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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des Vereines "R" in G, vertreten durch Kaan Cronenberg & Partner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kalchberggasse 1, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 14. Jänner 2002, GZ. A 17 - 1.402/2000-4, betreffend Behebung einer Benützungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: HS in G, vertreten durch Dr. Reinhard Hohenberg, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hartenaugasse 6), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Stadt G Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt G vom 15. Juni 1998 wurde dem beschwerdeführenden Verein die Baubewilligung für den Um- und Zubau hinsichtlich eines Kindergartens und einer Krabbelstube auf einem Grundstück in der Stadt G erteilt. Diese Baubewilligung sieht auch den Anbau einer "Brandwand 10 cm Ytong zu nördl. Nachbargrundstück" vor. Dieses Nachbargrundstück steht im Eigentum der mitbeteiligten Partei.
Den Akten ist zu entnehmen, dass in der Folge eine Verkleidung der fraglichen Außenwand in einer Art vorgenommen wurde, die von der Baubewilligung abweicht. Dazu gab es einen Schriftverkehr zwischen dem Beschwerdeführer, der Baubehörde und der Mitbeteiligten.
Mit Eingabe vom 5. September 2000 ersuchte der beschwerdeführende Verein um die Erteilung der Benützungsbewilligung. Am 30. Oktober 2000 kam es zu einem baubehördlichen Ortsaugenschein. In der Niederschrift heißt es u. a.: "Folgende nicht geringfügige Mängel wurden festgestellt: Die Brandwand wurde nicht errichtet". In einem in der Folge über eine Besprechung u.a. mit einer Vertreterin des beschwerdeführenden Vereines aufgenommenen Amtsvermerk vom 6. November 2000 ist (u.a.) festgehalten, die Rechtslage zur Errichtung der Vorsatzschale, im Plan als Brandwand bezeichnet, sei erörtert worden. Für das Objekt "gab es und gibt es" gemäß dem Stmk. BauG kein Erfordernis zur Errichtung einer Brandwand. Der keilförmige Verlauf der Grundgrenze in diesem Bereich sei vom befugten Vermesser nachgewiesen worden.
Mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt G vom 4. Dezember 2000 wurde dem beschwerdeführenden Verein gemäß § 38 Abs. 3 und 5 des Steiermärkischen Baugesetzes (Stmk. BauG) die Benützungsbewilligung für das mit dem Bescheid vom 15. Juli 1998 bewilligte "und nunmehr ausgeführte Vorhaben" erteilt. Der Spruch dieses Bescheides enthält folgende Formulierung: "Die Vorsatzschale beim Altbestandsobjekt im Bereich der nördlichen Grundgrenze wurde nicht errichtet." Begründend heißt es lediglich, der Bescheid stütze sich auf die angeführten gesetzlichen Bestimmungen und auf das Ergebnis der Überprüfung am 30. Oktober 2000. Dieser Bescheid wurde der Mitbeteiligten vorerst nicht zugestellt.
Mit dem an den Magistrat der Stadt G gerichteten Schreiben vom 7. August 2001 führte die Mitbeteiligte u.a. aus, dass sie von dem Benützungsbewilligungsbescheid Kenntnis erlangt habe. Die Benützungsbewilligung lasse erkennen, dass damit bewilligungspflichtige Projektänderungen bewilligt worden seien. Dadurch sei in ihre Rechte als Nachbarin eingegriffen, weshalb sie die Zuerkennung der Parteistellung und die Zustellung des Bescheides beantrage.
Mit "Mitteilung" vom 10. Oktober 2001 übermittelte der Stadtsenat der Stadt G der Mitbeteiligten den Bescheid vom 4. Dezember 2000 und führte aus, dass diese Mitteilung "ohne Bescheidwillen gemäß §§ 56 f AVG" erfolge. Sie stelle eine Verfahrensanordnung dar, gegen die ein gesondertes Rechtsmittel nicht zulässig sei.
Daraufhin erhob die Mitbeteiligte gegen den Bescheid vom 4. Dezember 2000 Berufung, in der sie zusammengefasst ausführte, die Benützungsbewilligung lasse erkennen, dass damit bewilligungspflichtige Projektänderungen bewilligt worden seien, gegen welche sie sich aussprach.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Berufung der mitbeteiligten Partei Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz gemäß § 66 Abs. 4 AVG behoben. Begründet wurde dies nach Wiedergabe der Berufungsschrift und des bisherigen Verwaltungsgeschehens damit, dass Gegenstand der Baubewilligung vom 15. Juni 1998 auch die Errichtung einer Brandwand an der nördlichen Grenze des Bauplatzes (zur südlichen Grundgrenze des Grundstücks der mitbeteiligten Partei) gewesen sei. In der mit Bescheid vom 4. Dezember 2000 erteilten Benützungsbewilligung sei im Spruch vermerkt, dass "die Vorsatzschale beim Altbestandsobjekt im Bereich der nördlichen Grundgrenze nicht errichtet wurde". Ein Bauansuchen sei grundsätzlich ein unteilbares Ganzes, es sei daher nur zulässig, genehmigte Bauteile nicht zu errichten, wenn deren Nichterrichtung als geringfügige Abweichungen gem. § 38 Abs. 6 Stmk. BauG angesehen werden könnten. Die Nichterrichtung der genehmigten Brandwand stelle ein vom restlichen Bauvorhaben nicht trennbares Vorhaben dar. Der Entfall der Brandwand stelle keine geringfügige Abweichung vom genehmigten Projekt dar, durch diese Änderung in der Bauausführung seien nachbarliche Interessen berührt. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Benützungsbewilligung seien daher nicht vorgelegen. Daher sei dem Berufungsbegehren stattzugeben und die Benützungsbewilligung zu beheben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift (die sich aber inhaltlich darauf beschränkt, auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid zu verweisen) und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995, anzuwenden.
§ 38 Stmk. BauG regelt die Benützungsbewilligung.
Nach dem Abs. 1 dieses Paragraphen hat der Bauherr nach Vollendung bestimmter Vorhaben (darunter zählt auch das hier gegenständliche) und vor deren Benützung um die Erteilung der Benützungsbewilligung anzusuchen. Hierüber hat gemäß Abs. 3 die Behörde mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden.
Die Abs. 6 und 7 dieses Paragraphen lauten:
"(6) Die Benützungsbewilligung ist zu erteilen,
-
wenn die bauliche Anlage der Bewilligung entspricht,
-
bei Vorliegen geringfügiger Mängel unter der Vorschreibung von Auflagen oder
-
wenn die Ausführung vom genehmigten Projekt nur geringfügig abweicht.
(7) Die Benützungsbewilligung kann bei einer der genannten Voraussetzungen auch für einen in sich abgeschlossenen Teil der baulichen Anlage erteilt werden."
Nach § 4 Z. 3 Stmk. BauG sind "geringfügige Abweichungen vom genehmigten Projekt" Änderungen in der Bauausführung, wodurch weder öffentliche noch nachbarliche Interessen berührt werden und wodurch das Projekt in seinem Wesen nicht verändert wird.
Zutreffend haben der beschwerdeführende Verein und die Mitbeteiligte erkannt, dass der Nachbar (jedenfalls) dann berechtigt ist, den Benützungsbewilligungsbescheid zu bekämpfen, wenn damit nicht nur die Benützungsbewilligung erteilt, sondern auch durch Änderung des zu Grunde liegenden Baukonsenses in die Rechtssphäre des Nachbarn eingegriffen wird (ob Fälle denkbar sind, in denen der Nachbar berechtigt ist, eine Benützungsbewilligung zu bekämpfen, die trotz Vorliegens nicht bloß geringfügiger Mängel, aber ohne Änderung des Konsenses erteilt wurde, kann im Beschwerdefall dahin gestellt bleiben).
Schon vor dem Hintergrund des Befundes in der Verhandlung vom 30. Oktober 2000, wonach das Unterbleiben der Errichtung der Brandwand seitens der Behörde als nicht bloß geringfügiger Mangel qualifiziert wurde, und den aktenkundigen Überlegungen, ob diese Wand überhaupt erforderlich sei, ist der Bescheid vom 4. Dezember 2000 nach seinem objektiven Erklärungswert auch als konsensändernd dahin zu verstehen, dass es der Errichtung dieser Brandwand nicht bedürfe.
Gemäß § 65 AVG hat die Behörde, wenn in einer Berufung neue Tatsachen oder Beweise, die ihr erheblich erscheinen, vorgebracht werden, hievon unverzüglich den etwaigen Berufungsgegnern Mitteilung zu machen und ihnen Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist vom Inhalt der Berufung Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern. Da solche "neue Tatsachen oder Beweise" in der Berufung nicht vorgetragen wurden, waren die Behörden des Verwaltungsverfahrens nicht verhalten, der Beschwerdeführerin die Berufung zur Kenntnis zu bringen.
Das Vorbringen des beschwerdeführenden Vereines in diesem Zusammenhang, die Baubewilligung vom 15. Juli 1998 habe lediglich das "straßenseitige Gebäude" betroffen, das "Kindergartenbarackengebäude" (Anm: gemeint ist offenbar das Gebäude bzw. der Gebäudeteil an welchem die Brandwand errichtet werden soll) sei nicht "Gegenstand von Um- bzw. Zubauten" gewesen, ist unrichtig, weil, wie sich schon klar aus dem genehmigten Bauplan ergibt, das szt. Vorhaben auch bauliche Maßnahmen in jenem Gebäude (bzw. Gebäudeteil) umfasste, an welchem diese Brandwand errichtet werden soll. Der Benützungsbewilligungsbescheid vom 4. Dezember 2000 kann übrigens auch nicht so ausgelegt werden, dass damit etwa nur eine Teilbenützungsbewilligung i.S. des § 38 Abs. 7 Stmk. BauG bloß für einen Teil des bewilligten Vorhabens erteilt worden wäre. Die weitere Argumentation des beschwerdeführenden Vereines, der Entfall einer baubehördlich bewilligten Brandwand an einem Gebäude bzw. Gebäudeteil, der (ansonsten) gar nicht Gegenstand der Baubewilligung gewesen sei (wobei der beschwerdeführende Verein auch von der mit der Mitbeteiligten abgeschlossenen privatrechtlichen Vereinbarung, diese Brandwand zu errichten, rechtswirksam zurückgetreten sei, zumal die Errichtung der Brandwand öffentlich-rechtlich gar nicht geboten sei), könne gar keine Änderung der Baubewilligung darstellen, ist daher schon im Ansatz verfehlt.
Dass aber der Entfall dieser Brandwand an der Grenze zum Grundstück der Mitbeteiligten geeignet ist, in ihre Nachbarrechte einzugreifen, kann angesichts des Umstandes, dass die Bestimmungen über die Brandwände an der Grundgrenze gemäß § 26 Abs. 1 Z. 4 i. V.m. § 51 Abs. 1 Stmk. BauG auch dem Interesse der Nachbarn dienen, nicht fraglich sein.
Damit kann der Beurteilung der belangten Behörde, der Bescheid vom 4. Dezember 2000 greife in Rechte der Mitbeteiligten ein und es seien die Voraussetzungen für die Erteilung der Benützungsbewilligung bei der gegebenen Verfahrenslage nicht gegeben, nicht entgegen getreten werden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Da sich die Gegenschrift der belangten Behörde ohne Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen inhaltlich darauf beschränkt, auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid zu verweisen, gebührt hiefür kein Schriftsatzaufwand. Zuerkannt wurde daher nur der Vorlageaufwand, das Mehrbegehren war abzuweisen.
Wien, am 29. November 2005
Schlagworte
Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Brandschutz (Bestimmungen feuerpolizeilichen Charakters) BauRallg5/1/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2002060031.X00Im RIS seit
12.01.2006