TE OGH 1990/6/20 2Ob58/90

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Veröffentlicht am 20.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Melber, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ilse D***, Hausfrau, Pestalozzistraße 89, 8704 Leoben, vertreten durch Dr.Alois Eichinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien

1. Christine K***, Private, Pestalozzistraße 89, 8704 Leoben, vertreten durch Dr.Kurt Hanusch und Dr.Heimo Jilek, Rechtsanwälte in Leoben, 2. V*** ZUR S*** VON A***, Organisation Buglkraxn, Donawitzerstraße 7, 8700 Leoben, vertreten durch Dr.Gerhard Delpin, Rechtsanwalt in Leoben, wegen S 44.940 sA und Feststellung infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 9.Oktober 1989, GZ 4 a R 179/89-33, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 29.Mai 1989, GZ 5 Cg 422/88-25, hinsichtlich der erstbeklagten Partei bestätigt und hinsichtlich der zweitbeklagten Partei abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revisionsbeantwortung der zweitbeklagten Partei wird zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung hinsichtlich der zweitbeklagten Partei zu lauten hat:

"1. Die zweitbeklagte Partei ist zur ungeteilten Hand mit der erstbeklagten Partei schuldig, der klagenden Partei einen Betrag von

S 41.620 samt 4 % Zinsen seit 10.11.1988 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, daß die zweitbeklagte Partei zur ungeteilten Hand mit der erstbeklagten Partei der klagenden Partei für die Hälfte sämtlicher aufgrund des Vorfalles vom 21.12.1986, 9 Uhr 30, in Donawitz noch auftretenden Schäden haftet.

3. Das Mehrbegehren, die zweitbeklagte Partei sei weiters schuldig, der klagenden Partei einen Betrag von S 3.320 samt 4 % Zinsen seit 23.7.1987 sowie 4 % Zinsen aus dem Betrag von S 41.620 vom 23.7.1987 bis 9.11.1988 zu bezahlen, wird abgewiesen.

4. Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei an Kosten des Verfahrens erster Instanz einen Betrag von S 16.087,50 (darin enthalten S 2.681,25 Umsatzsteuer), davon S 8.043,75 zur ungeteilten Hand mit der erstbeklagten Partei, binnen 14 Tagen zu ersetzen.

5. Die zweitbeklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei an Kosten des Berufungsverfahrens S 9.637,18 (darin S 1.606,20 Umsatzsteuer), davon S 4.818,58 zur ungeteilten Hand mit der erstbeklagten Partei, binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.292,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 548,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Ehegatte der Klägerin ist Mieter einer Wohnung des Hauses Pestalozzistraße 89 in Leoben. Eigentümerin dieses Hauses ist die Erstbeklagte, die der Zweitbeklagten die Schneeräumung und Bestreuung der Gehsteige und Gehwege entlang der öffentlichen Verkehrsflächen, der Hofflächen und der sonstigen Zugänge innerhalb der Liegenschaft übertrug. Am 21.12.1986 zog sich die Klägerin bei einem Sturz im Bereich der Hauseinfahrt Verletzungen zu. Die Klägerin brachte vor, die Einfahrt sei weder vom Schnee geräumt noch bestreut gewesen. Die Klägerin anerkenne aber ein eigenes Mitverschulden am Unfall von 50 %. Sie erachtet einen Schaden von S 89.880 (Schmerzengeld S 70.000, Pflege und Aushilfskosten S 17.880 sowie Telefonspesen und Barauslagen S 2.000) für berechtigt. Hievon forderte sie die Hälfte, somit S 44.940 zur ungeteilten Hand von den Beklagten. Außerdem begehrte sie die Feststellung, daß ihr die beklagten Parteien für die Hälfte sämtlicher aufgrund des Vorfalles vom 21.12.1986 noch entstehenden Schäden haften.

Die Beklagten wendeten ein, die Schneeräumung und Bestreuung sei durchgeführt worden, die Klägerin habe eine nicht für Fußgänger benützte Fläche begangen. Auch die Höhe der Forderung wurde bestritten.

Das Erstgericht erkannte die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin den Betrag von S 41.620 sA zu bezahlen. Außerdem erkannte das Erstgericht im Sinne des Feststellungsbegehrens. Das Leistungsmehrbegehren von S 3.320 sA wurde abgewiesen. Das Erstgericht stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Der Eingang des Hauses Pestalozzistraße 89 ist nur über die 4 m breite, nicht asphaltierte Einfahrt zu erreichen. Diese Einfahrt weist keinen getrennten Teil als Gehweg auf. Die Hausbewohner pflegen einen etwa 1 m breiten Streifen entlang der Südfront des Hauses als Gehweg zu benützen. Die von der zweitbeklagten Partei in der Vereinbarung mit der Erstbeklagten übernommene Verpflichtung zur Schneeräumung und Bestreuung ist im Bereich der Einfahrt auf einen 1 m breiten Streifen als Zugang zum Haustor eingeschränkt. Zeitlich wurde diese Verpflichtung täglich von 6 bis 22 Uhr fixiert. In der Vereinbarung ist festgehalten, daß während dieser Zeit die Flächen von Schnee und Verunreinigungen gesäubert und bei Schnee und Glatteis ordnungsgemäß bestreut sein müssen. Mit der Vereinbarung übernahm die zweitbeklagte Partei auch die Haftung für die eingegangenen Verpflichtungen, sie verpflichtete sich, die Erstbeklagte für den Fall ihrer Inanspruchnahme schad- und klagslos zu halten. Die zweitbeklagte Partei hat bei ca 30 Häusern in und außerhalb der Stadt Leoben die Gehsteigbetreuung übernommen. Mit den Arbeiten wurde jeweils in der Stadt begonnen, zwischen 8 Uhr und 8 Uhr 30 erfolgte die Räumung und Bestreuung im Stadtteil Donawitz. Die zweitbeklagte Partei hielt die vereinbarte Zeit also nicht genau ein, es kam auch vor, daß die Erstbeklagte, wenn die zweitbeklagte Partei ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen war, den 1 m breiten Streifen entlang der Hausfront selbst säuberte und bestreute. Der Klägerin und den übrigen Hausbewohnern waren diese Umstände bekannt. War der Streifen entlang der südlichen Hausfront geräumt, dann benützte ihn die Klägerin, ansonsten ging sie in den Fahrrillen der Einfahrt. Am 20.12.1986 säuberte die zweitbeklagte Partei den Streifen von Schnee und Eis und bestreute ihn mit Streusplitt. In der Nacht zum 21.12.1986 fielen etwa 3 cm Schnee. Der Neuschnee bedeckte die Einfahrt und machte die am Vortag vorgenommene Bestreuung unsichtbar. Am 21.12.1986 verließ die Klägerin gegen 9 Uhr 30 gemeinsam mit ihrer Tochter das Haus. Sie trug Stiefel mit flachen Absätzen und hängte sich in ihre Tochter ein. Da der 1 m breite Streifen nicht geräumt war, benützten die beiden Frauen den Mittelbereich der Einfahrt zum Gehen, wo bereits Fahrspuren von Fahrzeugen vorhanden waren. Die Klägerin ging in einer dieser Fahrspuren. Sie rutschte in der glattgefahrenen Fahrspur aus und stürzte. Sie erlitt eine Verrenkung der rechten Kniescheibe mit einer Zerreißung der mit der Kniescheibe verwachsenen Gelenkskapsel. Der Klägerin wurde im Krankenhaus eine Oberschenkelspaltgipshülse angelegt. Nach neun Tagen wurde der Spaltgips durch einen geschlossenen Gehgips ersetzt, den die Klägerin drei Wochen getragen hat. Zum Gehen benutzte die Klägerin zwei Armstützkrücken. Anschließend unterzog sich die Klägerin bis zum 27.2.1987 einer Physikotherapie. Bis zu diesem Zeitpunkt benützte sie noch Gehhilfen, und zwar ein bis zwei Stöcke oder Armstützkrücken. Die Klägerin war in der Zeit vom 21.12.1986 bis 28.2.1987 in der Haushaltsführung weitestgehend behindert. Sie konnte weder schwere noch mittelschwere und bei der bis dahin gegebenen Verwendung der Armstützkrücken auch keine leichten Arbeiten verrichten. Der Haushalt der Klägerin umfaßt zwei erwachsene Personen und zwei Kinder. Bis zum Sturz hat die Klägerin sämtliche im Haushalt anfallenden Arbeiten verrichtet. Ab dem Unfall war sie bis Ende Februar 1987 hiezu nicht mehr in der Lage. Sie hat den Pensionisten Leopold D***, ihren Ehegatten und ihre Mutter beauftragt, ihre Pflege und Versorgung sowie die im Haushalt anfallenden Arbeiten zu übernehmen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, die im § 93 StVO normierten Anrainerpflichten könnten auf den Hofraum eines Hauses nicht ausgedehnt werden. Die Erstbeklagte habe jedoch die Nebenverpflichtung aus dem Bestandvertrag getroffen, den Bestandnehmern und den diesen nahestehenden Personen einen brauchbaren Zugang zum Haus zu verschaffen und diesen bei Schnee und Eis zu räumen und zu bestreuen. Diese Verpflichtung könne gemäß § 93 Abs 5 StVO durch ein Rechtsgeschäft mit der Wirkung übertragen werden, daß eine Haftung des Liegenschaftseigentümers nur für Verschulden bei der Auswahl des Besorgungsgehilfen unter den Voraussetzungen des § 1315 ABGB bestehe. Die Erstbeklagte habe davon Kenntnis gehabt, daß die zweitbeklagte Partei ihre Pflichten nicht erfülle und habe nach den Feststellungen in den Morgenstunden des 21.12.1986 gesehen, daß die zweitbeklagte Partei ihrer Verpflichtung nicht nachkomme. Ein mehrmaliges Versagen begründe in der Regel Untüchtigkeit. Der zweitbeklagten Partei sei somit Untüchtigkeit in der Besorgung der übernommenen Verpflichtung anzulasten und die Erstbeklagte habe hievon Kenntnis gehabt, so daß die Haftung für die Folgen des Sturzes der Klägerin gegeben sei. Aber auch die Klägerin treffe ein Mitverschulden, weil sie nicht den vorgesehenen Zu- und Abgang benützt habe, sondern eine in der Mitte der Einfahrt befindliche ausgefahrene Fahrspur. Es sei allgemein bekannt, daß gerade Fahrspuren sehr glatt seien. Es sei eine gleichteilige Verschuldensteilung vorzunehmen. Ein Schmerzengeld von S 70.000 sei angemessen. Im Sinne des § 273 ZPO werde ein täglicher Aufwand für die Pflege der Klägerin und die Verrichtung der im Haushalt anfallenden Arbeiten einschließlich Einkauf u.dgl. von drei Stunden angenommen. Bei einem ortsüblichen Stundenlohn von S 60 errechne sich ein Betrag von S 12.240. Die Klägerin sei jeweils mit dem PKW zur ambulanten Behandlung und Physikotherapie in das Krankenhaus gebracht worden, im Krankenhaus habe sie Trinkgelder gegeben, im Zusammenhang mit dem Unfall habe sie auch Telefongespräche geführt. Die dadurch entstandenen Kosten würden gemäß § 273 ZPO mit S 1.000 festgesetzt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Erstbeklagten nicht Folge, wohl aber jener der zweitbeklagten Partei und änderte das Ersturteil dahin ab, daß das gegen die zweitbeklagte Partei gerichtete Leistungs- und Feststellungsbegehren abgewiesen werde. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteige und die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 aF ZPO nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht führte aus, ein Eingehen auf die Beweisrüge der zweitbeklagten Partei erübrige sich, weil eine Haftung dieser Partei ausgeschlossen sei. Als Rechtsgründe für die Klagsforderung kämen grundsätzlich die Wegehalterhaftung nach § 1319 a ABGB, die Verletzung der Schutznorm des § 93 Abs 1 StVO und die Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Bestandvertrag in Betracht. § 1319 a ABGB setze grobes Verschulden voraus, welches nicht behauptet worden sei. § 93 Abs 1 StVO sei nicht anwendbar, weil die Klägerin nicht auf einer der in dieser Bestimmung genannten Verkehrsfläche gestürzt sei. Die Erstbeklagte habe jedoch als Nebenpflicht aus dem Bestandvertrag nach § 1096 ABGB den Zugang zu säubern und zu bestreuen gehabt. Diese Verpflichtung bestehe auch gegenüber den der Vertragsleistung nahestehenden Dritten. Die Erstbeklagte hafte gemäß § 1313 a ABGB für das Verschulden ihres Erfüllungsgehilfen, und zwar auch bei leichter Fahrlässigkeit. Die zweitbeklagte Partei habe die Streupflicht verletzt. Es könne als sicher gelten, daß die Klägerin auf dem bestreuten Streifen gegangen wäre, wenn ein solcher vorhanden gewesen wäre und daß sie wegen der Abdeckung des Streusplitts durch Neuschnee mangels einer neuerlichen Bestreuung auf die Einfahrt ausgewichen sei. Der Unfall sei somit auf jeden Fall durch die Nichterfüllung der Streupflicht verursacht worden. Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen habe, habe derjenige, der seiner Streupflicht nicht nachkomme, für die Gefahren einzustehen, die sich dadurch ergeben, daß Passanten dorthin auszuweichen versuchen, wo ihrer Meinung nach die Gefahr von Schnee und Eis am geringten sei. Der Umstand, daß die Klägerin am Tag vorher gesehen habe, daß der 1 m breite Streifen geräumt und bestreut gewesen sei, könnte höchstens ein Mitverschulden der Klägerin von 50 % begründen. Die Haftung der Erstbeklagten für 50 % der Schäden der Klägerin sei daher gegeben. Die zweitbeklagte Partei sei zur Klägerin hingegen in keinem Schuldverhältnis gestanden, es treffe sie daher keine Nebenverpflichtung aus dem Bestandvertrag. Die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens könne auch nicht aus der rechtlichen Sonderverbindung zwischen Schuldner (Erstbeklagter) und Gläubiger (Klägerin) abgeleitet werden. Daher komme auch ihre Haftung wegen Verletzung der Pflichten aus einem Schuldverhältnis nicht in Betracht. Der Erfüllungsgehilfe hafte dem Gläubiger demnach nur dann, wenn sein Verhalten unabhängig von der Existenz des Schuldverhältnisses rechtswidrig sei, er also gegenüber dem Gläubiger deliktisch hafte. Da Anhaltspunkte für eine Haftung der zweitbeklagten Partei ex delicto nicht vorlägen und die einen Haftungsdurchgriff ermöglichenden Bestimmungen der §§ 1319 a ABGB und 93 StVO aus den bereits erörterten Gründen hier nicht zur Anwendung kommen könnten, fehle ein Rechtsgrund für die Haftung der zweitbeklagten Partei.

Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes, soweit damit das gegen die zweitbeklagte Partei gerichtete Begehren abgewiesen wurde, mit außerordentlicher Revision, macht als Anfechtungsgrund unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt die Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin, der die Mitteilung über die Freistellung der Revisionsbeantwortung (§ 507 Abs 2 ZPO) am 30.4.1990 zugestellt worden war, gab am 29.5.1990, also nach Ablauf der vierwöchigen Frist, eine Revisionsbeantwortung zur Post. Diese war als verspätet zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Ohne Zweifel war die Erstbeklagte Halterin des Weges, auf welchem die Klägerin stürzte. Sie übertrug die ihr obliegende Pflicht zur Schneeräumung und Bestreuung der zweitbeklagten Partei, einem selbständigen Unternehmer mit eigenem Organisations- und Verantwortungsbereich. Daher hat nach ständiger Rechtsprechung dieser Unternehmer zu haften. Da er nicht zu den "Leuten" im Sinne des § 1319 a ABGB gehört, kommt ihm das in dieser Gesetzesstelle normierte "Haftungsprivileg" nicht zu (SZ 52/33; RZ 1979/60; ZVR 1988/128; 2 Ob 51/89 ua; vgl auch Koziol2 II 66, 204). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes haftet die Zweitbeklagte daher, wenn sie der vertraglich übernommenen Pflicht zur Schneeräumung und Bestreuung nicht nachkam, auch dann, wenn ihr nur leichte Fahrlässigkeit anzulasten ist, für den Schaden der Klägerin. Bei Beurteilung der Frage, ob die zweitbeklagte Partei die vertraglich übernommene Verpflichtung, den 1 m breiten Streifen von Schnee zu räumen und zu bestreuen, verletzte, ist davon auszugehen, daß nach dem in der Nacht erfolgten Schneefall keine Räumung oder Bestreuung vorgenommen wurde. Die zweitbeklagte Partei hat die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über die Höhe des Neuschnees zwar bekämpft und das Berufungsgericht nahm dazu nicht Stellung, die genaue Höhe des Neuschnees ist jedoch ohne Bedeutung. Auch die zweitbeklagte Partei führte zum Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung aus, der Streusplitt auf dem Streifen entlang der Hausmauer sei durch den Neuschnee optisch nicht erkennbar gewesen. Auch wenn der vom Vortag stammende Streusplitt noch wirksam gewesen sein sollte, war dies somit nicht erkennbar, weshalb die zweitbeklagte Partei auch für die Gefahr einzustehen hat, die sich dadurch ergab, daß die Klägerin dort ging, wo ihrer Meinung nach die Gefahr von Schnee und Eisglätte am geringsten war (ZVR 1967/187; 1 Ob 536/83). Die zweitbeklagte Partei hat daher die übernommene Pflicht zur Schneeräumung und Bestreuung verletzt und haftet für den Schaden der Klägerin. Auch wenn man der Klägerin das Gehen in einer Fahrspur als Mitverschulden anlastet, ist das Verschulden der zweitbeklagten Partei jedenfalls gleich hoch, weshalb das Begehren auf Ersatz des halben Schadens berechtigt ist.

Die zweitbeklagte Partei hatte in ihrer Berufung auch die Höhe der Ansprüche bekämpft, es ist daher auch dazu Stellung zu nehmen. Auf die Berufungsausführungen der zweitbeklagten Partei zur Schmerzengeldbemessung braucht nicht eingegangen zu werden, weil dort das Schmerzengeld zwar als überhöht bezeichnet wird, eine Angabe, auf welchen Betrag eine Herabsetzung erfolgen soll, aber fehlt. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung aber erforderlich, auch wenn die Entscheidung dem Grunde nach voll angefochten wurde (2 Ob 60/70 ua, zuletzt 2 Ob 146/89).

Hinsichtlich der Auslagen für eine Haushaltshilfe bekämpfte die zweitbeklagte Partei in der Berufung die Feststellungen über das Ausmaß der Behinderung bei den Haushaltsarbeiten, hielt eine Feststellung darüber für erforderlich, welche Hausarbeiten mit einem Gehgips möglich sind, bestritt die Richtigkeit der Feststellungen darüber, welche Hausarbeiten wegen der Verletzung der Klägerin von anderen Personen verrichtet wurden und vertrat die Ansicht, für eine Haushaltshilfe wäre nicht ein Stundenlohn von S 60, sondern nur von S 50 angemessen.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß die Feststellungen über den Spaltgips, den geschlossenen Gipsverband und die Benützung von Krücken unbekämpft blieben. Daß die Klägerin dadurch bei der Hausarbeit behindert war, kann nicht zweifelhaft sein und wird auch von der zweitbeklagten Partei nicht bestritten. Die Höhe des Anspruches auf Pflege- und Aushilfskosten hat das Erstgericht zutreffend nach § 273 ZPO ermittelt, da eine genaue Berechnung nicht möglich ist. Es ist daher nicht erforderlich, genaue Feststellungen zu treffen, welche Hausarbeiten die Klägerin im einzelnen nicht durchführen konnte. Darin, daß das Erstgericht bei Errechnung dieses Schadenersatzbetrages unter Heranziehung des § 273 ZPO vom Erfordernis einer Hilfskraft für drei Stunden täglich ausging und einen Betrag von S 60 pro Stunde als angemessen erachtete, kann keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden. Darauf, ob tatsächlich eine Ersatzkraft eingesetzt und bezahlt wurde, kommt es nicht an (EFSlg 43.522 uva), die Feststellungen, welche Personen welche Arbeiten für die verletzte Klägerin verrichteten, sind daher ohne Bedeutung. Auch die Annahme von Kosten für Fahrten, Trinkgelder und Telefonspesen im Ausmaß von insgesamt S 1.000 findet in § 273 ZPO ihre Deckung.

Entgegen der in der Berufung der zweitbeklagten Partei vertretenen Ansicht ist auch das Feststellungsbegehren berechtigt, weil nach den Feststellungen nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Verletzungsfolgen zumindest eine Mitursache für einen späteren Schaden sein können.

Die Berufungsausführungen der zweitbeklagten Partei waren somit zur Gänze nicht berechtigt, weshalb der Revision der Klägerin stattzugeben war.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens überdies auf § 50 ZPO. Die Abänderung führt dazu, daß auch die zweitbeklagte Partei den auf sie entfallenden Kostenanteil der Klägerin zu ersetzen hat, wobei sie aufgrund der Solidarhaftung auch für die Kosten mithaftet, die die Erstbeklagte der Klägerin zu ersetzen hat.

Anmerkung

E21362

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00058.9.0620.000

Dokumentnummer

JJT_19900620_OGH0002_0020OB00058_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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