirksame Einnahmequelle erschließen wollte, vollauf deckendes konkretes Tatsachensubstrat Bezug genommen.
Die für die Annahme der Gewerbsmäßigkeit der hier inkriminierten, teils vollendeten und teils versuchten Diebstähle maßgebende Tatsachenprämisse hinwieder, daß der Beschwerdeführer im Tatzeitraum auch aus einer anderweitigen Beschäftigung kein zur Deckung seiner Bedürfnisse ausreichendes Einkommen bezog und deshalb die urteilsgegenständlichen Diebstähle und Diebstahlsversuche mit der in Rede stehenden Absicht beging, konnte das Erstgericht in der Tat (US 10, 12) aus seinen eigenen Angaben im Vorverfahren (S 283/I) ableiten, die er mit der Mängelrüge abermals übergeht; mit seiner in der Hauptverhandlung davon abweichenden Verantwortung hat es sich hiebei ohnehin ebenso auseinandergesetzt wie mit den Angaben der Zeugen S***, O***, G*** und S*** bei der Sicherheitsbehörde (US 11).
Eine Erörterung jener Verfahrensergebnisse in allen Details aber war im gegebenen Zusammenhang bei einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) umso weniger erforderlich, als sich der Angeklagte bei seinen vom Schöffengericht verwerteten Angaben vom 21.April 1989 auf ein im Tatzeitraum bei Ingeborg S*** bezogenes Einkommen aus "fallweisen Schneiderarbeiten im Pfusch" gar nicht berufen hat, und auch mit seinem weiteren Einwand, das Erstgericht gehe mit der Konstatierung, daß er "lediglich sehr gelegentlich" bei S*** ausgeholfen habe, "über den Kern der Aussagen" der relevierten Zeugen "ohne Begründung" hinaus, ficht der Beschwerdeführer im Rahmen der Mängelrüge bloß unzulässigerweise die erstinstanzliche Beweiswürdigung an.
Keine für die hier aktuelle Verbrechensqualifikation entscheidenden Tatsachen dagegen betrifft die mit der Mängelrüge primär bekämpfte, ihrerseits über den soeben erörterten maßgebenden Sachverhalt tatsächlich hinausgehende Urteilsfeststellung, daß der Angeklagte schon "seit seiner letzten Haftentlassung" im Dezember 1985, also auch vor dem Beginn des Tatzeitraums im März 1988, bereits Einbruchsdiebstähle begangen und auch daraus "nahezu ausschließlich immer wieder" seinen Lebensunterhalt bestritten habe (US 6); genug daran, daß das Schöffengericht die qualifizierende Täter-Absicht jedenfalls in Ansehung der hier inkriminierten Diebstahlstaten mit einer nach dem zuvor Gesagten ganz unabhängig von diesem Beschwerdevorwurf durchaus mängelfreien Begründung als erwiesen annahm.
Gleichermaßen waren Erörterungen über die Höhe des Erlöses, den der Beschwerdeführer aus der bei den urteilsgegenständlichen Diebstählen erlangten Beute erzielte, im Hinblick darauf entbehrlich, daß zur Annahme der Gewerbsmäßigkeit von Diebstählen die Absicht des Täters, sich durch deren wiederkehrende Begehung einen fortlaufenden Zuschuß zu seinem sonstigen Einkommen zu verschaffen, vollauf genügt. Nicht zu entnehmen jedoch ist der Mängelrüge, inwiefern der Umstand, daß ein "im Alter von 56 Jahren aus der Haft entlassener Rechtsbrecher selbst mit Hilfe des Arbeitsamts nicht mehr vermittelbar" sei, der bekämpften Annahme einer Gewerbsmäßigkeit seiner Diebstähle entgegenstehen sollte. Die einer sorgfältigen Prüfung unterzogenen Beschwerdeausführungen zur Tatsachenrüge schließlich sind im Licht der gesamten Aktenlage keineswegs geeignet, Bedenken gegen die Urteilsannahme zu erwecken, daß der Angeklagte im Tatzeitraum von Ingeborg S*** kein nennenswertes Einkommen bezog und seine Tätigkeit für jene nur als "Schein- und Deckungshandlung" zur Erklärung seiner in Wahrheit durch die Einbruchsdiebstähle erlangten finanziellen Mittel vorschob (US 11).
Zum Faktum C findet die mit Bezug auf die Lebensgefährlichkeit der Schußabgabe durch den Beschwerdeführer gegen den ihn nach einem Einbruchsversuch verfolgenden Zeugen B*** vorgenommene Berücksichtigung des Umstands, daß er nach seinen eigenen ersten Angaben "im Stehen" zweimal kurz nacheinander auf jenen geschossen habe, um ihn zu stoppen (US 12/13), in seiner damit relevierten Darstellung bei der Sicherheitsbehörde (S 39, 291/I) sehr wohl Deckung; ob er dabei die Waffe mit einer Hand oder mit beiden Händen gehalten hat, ist für die Frage seines Vorsatzes bei der Schußabgabe ohne Bedeutung. Die Mängelrüge betrifft daher insoweit neuerlich keine entscheidende Tatsache. Von einem logischen Widerspruch zwischen der festgestellten Schußabgabe "im Stehen" mit dem "Tragen einer Tasche in der Hektik der Flucht" aber kann entgegen der Beschwerdeauffassung keine Rede sein.
Auch eine Rechtsfehlerhaftigkeit des Strafausspruchs wird mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht aufgezeigt.
Die Wiederholung der Diebstähle hat das Erstgericht, dem dahingehenden Beschwerdeeinwand zuwider, ohnedies nicht neben deren Gewerbsmäßigkeit gesondert als Erschwerungsgrund gewertet. Die Strafdrohung aber wurde durch § 130 StGB bestimmt, sodaß alle davon nicht erfaßten erschwerenden Umstände sehr wohl gesondert zu berücksichtigen waren, darunter auch die Qualifikationen zum Faktum A II 2 nach § 129 Z 4 StGB und zum Faktum C nach § 84 Abs 2 Z 1 StGB. Die aus dem Mitführen und aus der Verwendung einer Pistole beim Diebstahl erhellende Rücksichtslosigkeit des Angeklagten in bezug auf die Gefährdung von Menschenleben schließlich konnte das Schöffengericht ebenso wie seine bis ins höhere Alter zutage getretenen kriminellen Neigungen als äußerst gefährlicher und professioneller Einbruchsdieb bei der Würdigung seiner Täterpersönlichkeit (§ 32 Abs 2 StGB) durchaus zulässigerweise vermerken.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als teils offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO) und teils nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt (§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur schon in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen.
Anmerkung
E20855European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0150OS00056.9.0529.000Dokumentnummer
JJT_19900529_OGH0002_0150OS00056_9000000_000