TE OGH 1990/5/31 6Ob581/90

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.05.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes, Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Helmut F***, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, Dr. Theodor Körnerstraße 13/I, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Johann W***, Fliesenleger, Kapfenberg, Grazerstraße 15, wider die beklagte Partei E*** Präzis-Drehteile Gesellschaft m.b.H., Kindberg, Stanzerstraße 9, vertreten durch Dr. Ursula Schwarz, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen Auskunftserteilung und Rechnungslegung (Streitwert 100.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 3. Oktober 1989, GZ 1 R 152/89-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 2. Juni 1989, GZ 3 Cg 424/88-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 4.629,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer 771,60 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Masseverwalter in dem am 22. März 1983 eröffneten Konkurs über das Vermögen eines Handwerkers. Diese Konkurseröffnung nahm die Gewerbebehörde zum Anlaß, dem Gemeinschuldner die Gewerbeberechtigung zu entziehen. Dessenungeachtet führte der Gemeinschuldner auf Bestellung Dritter Handwerksleistungen aus. In diesem Sinne erbrachte der Gemeinschuldner auch Leistungen für die Beklagte. Er legte dieser Teilrechnungen über einen Gesamtbetrag von

169.500 S. Der überwiegende Teil dieser Rechnungsbeträge wurde auch zu Handen des Gemeinschuldners bezahlt.

Unter Bezugnahme auf eine Aussprache mit den Geschäftsführern der Beklagten vom 30. November 1988 richtete der Masseverwalter an die Beklagte, eine Gesellschaft m.b.H., ein mit 6. Dezember 1988 datiertes Schreiben (laut Beilage B). Darin wies der Masseverwalter auf die Konkurseröffnung und auf seine Bestellung zum Masseverwalter hin. Er behauptete verschiedentliche Schwarzarbeiten des Gemeinschuldners, von denen dieser den Masseverwalter nicht in Kenntnis gesetzt habe. Mit der Begründung, von Arbeiten des Gemeinschuldners für die Beklagte erfahren zu haben und entscheiden zu müssen, welche (Werklohn-)Beträge er dem Gemeinschuldner (gemäß § 5 Abs 1 KO) "freigebe", ersuchte der Masseverwalter die Beklagte um Beantwortung der Fragen, welchen Auftrag die Beklagte dem Gemeinschuldner erteilt und welche Arbeiten der Gemeinschuldner bisher durchgeführt habe, welche Teilzahlungen an den Gemeinschuldner bereits geleistet worden und welche Arbeiten noch durchzuführen seien, schließlich ob und welche Beträge aufgrund der bereits durchgeführten Arbeiten noch an den Gemeinschuldner aufzuzahlen seien.

Mit der Behauptung, daß die Beklagte diese Aufforderung zur Auskunftserteilung unbeantwortet gelassen habe, stellte der Masseverwalter mit seiner am 28. Dezember 1988 angebrachten Klage das Begehren auf Rechnungslegung über die vom Gemeinschuldner nach dem 22. März 1983 getätigten Leistungen und auf Erklärung darüber, welche Arbeiten der Gemeinschuldner bisher ausgeführt habe, welche Teilzahlungen an ihn geleistet worden seien, welche Beträge aus den bisher durchgeführten Arbeiten noch zustünden und welche Arbeiten durch den Gemeinschuldner noch vorzunehmen wären.

Zur Rechnungslegungs- (und Auskunfts-)Pflicht der Beklagten als Geschäftspartnerin des Gemeinschuldners führte der Masseverwalter aus, der Gemeinschuldner hätte ihm keine Auskünfte (über seine Geschäfte) gegeben, als Masseverwalter besitze er ein "eminentes Interesse" an der Feststellung der Ansprüche der Masse gegen den Beklagten gemäß § 5 KO. Der Masseverwalter sei in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang der Leistungen und Ansprüche des Gemeinschuldners im unklaren, der Beklagten dagegen sei nach Treu und Glauben die begehrte Auskunftserteilung zuzumuten. Die Beklagte wendete ein, zum Kläger in keinerlei

Rechtsbeziehung zu stehen, der Gemeinschuldner selbst hätte ausreichende Kenntnis über die den Gegenstand des Klagebegehrens bildenden Tatumstände. Der Masseverwalter könne sich nur mit den Mitteln der Konkursordnung an den Gemeinschuldner halten, um die von ihm angestrebten Auskünfte zu erhalten.

Dem hielt der Masseverwalter seine Ansicht entgegen, es bliebe ausschließlich ihm als Masseverwalter überlassen, wie er sich die Grundlagen für die Beurteilung von Ansprüchen der Masse gegen die Beklagte verschaffe. Dazu wiederholte der Masseverwalter sein Vorbringen, der Gemeinschuldner habe hinter seinem Rücken Arbeiten durchgeführt und ihm bisher keine Aufstellungen, Teilrechnungen usw vorgelegt. Aus einer finanzbehördlichen Umsatzsteuervorschreibung für das Jahr 1987 ergäbe sich, daß der Gemeinschuldner in dem genannten Jahr zahlreiche Arbeiten durchgeführt und mindestens 165.000 S vereinnahmt habe.

Das Prozeßgericht erster Instanz gab dem Klagebegehren voll statt.

Das Berufungsgericht änderte dieses erstinstanzliche Urteil im Sinne gänzlicher Klageabweisung ab. Dazu sprach es in seinem mit 3. Oktober 1989 datierten Urteil aus, daß der Wert des von der Abänderung betroffenen Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige. Weiters sprach das Berufungsgericht aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzungen nach § 502 Abs 4 Z 1 (aF) ZPO vorlägen.

In rechtlicher Beurteilung hatte das Prozeßgericht erster Instanz gefolgert, das Klagebegehren sei auf den ersten Fall des Art XLII EGZPO gegründet, der eine bürgerlich-rechtliche Pflicht zur Angabe eines Vermögens oder von Schulden voraussetze. Zwischen den Streitteilen ermangle es zwar an einer privatrechtlichen Vereinbarung, aus der besonderen Art der privatrechtlichen Beziehung ergäbe sich aber im Sinne der Ausführungen in SZ 38/129 die bürgerlich-rechtliche Verpflichtung der Beklagten im Sinne des Klagebegehrens. Dem Masseverwalter sei ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung der Einkünfte des Gemeinschuldners aus dessen eigener Erwerbstätigkeit während des Konkurses zuzubilligen, weil solche Einkünfte grundsätzlich zur Masse gehörten und erst durch einen Überlassungsakt aus dieser ausschieden. Wenn der Gemeinschuldner die gesamten Einkünfte für sich beanspruche, besorge er, einem Geschäftsführer ohne Auftrag vergleichbar, Geschäfte des Masseverwalters beziehungsweise der Konkursorgane und sei wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag zur Rechnungslegung verpflichtet. Dem gegenüber leitete das Berufungsgericht in rechtlicher Würdigung ab: Der Gemeinschuldner habe nach Konkurseröffnung mit der Beklagten einen Werkvertrag abgeschlossen. Aus diesem erwüchse dem Unternehmer gegenüber dem Besteller kein Rechnungslegungs- und Auskunftsanspruch nach dem Inhalt des Klagebegehrens, weil dem Unternehmer alle nach dem Klagebegehren mitzuteilenden Umstände bekannt sein müßten. Soweit aber dem Gemeinschuldner kein Anspruch zustünde, könne ein solcher auch nicht vom Masseverwalter geltend gemacht werden. Die Konkursordnung gewähre dem Masseverwalter keine besonderen privatrechtlichen Rechnungslegungsansprüche gegenüber einem Werkbesteller des Gemeinschuldners. Der Masseverwalter habe es aufgrund der Regelungen in den §§ 99 ff KO an der Hand, vom Gemeinschuldner alle benötigten Aufklärungen zu verlangen und deren Erteilung durchzusetzen. Ein privatrechtliches Interesse des Masseverwalters im Sinne des Art XLII Abs 2 EGZPO sei zu verneinen. Der Masseverwalter ficht das bestätigende Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Z 4 ZPO mit einem auf Wiederherstellung des klagsstattgebenden Urteiles erster Instanz zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die Beklagte strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Die Revisionszulässigkeit ist wegen der zur Fallentscheidung erforderlichen Lösung der darzustellenden und nach § 502 Abs 4 Z 1 (aF) ZPO zu qualifizierenden Rechtsfragen zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Der Gemeinschuldner hat nach Konkurseröffnung mit einem Besteller einen Werkvertrag geschlossen. Dieser ist uneingeschränkt, also auch den Konkursgläubigern gegenüber, wirksam. Der Gemeinschuldner hat die vertragsgemäß geschuldeten Werkleistungen zumindestens teilweise erbracht, der Besteller hat auf die ihm bisher vom Gemeinschuldner dafür gelegten Teilrechnungen Zahlungen an den Gemeinschuldner geleistet. (Ob dies in Kenntnis oder Unkenntnis des anhängigen Konkurses und im zweiten Fall in einer gemäß § 3 Abs 2 KO dem Zahlenden schädlichen Unkenntnis erfolgte, ob die Zahlungen im Rahmen dessen blieben, was dem Gemeinschuldner gemäß § 5 Abs 1 KO aus seiner Erwerbstätigkeit zu überlassen gewesen wäre, ist offen.)

Nach den Klagsbehauptungen habe der Gemeinschuldner den Masseverwalter über seine Erwerbstätigkeit nicht unterrichtet, die Arbeiten vielmehr hinter seinem Rücken durchgeführt und keine Aufstellungen, Teilrechnungen usw. darüber vorgelegt. Der Masseverwalter begehrt vom Vertragspartner des Gemeinschuldners Rechnungslegung und Auskunftserteilung. Er stützt sein Begehren auf Art XLII EGZPO. Nach seiner Argumentation sieht er dabei den ersten Fall des Art XLII Abs 1 EGZPO im Zusammenhang mit den von ihm als Masseverwalter geltend zu machenden bürgerlich-rechtlichen Ansprüchen des Gemeinschuldners aus dem abgeschlossenen Werkvertrag als Anspruchsgrundlage an. Konkrete Tatsachen für den zweiten Fall des Art XLII Abs 1 EGZPO (vermutliche Kenntnis der Beklagten von der Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens) hat der Masseverwalter nicht vorgetragen, zur Erfüllung dieses selbständigen Tatbestandes führte er als Rechtsmittelwerber auch in seiner Revision nichts aus. Die durch den Konkurs eingetretene Aufspaltung des Vermögens des Gemeinschuldners in ein vom Masseverwalter verwaltetes konkursverfangenes und in ein in der freien Verfügung des Gemeinschuldders verbleibendes konkursfreies Vermögen ändert grundsätzlich nichts an der Rechtszuständigkeit des Gemeinschuldners und dessen Vertragsstellung gegenüber einem Dritten. Werklohnforderungen aus dem vom Gemeinschuldner mit einem Besteller während des Konkurses abgeschlossenen Werkvertrag hat - soweit nicht eine Überlassung gemäß § 5 Abs 1 KO erfolgte - der Masseverwalter zu verfolgen. Ihm steht unter dieser Voraussetzung auch die Geltendmachung eines Rechnungslegungs- oder Auskunftsanspruches gegen den Vertragspartner des Gemeinschuldners zu, freilich nur insoweit, als diesem aus seiner Vertragstellung ein solcher Anspruch zuzubilligen wäre (vgl SZ 59/143; WBl 1990, 152).

Der Umstand, daß der Gemeinschuldner dem Masseverwalter bisher die für eine Beurteilung seiner Ansprüche gegen den Vertragspartner des Gemeinschuldners erforderlichen Daten nicht freiwillig bekanntgegeben habe, ist zunächst ein konkursverfahrensrechtliches Problem, dem mit den verfahrensrechtlichen Behelfen nach den §§ 99 ff KO abzuhelfen wäre. Daß dies nicht möglich sei oder erfolglos bleiben würde, hat der Masseverwalter nicht einmal behauptet. Er vertritt vielmehr den im gegebenen Zusammenhang unrichtigen Standpunkt, es stünde in seinem Ermessen, anstatt von den (verfahrensrechtlichen) Möglichkeiten der §§ 99 ff KO Gebrauch zu machen, andere gesetzliche Möglichkeiten zu wählen und den klageweise geltend gemachten bürgerlich-rechtlichen Rechnungslegungs- und Auskunftsanspruch des Gemeinschuldners zu verfolgen.

Abgesehen davon, daß das behauptete Interesse des Masseverwalters an der begehrten Rechnungslegung und Auskunftserteilung zur Feststellung, "welche Ansprüche der Masse gegenüber der Beklagten gemäß § 5 KO zustünden", eine verfahrensrechtliche und damit keine bürgerlich-rechtliche Vorfragenlösung voraussetzt, hat der Masseverwalter auf jeden Fall zunächst alle ihm zu Gebote stehenden Mittel aufgrund der verfahrensrechtlichen Vorschriften der Konkursordnung auszuschöpfen, um vom Gemeinschuldner selbst die als erforderlich angesehenen Auskünfte zu erlangen, ehe im Sinne der vom Rechtsmittelwerber zitierten Rechtsprechung ein Rechnungslegungs- und Auskunftsanspruch gegen den Vertragspartner des Gemeinschuldners anerkannt werden könnte, weil vor einer solchen Ausschöpfung der nach der Konkursordnung gegebenen Möglichkeiten keinesfalls gesagt werden könnte, der Masseverwalter befände sich in entschuldbarer Weise über Bestand und Umfang eines Teiles des Massevermögens im unklaren. Es braucht daher nicht weiter geprüft zu werden, ob der Werkvertrag - auch wenn er nach Teilleistungen abzurechnen sein sollte und deshalb in der hier entscheidenden Frage einem Dauerschuldverhältnis ähnlich zu behandeln wäre - nach seinem Wesen auch bei unverschuldeten, in der Sphäre des Unternehmers aufgetretenen Zwischenfällen überhaupt eine taugliche Grundlage eines Rechnungslegungs- und Auskunftsanspruches gegen den Besteller abgeben könnte.

Aus diesen Erwägungen war der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E20971

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00581.9.0531.000

Dokumentnummer

JJT_19900531_OGH0002_0060OB00581_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten