TE OGH 1990/6/17 7Ob564/90

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.06.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*** A*** V***-AG, Wien 1., Brandstätte 7-9, vertreten durch Dr. Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagten Parteien 1) B*** & Co Ofen-Kachelfabrik, Fliesen- und Sanitärgroßhandlung, Feldbach, Unterweißenbach 181, 2) B*** Gesellschaft mbH, ebendort, wegen S 2,291.289,--, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 21. Februar 1990, GZ 2 R 58/90-5, womit der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 25. Jänner 1990, GZ 4 Cg 28/90-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Unterinstanzen werden behoben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen. Die Rekurskosten bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt von den beklagten Parteien mit einer beim Landesgericht Feldkirch eingebrachten Klage die Bezahlung von S 2,291.269,--. Sie brachte vor, die beklagten Parteien hätten über Auftrag ihrer Versicherungsnehmer in deren Haus in Dornbirn, Bürgle 7, die Verbindung von zwei in verschiedenen Geschoßen gelegenen Öfen völlig unsachgemäß in Form eines Blechrohres durch eine Holzdecke ohne wirksame Isolierung hergestellt, sodaß es zum Ausbruch eines Brandes gekommen sei, dem fast das ganze Haus zum Opfer gefallen sei. Die Klägerin habe ihren Versicherungsnehmern den Schaden ersetzt. Deren Schadenersatzansprüche seien daher gemäß § 67 VersVG auf die Klägerin übergegangen. Das angerufene Landesgericht Feldkirch sei gemäß § 92 a JN zur Entscheidung zuständig.

Das Erstgericht wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück. Es vertrat unter Hinweis auf die erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zur Zivilverfahrensnovelle 1983, mit der der Wahlgerichtsstand des Ortes der Schadenszufügung geschaffen wurde und auf die Ausführungen von Fasching (Lehrbuch Rz 308) die Auffassung, daß dieser Gerichtsstand nur für deliktische Schadenersatzansprüche, nicht aber, wie hier, für aus einem Werkvertrag abgeleitete Schadenersatzansprüche (Mangelfolgeschaden) Anwendung finde.

Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß dem Rekurs der klagenden Partei keine Folge. Es pflichtete der Rechtsmeinung des Erstgerichtes bei und ließ den Revisionsrekurs zu.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der klagenden Partei ist berechtigt.

Schon vor Inkrafttreten der ZVN 1983 (BGBl 1983/343) wurde die Anwendbarkeit des Gerichtsstandes des Unfallsortes für Regreßforderungen nach dem VersVG von der Rechtsprechung bejaht. Nach § 158 f VersVG geht die Forderung des Dritten gegen den Versicherungsnehmer auf diesen über, soweit der Versicherer den Dritten nach § 158 c VersVG befriedigt hat. Damit stellt sich die Regreßforderung nicht als eine Forderung aus dem Versicherungsverhältnis, sondern als eine solche auf Grund der vorgesehenen Legalzession dar (vgl. ZVR 1984/15). Dementsprechend wurde die Zuständigkeit des Gerichtes des Unfallsortes für Klagen des Legalzessionärs bereits für § 20 des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen bejaht (RZ 1964, S. 204), was umso mehr für den deutlicher und weitergefaßten § 20 EKHG zu gelten hat (Bejahung der Zuständigkeit für Klagen des Kaskoversicherers, ZVR 1969/151). Der Legalzessionär hat nämlich gemäß § 1394 ABGB die gleichen Rechte wie der beim Verkehrsunfall Verletzte (ZVR 1965/88, 1969/151). Er macht demnach dessen, auf ihn übergegangenen Rechte und keine eigenen Rechte geltend (VersR 1979, 753).

Nach § 92 a JN "können Streitigkeiten über den Ersatz des Schadens, der aus der Tötung oder Verletzung einer oder mehrerer Personen, aus einer Freiheitsberaubung oder aus der Beschädigung einer körperlichen Sache entstanden ist, auch bei dem Gericht angebracht werden, in dessen Sprengel das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist."

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (669 der Beilagen zu den StenProt 15.GP zu § 92 a JN, S. 38/39) wird dazu ausgeführt, daß der Gerichtsstand des Ortes der Schadenszufügung derzeit - nicht systematisch folgerichtig, sondern durch den Zufall der rechtsgeschichtlichen Entwicklung - nur in einigen Sonderhaftpflichtgesetzen, nicht aber generell in der JN vorgesehen sei. Beim Zusammentreffen verschiedener Haftungsgründe hätten sich dadurch Streitfragen ergeben. Die Einführung eines allgemeinen Gerichtsstandes des Ortes der Schadenszufügung war daher auch eine der ganz wenigen bedeutenderen Änderungen der JN, die auch den in zahlreichen Vollstreckungsverträgen Österreichs (z.B. mit Belgien, Frankreich, Luxemburg, Italien) ausdrücklich vorgesehenen Zuständigkeiten entspreche. Schwierig sei danach nur die Abgrenzung, weil der als Vorbild dienende § 32 dZPO auf Schadenersatzansprüche aus einem Delikt begrenzt sei, während die Unterscheidung von Schadenersatzansprüchen aus Delikt und aus Vertragsverletzungen vom österreichischen Recht ausdrücklich negiert werde (§ 1295 ABGB), also als Abgrenzungskriterium für das österreichische Recht nicht geeignet sei. Das Tatbestandsmerkmal des Unfalls, auf das die Zuständigkeitstatbestände der Haftpflichtgesetze abstellten, sei hier in einer allgemeinen Norm auch nicht brauchbar. Der Entwurf sehe daher eine Beschränkung auf Schadenersatz wegen Tötung und Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung (§§ 1325 bis 1329 sowie 1331 und 1332 ABGB) vor: Damit seien einerseits diejenigen Schadensfälle erfaßt, bei denen das verfahrensökonomische Anliegen der Regelung verwirklicht werden könne, nämlich die Klärung der Schadensverursachung an Ort und Stelle zu ermöglichen, andererseits seien aber damit diejenigen Klagen, die hier nicht erfaßt werden sollten, ausgeschlossen, nämlich "die üblichen Vertragsklagen, mit denen nur reine Vermögensschäden geltend gemacht werden".

Von den verschiedenen Möglichkeiten der näheren Umschreibung des Schadensortes - entweder des Ortes, an dem das schädigende Verhalten gesetzt worden sei, an dem es seine schadensauslösende Wirkung gezeigt habe, oder an dem der Schaden eingetreten sei - entscheide sich der Entwurf für die erste: Einerseits werde sich meist die Klärung der Schadensursache vorwiegend mit dem Verhalten des Schädigers beschäftigen müssen, andererseits gewährleistete die Wahl dieses Ortes am ehesten, daß bei einer Mehrheit von Schadensfolgen und Geschädigten alle Prozesse vor demselben Gericht stattfinden (soweit sinngemäß die RV).

Weder dem oben wiedergegebenen Gesetzestext des § 92 a JN, noch den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ist eine Einschränkung des neu eingeführten Gerichtsstandes der Schadenszufügung auf "deliktische Schadenersatzansprüche" entnehmbar, wovon die in der angefochtenen Entscheidung zitierten Autoren (Fasching sowie Rechberger-Simotta) ausgehen, ohne sich mit den wiedergegebenen Erläuterungen zur Regierungsvorlage oder überhaupt dem im österreichischen Recht herrschenden Schadenersatzbegriff des § 1295 ABGB Abs.1 zweiter Halbsatz ("der Schaden mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden sein") ersichtlich auseinandergesetzt zu haben. Der Oberste Gerichtshof vermag sich daher der von Fasching im Lehrbuch Rz 308 dargestellten zweifachen Beschränkung dieses Gerichtsstandes insoweit nicht anzuschließen, soweit generell Kontraktansprüche, Schadenersatzansprüche wegen Verletzung von Vertragsverpflichtungen oder von vorvertraglichen Pflichten ohne Rücksicht darauf ausgenommen werden, ob als Schadensentstehungsursachen die "Tötung oder Verletzung einer oder mehrerer Personen, eine Freiheitsberaubung oder eine Beschädigung einer körperlichen Sache" vorliegen. Ratio legis war nach den Erl zur RV die Klärung der Schadensverursachung, insbesondere des Verhaltens des Schädigers, durch ein Gericht am Ort der Schadenszufügung, andererseits die Abführung möglichst aller Prozesse von Geschädigten oder für alle Schadensfolgen bei demselben Gericht. Auch die nicht näher begründeten Ausführungen Rechberger-Simotta (Zivilprozeßrecht2 Rz 97) überzeugen nicht. Wenn daher die Schadenersatzansprüche aus der Beschädigung eines Hauses zufolge eines fahrlässigen Verhaltens der Erfüllungsgehilfen der beklagten Parteien abgeleitet werden, dann scheidet für die Anwendung des Gerichtsstandes der Schadenszufügung des § 92 a JN eine Unterscheidung zwischen Schadenersatz aus Delikt und Schadenersatz aus Vertragsverletzung aus, weil damit nicht reine Vermögensschäden wegen Vertragsverletzungen (ohne Beschädigung einer körperlichen Sache) geltend gemacht werden. Nach den für die Zuständigkeit maßgeblichen Klagebehauptungen müssen Erfüllungsgehilfen der beklagten Parteien anläßlich der vertragsgemäß zu erbringenden Werkleistung durch Außerachtlassung der zu verlangenden Sorgfalt einen Brand verursacht haben. Aus diesem Sachverhalt nimmt die klagende Partei die beklagten Parteien wegen ihrer Haftung für das Verhalten ihrer Erfüllungsgehilfen aus positiver Vertragsverletzung in Anspruch.

Dem Revisionsrekurs der klagenden Partei war daher Folge zu geben, die Beschlüsse der Unterinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens aufzutragen. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E21448

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00564.9.0617.000

Dokumentnummer

JJT_19900617_OGH0002_0070OB00564_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten