Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Monika Angelberger und Franz Eckner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. Wählergruppe "P***U***B***-Parteiunabh Betriebsratsliste" vertreten durch Franz G***, 2. Franz G***, Angestellter,
3. Rudolf B***, Angestellter, 4. Hannelore H***,
Angestellte, 5. Roman N***, Angestellter, alle per Adresse Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Wien 2., Friedrich Hillegeist-Straße 1, alle vertreten durch Dr. Thomas Prader, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B*** DER P*** DER A***, Wien 2., Friedrich
Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wahlanfechtung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12.Jänner 1990, GZ 32 Ra 128/89-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 31.Mai 1989, GZ 23 Cga 1194/88-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.704,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 617,40 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die erstklagende Partei ist ein Zusammenschluß von mehreren Dienstnehmern der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten zu einer wahlwerbenden Gruppe zum Zweck der Kanditatur für die Betriebsratswahl im Betrieb der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten. Die zweit- bis viertklagenden Parteien sind Kanditaten dieser Gruppe und sind sowohl aktiv wie passiv wahlberechtigt. Die wahlwerbende Gruppe hatte kein bestimmtes Programm, sondern nur verschiedene politische Forderungen, die sich auch an der jeweiligen Tagesproblematik orientierten. Mitglieder der wahlwerbenden Gruppe können Parteimitglieder aller politischen Parteien mit Ausnahme von faschistisch orientierten Gruppen sein. Die Gruppe hatte zu einer Fraktion im österreichischen Gewerkschaftsbund mit der Bezeichnung "Gewerkschaftliche Einheit" eine gewisse Nahebeziehung, die auch in den Publikationen der wahlwerbenden Gruppe dargetan wird. Zwei Wahlwerber sind Mitglieder der gewerkschaftlichen Einheit; ein Wahlwerber ist Mitglied der Grünen Alternativen. Die erstklagende Partei verbreitete im Betrieb der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten eine Zeitschrift, die allgemein bekannt war und die Absichten der klagenden Partei darlegte. Erstmals wurde die erstklagende Partei in dieser Weise 1986 aktiv und verbreitete dann erst im Oktober 1988 erneut ihre Zeitschrift. Darin wies sie auf verschiedene vermeintliche Mißstände im Betrieb der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten hin; das führte zu einer scharfen Replik in Form eines offenen Briefes des Vorsitzenden der Fraktion der sozialistischen Gewerkschafter. Sowohl in der Publikation der erstklagenden Partei als auch in dem offenen Brief wurde auf das Erfordernis von 32 Unterstützungsunterschriften, die die erstklagende Partei infolge der 16 zu vergebenden Betriebsratsmandate für ihren Wahlvorschlag benötigte, hingewiesen. Bereits vor der Betriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstandes hatte die erstklagende Partei 17 Unterstützungsunterschriften für ihren Wahlvorschlag gesammelt; darunter befand sich jedoch keine, die im späteren Wahlverfahren "zurückgezogen" wurde. Als Einbringungsfrist für die Wahlvorschläge wurde in der mit 21. Oktober 1988 datierten Kundmachung für die Betriebsratswahl der 31. Oktober 1988 festgelegt. Nach der Betriebsversammlung gingen die Wahlwerber durch die Abteilungen, sprachen mit den Dienstnehmern über den Wahlvorschlag, der dann von jenen, die die erstklagende Partei unterstützen wollten, unterfertigt wurde. Auf der Vorderseite des Wahlvorschlages befinden sich die Listenbezeichnung, die Namen der Wahlwerber und die Benennung des Vertreters der wahlwerbenden Gruppe. Auf der Rückseite stehen unter der Überschrift "Wir unterstützen den Wahlvorschlag der parteiunabhängigen Betriebsratsliste (PUB) mit unserer Unterschrift" 35 Unterschriften. Noch vor Einbringung des Wahlvorschlages wandten sich vier der Unterstützer an den Vertreter der erstklagenden Partei, den Zweitkläger, und ersuchten ihn, die Unterschriften zurückziehen zu dürfen. Der Zweitkläger erkundigte sich dann bei einem Funktionär des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, der der Fraktion Gewerkschaftlicher Einheit angehört, nicht jedoch beim Rechtsbüro, ob dies möglich sei. Von diesem Funktionär wurde dem Zweitkläger mitgeteilt, daß durch eine Streichung im Hinblick darauf, daß Veränderungen auf dem Wahlvorschlag der Unterzeichnung sämtlicher Unterstützer bedürften, die Gefahr bestünde, daß der Wahlvorschlag seine Gültigkeit verliere. Der Zweitkläger wandte sich mit dieser Frage auch an den Wahlvorstand, wurde jedoch von diesem an die Interessenvertretungen verwiesen. Die vier Dienstnehmer sowie drei andere Dienstnehmer, die sich zuvor nicht an die klagenden Parteien gewandt hatten, übersandten dann an den Wahlvorstand mit der Hauspost Erklärungen bezüglich ihrer Unterschrift auf dem Wahlvorschlag. Zwei davon ersuchten unter Anführung übereinstimmender näherer Erläuterungen um die Streichung ihrer Unterschrift, drei erklärten - teilweise näher erläutert - ihre Unterschriften zurückzuziehen und zwei legten dar, daß sie falsch informiert worden seien. Am 28.Oktober 1988 übergab dann der Zweitkläger den Wahlvorschlag. Zuzüglich zu den 35 Unterschriften war bereits eine weitere Unterstützungserklärung in Linz abgegeben worden. Der Zweitkläger ging daher davon aus, daß auch unter Berücksichtigung der vier Zurückziehungen, deren Beurteilung er dem Wahlvorstand überlassen wollte, die erforderlichen 32 Unterschriften vorhanden seien. Am 31.Oktober 1988 langten dann zwei und am 2. November 1988 eine weitere Zurückziehung beim Wahlvorstand ein. Am 31. Oktober 1988 erteilte der Wahlvorstand dem Vertreter der erstklagenden Partei einen Verbesserungsauftrag zur Nachbringung der erforderlichen Unterschriften, da 9 namentlich genannte Unterstützer ihre Unterstützungserklärungen vor Überreichung des Wahlvorschlages zurückgezogen hätten. Der Wahlvorstand folgte dem Zweitkläger den Wahlvorschlag sowie einen Mängelbehebungsauftrag aus und setzte hiefür eine Frist vom 31.Oktober 1988 bis 3.November 1988 jeweils 15,00 Uhr. Am 2.November 1988 deponierte die erstklagende Partei beim Wahlvorstand ein Schreiben, in dem sie festhielt, daß die Zurücknahme von Unterstützungserklärungen nicht in die Kompetenzen des Wahlvorstandes falle und außerdem im Verbesserungsverfahren der Wahlvorschlag beim Wahlvorstand zu verbleiben hätte. Weiters deponierte sie ihre Ansicht, daß eine Änderung des Wahlvorschlages ohne Zustimmung aller Unterstützer nicht möglich sei. Ferner verlangte sie die Aushändigung der neun Zurückziehungserklärungen. Am Vormittag des 3.November 1988 kam dann der Zweitkläger mit einer Unterstützerin, die ihre Unterschrift zurückgezogen hatte - einer früheren Proponentin der erstklagenden Partei -, zum Wahlvorstand. Es wurde festgehalten, daß diese Unterschrift erst nach Überreichung des Wahlvorschlages und zwar erst am 31. Oktober 1988 zurückgezogen worden war. Weiters übergab der Zweitkläger drei zusätzliche Unterstützungsunterschriften. Am Nachmittag des 3.November 1988 um 13,30 Uhr lud dann der Wahlvorstand jene Dienstnehmer, die wegen ihrer Unterstützungsunterschriften an ihn herangetreten waren, und die Dienstnehmer, deren Unterschriften er nicht identifizieren konnte, zu einem Gespräch ein. Die vier Dienstnehmer, deren Unterschriften dem Wahlvorstand nicht lesbar erschienen, identifizierten ihre Unterschriften. Bei der Einvernahme der acht Dienstnehmer jener zehn, die insgesamt Erklärungen gegenüber dem Wahlvorstand abgegeben hatten, gelangte der Wahlvorstand zum Ergebnis, daß diese weder bei der Abgabe der Unterschrift getäuscht noch zur Zurückziehung der Unterschrift gezwungen worden seien. Im anschließenden Gespräch des Wahlvorstandes mit dem Zweitkläger als Vertreter der erstklagenden Partei, das bis um 16,00 Uhr dauerte, brachte der Zweitkläger namens der erstklagenden Partei zum Ausdruck, daß er die Zurückziehungen jener vier Dienstnehmer, die zuerst noch bei ihm gewesen seien, akzeptieren könne, grundsätzlich aber der Meinung sei, daß eine Zurückziehung auch vor Überreichung des Wahlvorschlages nicht erfolgen könne. Der Wahlvorstand vertrat unter Berufung auf eine Entscheidung des Einigungsamtes Linz die Meinung, daß vor Überreichung des Wahlvorschlages eine Zurückziehung jedenfalls möglich sei.
In weiterer Folge ersuchte der Zweitkläger um Erstreckung der Verbesserungsfrist, was jedoch vom Wahlvorstand abgelehnt wurde. Der Wahlvorstand brachte gegenüber dem Zweitkläger zum Ausdruck, daß die Liste nicht die erforderliche Anzahl von Unterschriften aufweise. Nach dem Gespräch mit dem Kläger faßte der Wahlvorstand den Beschluß auf Nichtzulassung des Wahlvorschlages der erstklagenden Partei und veranlaßte auch den Anschlag dieses Beschlusses im Betrieb der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten. Schon während ihrer Wahlwerbung hatten zumindest drei Dienstnehmer der erstklagenden Partei zugesagt, diese als "32.ste" zu unterstützen, also dann, wenn eine Zulassung des Wahlvorschlages durch ihre Unterschrift gewährleistet werde. Der Zweitkläger trat jedoch im Verbesserungsverfahren an diese Dienstnehmer nicht heran, weil er infolge der Mitteilung des Wahlvorstandes, daß neun Unterschriften vor Überreichung des Wahlvorschlages zurückgezogen worden seien, bei Richtigkeit dieser Rechtsauffassung nicht davon ausgehen konnte, daß durch die Unterschrift nur eines weiteren Dienstnehmers der Wahlvorschlag die erforderlichen 32 Unterstützungserklärungen aufweisen würde. Bei der Betriebsratswahl wurden 256 Stimmen ungültig abgegeben; bei der davorliegenden Betriebsratswahl waren es 80.
Die klagenden Parteien begehren die Betriebsratswahl im Betrieb der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten für ungültig zu erklären. Die Entscheidung des Wahlvorstandes, die erstklagende Partei wegen Nichterreichens der erforderlichen
32 Unterstützungsunterschriften nicht zur Wahl zuzulassen, sei rechtswidrig erfolgt. Eine Zurückziehung von Unterstützungsunterschriften vor Überreichung des Wahlvorschlages sei nämlich nicht zulässig; sie könne zumindest nicht gegenüber dem Wahlvorstand erklärt werden. Wohl hätten vier Personen Vertretern der erstklagenden Partei gegenüber erklärt, ihre Unterstützungsunterschriften zurückzunehmen, doch habe die erstklagende Partei diesen Begehren zu Recht nicht entsprochen. Der Wahlvorstand, an den sich die Vertreter der erstklagenden Partei gewendet hätten, habe auch eine entsprechende Aufklärung über die Rechtslage unterlassen und auf die Interessenvertreter verwiesen. Diese hätten die erstklagende Partei dahin informiert, daß Unterschriften auf dem Wahlvorschlag nicht einseitig zurückgenommen werden könnten. Dies würde im übrigen Manipulationen zu Lasten von wahlwerbenden Gruppen ermöglichen, zumal Personen, die anderen wahlwerbenden Gruppen nahestehen, vorerst Unterstützungserklärungen abgeben und durch kurzfristige Rücknahme der Unterschriften die Bewerbung einer Gruppe verhindern könnten. Die Unterschriften seien nicht erschlichen worden; die Zurückziehungen der Unterschriften seien auf massive Beeinflussungen zurückzuführen. Verstöße gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Wahl seien auch darin gelegen, daß im Hinblick auf die am 20.Oktober 1988 erfolgte Wahlkundmachung für die für 10.November 1988 angeordnete Betriebsratswahl die Festsetzung des Stichtages für die Einbringung von Wahlvorschlägen mit 31.Oktober 1988 gegen § 19 Abs 2 Z 6 BRWO verstoßen habe. Die erstklagende Partei sei auch vom Wahlvorstand unrichtig dahin informiert worden, daß neun Unterstützungsunterschriften zurückgezogen worden seien, obwohl einige dieser Rückziehungen nach Überreichung des Wahlvorschlages eingelangt und daher jedenfalls unwirksam seien. Das zur Nachbringung von weiteren Unterschriften eingeleitete Verbesserungsverfahren sei mangelhaft geführt worden, weil die Mindestfrist nicht eingehalten worden sei; da die Bestimmungen des AVG anzuwenden seien, wäre eine Frist von zwei vollen Kalendertagen zu gewähren gewesen.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Die Festsetzung des Stichtages für die Überreichung der Wahlvorschläge sei im Hinblick auf die ab diesem Zeitpunkt einzuhaltenden Fristen nicht anders möglich gewesen. Die Frist zur Mängelbehebung habe den Vorschriften entsprochen, zumal unter Berücksichtigung des dazwischenliegenden Feiertages mehr als zwei volle Kalendertage zur Verbesserung eingeräumt worden seien. Hinsichtlich der Zurückziehung der Unterschriften werde auf die umfassende Prüfungsbefugnis des Wahlvorstandes verwiesen, der nicht dazu verhalten werden könne, trotz bestehender erheblicher Zweifel eine Wahl durchzuführen, die einen großen organisatorischen Kostenaufwand verursache. Außerdem stehe es den Arbeitnehmern gemäß § 21 BRWO ausdrücklich frei, bis zur Überreichung des Wahlvorschlages ihre Unterschrift jederzeit zurückzuziehen, zumal dies im Fall von Willensmängeln auch nach diesem Zeitpunkt selbst den Wahlwerbern freistehe. Dabei könne es nicht maßgeblich sein, ob diese Zurückziehung gegenüber den Vertretern der Liste oder dem Wahlvorstand erfolge, da die wahlwerbende Gruppe im Zug des Verbesserungsverfahrens ohnehin von der Zurückziehung erfahre. Die erstklagende Partei sei dem Begehren von vier Wahlberechtigten, ihre Unterstützungserklärungen zu streichen, nicht nachgekommen. Es könne jedoch nicht der wahlwerbenden Gruppe überlassen bleiben, allenfalls Fehler des Wahlverfahrens hervorzurufen, die dann zu einer Aufhebung der Wahl führen müßten. Der Wahlvorstand sei daher zu Recht davon ausgegangen, daß von den 35 Unterstützungserklärungen infolge Zurückziehungen nur 28 als abgegeben anzusehen seien. Da die erstklagende Partei nur drei weitere Unterstützungsunterschriften beigebracht habe, sei die erforderliche Mindestanzahl von 32 nicht erreicht worden. Die Dienstnehmer, die ihre Unterstützungserklärungen zurückgezogen haben, hätten sich auch in einem wesentlichen Irrtum befunden, da sie angenommen hätten, daß die erstklagende Partei eine unabhängige Liste sei, wogegen es sich um eine alternative Gruppierung handle, die der "Gewerkschaftlichen Einheit" nahestehe. Außerdem sei zumindest die Zurückziehung jener Unterschriften zu berücksichtigen, die vor der Wahl des Wahlvorstandes geleistet wurden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Wohl bestimme § 19 Abs 2 Z 6 BRWO, daß die Wahlkundmachung die Aufforderung zu enthalten habe, Wahlvorschläge spätestens eine Woche vor dem ersten Wahltag schriftlich beim Vorsitzenden des Wahlvorstandes einzubringen. Diese Bestimmung sei jedoch dahin zu verstehen, daß in der Wahlkundmachung auch ein früherer Termin für die Überreichung der Wahlvorschläge angeordnet werden dürfe, wenn dies erforderlich sei, um unter Berücksichtigung eines allfälligen Verbesserungsverfahrens die im § 21 Abs 5 BRWO bestimmte Frist zur Auflegung der Wahlvorschläge einzuhalten. Im vorliegenden Fall sei der Wahltag der 10.November 1988, ein Donnerstag, gewesen. Die Wahlvorschläge seien daher ab Montag, dem 7.November 1988, zur Einsicht aufzulegen gewesen. Da die Einhaltung dieser Frist im Hinblick auf die Ablaufhemmung einer allfälligen Verbesserungsfrist durch dazwischenliegende Feiertage und Wochenenden nicht anders möglich gewesen sei, sei der 31.Oktober 1988 ordnungsgemäß als letzter Tag für die Überreichung der Wahlvorschläge bestimmt worden. Auch die Anordnung der Verbesserungsfrist für die Zeit vom 31. Oktober 1988, 15,00 Uhr, bis 3.November 1988, 15,00 Uhr, sei gesetz- und verordnungskonform erfolgt. Die Ansicht der klagenden Partei, es handle sich um eine zweitägige Frist, die erst am nächsten Tag zu laufen beginne, treffe nicht zu. Da die Betriebsratswahlordnung im § 21 ausdrücklich eine 48-stündige Frist festlege, sei diese auch nach Stunden zu berechnen. Wohl bestimme § 21 Abs 1 letzter Satz BRWO, daß nach Überreichung des Wahlvorschlages eine Zurückziehung von Unterschriften nicht mehr möglich sei, doch könne hieraus nicht a contrario geschlossen werden, daß vor Überreichung des Wahlvorschlages eine derartige Zurückziehung möglich sein müsse. Auch in der Unterstützung des Wahlvorschlages liege bereits eine Wahlentscheidung, die mit der Unterschriftsleistung abgeschlossen sei. Dies entspreche der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu den gesetzlichen Vorschriften in anderen Wahlsystemen (gesetzgebende Körperschaften und Gemeinderat). Dies sei auch auf das Verfahren zur Wahl des Betriebsrates übertragbar. Es entspreche einem Grundsatz des Wahlrechtes, daß eine einmal getroffene Stimmabgabe nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. Für das Vorverfahren bestünden allerdings zwei Ausnahmen. Einerseits sei überprüfbar, ob die Unterschrift durch List, Zwang oder wesentlichen Irrtum zustandegekommen sei, und zum zweiten stehe es der wahlwerbenden Gruppe frei, auf die Unterstützung zu verzichten und die Unterschrift zu streichen. Da sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, daß die Unterschriftsleistung der Personen, die später die Rückziehung ihrer Unterschriften erklärt hätten, zufolge eines relevanten Willensmangels erfolgt sei und auch eine Zustimmung der erstklagenden Partei zur Rücknahme der Unterstützungserklärung nicht vorgelegen sei, sei die Zurückziehung der Unterschriften nicht rechtswirksam gewesen. Die erstklagende Partei sei daher zu Unrecht nicht als wahlwerbende Gruppe zur Wahl zugelassen worden. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge, wobei es im wesentlichen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes beitrat. Die Regelung des § 21 Abs 1 letzter Satz BRWO diene offenkundig dem Zweck, eine Wahlbeeinflussung durch Vereitelung der Bewerbung bestimmter Wählergruppen zu vermeiden; diese Problematik ergebe sich aber bereits im Vorverfahren. Die analoge Anwendung von Bestimmungen aus anderen Wahlordnungen des öffentlichen Rechts sei gerechtfertigt. Bei der Abgabe der Unterstützungserklärung handle es sich um einen irrevisiblen Wahlakt, der nach den Maßstäben des öffentlichen Rechts zu messen sei. Die Rücknahme der Unterschrift habe daher nicht rechtswirksam erklärt werden können.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung abzuändern.
Die klagenden Parteien beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß der Wahlvorstand bei Festlegung des Termines zur Überreichung der Wahlvorschläge sowie bei der Einräumung der Verbesserungsfrist Grundsätze des Wahlverfahrens nicht verletzt habe, wurde im Rechtsmittelverfahren nicht mehr releviert. Es kann im übrigen insoweit auf die zutreffende Begründung des Erstgerichts verwiesen werden. Die Revision wendet sich ausschließlich dagegen, daß die Vorinstanzen zum Ergebnis gelangten, daß die Unterstützungsunterschriften nicht wirksam zurückgenommen werden konnten, wobei die Revisionswerberin die Auffassung vertritt, daß sich aus § 21 Abs 1 BRWO, der eine Zurückziehung von Unterschriften nach Überreichung des Wahlvorschlages ausschließt und für die Zeit davor eine diesbezügliche Einschränkung nicht ausdrücklich vorsieht, ergebe, daß es sich hier um einen der freien Dispositionsbefugnis überlassenen Bereich handle; Unterschriften könnten bis zur Überreichung des Wahlvorschlages ohne Einschränkung zurückgezogen werden.
Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Ob aus verschiedenen öffentlich-rechtlichen Wahlordnungen, welche die Vorinstanzen zur Begründung ihrer Entscheidungen herangezogen haben, der allgemeine Grundsatz der Irreversibilität einer Unterstützungsunterschrift abgeleitet werden kann, erscheint zumindest fraglich. In der vom Erstgericht hiezu zitierten Entscheidung VfSlg 5166 begründet der Verfassungsgerichtshof die Unzulässigkeit der Stellvertretung bei Abgabe der Unterstützungserklärung mit der Auffassung, daß auch die Unterstützung des Wahlvorschlages durch einen Wahlberechtigten höchstpersönlicher Natur sei und ihre Ausübung auf einen anderen nicht übertragen werden könne. Der Umstand, daß die Grundsätze des Wahlrechtes insoweit bereits im Vorverfahren wirksam sind und das Recht zur Abgabe einer Unterstützungserklärung nur höchstpersönlich ausgeübt werden kann, rechtfertigt nicht den Schluß, daß alle für den eigentlichen Wahlvorgang geltenden Bestimmungen bereits in diesem Stadium zum Tragen kommen. Mit diesem Ergebnis wäre auch die weitere Begründung des Erstgerichtes über die Anfechtbarkeit der Unterstützungserklärung wegen Willensmängel nicht vereinbar, zumal die Geltendmachung von Willensmängeln bei der Wahlentscheidung selbst in den Wahlordnungen grudsätzlich ausgeschlossen ist. Überdies wäre bei Übertragung der Grundsätze für die Wahlentscheidung auf das Vorverfahren auf Grund der Einmaligkeit des Wahlaktes die Abgabe einer Unterstützungserklärung auf eine wahlwerbende Gruppe beschränkt. Aus der Betriebsratswahlordnung ergibt sich eine Einschränkung in dieser Richtung jedoch nicht; es bleibt vielmehr einem Arbeitnehmer unbenommen, auch mehrere Wahlvorschläge mit seiner Unterschrift zu unterstützen, ohne daß deren Gültigkeit dadurch berührt würde. Dies zeigt insgesamt, daß nicht sämtliche für die Wahlentscheidung getroffenen Anordnungen ohne weiteres auf das Vorverfahren übertragen werden können. Die Irreversibilität der Wahlentscheidung erlaubt daher nicht schon den Schluß auf die Unzulässigkeit der Rückziehung der Unterstützungserklärungen im Vorverfahren.
Gemäß § 21 Abs 1 letzter Satz BRWO können Arbeitnehmer, die einen Wahlvorschlag unterschrieben haben, nach dessen Überreichung ihre Unterschrift nicht mehr zurückziehen. Aus dieser Bestimmung kann jedoch nicht abgeleitet werden, daß es vor Überreichung des Wahlvorschlages im freien Belieben desjenigen stehe, der eine Unterstützungsunterschrift geleistet hat, diese wieder zurückzuziehen. Wenn auch der Wahlvorschlag, bevor er dem Wahlvorstand übergeben wird, gleichsam nur ein Konzept der Proponenten des Wahlvorschlages bildet und daher offiziell noch gar nicht existiert (Arb 9541), entstehen doch zwischen den Proponenten des Wahlvorschlages und den Personen, die Unterstützungsunterschriften leisten, Rechtsbeziehungen. Treten die Proponenten zur Erstellung eines Wahlvorschlages an einen Arbeitnehmer mit dem Ersuchen um Unterstützung dieses Wahlvorschlages heran und sagt dieser Arbeitnehmer seine Unterstützung zu und dokumentiert diese Zusage durch seine Unterschrift, so ist er an diese Zusage gebunden und kann seine Unterschrift nicht ohne weiteres zurückziehen. Wohl ist erst nach Überreichung des Wahlvorschlages die Rücknahme der Unterschrift gänzlich ausgeschlossen, jedoch ist bereits vor diesem Zeitpunkt derjenige Arbeitnehmer, der eine Unterstützungsunterschrift geleistet hat, an die zugesagte Unterstützung des Wahlvorschlages gebunden. Die Proponenten des Wahlvorschlages dürfen ebenso wie andere Personen, die Unterstützungserklärungen abgeben, von dieser Unterstützungserklärung ausgehen und sie ihrem weiteren Vorgehen zugrunde legen, zumal es durchaus vorkommt, daß ein Arbeitnehmer eine Unterstützungsunterschrift nur deshalb leistet, weil bereits ein bestimmter Arbeitskollege oder bestimmte Arbeitskollegen oder eine bestimmte Anzahl von Kollegen den Wahlvorschlag bereits unterstützt. Alle diese Personen haben ein berechtigtes Interesse daran, daß die mit der Unterschrift dokumentierte Unterstützungserklärung bis zur Überreichung des Wahlvorschlages aufrecht erhalten wird. Eine Analyse des Betriebsverfassungsrechtes zeigt, daß die meisten der diesem Bereich zugehörigen Rechtssätze privatrechtlicher Natur sind. Nur wenige Normen haben ausnahmsweise öffentlich-rechtlichen Charakter. Sie vermögen das privatrechtliche Gesamtbild aber nicht zu beeinflussen (Strasser in Floretta-Strasser, Handbuch des Arbeitsverfassungsrechtes 243). Die Vorgänge, die zur Erstellung einer Liste zum Zweck der Kanditatur bei einer Betriebsratswahl führen, spielen sich überdies noch außerhalb des durch das ArbVG und die Betriebsratswahlordnung näher geregelten Bereiches ab. Es handelt sich um Absprachen von Arbeitnehmern, die im Zusammenwirken eine Kandidatenliste erstellen bzw die Kanditatenliste unterstützen; sie entbehren einer näheren generellen Regelung. Gerade für diesen Bereich können auch allgemeine Grundsätze des Zivilrechtes angewendet werden. Die willkürliche Rücknahme einer Unterschrift auf einer Unterstützungserklärung würde das berechtigte Vertrauen der Proponenten des Wahlvorschlages sowie der anderen Unterzeichner des Vorschlages auf die Aufrechterhaltung der Unterstützung des Wahlvorschlages durch die betreffende Person in grober Weise verletzen, deren Vorbereitungsarbeiten unter Umständen zunichte machen und damit gegen Treu und Glauben verstoßen. Sie kann daher nicht wirksam erfolgen.
Es ist sohin davon auszugehen, daß eine Unterstützungsunterschrift nicht ohne weiteres zurückgenommen werden kann. Nur wenn bei der Unterschrift Willensmängel vorlagen oder die weitere Entwicklung ergibt, daß im Hinblick auf die von der wahlwerbenden Gruppe verfolgten Ziele, die erst zu einem späteren Zeitpunkt offenbar werden, die Aufrechterhaltung der Unterstützung der Kanditatur geradezu unzumutbar ist, kommt eine wirksame Rücknahme der Unterschrift aus einem derartigen wichtigen Grund in Betracht. Der Wahlentscheidung wird durch die Bindung an die Unterstützungsunterschrift nicht vorgegriffen, zumal es dem Unterstützer eines Wahlvorschlages freisteht, bei der Wahl eine abweichende Entscheidung zu treffen.
Dieses Ergebnis steht mit der von den Vorinstanzen und vom Revisionswerber zitierten Judikatur nicht im Widerspruch. In dem den Entscheidungen Arb 9612 und 9708 zugrundeliegenden Fall wurde nur die Frage behandelt, ob der dem stellvertretenden Vorsitzenden des Wahlvorstandes überreichte Wahlvorschlag als ordnungsgemäß eingebracht anzusehen ist und damit die Wirkung eintritt, daß eine Rücknahme von Unterschriften gemäß § 21 Abs 1 letzter Satz BRWO ausgeschlossen ist. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Rücknahme einer Unterstützungsunterschrift vor diesem Zeitpunkt erfolgen kann, wurde nicht erörtert. In der Entscheidung Arb 9541 war in diesem Zusammenhang nur die - dort verneinte - Frage strittig, ob die Änderung des Wahlvorschlages vor dessen Überreichung besonderer Formvorschriften bedarf. Für den vorliegenden Fall kann hieraus nichts abgeleitet werden. In den Entscheidungen Arb 5040 und 5141 wurde nur (zur BRWO 1947, in der eine ausdrückliche dem § 21 Abs 1 letzter Satz BRWO entsprechende Bestimmung nicht enthalten war) ausgesprochen, daß die Zurücknahme einer Unterschrift auf einem bereits überreichten Wahlvorschlag rechtlich belanglos sei. Der Entscheidung Arb 5319 lag ein Fall zugrunde, in dem ein Arbeitnehmer über den Zweck der Unterschrift irregeführt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof sprach aus, daß die Zurückziehung dieser Unterschrift, die unmittelbar nach Unterfertigung des Wahlvorschlages beim Wahlvorstand erfolgte, rechtswirksam möglich war.
Für das vorliegende Verfahren ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß wichtige Gründe im darglegten Sinn bestanden haben. Der Umstand, daß erst nach Unterschriftsleistung bekannt wurde, daß einzelne Kanditaten der erstklagenden Partei einer bestimmten Fraktion des ÖGB nahestehen - nur dies hat die beklagte Partei dazu geltend gemacht -, ist kein so gravierendes Moment im dargelegten Sinn, das zur Rücknahme der Unterschriften berechtigt hätte. Die Vorinstanzen sind daher im Ergebnis zu Recht zu einer dem Klagebegehren stattgebenden Entscheidung gelangt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO in Verbindung mit § 58 ASGG.
Anmerkung
E21520European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00114.9.0613.000Dokumentnummer
JJT_19900613_OGH0002_009OBA00114_9000000_000