TE OGH 1990/6/7 13Os32/90 (13Os33/90)

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Veröffentlicht am 07.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Juni 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dr. Ungerank als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gottfried B*** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach dem § 111 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Bezirksgerichtes Mittersill vom 24. Mai 1988, GZ U 42/88-5, und des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 5.Oktober 1988, AZ 43 Bl 90/88, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Urteile des Bezirksgerichtes Mittersill vom 24.Mai 1988, GZ U 42/88-5, sowie des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 5.Oktober 1988, AZ 43 Bl 90/88, verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 111 Abs. 3 StGB, jenes des Berufungsgerichtes - durch Verwertung von Beweismaterial, das nicht zum Gegenstand der Berufungsverhandlung gemacht worden war - auch in der Bestimmung des § 473 Abs. 2 StPO.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und es wird dem Landesgericht Salzburg die neuerliche Entscheidung nach Durchführung einer Berufungsverhandlung aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Mittersill vom 24.Mai 1988, U 42/88, wurde der am 20.Feber 1917 geborene Gottfried B*** des Vergehens der üblen Nachrede nach dem § 111 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 29.März 1988 in Mühlbach (den Privatankläger) Karl N*** nach Abschluß einer auf seinem Anwesen stattgefundenen Verhandlung der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vor Dr. Franz S*** und Hermann H***, mithin in einer für Dritte wahrnehmbaren Weise, durch die Äußerung "Einem Bürgermeister, der lügt, gibt man nicht die Hand" einer verächtlichen Eigenschaft geziehen.

Der Beschuldigte hatte sich in der Hauptverhandlung zu der inkriminierten Äußerung bekannt und den Wahrheitsbeweis angeboten. Seinem (auch zum Inhalt der erstgerichtlichen Feststellungen gemachten) Vorbringen nach habe er einen Zubau zu seinem Wirtschaftsgebäude errichten wollen, um landwirtschaftliche Maschinen einstellen zu können. Der Bürgermeister (und spätere Privatankläger) Karl N*** habe aber erklärt, es bestehe ein Bauverbot. Dies sei nicht richtig. Das Erstgericht hielt den Wahrheitsbeweis für mißlungen und stellte fest, der rechtskundige Beamte der Bezirkshauptmannschaft Zell am See Dr. S*** habe dem Beschuldigten (entgegen dessen eine verbindliche Mitteilung behauptender Darstellung) gelegentlich einer Vorsprache erklärt, es könne sein, daß (infolge des geplanten geringen Bauausmaßes) eine Bewilligung des Bürgermeisters nicht erforderlich sei. Zum Bauverbot stellte das Bezirksgericht Mittersill lediglich fest, der Privatankläger habe bei dieser Verhandlung erklärt, auf der Parzelle bestehe ein Geh- und Fahrrecht, sie sei mit Bauverbot belegt. In seiner Berufung machte der Beschuldigte (sowohl als Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z 5 StPO als auch in der Schuldfrage) geltend, der angebotene Wahrheitsbeweis habe sich generell darauf erstreckt, daß die Aussage des Privatanklägers, auf dem Grundstück des Beschuldigten bestehe ein Bauverbot, wahrheitswidrig gewesen sei. Das Urteil treffe dazu keine Feststellungen. Die Entscheidung erfordere jedoch eine solche darüber, ob auf der fraglichen Parzelle ein Bauverbot bestehe oder nicht.

Das Landesgericht Salzburg als Berufungsgericht schaffte zwar zunächst die in der Berufung als Beweismittel angebotenen Akten bei, sie wurden jedoch in der mündlichen Verhandlung nicht verlesen. Diese beschränkte sich auf das Referat des Berichterstatters und die Vorträge der beiden Parteienvertreter. Mit Urteil vom 5. Oktober 1988, AZ 43 Bl 90/88, wurde die Berufung des Angeklagten als unbegründet zurückgewiesen. Dem Berufungsvorbringen, es fehle die entscheidende Feststellung, ob ein Bauverbot bestehe, wurde konkret nichts entgegengesetzt. Das Berufungsgericht erwog lediglich die dem Angeklagten von Dr. S*** erteilte Information, nicht aber die vom Angeklagten als unwahr bezeichneten Äußerung des Privatanklägers. Trotz unterbliebener Verlesung und Erörterung der Verwaltungsakten sowie der Cg-Akten des Landesgerichtes Salzburg über den anhängigen Rechtsstreit wegen der behaupteten Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes in der Berufungsverhandlung wurden diese im Urteil verwertet und die Lösung der Tatfrage als unbedenklich erachtet. Guter Glaube des Angeklagten sei mangels objektiv hinreichender Gründe auszuschließen.

Rechtliche Beurteilung

Die zitierten Urteile verletzen, wie der Generalprokurator zutreffend in der von ihm gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde aufzeigt, das Gesetz in der Bestimmung des § 111 Abs. 3 StGB, jenes des Berufungsgerichtes überdies in der Vorschrift des § 473 Abs. 2 StPO.

Gottfried B*** hat nach seiner Verantwortung den Privatankläger deshalb der Lüge geziehen, weil dieser wahrheitswidrig bei der von der Bezirkshauptmannschaft Zell am See geführten Verhandlung angegeben habe, auf der gegenständlichen Parzelle bestehe ein Bauverbot. Die von beiden Instanzen erörterte Unstimmigkeit über die vom Verhandlungsleiter dem Beschuldigten bei früherer Gelegenheit gegebene Rechtsauskunft konnte den Beschuldigten nicht zum Vorwurf der Lüge veranlaßt haben, weil der Privatankläger sich dazu nicht geäußert hatte. Für den zur Entlastung des Beschuldigten bereits genügenden Beweis des guten Glaubens war demnach primär die objektive Feststellung geboten, ob die (vom Privatankläger als Zeugen auch zugegebene) Äußerung, auf der Parzelle bestehe ein Bauverbot, richtig war oder nicht. Erst daran konnten sich Erörterungen knüpfen, ob eine (allenfalls) falsche Auskunft des Bürgermeisters schon den Vorwurf der Lüge als einer auch subjektiv unwahren Äußerung erfüllt, verneinendenfalls, ob nicht die für den Beschuldigten erkennbare Unrichtigkeit der Mitteilung einen hinreichenden Grund darstellte, den Vorwurf der Lüge immerhin für wahr zu halten.

Im erstinstanzlichen Urteil findet sich keine diesbezügliche Feststellung. Der Beschuldigte hat in seiner Berufung diesen Umstand, allerdings nicht unter Bezugnahme auf den durch diesen Feststellungsmangel verwirklichten Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO, sondern als (insofern nicht gegebenen) Begründungsmangel sowie in der Schuldberufung releviert. Ein Vergreifen in der Bezeichnung des Nichtigkeitsgrundes verschlägt zum einen nichts, zum anderen handelt es sich hier um einen materiellrechtlichen, gemäß dem § 477 Abs. 1 StPO auch von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund. In einem solchen Fall hat das Berufungsgericht analog zum Nichtigkeitsverfahren vorzugehen (Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr 4 zu § 473). Dennoch ist das Berufungsgericht weder nach dem § 470 StPO mit sofortiger Kassation des Ersturteils wegen eines die Verhandlungserneuerung unabweislich machenden Feststellungsmangels vorgegangen, noch hat es in der Berufungsverhandlung nach Wiederholung und Ergänzung des Beweisverfahrens - unter Einbeziehung der von ihm im Urteil zwar ausgewerteten, aber nicht zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Zivilgerichts- und Verwaltungsakten - die fehlende Feststellung selbst getroffen. Der entscheidungswesentliche Umstand für die Schuldfrage blieb daher zum Nachteil des Beschuldigten und Berufungswerbers ungeklärt. Dies macht die Aufhebung des unzulänglichen Berufungsurteils erforderlich, weswegen wie im Spruch zu erkennen war.

Anmerkung

E20827

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0130OS00032.9.0607.000

Dokumentnummer

JJT_19900607_OGH0002_0130OS00032_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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