TE OGH 1990/6/26 5Ob38/90

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Veröffentlicht am 26.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Helga M***, Arbeitnehmerin, Wien 2, Engerthstraße 225/9, vertreten durch Dr. Werner Walch, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1.) Shelley V***, Hauseigentümerin, Wien 18, Gentzgasse 23/2/3/7, und 2.) Daphne S***, Hauseigentümerin, Wien 1, Hohenstauffengasse 4, beide vertreten durch Josef Z***, Hausverwalter, Wien 12, Elisabethallee 12, dieser vertreten durch Dr. Friedrich Fleischmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 37 Abs 1 Z 6, 9 MRG, infolge Rekurses der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 7. Dezember 1989, GZ. 41 R 626/89-10, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 1. Juni 1989, GZ. 6 Msch 55/88-6, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin ist Mieterin der Wohnung top Nr 9 in dem den Antragsgegnerinnen gehörigen Haus Wien 2, Engerthstraße 225. Mit ihrem Antrag an die Schlichtungsstelle begehrte Helga M*** die Ersetzung der ihr von den Antragstellern verweigerten Zustimmung zum Einbau der von ihr bei der S*** Fenster- und Türen GesmbH gekauften energiesparenden Kunststoffenster in ihrer Wohnung anstelle der vorhandenen Holzfenster.

Die Antragsgegnerinnen sprachen sich gegen den Antrag aus. Durch die geplante Baumaßnahme werde das äußere Bild des Hauses verändert; diese Maßnahme diene aber auch keinem wichtigen Interesse der Antragstellerin, weil der wärmesparende Effekt auch durch Holzfenster erreicht werden könne. Durch die aufgrund der Isolierglasfenster entstehende unklare Situation bezüglich der Erhaltungspflichten von Innen- und Außenfenstern werde außerdem ein wichtiges Interesse der Antragsgegnerinnen verletzt. Die Antragsgegnerinnen gaben sich mit der diesem Antrag stattgebenden Entscheidung nicht zufrieden und riefen rechtzeitig das Gericht an, das den Antrag im wesentlichen aus den von den Antragsgegnerinnen genannten Gründen abwies.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge, hob den erstgerichtlichen Sachbeschluß auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf. Die Tatsache, daß die gewünschte Wärmedämmung und der angestrebte Schallschutz auch durch Holzfenster erreicht werden könnten, erlaube noch nicht die Schlußfolgerung, der Einbau von Kunststoffenstern entspreche nicht der Übung des Verkehrs oder diene damit nicht einem wichtigen Interesse des Mieters. Auch eine durch gleichwertige Alternativen ersetzbare Maßnahme läge im Interesse des Mieters, wenn sie etwa der Senkung des Energieverbrauches diene. Eine Einschränkung der Zustimmungsverpflichtung auf Veränderungen, die die einzige Möglichkeit darstellten, dem Mieter zum gewünschten Erfolg zu verhelfen, ließe sich der Bestimmung des § 9 MRG nicht entnehmen. Selbst wenn mit Holzfenstern derselbe Wärme- und Schallschutz erzielbar wäre, könnte dem Mieter nicht das wichtige Interesse an der Veränderung abgesprochen werden, wenn er sich für den Einbau von Kunststoffenstern entscheide. Das vom Obersten Gerichtshof in seiner in MietSlg 39.264 veröffentlichten Entscheidung ausgesprochene schutzwürdige Recht des Vermieters, auf Verwendung einheitlichen Materials von ganz bestimmter Art und Beschaffenheit bei den allgemeinen Teilen des Hauses zu bestehen, bestehe nur dann, wenn im Haus nicht bereits Kunststoffenster vorhanden seien, zu deren Duldung der Vermieter auf Grund erteilter Zustimmung oder einer Entscheidung verpflichtet sei, weil dadurch bereits das Erfordernis der Einheitlichkeit des verwendeten Materials beseitigt sei. Das Rekursgericht vermöge auch nicht die Auffassung des Erstgerichtes zu teilen, die Ersetzung zweiteiliger Fenster durch einheitliche Isolierglasscheiben verletze schon deshalb ein berechtigtes Interesse des Vermieters, weil die Frage der Abgrenzung zwischen allgemeinen Teilen des Hauses und dem Mietgegenstand ungeklärt sei; an der Erhaltungspflicht ändere sich nämlich nichts, weil die Isolierglasscheiben dann als Außenfenster anzusehen seien. Ob unter diesem Gesichtspunkt der Einwand der Antragsgegnerinnen gerechtfertigt sei, müsse noch geprüft werden.

Rechtliche Beurteilung

Der von den Antragsgegnerinnen gegen diesen rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß erhobene Rekurs ist nicht berechtigt. Zu Unrecht vertreten die Rekurswerberinnen vorerst den Standpunkt, die Duldungspflicht des Vermieters nach § 9 MRG hinge von einer Interessenabwägung ab, bei der das Interesse des Mieters überwiegen müsse. Bei gleichwertiger Interessenlage sei dem dinglichen Recht des Vermieters der Vorrang einzuräumen. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, daß ein Antrag nach § 9 MRG nur dann erfolgreich sein kann, wenn sämtliche in dieser Gesetzesstelle angeführten Voraussetzungen vorliegen. Das Fehlen auch nur einer einzigen Voraussetzung dieser die widerstreitenden Interessen des Hauptmieters einerseits und des Vermieters sowie der übrigen Mieter des Hauses anderseits ausgewogen berücksichtigenden Voraussetzungen führt dazu, daß der Vermieter nicht gezwungen werden kann, der beabsichtigten Veränderung zuzustimmen; eine Abwägung der Voraussetzungen und der Interessen hat dabei nicht stattzufinden (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 9 zu § 9 MRG; MietSlg. XXXVIII/13 ua).

Voraussetzung für die Duldungspflicht des Vermieters hinsichtlich wesentlicher Veränderungen (Verbesserungen) des Mietgegenstandes ist - abgesehen davon, daß die Veränderungen dem jeweiligen Stand der Technik entsprechend einwandfrei und auf Kosten des Mieters auszuführen sind - der von dem an der Veränderung interessierten Mieter zu erbringende Nachweis, daß die Veränderung der Übung des Verkehrs entspricht und einem wichtigen Interesse des Hauptmieters dient (§ 9 Abs 1 Z 2 MRG). Dem seine Zustimmung verweigernden Vermieter und den übrigen Hauptmietern des Hauses, deren Interessen beeinträchtigt würden, obliegt hingegen die Behauptungs- und Beweispflicht für das Vorliegen der negativen Voraussetzungen iS der Z 5 bis 7 leg cit. Soll die wesentliche Veränderung - so wie hier - der Senkung des Energieverbrauches dienen, so handelt es sich um eine iS des Abs 2 Z 2 der wiederholt genannten Bestimmung privilegierte Arbeit, bei der das Vorliegen der positiven Voraussetzungen des Abs 1 Z 2 unwiderleglich vermutet wird. Die Rekursausführungen, mit welchen das Fehlen eines wichtigen Interesses der Antragstellerin an der beabsichtigten Veränderung dargetan werden soll, gehen daher ins Leere.

Zur Darlegung einer Beeinträchtigung ihrer Interessen kommen die Rechtsmittelwerberinnen neuerlich auf die - entgegen den Ausführungen des Rekursgerichtes - bereits in ihrer Anrufung des Gerichtes behaupteten Probleme bei einer allfälligen Nachbearbeitung, Erneuerung oder Entsorgung von Kunststoffenstern zurück. Da zu diesen Fragen überhaupt keine Feststellungen getroffen wurden, die Realität der geäußerten Befürchtungen daher nicht überblickt werden kann, ist eine Stellungnahme dazu derzeit auch noch nicht möglich.

Was schließlich die vom Rekursgericht relevierte Frage des Rechtes des Hauseigentümers auf Verwendung einheitlichen Materials anlangt, so ist es richtig, daß durch die einmalige zulässigerweise erfolgte Ersetzung der vorhandenen Holzfenster durch Kunststoffenster der Vermieter den Einbau von Kunststoffenstern durch andere Mieter an nicht mehr mit dem bloßen Hinweis auf ein Bedürfnis nach Einheitlichkeit verhindern könnte. Auch wenn allerdings die Einheitlichkeit des Materials damit nicht mehr gegeben wäre, dürften die technische Entwicklung und die in diesem Bereich inzwischen gewonnenen Erfahrungen mit dem neuen Material nicht außer Betracht bleiben. Sollte das neue Material die Erwartungen nicht erfüllt haben, so wäre der Hauseigentümer trotz des Umstandes, daß er einmal dessen Verwendung nicht verhindern konnte, wohl berechtigt, die weitere Verwendung dieses Materials zu untersagen. Natürlich könnten auch andere Umstände dafür sprechen, daß trotz des bereits erfolgten Einbaus von Kunststoffenstern im konkreten Fall wichtige Interessen des Vermietens dagegen sprechen. Zu diesen Fragen kann hier vor Verfahrensergänzung konkret nicht abschließend Stellung genommen werden.

Insoweit die Rekurswerberinnen letztlich meinen, das Rekursgericht hätte die fehlenden Feststellungen selbst treffen können, übersehen sie, daß der Oberste Gerichtshof auch in dem besonderen Verfahren nach dem MRG nur Rechts-, nicht aber auch Tatsacheninstanz ist, und er daher der Ansicht des Rekursgerichtes, der Sachverhalt sei noch nicht genügend geklärt, nicht entgegentreten kann.

Der Rekurs erweist sich somit als nicht berechtigt.

Anmerkung

E21415

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0050OB00038.9.0626.000

Dokumentnummer

JJT_19900626_OGH0002_0050OB00038_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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