Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Juni 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dr. Ungerank als Schriftführer in der Strafsache gegen Robert W*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Harald G*** und Franz P*** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten Franz P*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 4.Dezember 1989, GZ 35 Vr 2158/89-51, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, und der Verteidiger Dr. Kornfeld und Dr. Schäfer, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Der Berufung des Angeklagten Harald G*** wird teilweise Folge gegeben und die über ihn verhängte Freiheitsstrafe auf 6 (sechs) Monate herabgesetzt.
Im übrigen wird dieser Berufung sowie den Berufungen des Angeklagten Franz P*** und der Staatsanwaltschaft nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten Harald G*** und Franz P*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Beschwerdeführer Franz Josef P*** und Harald Alfred G*** sowie der Mitangeklagte Robert Ernest W***, der das Urteil unangefochten ließ, des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 SGG - W*** und G*** im Deliktsstadium des Versuches nach dem § 15 StGB, G*** als daran Beteiligter nach dem § 12, dritter Fall, StGB - und des Vergehens nach dem § 16 Abs. 1 SGG schuldig erkannt.
Nur den Schuldspruch wegen Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 SGG bekämpfen die Angeklagten P*** und G*** mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, wobei der Angeklagte P*** den Grund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO geltend macht und sich der Angeklagte G*** auf die Gründe der Z 3, 9 lit b und 11 des § 281 Abs. 1 StPO stützt. Nach den im Rahmen der Anfechtung wesentlichen Urteilsannahmen überließ der Angeklagte Franz Josef P*** am 26.August 1989 in Innsbruck den bestehenden Vorschriften zuwider dem Mitangeklagten Robert Ernest W*** 464,10 Gramm Cannabisharz (S 295), das dieser am selben Tag an Inspektor Andreas P*** verkaufte (S 297), wobei sich Harald Alfred G*** an den Verkaufsverhandlungen zwischen W*** und Inspektor P*** beteiligte, eine Probe des Suchtgiftes an P*** übergab und diesen zum Kauf animierte (S 295).
Rechtliche Beurteilung
Die Mängelrüge (Z 5) des Angeklagten Franz Josef P*** ist unbegründet.
Der Schöffensenat hielt die Verantwortung des Angeklagten P***, er habe W*** bloß eine Waage, nicht aber Suchtgift zur Verfügung gestellt, auf Grund der als glaubwürdig erachteten Angaben des Mitangeklagten W*** in Verbindung mit denkrichtigen und lebensnahen Schlußfolgerungen aus dem Ergebnis der lückenlosen Überwachung des Genannten vom Zeitpunkt des Verlassens des Cafes "Skat" bis zur Übergabe des Suchtgiftes und unter Berücksichtigung seiner durch einschlägige Vorbelastungen gekennzeichneten Persönlichkeit für widerlegt. Dem Beschwerdevorbringen zuwider ergibt sich aus den Urteilsgründen in ihrer Gesamtheit ohnedies mit hinlänglicher Deutlichkeit, daß die Angeklagten W*** und G*** Inspektor P*** bereits am 22.August 1989 1 Kilogramm Haschisch offerierten, ohne über Suchtgift in dieser Größenordnung zu verfügen, und daß W*** den Beschwerdeführer P*** am 26. August 1989 erst gegen 15,00 Uhr im Gasthaus "L***" traf, ohne bis zu diesem Zeitpunkt zu wissen, ob ihm P*** tatsächlich Suchtgift zum Verkauf überlassen werde.
Keiner Erörterung im Urteil bedurfte die Aussage des Zeugen S***, wonach er am 21.August 1989 vertraulich erfahren habe, W*** besitze "größere Mengen" Haschisch, die er verkaufen wolle (AS 250), weil diese Angaben, die bloß die Mitteilung einer später im Verfahren nicht vernommenen Person wiedergeben, den Urteilsannahmen nicht entgegenstehen.
Die behauptete Unvollständigkeit der Urteilsbegründung liegt sohin nicht vor.
Der Einwand des Beschwerdeführers, "das Versäumnis der Polizei", seine Tasche auf Suchtgiftspuren zu untersuchen, könne nicht zu seinen Lasten ausgelegt werden, reklamiert eine Unvollständigkeit der Erhebungen, die aber nicht unter dem § 281 Abs. 1 Z 5 StPO gerügt werden kann (Mayerhofer/Rieder, StPO2, ENr 82 ff bei § 281 Z 5).
Im übrigen erschöpfen sich die Beschwerdeausführungen des Angeklagten Franz Josef P*** lediglich in einer unter dem Gesichtspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes unzulässigen und daher unbeachtlichen Bekämpfung der freien Beweiswürdigung des Erstgerichtes, das ohnedies alle wesentlichen Verfahrensergebnisse berücksichtigt und diese gemäß dem § 258 Abs. 2 StPO auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft nicht nur einzeln, sondern vor allem auch in ihrem inneren Zusammenhang geprüft hat.
Als unbegründet erweist sich aber auch die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Harald Alfred G***. Eine Verletzung des § 151 Z 2 StPO und sohin eine formelle Nichtigkeit des Urteils nach dem § 281 Abs. 1 Z 3 StPO erblickt dieser Beschwerdeführer in dem Umstand, daß die Polizeibeamten Alfons S*** und Andreas P*** in der Hauptverhandlung "ohne aktenkundige Entbindung vom Amtsgeheimnis" durch ihre Vorgesetzten vernommen und ihre Aussagen im Urteil verwertet worden sind. Unzulässig sei jedenfalls auch die Berufung des Zeugen Alfons S*** in der Hauptverhandlung auf die mangelnde Entbindung von der Amtsverschwiegenheit in Ansehung der Preisgabe des Namens des sogenannten Verbindungsmannes (AS 253) gewesen.
Was zunächst die Aussage des Polizeibeamten Andreas P*** anlangt, übersieht der Beschwerdeführer, daß diese Aussage nur dessen dienstliche Wahrnehmungen als Vertrauensmann der Bundespolizeidirektion Insbruck im Zuge seiner Tätigkeit als verdeckter Ankäufer von Suchtgift betraf, die bereits Gegenstand der Anzeige waren. Das Erfordernis der Entbindung von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit (§ 151 Z 2 StPO) gilt aber - wie der Beschwerdeführer an anderer Stelle selbst einräumt - nicht für die zeugenschaftliche Einvernahme von Angehörigen der Sicherheitsexekutive über deren - dem Gericht zudem gemäß dem § 84 StPO bereits angezeigte - Wahrnehmungen im Dienste der Strafrechtspflege (Mayerhofer/Rieder, StPO2, ENr 16 bei § 151). Soweit der Beschwerdeführer unter diesem Nichtigkeitsgrund weiters vorbringt, der Zeuge S*** habe sich bei der Weigerung, die Identität jenes Vertrauensmannes mit dem Vornamen "Achim oder Armin" (AS 252; vgl auch den Inhalt des Amtsvermerks ON 43) bekanntzugeben, von dem er den ersten Hinweis auf die bevorstehenden Straftaten nach dem Suchtgiftgesetz erhalten haben will (AS 250), nicht auf seine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit berufen können, ist ihm folgendes zu entgegnen:
Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, daß eine auf Phasen ein und desselben Vorganges beschränkte Entbindung eines Staatsbeamten von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit - daß etwa (wie hier) ein Zeuge eine Aussagegenehmigung hinsichtlich seines Gesprächs mit einem Vertrauensmann erhält, nicht aber zur Nennung dessen Namens - unzulässig ist, und regelmäßig nicht als prozessual wirksame Entbindung vom Amtsgeheimnis im Sinne des § 151 Z 2 StPO gelten kann (SSt 41/7). Aus den Feststellungen des Erstgerichtes ergibt sich aber, daß Robert W*** schon vor Einschreiten des "V-Mannes" der Bundespolizeidirektion Innsbruck eine große Menge Haschisch verkaufen wollte (vgl S 293) und daß auch die Initiative beim Verkaufsgespräch vom Beschwerdeführer und dem Genannten ausging (S 295). Damit sind aber die Ausführungen des Erstgerichts, daß der V-Mann der Polizei den Angeklagten W*** dazu verleitet hat, sich auf dieses Geschäft einzulassen (S 297), nicht als Bestimmung iS des § 12 StGB, sondern nur so zu verstehen, daß sich dieser Vertrauensmann als Kaufinteressent gerierte, somit nicht den Tatentschluß weckte, sondern dem tatentschlossenen Angeklagten W*** und dem Beschwerdeführer vortäuschte, daß er geeignetes Objekt für den Kaufabschluß sei. Damit bestehen aber auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, daß dieser Vertrauensmann im Verdacht steht, eine von Amts wegen zu verfolgende, mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, sodaß aus diesem Grunde die in der - in der Nichtigkeitsbeschwerde ausdrücklich zitierten (vgl S 359) - Entscheidung JBl 1986 S 532 ff angeführten Voraussetzungen nicht vorliegen. Die behauptete Formverletzung konnte somit unzweifelhaft auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben (§ 281 Abs. 3 StPO). In seiner Rechtsrüge (inhaltlich § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO) nimmt der Beschwerdeführer Straflosigkeit nach dem § 15 Abs. 3 StGB wegen Vorliegens eines absolut untauglichen Versuchs für sich in Anspruch. Dabei setzt er sich über die herrschende Rechtsprechung hinweg: Dieser zufolge ist nämlich das Mitführen einer Suchtgiftmenge zwecks Weitergabe an einen Interessenten in abstracto zur Herbeiführung des verpönten Erfolges (Inverkehrsetzen des Suchtgiftes, das bloß eine Tätigkeit erfordert, mit der die Verfügungsgewalt über das Suchtgift durch einen tatsächlichen Vorgang oder durch einen Rechtsakt einem anderen übertragen wird; SSt 40/60) auch dann geeignet, wenn der Käufer als Vertrauensperson der Sicherheitsbehörden handelt (RZ 1989/6 uva). Von dieser Rechtsansicht abzugehen, besteht kein Anlaß.
Der vom Angeklagten Harald Alfred G*** schließlich geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 11 StPO wird nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht. Denn mit dem Einwand, daß es das Erstgericht - ohne Angabe von Gründen - unterlassen habe, auch bei ihm den Umstand einer möglichen Verleitung zur Tat durch einen Vertrauensmann der Polizei als mildernd zu werten, zeigt der Beschwerdeführer keinen rechtlichen Fehler des Schöffensenats bei der Strafbemessung auf (EvBl 1988/115). Dieses Vorbringen wird daher im Rahmen der Entscheidung über die Berufung zu berücksichtigen sein. Die zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verhängte über die Angeklagten nach dem § 12 Abs. 1 SGG unter Anwendung des § 28 StGB Freiheitsstrafen in der Dauer von acht Monaten (Franz P***) bzw sieben Monaten (Harald G***). Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend bei beiden Angeklagten die einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, als mildernd hingegen jeweils das Geständnis zum Vergehen nach dem § 16 Abs. 1 SGG, bei G*** überdies den Umstand, daß die Verbrechenstat beim Versuch blieb. Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten jeweils eine Herabsetzung der Freiheitsstrafen, Harald G*** auch die Gewährung bedingter Strafnachsicht, Franz P*** - in einem im Gerichtstag gestellten Antrag - die bedingte Nachsicht eines Teils der Strafe an. Die Staatsanwaltschaft beantragt die Erhöhung der über den letztgenannten Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe. Lediglich der Berufung des Angeklagten G*** kommt teilweise Berechtigung zu.
Wenngleich das Erstgericht die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig festgestellt hat, so erweist sich doch die über diesen Angeklagten in erster Instanz verhängte Strafe bei Bedachtnahme auf die allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung (§ 32 StGB) und bei vergleichender Abwägung der personalen Tatschuld der an der Straftat Beteiligten in Relation zu den beiden anderen Angeklagten als etwas überhöht. Es war deshalb auf das aus dem Spruch ersichtliche tatschuldadäquate Ausmaß herabzusetzen. Hingegen konnte dem weiteren Begehren dieses Angeklagten auf Gewährung bedingter Strafnachsicht nicht nähergetreten werden, weil im Hinblick auf sein Vorleben nicht anzunehmen ist, die bloße Androhung der Strafvollziehung (allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen) werde genügen, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.
Auf der Basis der vom Erstgericht festgestellten Strafzumessungsgründen wird die über den Angeklagten P*** verhängte Freiheitsstrafe seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld gerecht. Entscheidende Argumente für ein anderes Strafmaß vermögen weder die Staatsanwaltschaft noch der Angeklagte aufzuzeigen, sodaß beiden Berufungen ein Erfolg zu versagen war. Bei den Vorstrafen des Angeklagten P*** und der Tatsache, daß ihm wiederholt bedingte Strafnachsicht gewährt wurde, die vorangegangenen Abstrafungen jedoch ohne Wirkung geblieben sind, war sein auf bedingte Nachsicht eines Teiles der Strafe (§ 43 a StGB) gerichtetes Begehren aus spezialpräventiven Erwägungen nicht berechtigt.
Anmerkung
E20822European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0130OS00028.9.0607.000Dokumentnummer
JJT_19900607_OGH0002_0130OS00028_9000000_000