TE Vfgh Beschluss 2001/11/26 V93/00

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Veröffentlicht am 26.11.2001
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art129a Abs1
VerwaltungsformularV, BGBl II 508/1999 §1

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrages auf teilweise Aufhebung der Verwaltungsformularverordnung als unzulässig wegen fehlender Legitimation; keine Präjudizialität eines Teils der formelhaften Rechtsmittelbelehrung im Formular für Ladungsbescheide

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Gemäß §1 Abs1 der Verordnung der Bundesregierung über die bei der Handhabung der Verwaltungsverfahrensgesetze zu verwendenden Formulare (VerwaltungsformularVO), BGBl. II 1999/508, werden für die Handhabung der Verwaltungsverfahrensgesetze im Verfahren erster Instanz die angeschlossenen, einen Bestandteil dieser Verordnung bildenden Formulare festgesetzt. Nach Abs2 leg. cit. ist eines dieser Formulare das Formular 26 zu §19 AVG und §§40, 41, 43 und 59 VStG (Bescheid über die Ladung des Beschuldigten zur mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren). Es enthält in der Rechtsmittelbelehrung ua. den Satz:

"Die Berufung hat aufschiebende Wirkung (im Original), das heißt, der Bescheid kann bis zur abschließenden Entscheidung nicht vollstreckt werden."

1.2.1.1. Beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist ein Verfahren über die Berufung des E K gegen den Ladungsbescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 7.3.2000, Z S 8210/00 V1S, anhängig, worin ihm zur Last gelegt wird, er habe Verwaltungsübertretungen nach §4 Abs1 lita und §4 Abs5 StVO begangen.

1.2.1.2. Mit einem an den Verfassungsgerichtshof gerichteten und zur Zahl V93/00 protokollierten Antrag begehrt der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gemäß Art129a Abs3 iVm Art89 Abs2 und Art139 Abs1 B-VG,

"in der Rechtsmittelbelehrung des Formulares 26 der Verwaltungsformularverordnung, BGBl. II Nr. 508/1999, Seite 3412, den Satz 'Die Berufung hat aufschiebende Wirkung, das heißt, der Bescheid kann bis zur abschließenden Entscheidung nicht vollstreckt werden.'"

als gesetzwidrig aufzuheben.

Im Antrag wird zu Fragen der Präjudizialität wörtlich ausgeführt:

"Der unabhängige Verwaltungssenat hat im bezeichneten Berufungsverfahren in Wahrnehmung seiner Kompetenz gemäß Artikel 129a Abs1 Z1 B-VG das AVG und das VStG anzuwenden. Im Sinne der Rechtsmittelbelehrung ist das Formular 26 der VerwaltungsformularVO präjudiziell.

Da dem angefochtenen Ladungsbescheid die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist, war die Durchführung der mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren bei der Behörde erster Instanz nicht möglich.

Gemäß §19 Abs4 AVG ist gegen die Ladung oder die Vorführung kein Rechtsmittel zulässig.

Gemäß §1 Abs1 der VerwaltungsformularVO werden für die Handhabung der Verwaltungsverfahrensgesetze (Artikel I des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, BGBl. Nr. 50) im Verfahren erster Instanz die angeschlossenen, einen Bestandteil dieser Verordnung bildenden Formulare festgesetzt.

Unter Abs2 wird das Formular Nr. 26 zu §19 AVG und §§40, 41, 43 und 59 VStG (Bescheid über die Ladung des Beschuldigten zur mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren) angeführt.

Die VerwaltungsformularVO wurde im Bundesgesetzblatt Teil II Nr. 508/1999 am 30.12.1999 kundgemacht. Die VerwaltungsformularVO ist nach §4 Abs1 BGBlG am 31.12.1999 in Kraft getreten."

1.2.2. Die zur Äußerung eingeladene Bundesregierung erstattete eine Stellungnahme, in der sie zu Fragen der Zulässigkeit des Antrages des unabhängigen Verwaltungssenates wörtlich ausführt:

Der antragstellende unabhängige Verwaltungssenat erblickt eine dem Formular 26 der VerwaltungsformularVO anhaftende Gesetzwidrigkeit im Wesentlichen darin, dass das nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes offenstehende Rechtsmittel nicht als 'ein Rechtsmittel außerhalb des AVG', sondern als das dem AVG bekannte Rechtsmittel der Berufung gedeutet worden ist. Der angefochtene Satz des Formulars 26 ist aber nur die Konsequenz dieser Spezifikation des nach der Judikatur des Verfassunggerichtshofes offenstehenden Rechtsmittels dahingehend, dass es sich um das Rechtsmittel der Berufung handelt. Dem Rechtsmittel der Berufung kommt aber schon von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zu, die im Verwaltungsstrafverfahren nicht ausgeschlossen werden kann (§24 VStG iVm §64 Abs1 AVG). Mit der begehrten Aufhebung des angefochtenen Satzes durch den Verfassungsgerichtshof würde die angenommene Gesetzwidrigkeit daher gar nicht beseitigt. Im Hinblick darauf, dass ein Normenprüfungsverfahren dazu führen soll, eine festgestellte Gesetzwidrigkeit zu beseitigen, erscheint der Antrag als unzulässig

...

Der anfechtungsgegenständliche Hinweis, die Berufung habe aufschiebende Wirkung, ist in die Rechtsmittelbelehrung integriert. Er ist daher nicht etwa Bestandteil des Spruches des von Formular 26 vorgezeichneten Ladungsbescheides. Es ist ohne Weiteres erkennbar, dass dieser Hinweis nicht eine ansonsten nicht bestehende aufschiebende Wirkung erst schaffen, sondern lediglich eine Belehrung erteilen will. Wenn nun der antragstellende unabhängige Verwaltungssenat diesen Hinweis für präjudiziell hält, so übersieht er entweder dessen bloß deklarativen Charakter oder er hält es für einen Teil seiner Aufgaben, die Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Bescheides im Fall ihrer Unrichtigkeit im Berufungsbescheid abzuändern. Dies kann freilich nicht Aufgabe des Berufungsverfahrens sein. Der unahängige Verwaltungssenat hätte vielmehr darüber zu entscheiden, ob die Ladung des Berufungswerbers zu Recht erfolgt ist. Die Annahme des antragstellenden unabhängigen Verwaltungssenates, der angefochtene Satz bilde eine Voraussetzung für die im Anlaßfall zu treffende Entscheidung, ist daher offenkundig unrichtig und erscheint somit auch aus diesem Grund als unzulässig

..."

1.2.3. Die übrigen verfahrensbeteiligten Parteien gaben keine Äußerungen ab.

2.1.1. Gemäß Art139 Abs1 B-VG iVm Art129a Abs3 und Art89 Abs2 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag eines unabhänggen Verwaltungssenates, wenn diese Behörde gegen die Anwendung solcher Normen aus dem Grunde der Gesetzwidrigkeit Bedenken hegt. Der Verfassungsgerichtshof hat hiebei die ihm unterbreitete Auffassung zur Präjudizialitätsfrage nach ständiger Rechtsprechung auf ihre Denkmöglichkeit hin zu untersuchen (vgl. zB VfSlg. 13.424/1993, 15.436/1999). Wenn dabei die Unrichtigkeit des Standpunktes des unabhängigen Verwaltungssenates offen zu Tage tritt, ist der Antrag unzulässig (VfGH 29.6.2001 V98/99).

2.1.2. Eben dies trifft auf den vorliegenden Antrag zu.

Es ist völlig ausgeschlossen, dass der vom unabhängigen Verwaltungssenat bekämpfte Satz aus der Rechtsmittelbelehrung des Ladungsbescheides (§1 Abs2 VerwaltungsformularVO; Formular 26) über die Nichtvollstreckbarkeit dieses Bescheides (bis zur abschließenden Entscheidung) eine Voraussetzung für die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates in der bei ihm anhängigen (Berufungs-)Rechtssache bildet.

2.2. Der Antrag des unabhängigen Verwaltungssenates war schon im Hinblick darauf mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen; dem Verfassungsgerichtshof somit ein Eingehen auf die Sache selbst verwehrt.

2.3. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

Bescheid, Rechtsmittelbelehrung, VfGH / Legitimation, VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:V93.2000

Dokumentnummer

JFT_09988874_00V00093_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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