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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Hinterwirth und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des R in Z, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 18. April 2002, Zl. 15 1311/84-II/15/02, betreffend Ruhegenussbemessung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahr 1948 geborene Beschwerdeführer steht als Oberoffizial in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle war das Landesgendarmeriekommando für Tirol, wo er als Tischler in der Haushalts- und Wirtschaftsabteilung verwendet wurde.
Im Rahmen des Ruhestandsversetzungsverfahrens wurde zunächst ein ärztliches Gutachten des Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. W. eingeholt. Dr. W. gelangte in seinem Gutachten vom 29. Dezember 1997 zu folgendem Ergebnis:
"1. Dem Beschwerdeführer sind nur mehr leichte und mittelschwere Arbeiten zumutbar.
2. Die Arbeiten sollten vorwiegend in sitzender Form getätigt werden, wobei Gehen und Stehen im Ausmaß von 1/2 bis zu 1/3 der Arbeitszeit möglich sein müsste.
3. Die Arbeiten sollten vorwiegend in geschlossenen Räumen erfolgen.
4. Die Arbeiten können tagfüllend mit den gesetzlichen Unterbrechungen erfolgen.
5. Heben und Tragen von schweren und mittelschweren Lasten sollte unterbleiben. Häufiges Bücken sollte unterbleiben. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten ist nicht zumutbar. Treppensteigen ist fallweise möglich.
Subsumierend scheint mir unter Anbetracht der Tatsache, dass ein Grad der Behinderung im Ausmaß von 70 % von 100 unter Anwendung des Behinderteneinstellungsgesetzes vorliegt, durch die Situation des rechten Fußes eine weitere Einschränkung der Verwendungsmöglichkeit des Beschwerdeführers hinzukommt. Die Ausübung der Tätigkeit, beschrieben in der Sachverhaltsdarstellung, mit längerem Stehen, Heben von schweren Lasten, mit Arbeiten an diversen Maschinen und auch das Ersteigen von Leitern erscheint mir in weiterer Folge in gefordertem Ausmaß nicht mehr möglich."
In der Folge wurde ein weiteres medizinisches Gutachten eingeholt. Die Gemeindeärztin Dr. Wa. gelangte in ihrem Gutachten vom 12. März 1998 zu folgendem Ergebnis:
"In Zusammenschau der vorliegenden Befunde sind dem Beschwerdeführer nur mehr leichte Arbeiten zumutbar. Diese Arbeiten sollten vorwiegend in sitzender Form getätigt werden, wobei Gehen und Stehen dem Patienten fast nicht mehr zumutbar sind. Außerdem sollten die Arbeiten in vorwiegend geschlossenen Räumen erfolgen. Heben und Tragen von schweren Lasten sollte unterbleiben. Häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sind nicht zumutbar. Auch das Treppensteigen bereitet dem Patienten ein Problem. Da der Patient als Tischler tätig ist, sind die oben genannten Tätigkeiten in seinem Beruf fast nicht vermeidbar, die jedoch dem Gesundheitszustand des Patienten durchaus nicht förderlich sind. Aus diesem Grund halte ich eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand für unumgänglich."
Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Mai 1998 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 mit Ablauf des 30. Juni 1998 in den Ruhestand versetzt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Im Rahmen des Ruhegenussbemessungsverfahrens gelangte der leitende Arzt des Bundespensionsamtes Dr. Z. in seinem ärztlichen Sachverständigengutachten "zur Leistungsfeststellung" vom 31. August 1998 zu folgender Beurteilung:
"Leistungskalkül:
Restarbeitsfähigkeit: (X) Ja () Nein
Begründung:
Es liegen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und großer Gelenke vor. Der Kalkgehalt ist vermindert. Im Bereich des rechten Fußes findet sich eine chronisch verlaufende Erkrankung des Bindegewebes und des Knochens mit Durchblutungsstörungen und Stoffwechselstörungen aller Gewebsschichten der Weichteile und der Knochen mit folgender Schwellung und Bewegungsminderung, eine Schiene zur Entlastung muss getragen werden.
Arbeiten mit mittelschwerer und schwerer körperlicher Belastung, mit Heben und Tragen von Lasten sind nicht mehr möglich. Häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sind nicht zumutbar, ebenso im Freien unter Nässe und Kälte.
Eine Tätigkeit in vorwiegend sitzender Körperhaltung, mit leichter körperlicher Belastung ohne länger stehen und gehen zu müssen, in wohltemperierten Räumen die ebenerdig oder mit dem Lift erreichbar sind, mit der Gelegenheit, Entspannungspausen jede Stunde von mindestens 5 Minuten einzulegen, wäre möglich."
In der Folge wurde ein berufskundliches Gutachten eingeholt. Der Sachverständige für Berufskunde Dr. Wei. führte in seinem Gutachten vom 30. April 1999 zur Frage der dauernden Erwerbsunfähigkeit aus, es gebe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt körperlich leichte und überwiegend sitzende Tätigkeiten, die der Beschwerdeführer noch verrichten könnte, wie
z. B. Parkgaragenkassier, Telefonist, industrielle Tischarbeiten (Montage, Verpackung etc.). Somit bestehe keine dauernde Erwerbsunfähigkeit.
In einer Stellungnahme vom 27. August 1999 brachte der Beschwerdeführer hiezu vor, eine Erwerbstätigkeit sei im Hinblick auf das im Gutachten festgestellte Leistungskalkül eigentlich nur in einer geschützten Werkstätte möglich, nicht aber unter Bedingungen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt herrschten. Bei längerem Sitzen bekomme er starke Schmerzen, sodass jedenfalls eine vorwiegend sitzende Tätigkeit nicht möglich und zumutbar sei.
Dr. Z. führte daraufhin in seinem Gutachten vom 30. Oktober 1999 ergänzend aus, insgesamt seien die vorgebrachten Einwendungen nicht geeignet, eine Änderung der Beurteilung einer Restarbeitsfähigkeit herbeizuführen.
Mit Bescheid vom 20. September 2000 stellte das Bundespensionsamt fest, dem Beschwerdeführer gebühre gemäß §§ 3 bis 7 und 62b des Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965) vom 1. Juli 1998 an ein Ruhegenuss von monatlich brutto S 12.143,90. Aus der Begründung dieses Bescheides ergibt sich, dass der Ruhegenuss des Beschwerdeführers unter Anwendung der Kürzungsregelung nach § 4 Abs. 3 PG 1965 ermittelt wurde.
In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, im Gutachten Dris. W. werde ausgeführt, dass "Gehen und Stehen im Ausmaß von der Hälfte bis zu einem Drittel der Arbeitszeit möglich sein müsste". Wenn aber Gehen und Stehen im Ausmaß von zumindest einem Drittel der Arbeitszeit erforderlich sei, so sei letztlich eine vorwiegend sitzende Tätigkeit nicht mehr vorstellbar. Aus diesem Grund sei aber auch das Kalkül Dris. Z. im Gutachten vom 31. August 1998 nicht nachvollziehbar, wonach bei sitzenden Tätigkeiten Entspannungspausen von mindestens fünf Minuten pro Stunde einzulegen wären. Hieraus ergebe sich nämlich allenfalls eine entsprechende Entlastung im Ausmaß von einem Zwölftel der Arbeitszeit, wodurch aber das Kalkül Dris. W. um 75 % unterschritten werde. Zusammenfassend ergebe sich aber, dass auch die von Dr. Wei. angeführten Verweisungsberufe nur unter größtem Entgegenkommen durch den Dienstgeber von ihm ausgeübt werden könnten. Im Rahmen einer industriellen Tischarbeit sei es wohl nicht möglich, zumindest ein Drittel der Arbeitszeit gehend oder stehend zu verrichten. Selbst die von Dr. Z. (entgegen dem Gutachten Dris. W.) als notwendig erachtete Ruhepause von fünf Minuten pro Stunde überschreite die üblichen arbeitszeitrechtlichen Ruhepausen bei weitem. Das bedeute aber, dass eine entsprechende kalkülgerechte Tätigkeit ohne entsprechendes Entgegenkommen durch den Dienstgeber nicht ausgeübt werden könne. Laut dem Leistungskalkül Dris. Z. sei eine Tätigkeit nur in wohl temperierten Räumen möglich. Ob auch die Tätigkeit eines Parkgaragenkassiers in wohl temperierten Räumen ausgeübt werden könne, sei aber jedenfalls zu bezweifeln. Auch hier sei aber eine entsprechende Entspannungshaltung bzw. eine wechselnde Körperhaltung im Gehen in keiner Weise zu gewährleisten.
Der Bundesminister für Finanzen ersuchte daraufhin das Bundespensionsamt, die Berufung dem leitenden Arzt Dr. Z. zur Stellungnahme vorzulegen. Es wäre - allenfalls durch eine Anfrage bei Dr. W. - zu klären, wie von einer gesundheitlich noch zumutbaren vorwiegend sitzenden Tätigkeit gesprochen werden könne, wenn dabei Gehen und Stehen im Ausmaß bis zur Hälfte der Arbeitszeit möglich sein müsse. Dr. Z. möge darlegen, wie er auf der Grundlage des angesprochenen Gutachtens Dris. W. vom 29. Dezember 1997 und des Gutachtens Dris. Wa. vom 12. März 1998 zu dem Schluss gekommen sei, dass eine Tätigkeit in vorwiegend sitzender Körperhaltung nur dann möglich sei, wenn dem Beschwerdeführer die Gelegenheit geboten werde, jede Stunde eine Entspannungspause von mindestens fünf Minuten einzulegen. Bei Dr. Wei. wäre in Erfahrung zu bringen, ob bei den von ihm in seinem Gutachten angeführten Tätigkeiten die geforderten Entspannungspausen tatsächlich möglich seien.
Dr. Z. führte daraufhin in seinem Gutachten vom 19. Dezember 2001 ergänzend aus:
"Der Gefertigte ist zu dem Schluss gekommen, dass eine Tätigkeit in vorwiegend sitzender Körperhaltung nur dann möglich ist, wenn dem Berufungswerber die Gelegenheit geboten wird, jede Stunde eine Entspannungspause von mindestens fünf Minuten einzulegen, weil bei Berücksichtigung der Veränderungen des Bewegungs- und Stützapparates und damit verbundener Beschwerden eine Arbeitsunterbrechung auf einer überwiegend sitzenden Tätigkeit und eine Lageänderung zur Vermeidung von Verspannungen am Weichteilanteil des Bewegungs- und Stützapparates angezeigt ist.
Wie von einer gesundheitlich noch zumutbaren vorwiegend sitzenden Tätigkeit gesprochen werden kann, wenn dabei Gehen und Stehen im Ausmaß bis zur Hälfte der Arbeitszeit möglich sein muss, kann vom Gefertigten nicht nachvollzogen werden.
Im gültigen Leistungskalkül wurde eine Tätigkeit in vorwiegend sitzender Körperhaltung, mit leichter körperlicher Belastung ohne länger stehen und gehen zu müssen, zugemutet; dass dabei Gehen und Stehen im Ausmaß bis zur Hälfte der Arbeitszeit möglich sein muss, wurde nicht zugemutet.
Von einer gesundheitlich noch zumutbaren vorwiegend sitzenden Tätigkeit, wenn dabei Gehen und Stehen im Ausmaß bis zur Hälfte der Arbeitszeit möglich sein muss, kann vom Gefertigten bei der Formulierung eines Leistungskalküls nicht gesprochen werden, da derartige Tätigkeiten nicht existieren.
Überwiegend sitzende Tätigkeit bedeutet rein logisch mehr als 50 %igen Anteil Arbeit im Sitzen. Daneben ist Stehen und Gehen also nur maximal bis 49 % möglich.
Wenn man von überwiegend/vorwiegend sitzender Tätigkeit spricht, ist ein Anteil von zumindestens 60 % Arbeit im Sitzen gemeint.
Dass es allenfalls durch eine Anfrage bei Dr. W. zu klären wäre, wie von einer gesundheitlich noch zumutbaren vorwiegend sitzenden Tätigkeit gesprochen werden kann, wenn dabei Gehen und Stehen im Ausmaß bis zur Hälfte der Arbeitszeit möglich sein muss, kann im Lichte obiger Ausführungen jedenfalls vom gefertigten medizinischen Sachverständigen nicht als sinnvoll erachtet werden.
Eine Änderung des Leistungskalküls ergibt sich nicht."
Der Sachverständige für Berufskunde Dr. Wei. führte in seinem Ergänzungsgutachten vom 23. Jänner 2002 Folgendes aus:
"Ergänzende Stellungnahme:
Die im Erstgutachten vom 30.4.1999 auf Seite 3 angeführten Tätigkeiten werden überwiegend im Sitzen ausgeübt. Auf vielen dieser Arbeitsplätze besteht aber die Möglichkeit zwischendurch nach freier Wahl im Stehen zu arbeiten, ohne die Arbeit zu unterbrechen. So kann beispielsweise ein Kassier in einer Parkgarage, Sportstätte etc. ohne Weiteres stündlich fünf Minuten im Stehen arbeiten. Den medizinisch geforderten Entspannungspausen könnte damit aus berufskundlicher Sicht voll entsprochen werden.
Sollte es sich dabei aber um fünfminütige absolute Arbeitspausen handeln, wäre der Obgenannte am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr einsetzbar, da er keine kontinuierliche Arbeitsleistung mehr erbringen könnte."
Dr. Z. führte daraufhin in seiner Stellungnahme vom 8. März 2002 ua. Folgendes aus:
"Im gegenständlichen Fall ist es aus medizinischer Sicht nicht unbedingt erforderlich, dass eine absolute Pause erfolgt, wichtig ist, dass sich die Rückenmuskulatur entspannen kann und dass es zu keinen dauernden Zwangshaltungen kommt. Dies kann auch erzielt werden, wenn dabei Tätigkeiten z.B. im Stehen und Gehen verrichtet werden. Es gibt in Broschüren Anleitungen zum 'dynamischen Sitzen', der Arbeitsmediziner/Betriebsarzt kann Tipps geben, wie der Arbeitsplatz eventuell verändert werden kann, damit es nicht zu dauernden vermeidbaren Zwangshaltungen kommt.
Entspannungsübungen kann man sogar während der Arbeit machen. Man kann z.B. während man mit einem Mitarbeiter spricht, den Nacken dehnen, man kann aufstehen, die Arme am Tisch abstützen, dabei die Oberschenkel dehnen, gleichzeitig aber auch etwas aus einem Schriftstück lesen, welches am Tisch liegt, man kann bei einem Kasten stehen, aus dem man etwas nehmen will, dabei die Arme dehnen, usw.
Im Sinne obiger Ausführungen scheint es aus medizinischer Sicht nicht erforderlich, dass die medizinisch zumutbare Arbeit absolut unterbrochen wird, es soll nur die Zwangshaltung unterbrochen werden."
Mit Bescheid vom 18. April 2002 gab der Bundesminister für Finanzen der Berufung nicht statt und bestätigte den angefochtenen Bescheid nach § 66 Abs. 4 AVG. In der Begründung wurde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen ausgeführt, dem Vorbringen in der Berufung, dass laut Gutachten Dris. W. eine vorwiegend sitzende Tätigkeit nicht (mehr) vorstellbar sei, sei entgegenzuhalten, dass Dr. W. in seinem Gutachten auch feststelle, dass dem Beschwerdeführer nur mehr leichte und mittelschwere Arbeiten zumutbar seien und die Arbeiten vorwiegend in sitzender Form getätigt werden sollten, wobei die Arbeiten tagfüllend mit den gesetzlichen Unterbrechungen erfolgen könnten. Im übrigen Gutachten seien keine Feststellungen enthalten, aus denen sich die gesundheitlich bedingte Notwendigkeit ableiten ließe, die sitzende Tätigkeit durch Gehen oder Stehen im vom Beschwerdeführer geltend gemachten Ausmaß zu unterbrechen. Es werde vielmehr im Zusammenhang mit dem Zustand seines rechten Fußes festgehalten, dass er sicher auf Dauer nicht lange Zeit stehen könne. In dem im Zuge des Ruhestandsversetzungsverfahrens eingeholten ärztlichen Gutachten von Frau Dr. Wa. werde ausdrücklich festgehalten, dass dem Beschwerdeführer Gehen und Stehen fast nicht mehr zumutbar sei. Der vom Beschwerdeführer zitierten Feststellung könne daher keine relevante Aussagekraft zugebilligt werden. Nach Wiedergabe der im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten wurde weiters ausgeführt, dem Einwand in der Berufung, dass laut Gutachten Dris. Z. dem Beschwerdeführer Tätigkeiten nur mehr in wohltemperierten Räumen möglich sei, dies aber bei einem Parkgaragenkassier zu bezweifeln sei, sei zu erwidern, dass die Tätigkeit eines Parkgaragenkassiers nur eine der Tätigkeiten sei, die dem Beschwerdeführer laut Gutachten Dris. Wei. aufgrund der festgestellten Gesundheitsdefizite aus berufskundlicher Sicht noch zugänglich seien. Die übrigen von Dr. Wei. angeführten Tätigkeiten (Telefonist, industrielle Tischarbeiten) würden aber zweifellos in wohltemperierten Räumen erledigt. Aber auch die Tätigkeit eines Parkgaragenkassiers erfolge heutzutage im Allgemeinen in abgeschlossenen, von der eigentlichen Parkgarage abgetrennten Räumen, von denen mit Recht angenommen werden könne, dass sie die erforderliche Raumtemperatur aufweisen. Aufgrund des Ermittlungsverfahrens ergebe sich, dass beim Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung eine verwertbare Restarbeitsfähigkeit vorhanden gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei daher nicht als dauernd erwerbsunfähig im Sinne des § 4 Abs. 7 PG 1965 anzusehen. Es lägen daher nicht die Voraussetzungen vor, unter denen nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 die Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage nach § 4 Abs. 3 PG 1965 nicht stattfinde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1.1. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (22. April 2002) lautete § 62j Abs. 2 PG 1965 in der Fassung des Pensionsreformgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 86 (auszugsweise):
"§ 62j. ...
(2) Auf Personen, die vor dem 1. Oktober 2000 Anspruch auf eine monatlich wiederkehrende Leistung nach diesem Bundesgesetz haben, sind die §§ 4, ... in der am 30. September 2000 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. ..."
1.2. Da der Beschwerdeführer mit Ablauf des 30. Juni 1998 in den Ruhestand versetzt worden war, hatte er mit 1. Juli 1998 - somit vor dem 1. Oktober 2000 - einen Anspruch auf eine monatlich wiederkehrende Leistung nach dem Pensionsgesetz 1965 erworben. Die am 30. September 2000 geltende Fassung des § 4 PG 1965 war die durch die 1. Dienstrechtsnovelle 1998, BGBl. I Nr. 123, bewirkte; sie lautete (auszugsweise; Abs. 1 und 2 in der Stammfassung, BGBl. Nr. 340/1965; Abs. 3 idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201; Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 idF des 1. Budgetbegleitgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 138):
"Ruhegenussermittlungsgrundlagen und Ruhegenussbemessungsgrundlage
§ 4. (1) Der Ruhegenuss wird auf der Grundlage des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt.
(2) 80 v.H. des ruhegenussfähigen Monatsbezuges bilden die Ruhegenussbemessungsgrundlage.
(3) Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liegt, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollendet haben wird, ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 % um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden.
(4) Eine Kürzung nach Abs. 3 findet nicht statt,
...
3. wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist.
....
(7) Als dauernd erwerbsunfähig im Sinne des Abs. 4 Z 3 gilt ein Beamter nur dann, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außer Stande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen.
..."
2. Die Beschwerde ist begründet.
2.1. Im Beschwerdefall geht es um die Frage, ob der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 PG 1965 war und ob demnach die Kürzungsregelung des § 4 Abs. 3 PG 1965 zu Recht zur Anwendung gelangte oder nicht.
Eine solche dauernde Erwerbsunfähigkeit liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn die im maßgebenden Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung allenfalls bestehende Erwerbsunfähigkeit nicht bloß eine vorübergehende ist, daher die Erwerbsfähigkeit innerhalb absehbarer Zeit nicht wiedererlangt werden kann. Der schon bisher in § 9 Abs. 1 PG 1965 (in der Fassung bis zum Pensionsreformgesetz 2000) verwendete Begriff der Erwerbsunfähigkeit (Unfähigkeit zu einem zumutbaren Erwerb) hat mit dem in § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 PG 1965 verwendeten Begriff insofern eine "gemeinsame" Wurzel, als Erwerbsfähigkeit nach allgemeinem Sprachgebrauch bedeutet, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Die Erwerbsfähigkeit ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abstrakt zu beurteilen. Es ist daher nicht entscheidend, ob die in Frage kommenden Tätigkeiten am Arbeitsmarkt verfügbar sind oder nicht; es muss sich nur um eine Beschäftigung handeln, die grundsätzlich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist. Erwerbsfähigkeit in diesem Sinne setzt aber jedenfalls eine im Arbeitsleben grundsätzlich notwendige gesundheitlich durchgehende Einsatzfähigkeit des Beamten voraus. Hiebei ist weiters zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2005, Zl. 2001/12/0207, mwN).
Zur Beantwortung der Frage des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit nach § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 PG 1965 hat daher vorerst ein medizinischer Sachverständiger - tunlichst ein Arbeitsmediziner - ein Gutachten darüber zu erstatten, ob der Beamte aus medizinischer Sicht überhaupt noch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit befähigt ist. Die Bejahung dieser Frage setzt voraus, dass der Beamte zumindest einen "Grenzgesundheitszustand" aufweist, der ihn befähigt, (irgend)einen Erwerb auszuüben. Hiebei hat der medizinische Sachverständige all jene arbeitsmedizinischen Rahmenkriterien abzustecken, innerhalb derer eine Erwerbstätigkeit des Beamten in Frage kommt. Aufgabe des berufskundlichen Sachverständigen ist es sodann, darauf aufbauend zu klären, ob innerhalb des vom (arbeits-)medizinischen Sachverständigen abgesteckten Rahmens möglicher Erwerbstätigkeit konkrete Arbeitsplätze (Berufsbilder) zugänglich sind (vgl. das zuvor zitierte hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2005, mwN).
2.2.1. Soweit sich der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Verfahrensrüge auf die von ihm beigebrachten Befunde des Praktischen Arztes Dr. Wi. vom 25. August 1999 sowie des Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. S. vom 11. Oktober 1999 beruft, ist ihm eingangs entgegenzuhalten, dass sich diese Befunde offensichtlich auf den Zeitpunkt der Untersuchung und nicht auf den allein maßgeblichen Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung beziehen.
2.2.2. Die belangte Behörde begründete die Kürzung nach § 4 Abs. 3 PG 1965 damit, dass der Beschwerdeführer nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 PG 1965 sei, sondern im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung näher genannte und umschriebene einfachere Tätigkeiten noch hätte ausüben können. Sie stützte diese Beurteilung, wie oben dargestellt, auf die medizinischen Gutachten Dris. Z. und die berufskundlichen Gutachten Dris. Wei.
Dr. Z. gelangte in seinem oben wiedergegebenen medizinischen Gutachten vom 31. August 1998 zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine körperlich leichte Tätigkeit in vorwiegend sitzender Körperhaltung möglich sei, wenn er die Gelegenheit habe, eine "Entspannungspause jede Stunde von mindestens 5 Minuten einzulegen". In seinem Gutachten vom 19. Dezember 2001 begründete Dr. Z. die Notwendigkeit der Entspannungspausen damit, dass "bei Berücksichtigung der Veränderungen des Bewegungs- und Stützapparates und damit verbundener Beschwerden eine Arbeitsunterbrechung auf einer überwiegend sitzenden Tätigkeit und eine Lageänderung zur Vermeidung von Verspannungen am Weichteilanteil des Bewegungs- und Stützapparates angezeigt" sei.
Der berufskundliche Sachverständige Dr. Wei., der noch in seinem Gutachten vom 30. April 1999 ausgeführt hatte, dass es auf dem Arbeitsmarkt körperlich leichte und überwiegend sitzende Tätigkeiten gebe, die der Beschwerdeführer noch verrichten könne, wie z.B. Parkgaragenkassier, Telefonist, industrielle Tischarbeiten (Montage, Verpackung etc.), wies in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. Jänner 2002 darauf hin, dass auf vielen der im Erstgutachten angeführten Arbeitsplätze die Möglichkeit bestehe, "zwischendurch nach freier Wahl im Stehen zu arbeiten, ohne die Arbeit zu unterbrechen". Den medizinisch geforderten Entspannungspausen könnte damit aus berufskundlicher Sicht entsprochen werden. Sollte es sich aber um fünfminütige absolute Arbeitspausen handeln, wäre der Beschwerdeführer am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr einsetzbar, weil er keine kontinuierliche Arbeitsleistung mehr erbringen könnte.
Erst nach dieser Ergänzung des berufskundlichen Gutachtens, der unmissverständlich zu entnehmen war, dass bei Erforderlichkeit von fünfminütigen Arbeitspausen pro Stunde eine Einsetzbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr vorläge, hielt Dr. Z. in seiner Stellungnahme vom 8. März 2002 fest, dass es im gegenständlichen Fall "aus medizinischer Sicht nicht unbedingt erforderlich" sei, dass eine "absolute Pause" erfolge, wichtig sei, "dass sich die Rückenmuskulatur entspannen könne und es zu keinen dauernden Zwangshaltungen kommt". Dies könne "auch erzielt werden, wenn dabei Tätigkeiten z.B. im Gehen und Stehen verrichtet werden" bzw. der Beschwerdeführer während der Arbeit Entspannungsübungen mache.
Abgesehen davon, dass insofern eine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, als der Beschwerdeführer keine Gelegenheit erhalten hat, zu den medizinischen Gutachten Dris. Z. vom 19. Dezember 2001 und vom 8. März 2002 sowie zum berufskundlichen Gutachten Dris. Wei. vom 23. Jänner 2002 Stellung zu nehmen, ist der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Frage der erforderlichen Pausen mit einem wesentlichen Begründungsmangel behaftet:
Dr. Z. stützte seine ersten Gutachten im Wesentlichen auf das im Ruhestandsversetzungsverfahren eingeholte Gutachten der Gemeindeärztin Dr. Wa. vom 12. März 1998, die ihrem Gutachten wiederum das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. W. vom 29. Dezember 1997 zugrunde legte. Zwar können im Ruhestandsversetzungsverfahren eingeholte Gutachten auch im Ruhegenussbemessungsverfahren herangezogen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2003, Zl. 99/12/0236), im Beschwerdefall findet sich aber in diesen Gutachten keine nähere Auseinandersetzung mit der medizinisch indizierten Notwendigkeit, regelmäßig Entspannungspausen einzuhalten, weil die Beantwortung dieser Frage im Ruhestandsversetzungsverfahren noch keine Rolle gespielt hat. Es ist aber schlicht nicht nachvollziehbar, weshalb Dr. Z., der noch im Gutachten vom 19. Dezember 2001 explizit von "Arbeitsunterbrechung" gesprochen hat, in seiner letzten Äußerung davon abgehend zu der Annahme gelangte, dass den von ihm für notwendig erachteten Entspannungspausen auch dadurch entsprochen werden könne, dass der Beschwerdeführer lediglich die Zwangshaltung unterbreche, eine absolute Arbeitsunterbrechung hingegen nicht erforderlich sei. Dr. Z. hat dies nur damit begründet, dass sich die Rückenmuskulatur entspannen müsse, was auch durch Arbeiten im Gehen und Stehen bzw. durch Entspannungsübungen während der Arbeit erreicht werden könnte; eine Begründung für die Änderung seiner Auffassung fehlt.
Spätestens nach dem Vorliegen der letzten Äußerung Dris Z. hätte der belangten Behörde auf der Grundlage der berufskundlichen Gutachten klar sein müssen, dass die Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers nicht mehr hätte verneint werden können, wenn tatsächlich stündlich fünfminütige Arbeitspausen einzuhalten wären. Zu dieser Frage lagen der belangten Behörde aber unterschiedliche Beweisergebnisse vor, die mangels ausreichender Begründung der letzten Äußerung Dris. Z. auch nicht miteinander harmonisiert waren. In dieser Situation hätte die belangte Behörde, um ihrer Stellung als Herrin des Verwaltungsverfahrens gerecht zu werden, jedenfalls einen Facharzt für Orthopädie befassen müssen. Dieser hätte auf Grundlage der im Ruhestandsversetzungsverfahren eingeholten Gutachten (das erste Gutachten Dris. Z. liegt zwar näher zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung, übernimmt aber zur Gänze die Diagnosen der genannten Gutachten) zu beurteilen gehabt, wie sich zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung eine in sitzender Körperhaltung auszuübende Tätigkeit auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ausgewirkt hätte und ob davon ausgehend dem Erfordernis der Entspannungspausen auch dadurch entsprochen werden könnte, dass - im Sinne der Ausführungen in der Stellungnahme Dris. Z. vom 8. März 2002 - lediglich die (sitzende) Zwangshaltung unterbrochen wird.
Indem die belangte Behörde dies unterließ und sich, statt auf einer Aufklärung der Widersprüche zu bestehen, mit der Übernahme der zum Teil bloß semantisch-systematischen Deutungen der früheren Gutachten Dris Z. durch diesen Sachverständigen selbst begnügte, belastete sie ihren Bescheid mit der aufgezeigten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
2.2.3. Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen aufzuheben.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem § 3 Abs. 2 anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 29. November 2005
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2002120182.X00Im RIS seit
25.12.2005