TE Vwgh Erkenntnis 2005/11/29 2004/06/0099

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Veröffentlicht am 29.11.2005
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Index

L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
BauO Tir 2001 §26;
BauO Tir 2001 §33 Abs3;
BauO Tir 2001 §6 Abs3 litc;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der Marktgemeinde B, vertreten durch Dr. Hansjörg Zink, Dr. Georg Petzer, Dr. Herbert Marschitz und Dr. Peter Petzer, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Unterer Stadtplatz 24, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 24. Mai 2004, Zl. Ve1-8-1/127-1, betreffend Aufhebung eines baupolizeilichen Auftrages gemäß § 33 Abs. 1 TBO 2001 (mitbeteiligte Partei: CS in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 24. September 2003 bewilligte der Bürgermeister der Beschwerdeführerin dem Mitbeteiligten die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses mit Doppelgarage und Holzlege auf dem Grundstück Nr. 98/16, EZ 277, KG Z., an der Privatstraße, Grundstück Nr. 98/18. Das Bauvorhaben umfasst auch die Errichtung einer Stützmauer an der Nordostseite des Bauplatzes.

Mit Bescheid vom 26. November 2003 untersagte der Bürgermeister der Beschwerdeführerin gemäß § 33 Abs. 1 Tiroler Bauordnung (TBO 2001) die weitere Ausführung der Stützmauer. Der festgestellte Mangel sei zu beseitigen und der plan- und bescheidgemäße Zustand binnen drei Wochen ab Erhalt dieses Bescheides herzustellen. Gemäß § 30 Abs. 1 TBO 2001 werde die Bestellung eines Bauverantwortlichen aufgetragen. Bauarbeiten dürften erst nach Bestellung eines Bauverantwortlichen wieder aufgenommen werden. Der Bürgermeister begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, bei der am 17. November 2003 an Ort und Stelle durchgeführten baupolizeilichen Überprüfung sei festgestellt worden, dass die bewilligte Höhe der Stützmauer über die gesamte Länge überschritten werde (in den Einleitungssätzen des Bescheides ist dazu ausgeführt, dass die Stützmauer mit einer mittleren Höhe von 3,50 m und im jeweiligen Mindestabstandsbereich mit einer Höhe von 2,00 m bemessen und bewilligt worden sei; die Höhenentwicklung betrage außerhalb der Mindestgrenzabstände ca. 4,25 m und innerhalb des Mindestabstandes von jeweils 4 m werde die zulässige Höhe von 2,00 m ebenfalls nicht eingehalten). Die Mauerhöhen - so heißt es in der Begründung weiter - seien zwingend vorgeschrieben und es sei daher gemäß § 33 TBO die Behebung aufzutragen gewesen. Innerhalb des Mindestabstandes zu dem Grundstück Nr. 98/17, KG Z., könne eine Überschreitung der Höhe von 2,00 m nicht bewilligt werden, weil die Zustimmung der Grundeigentümer fehle.

Mit Ansuchen vom 1. März 2004 (bei der Beschwerdeführerin eingelangt am 2. März 2004) beantragte der Mitbeteiligte die Genehmigung der vorgelegten Tektur zum genehmigten Einreichplan betreffend die Höhenänderung der Böschungsmauer (Steinschlichtung). Zu den beiden Grundgrenzen, zu denen das Bauvorhaben jeweils 4,10 m einhalte, solle die Stützmauer nunmehr im Mittel eine Höhe von ca. 4,25 m (statt der bisher geplanten Höhe von 3,50 m) haben. Bezüglich der Böschungsmauer zu dem Grundstück Nr. 98/17 wurde in diesem Ansuchen auf die beiliegende Einverständniserklärung der Eigentümer des Nachbargrundstückes verwiesen, sodass hier die gesetzlichen Bestimmungen des § 6 Abs. 3 lit. c TBO 2001 erfüllt seien.

Mit Bescheid vom 18. März 2004 (dem Mitbeteiligten zugestellt am 19. März 2004) wies der Gemeindevorstand der Beschwerdeführerin die gegen den baupolizeilichen Bescheid vom 26. November 2003 erhobene Berufung des Mitbeteiligten ab.

Der dagegen erhobenen Vorstellung des Mitbeteiligten gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid Folge, behob den bekämpften Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der Beschwerdeführerin.

Die belangte Behörde führte dazu aus, dass mit Bescheid des Bürgermeisters die Beschwerdeführerin vom 24. September 2003 gemäß den vorliegenden Planunterlagen (Nordostansicht und Schnitt) die Böschungs- oder Stützmauer mit einer mittleren Höhe von 3,50 m und im Mindestabstandsbereich mit 2,00 m genehmigt worden sei. Allerdings sei auf Grund der vorgelegten Aktenunterlagen und der Stellungnahme des Sachverständigen Architekt DI L. vom 19. November 2003 nicht gänzlich nachvollziehbar, ob die vorgenommene Ausführung den vorgelegten Planvorlagen entspreche. Die Berufungsbehörde hätte den Sachverständigen daher auffordern müssen, seine Stellungnahme durch eine Naturbestandsaufnahme und die Berechnung der bestehenden Hanglage zu ergänzen. Weiters habe der Erstmitbeteiligte am 27. Februar 2004 mit den betroffenen Nachbarn nachweislich eine Vereinbarung über die Errichtung der Stützmauer im Mindestabstandsbereich zu dem Grundstück Nr. 98/17, KG Z., bis zu einer Höhe von 3,50 m abgeschlossen. Aus den vorgelegten Aktenunterlagen ergebe sich, dass diese Vereinbarung der Beschwerdeführerin gemäß dem Eingangsstempel am 18. März 2004 zugekommen sei. Der mit 18. März 2004 datierte Berufungsbescheid sei dem Erstmitbeteiligten erst am 19. März 2004 gemäß dem Rückschein zugestellt worden und gelte somit erst ab diesem Zeitpunkt als erlassen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei der Entscheidung der Berufungsbehörde, falls sich der zu Grunde liegende Sachverhalt nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides ändere, die Sachlage zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides zu Grunde zu legen. Es hätte also die nachträglich eingereichte Zustimmungserklärung der Eigentümer des Grundstückes Nr. 98/17, KG Z., zur Zulässigkeit einer (allenfalls) höheren Ausführung der Böschungs- bzw. Stützmauer, von der Berufungsbehörde berücksichtigt werden müssen.

Insoweit hätte der Gemeindevorstand der Beschwerdeführerin der eingebrachten Berufung des Erstmitbeteiligten Folge geben müssen, da die Ausführungen des Sachverständigen zur Ausführung des Bauvorhabens unzureichend und die (allenfalls) höhere Ausführung der Stütz- bzw. Böschungsmauer im Mindestabstandsbereich zu Grundstück Nr. 98/17, KG Z., durch die erteilte Zustimmung der Nachbarn saniert sei.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Gemeinde macht geltend, dass eine nach Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides vom 24. September 2003 abgegebene Zustimmungserklärung diesen nicht mehr zu ändern vermöge. Von einer rechtlichen Sanierung durch die vorgelegte Zustimmungserklärung der Nachbarn könne keine Rede sein. Es treffe nicht zu, dass der Mitbeteiligte in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden sei. Unrichtig sei auch, dass die Ausführungen des Amtssachverständigen nicht nachvollziehbar und ergänzungsbedürftig gewesen wären. Das Bauansuchen des Erstmitbeteiligten vom 1. März 2004 betreffend eine Tektur zu den genehmigten Einreichplänen sei wesentlich später als einen Monat nach Untersagung der weiteren Bauführung im Sinne des § 33 Abs. 3 TBO 2001 eingebracht worden. Es sei somit kein fristgerechtes Bauansuchen vorgelegen.

Eine Rechtsverletzung der beschwerdeführenden Gemeinde kommt im Falle eines aufhebenden Vorstellungsbescheides nur im Hinblick auf die die Aufhebung tragenden Gründe in Betracht. Nur diese sind für das fortgesetzte Verfahren verbindlich (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2004, Zl. 99/06/0016). Die Aufhebungsgründe des angefochtenen Bescheides waren, dass "die Ausführungen des Sachverständigen zur Ausführung des Bauvorhabens unzureichend" (es sei - wie an anderer Stelle der Begründung ausgeführt wird - auf Grund der vorgelegten Akten und der Stellungnahme des Sachverständigen Architekt Dipl. Ing. L. vom 19. November 2003 nicht gänzlich nachvollziehbar, ob die vorgenommene Ausführung den vorgelegten Planunterlagen entspreche) "und die (allenfalls) höhere Ausführung der Stütz- bzw. Böschungsmauer im Mindestabstandsbereich zu Gst. 98/17, KG Z..., durch die erteilte Zustimmung der Nachbarn saniert" seien.

Soweit die beschwerdeführende Gemeinde die Ausführungen des Sachverständigen für nicht nachvollziehbar erachtet, sind diese Ausführungen in der Stellungnahme des Sachverständigen vom 19. November 2003 näher zu prüfen.

Der Sachverständige Architekt Dipl. Ing. H.L. nahm wie folgt Stellung:

"Auf Grundlage des Einreichplanes und des Aufmaßes durch die Gemeinde B am 17.11.2003 der nordostseitig am Grundstück situierten Böschungsmauer in Form einer Steinschlichtung (Steinwurf), gebe ich als hochbautechn. Sachverständiger der Marktgemeinde B auftragsgemäß meine Stellungnahme dazu ab:

Im Einreichplan ist die gegenständliche Böschungs- und Stützmauer mit einer mittleren Höhe von 3,50 Meter und in den jeweiligen Mindestabstandsbereichen mit einer Höhe von 2,00 Meter bemaßt (siehe Nordostansicht und Schnitt).

Diese Höhen wurden auf Grund des Verhandlungsergebnisses anlässlich der Bauverhandlung mit Lokalaugenschein baubehördlich genehmigt.

Dem Aufmaßblatt der Gemeinde B vom 17.11.03 ist nun zu entnehmen, dass die bewilligte Höhe der Stützmauer über die gesamte Länge überschritten wurde. Die Höhenentwicklung beträgt ca. 4,25 m außerhalb der Mindestgrenzabstände, jedoch auch innerhalb dieser Abstände von jeweils 4.00 m wurde die zulässige Höhe von 2,00 m (lt. § 6. Abs. (3) lit. c) TBO 2001) überschritten.

Somit wurde das Verhandlungsergebnis und die Auflagen des Baubescheides nicht eingehalten. Eine Reduzierung der Mauerhöhe auf das bewilligte Ausmaß müsste erfolgen."

Dieser Stellungnahme liegt ein mit dem Stempel der Beschwerdeführerin versehener und am 17. November 2003 mit einer nicht leserlichen Unterschrift gefertigter Plan mit den Aufmaßen der Böschungsmauer bei.

Dieser Rüge der Beschwerdeführerin kommt keine Berechtigung zu, weil sich der Sachverständige bei seinen Feststellungen über die tatsächliche Höhe der errichteten Stützmauer allein auf diesen im Akt einliegenden Aufmaßplan (mit handschriftlichen Höhenangaben) gestützt hat, der - wie sich dies nur aus Ausführungen des Sachverständigen in einer Stellungnahme im Vorstellungsverfahren ergibt - vom Amtstechniker der Beschwerdeführerin am 17. November 2003 bei einem Ortsaugenschein erstellt worden sei, über den im Akt selbst nichts enthalten ist. Die belangte Behörde hat diese Feststellungen betreffend die tatsächliche Höhe der errichteten Stützmauer zu Recht als nicht ausreichend nachvollziehbar erachtet und es als notwendig angesehen, dass vom Sachverständigen eine Naturbestandsaufnahme einzuholen ist.

Der weitere Aufhebungsgrund, dass die (allenfalls) höhere Ausführung der Stütz- bzw. Böschungsmauer im Mindestabstandsbereich zum Grundstück Nr. 98/17, KG Z., durch die erteilte Zustimmung der Nachbarn saniert sei, erweist sich aber als rechtswidrig. Eine allenfalls erteilte Zustimmung des Nachbarn zu einer höheren Ausführung der Mauer im Mindestabstandsbereich zu diesem Nachbarn kann einzig und allein in einem weiteren Baubewilligungsverfahren - dieses wurde vom Mitbeteiligten bereits eingeleitet - von Bedeutung sein. Der Umstand, dass noch vor Erlassung des Berufungsbescheides im baupolizeilichen Verfahren die Zustimmungserklärung der Nachbarn abgegeben wurde, bewirkt nicht, dass im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine Baubewilligung für die höhere Ausführung der Mauer vorgelegen wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Auf das Vorbringen in der Beschwerde, dass entgegen § 33 Abs. 3 TBO 2001 mit dem Ansuchen vom 1. März 2003 nicht innerhalb eines Monates nach Untersagung der weiteren Bauausführung um die nachträgliche Erteilung der Baubewilligung für das Bauvorhaben angesucht wurde, brauchte nicht eingegangen zu werden, da dies kein Aufhebungsgrund des angefochtenen Bescheides war. Angemerkt wird dazu aber, dass für die in § 33 Abs. 3 TBO 2001 normierte einmonatige Frist ab der Untersagung der Bauausführung die rechtskräftig erfolgte Untersagung als maßgeblich angesehen werden muss (vgl. in diesem Sinne Schwaighofer, Tiroler Baurecht, 2003, S 253 Rz 16 zu § 33).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des konkreten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 29. November 2005

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Rechtskraft Besondere Rechtsgebiete Baurecht Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004060099.X00

Im RIS seit

08.01.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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