TE OGH 1990/6/20 2Ob573/90

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Veröffentlicht am 20.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Melber, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als weitere Richter in der Pflegschaftssache betreffend Brigitte (geboren am 30.August 1969), Andreas (geboren am 25.September 1970), Anita (geboren am 12.März 1973) und Roland (geboren am 4.Juni 1975) B***, infolge Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 30.April 1990, GZ 18 R 56/90-129, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Freistadt vom 18.Dezember 1989, GZ P 35/84-125, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

In der Zeit, in der Albert B*** (in der Folge: Vater) eine Freiheitsstrafe verbüßte, erhielten seine vier ehelichen Kinder von April 1984 bis März 1988 Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 3 UVG. Der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz stellte den Antrag, den Vater gemäß § 29 UVG zur Rückzahlung von Unterhaltsvorschüssen von insgesamt S 335.520 zu verpflichten.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater zur Rückzahlung dieses Betrages in 59 Monatsraten a S 5.591 und einer 60. Rate von S 5.631 ab 1.2.1990 bei Terminsverlust. Es ging bei dieser Entscheidung davon aus, daß der Vater ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen von S 20.870,89 bezieht, Unterhalt von monatlich S 6.000 zu leisten hat und die Belastung des Einkommens auf Grund von Exekutionen pro Monat durchschnittlich S 1.065 beträgt. Auf Grund des verbleibenden freien Einkommens von rund S 14.000 monatlich erachtete das Erstgericht die Leistungsfähigkeit des Vaters zur Rückzahlung der Vorschüsse in Raten für gegeben. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Antrag des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz abgewiesen wurde. Das Gericht zweiter Instanz erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es traf folgende ergänzende Feststellungen:

Der Vater hat vom ersten Tag seiner Entlassung an immer wieder betont, daß nur ein entsprechendes finanzielles Auskommen ihn von einer möglichen Rückfälligkeit bewahren würde. Dies hat ihn auch veranlaßt, eine außerordentlich strapaziöse Monatetätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland zu beginnen, wo er beispielsweise bei -15o Alufassaden montierte. Der Vater reagiert auf kleine Störungen mit Rückfallstendenzen. So hat er etwa vor einem Jahr versucht, private Spannungen durch einen Diebstahl zu lösen. Daraufhin wurde die Probezeit auf 5 Jahre verlängert. Sollte der Vater zur Rückzahlung der Unterhaltsvorschüsse verpflichtet werden, wäre der Resozialisierungserfolg wesentlich gefährdet.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht im wesentlichen aus, der Unterhaltsschuldner könne nicht allgemein zur Rückzahlung der Vorschüsse nach § 4 Z 3 UVG verpflichtet werden. Dies folge schon daraus, daß die Unterhaltspflicht im allgemeinen während der Zeit der Haft ruhe. Nur in Ausnahmefällen, in denen es von jedermann geradezu als ein Gebot der Billigkeit angesehen werde, den Unterhaltsschuldner nach seiner Haftentlassung zur gänzlichen oder teilweisen Rückzahlung der Vorschüsse heranzuziehen, so etwa, wenn dem Unterhaltsschuldner ein größeres Vermögen zufalle oder er ein besonders hohes Einkommen beziehe, sei er zur Rückzahlung der Vorschüsse zu verpflichten. Im vorliegenden Fall käme höchstens das etwas höhere Einkommen des Vaters als besonderer Ausnahmsgrund in Betracht, der eine Rückzahlungsverpflichtung rechtfertigte. Das dem Vater verbleibende Einkommen von unter S 15.000 könne aber keinesfalls als "besonders hohes Einkommen" angesehen werden, auf Grund dessen der Vater auch nur zur teilweisen Rückzahlung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 3 UVG verpflichtet werden könnte. Hinzu komme, daß nach den ergänzenden Feststellungen des Rekursgerichtes bei einer Rückzahlungsverpflichtung des Vaters der bisher sehr gut angelaufene Resozialisierungsprozeß gefährdet wäre, was schon nach dem Text des § 29 Abs. 1 UVG einen wesentlichen Hinderungsgrund für eine Rückzahlungsverpflichtung darstelle.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz gegen den Beschluß des Rekursgerichtes gerichtete Revisionsrekurs ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichshofes zu der hier maßgeblichen Frage fehlt, er ist jedoch nicht berechtigt. Gemäß § 4 Z 3 UVG sind Unterhaltsvorschüsse auch zu gewähren, wenn dem Unterhaltsschuldner auf Grund einer Anordnung in einem strafgerichtlichen Verfahren länger als einen Monat im Inland die Freiheit entzogen wird und er deshalb seine Unterhaltspflicht nicht erfüllen kann. Gemäß § 29 Abs. 1 UVG hat der Unterhaltsschuldner Vorschüsse nach § 4 Z 3 unmittelbar dem Bund zu Handen des Präsidenten des Oberlandesgerichtes zurückzuzahlen, soweit dies nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Unterhaltsschuldners unter Berücksichtigung seiner Sorgepflichten und unter Beachtung der Zwecke des Strafvollzugs (§ 20 Abs. 1 StVG) aus Gründen der Billigkeit geboten scheint und seine wirtschaftliche Fähigkeit zur Schadensgutmachung nicht beeinträchtigt. Der Unterhaltsschuldner ist somit im allgemeinen nicht verpflichtet, die gemäß § 4 Z 3 UVG gewährten Vorschüsse zurückzuzahlen, sondern nur, wenn dies bei Vorliegen der im Gesetz angeführten Umstände aus Gründen der Billigkeit geboten erscheint. Dies bringen auch die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 276 BlgNR 15. GP 17 klar zum Ausdruck, in welchen folgendes ausgeführt wird:

"Daß der Unterhaltsschuldner nicht allgemein zur Rückzahlung dieser Vorschüsse verhalten werden kann, folgt schon daraus, daß ja nach dem bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsrecht die Unterhaltspflicht während der Zeit der Haft im allgemeinen - mangels eines ausreichenden Einkommens oder Vermögens des Unterhaltsschuldners - ruht. Auch würde eine solche Regelung nicht mit der Überlegung im Einklag stehen, daß die Vorschüsse gleichsam als ein Teil der Entlohnung des Strafgefangenen für die während der Haft erbrachten Arbeitsleistungen anzusehen sind. Dennoch sind Fälle denkbar, in denen es von jedermann gerade als ein Gebot der Billigkeit angesehen wird, den Unterhaltsschuldner nach seiner Haftentlassung zur gänzlichen oder teilweisen Rückzahlung der Vorschüsse heranzuziehen, so etwa, wenn dem Unterhaltsschuldner ein größeres Vermögen zufällt oder er ein besonders hohes Einkommen bezieht. Der Umstand, daß die Vorschüsse aus den Mitteln des Familienlastenausgleichsfonds gewährt werden, rechtfertigt es, den Unterhaltsschuldner in diesem Ausnahmsfall in Anspruch zu nehmen."

Ein solcher Ausnahmsfall, bei dem es aus Gründen der Billigkeit geboten erscheint, den Unterhaltsschuldner zur Rückzahlung der Unterhaltsvorschüsse zu verpflichten, liegt hier nicht vor. Dafür, daß er über ein Vermögen verfügt, bestehen keinerlei Anhaltspunkte, als Rechtfertigung einer Rückzahlungsverpflichtung könnte daher nur sein Arbeitsverdienst herangezogen werden. Mag dieser auch über dem Durchschnitt liegen, so kann doch von einem besonders hohen Einkommen nicht gesprochen werden. Da nach § 29 Abs. 1 UVG die Sorgepflichten zu berücksichtigen sind, müssen die Unterhaltsleistungen jedenfalls vom Einkommen abgezogen werden. Da Gründe der Billigkeit maßgebend sind, ist es auch gerechtfertigt, Rücksicht auf die auf Exekution zurückzuführenden Belastungen des Einkommens zu nehmen. Dem Vater steht somit ein Monatseinkommen von etwas weniger als S 14.000 zur Verfügung. Da bei der Entscheidung über die Rückersatzpflicht auch die Zwecke des Strafvollzuges zu berücksichtigen sind, die gemäß § 20 Abs. 1 StVG darin bestehen, den Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepaßten Lebenseinstellung zu verhelfen und sie abzuhalten, schädlichen Neigungen nachzugehen, für die Resozialisierung aber ohne Zweifel eine entsprechende wirtschaftliche Absicherung günstig ist, läßt es der dem Vater monatlich verbleibende Betrag von etwa S 14.000 noch nicht geboten erscheinen, gemäß § 29 UVG eine Rückzahlung der Vorschüsse anzuordnen. Es ist auch darauf Bedacht zu nehmen, daß die über dem Durchschnitt liegende Höhe des Einkommens darauf zurückzuführen ist, daß der Vater eine außerordentlich strapaziöse Montagetätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland verrichtet und es weder der Billigkeit entsprechen noch der Resozialisierung förderlich sein würde, dem Vater den Erfolg seines besonderen Arbeitseinsatzes durch die Verpflichtung zur Rückzahlung der Unterhaltsvorschüsse zu nehmen. Aus diesen Gründen war dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E20900

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00573.9.0620.000

Dokumentnummer

JJT_19900620_OGH0002_0020OB00573_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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