TE Vwgh Erkenntnis 2005/11/29 2004/06/0169

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Veröffentlicht am 29.11.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/10 Datenschutz;
41/01 Sicherheitsrecht;
63/08 Sonstiges allgemeines Dienstrecht und Besoldungsrecht;

Norm

BGKV 1993 §1;
DSG 2000 §1 Abs2 idF 2001/I/136;
DSG 2000 §1 Abs3 idF 2001/I/136;
DSG 2000 §1 Abs3 Z2 idF 2001/I/136;
DSG 2000 §1 Abs4 idF 2001/I/136;
DSG 2000 §27 Abs1 idF 2001/I/136;
DSG 2000 §27 Abs3 idF 2001/I/136;
DSG 2000 §4 Z6 idF 2001/I/136;
DSG 2000 §58 idF 2001/I/136;
KanzleiO Bundesgendarmerie 1980 §12 Abs2;
KanzleiO Bundesgendarmerie 1980 §13 Abs1;
KanzleiO Bundesgendarmerie 1980 §14 Abs1;
KanzleiO Bundesgendarmerie 1980 Anh2;
KanzleiO Bundesgendarmerie 1980;
SPG 1991 §10 Abs2 idF 2002/I/104;
SPG 1991 §13 idF 2002/I/104;
SPG 1991 §29 idF 2002/I/104;
SPG 1991 §51 Abs1 idF 2002/I/104;
SPG 1991 §51 Abs2 idF 2002/I/104;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des O C in P, vertreten durch Dr. Helmut Graupner, Rechtsanwalt in Wien 13, Maxingstraße 22-24/4/9, gegen den Bescheid der Datenschutzkommission vom 8. Oktober 2004, Zl. K120.982/0005- DSK/2004, betreffend Ansprüche nach dem Datenschutzgesetz 2000, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde vom Gendarmerieposten B (in der Folge kurz: GP) wegen des Verdachtes, eine Reihe strafbarer Handlungen begangen zu haben, bei der Staatsanwaltschaft W zur Anzeige gebracht und im darauf folgenden gerichtlichen Verfahren vom zuständigen Bezirksgericht in allen ihm zur Last gelegten Punkten (unbestritten rechtskräftig) freigesprochen.

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2004, Zl. 2004/06/0086, zu entnehmen; hervorzuheben ist, dass die damaligen Begehren des Beschwerdeführers gegen die Bezirkshauptmannschaft M (in der Folge meist kurz: BH) gerichtet waren; die nunmehrigen Begehren richten sich hingegen gegen das Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich (kurz: LGK).

Mit dem an das LGK gerichteten Antrag vom 6. Juni 2004 begehrte der Beschwerdeführer sämtliche zu seiner Person im Zusammenhang mit diesem Verdacht, strafbare Handlungen begangen zu haben, verarbeitete Daten, insbesondere im Protokollbuch, in der Indexkartei und in den entsprechenden Erhebungsdaten zu löschen und ihn hievon zu verständigen. Das LGK erwiderte mit Schreiben vom 14. Juli 2004, die verarbeiteten personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers im Protokoll, in der Indexkartei und in den entsprechenden Erhebungsdaten seien dem "inneren Dienst" der Bundesgendarmerie zuzurechnen, womit Auftraggeber das LGK sei. Bei der Indexkartei des GP handle es sich um eine Hilfskartei im Sinne des § 13 SPG zur Vollziehung des Kanzleiwesens im lokalen Bereich des GP gemäß der Kanzleiordnung für die österreichische Bundesgendarmerie (Erlass des BMI vom 7. August 1980 mit einer näher bezeichneten Zahl). Die Verbuchung von Geschäftsstücken habe gemäß § 13 KO im Protokollbuch zu erfolgen. Zur leichteren Auffindung der Geschäftsstücke seien diese gemäß § 14 KO in einer alphabetisch geordneten Indexkartei zu verbuchen. Aus diesen Indexkarteiblättern habe bei Namensakten der Familien- und Vorname, allenfalls das Geburtsdatum und die Anschrift, sowie die Geschäftszahl und der Betreff hervorzugehen. Nach den in § 36 KO angeführten Ausscheidungsfristen seien Indexkarteiblätter 20 Jahre nach der letzten Eintragung auszuscheiden. Der Zweck der Indexkartei diene ausschließlich der besseren und leichteren Auffindung von Akten und sie sei keine Vormerkkartei zur Auskunftserteilung, wodurch das schutzwürdige Interesse und der Geheimhaltungsanspruch gemäß § 1 DSG 2000 betreffend der personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers gewährleistet sei. Dem Antrag auf Löschung sämtlicher zur Person des Beschwerdeführers im fraglichen Zusammenhang verarbeiteten Daten, insbesondere im Protokollbuch, in der Indexkartei und in den entsprechenden Erhebungsakten könne demnach nicht entsprochen werden.

Der Beschwerdeführer erhob daraufhin mit Schriftsatz vom 21. Juli 2004 Beschwerde an die belangte Behörde, soweit die Löschung der beim GP nicht automationsunterstützt verarbeiteten Daten verweigert wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde

1. der Beschwerde teilweise stattgegeben und der im Verwaltungsverfahren belangten Behörde (LGK) aufgetragen, binnen zwei Wochen die Eintragung betreffend die Vorerhebungen gegen den Beschwerdeführer im Protokollbuch des GP für das Jahr 2001 in folgenden Punkten durch zusätzliche Anmerkungen richtig zu stellen:

a) es sei anzumerken, dass die Grundzahl des Verfahrens nicht "0738" sondern "0737" laute.

b) die Eintragung sei dahingehend zu ergänzen, dass als Ergebnis des Verfahrens der erfolgte Freispruch des Beschwerdeführers durch das zuständige Bezirksgericht (mit einem näher angeführten Aktenzeichen) vermerkt werde.

2. Im Übrigen, insbesondere hinsichtlich des Begehrens, die den Beschwerdeführer betreffende Karteikarte der Indexkartei und den Kopienakt GZ P 737/01 zu vernichten ("die Löschung dieser Daten aufzutragen" - Zitat im Original) die Beschwerde abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach zusammenfassender Darstellung des Verfahrensganges insbesondere aus, Daten zur fraglichen Strafanzeige und den ihr zugrundeliegenden Verdachtsfällen würden in der Zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden (Informationsverbundsystem "Elektronisches Kriminalpolizeiliches Informationssystem - EKIS";

kriminalpolizeilicher Aktenindex gemäß §57 Abs. 1 Z 6 SPG) nicht mehr verarbeitet.

Der Papierakt P 737/01 werde weiterhin auf dem GP aufbewahrt. Es bestehe keine Eintragung von Daten des Beschwerdeführers in der Steckzettel- bzw. Indexkartei dieses GP, die seit 1. Mai 2001 wegen Umstellung auf das automationsunterstützt geführte Kanzleiinformationssystem AVNT nicht mehr weitergeführt werde. Die Vorerhebungen gegen den Beschwerdeführer seien im Protokollbuch des GP unter der Grundzahl 0738 mit Eingangsdatum 14. Februar 2001, dem Vermerk "ED" (= auf Initiative der eigenen Dienststelle), dem Gegenstand (es folgt die Angabe des Familien- und Vornamens, sowie die Anführung der strafbaren Handlungen, welcher er verdächtigt wurde, durch Angabe der Paragraphen und des Gesetzes: "Verd. n. (= Verdacht nach) § 127 u. 130 StGB Verg. (= Vergehen) n. d. SMG"), der Erledigung (Datum der Anzeige an die Staatsanwaltschaft) sowie der Tatsache der Erstellung der Kriminalstatistik verzeichnet. (In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die den Beschwerdeführer betreffende Grundzahl im Protokollbuch Nr. "0738" ist, die vorangehende Zahl 0737 betrifft eine andere Person. Der Umstand, dass der den Beschwerdeführer betreffende Akt mit der Zahl "P 737/01 (und nicht: P 738/01) versehen wurde, beruht auf einem offensichtlichen Versehen.)

Nach Wiedergabe verschiedener gesetzlicher Bestimmungen führte die belangte Behörde zusammenfassend aus, der Kopienakt sei weder eine automationsgestützt geführte Datenanwendung noch eine manuelle Datei, sodass insofern kein Löschungsanspruch bestehe.

Wie die belangte Behörde in ihrem Bescheid vom 4. Mai 2004 betreffend den Beschwerdeführer ausgeführt habe (Anmerkung: das war der im hg. Beschwerdeverfahren Zl. 2004/06/0086 angefochtene Bescheid), ergebe sich aus den §§ 10 und 13 SPG und der darauf beruhenden Kanzleiordnung der Bundesgendarmerie die Zugehörigkeit der Dokumentation im Protokoll und der Führung der Steckzettelkartei zum inneren Dienst der Bundesgendarmerie und damit die (unstrittige) Auftraggebereigenschaft des LGK für diese manuellen Dateien. Weiters sei ausgeführt worden, dass sich aus § 58 DSG 2000 die Anwendbarkeit des § 27 DSG 2000 auf diese Dateien ergebe. Die belangte Behörde habe in ihren Bescheiden je vom 2. September 2003, Zl. K120.828/002-DSK/2003 und Zl. K120.846/007-DSK/2003, ausführlich hinsichtlich inhaltlich entsprechender Bestimmungen in der Kanzleiordnung der Bundespolizeidirektion Wien dargelegt, dass sowohl die Eintragung im Protokollbuch als auch die Führung der Indexkartei lediglich einen behördeninternen Dokumentationszweck erfüllten, und zwar die reine aktenmäßige Protokollierung eines unwidersprochen stattgefundenen Verwaltungshandelns, nämlich eines Ermittlungsverfahrens. Sie dienten nicht zur inhaltlichen Verwendung der Daten, sondern lediglich zur Dokumentation bzw. zur Wiederauffindung der entsprechenden Papierakten. Somit stehe der Dokumentationszweck dieser Daten gemäß § 27 Abs. 3 DSG erster Satz einer Löschung entgegen. Es lägen jedoch auch im Beschwerdefall die Voraussetzungen des § 27 Abs. 3 DSG 2000 zweiter Satz für eine Richtigstellung durch zusätzliche Anmerkungen vor. Somit sei der Beschwerde insoweit Folge zu geben gewesen, dass der im Verwaltungsverfahren belangten Behörde die im Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides bezeichneten Anmerkungen im Protokollbuch aufzutragen gewesen seien. Das darüber hinaus gehende Begehren auf vollständige Löschung sei abzuweisen gewesen.

Da eine den Beschwerdeführer betreffende Eintragung in die Indexkartei des GP gemäß dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht bestehe, sei das Begehren auf Löschung einer entsprechenden Eintragung unbegründet und daher abzuweisen.

Gegen den Spruchpunkt 2. dieses Bescheides, "mit Ausnahme der darin enthaltenen Entscheidung über die Karteikarte aus der Indexkartei", richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit die Beschwerdeausführungen dahin zu verstehen sein sollten, dass sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid auch in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten als verletzt erachte, fiele dies in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes und nicht des Verwaltungsgerichtshofes; im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist daher hierauf nicht weiter einzugehen.

Im Beschwerdeverfahren ist das Datenschutzgesetz 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 (DSG 2000), in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2001, anzuwenden.

Gemäß § 27 Abs. 3 DSG 2000 ist eine Richtigstellung oder Löschung von Daten ausgeschlossen, soweit der Dokumentationszweck einer Datenanwendung nachträgliche Änderungen nicht zulässt (erster Satz). Die erforderlichen Richtigstellungen sind diesfalls durch entsprechende zusätzliche Anmerkungen zu bewirken (zweiter Satz).

Im Übrigen wurde die maßgebliche Rechtslage im Vor-Erkenntnis vom 21. Oktober 2004, Zl. 2004/06/0086, näher dargestellt, worauf verwiesen werden kann.

Der Beschwerdeführer verfolgt mit seiner Beschwerde das Ziel, die Vernichtung des beim GP befindlichen "Kopienaktes" bzw. "Papieraktes" (Zweitschrift der Anzeige) sowie die Löschung (Schwärzung) der fraglichen Eintragung im Protokollbuch zu erwirken.

Wie im mehrfach genannten Vor-Erkenntnis (das nach Einbringung der vorliegenden Beschwerde zugestellt wurde) näher ausgeführt wurde, kommt ein solcher Löschungsanspruch nur dann in Betracht, wenn es sich beim fraglichen "Papierakt" (bzw. "Kopienakt") sowie beim Protokollbuch um eine "manuelle Datei" im Sinne des § 1 Abs. 3 bzw. des § 58 DSG 2000 handelt.

Zum "Kopienakt" hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis ausgeführt:

"Zu prüfen ist, ob es sich beim 'Papierakt' bzw. 'Kopienakt', um den es hier geht, im Sinne des § 4 Z 6 DSG 2000 um eine 'strukturierte Sammlung von Daten, die nach mindestens einem Suchkriterium zugänglich sind', handelt. Behördliche oder gerichtliche 'Akten' werden in Österreich typischerweise derart gebildet, dass die verschiedenen Geschäftsstücke, welche die Sache betreffen, entweder in einen Umschlag (Mappe, Ordner oder dergleichen) in der Regel in chronologischer Reihenfolge aufgenommen werden, oder aber auch (so etwa beispielsweise im Bereich der Bundesministerien) Geschäftsstücke nach dem Fortgang des Verfahrens jeweils in eigene Referatsbögen (mit eigenen Zahlen) eingelegt werden und daraus dann die die Sache betreffenden Aktenkonvolute gebildet werden. Zur Bestimmung des Begriffes 'strukturierte Datei' bzw. zur Umschreibung des Begriffes 'Datei' tritt der Verwaltungsgerichtshof den in der zuvor genannten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 28. Juni 2000, 6 Ob 148/00h, wiedergegebenen Erwägungen bei. Dieser hat, wie wiedergegeben, im Kern die Ansicht vertreten, dass die Struktur einer manuellen Datei als einer strukturierten Sammlung personenbezogener Daten im Sinne des § 1 Abs. 3 DSG 2000 iVm Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie dann zu bejahen ist, wenn sie - im Gegensatz zu einem Fließtext - eine äußere Ordnung aufweist, nach der die verschiedenen Arten von Daten in einer bestimmten räumlichen Verteilung auf dem oder den manuellen Datenträgern oder in einer bestimmten physikalischen oder logischen Struktur dargestellt sind. Darüber hinaus müssen die Daten nach bestimmten Kriterien zugänglich sein, d.h. es bestehen vereinfachte Möglichkeiten der inhaltlichen Erschließung, beispielsweise durch alphabetische oder chronologische Sortierung oder durch automatisierte Erschließungssysteme. Unter Datei sind daher Karteien und Listen, nicht aber Akten und Aktenkonvolute zu verstehen, wie dies auch der Erwägungsgrund 27 der Richtlinie zum Ausdruck bringt. Das Vorliegen einer manuellen Datei im Sinne des § 1 Abs. 3 DSG 2000 setzt daher voraus, dass sie sich durch den schon erwähnten bestimmten 'Organisationsgrad' der 'Akten' auszeichnen muss, um von einer Strukturierung im Sinne des DSG 2000 sprechen zu können, der aber beim vorliegenden 'Papierakt' nicht gegeben ist.

Zusammenfassend ergibt sich im Beschwerdefall, dass der fragliche 'Kopienakt' (Zweitschrift der an die Staatsanwaltschaft erstatteten Strafanzeige) betreffend den Beschwerdeführer mangels der erforderlichen Strukturierung nicht als 'manuelle Datei' im Sinne des DSG 2000 anzusehen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof tritt auch nicht der in der Beschwerde (zumindest der Tendenz nach) vertretenen Auffassung bei, der 'Kopienakt' bilde mit den korrespondierenden Geschäftsbehelfen (Protokollbuch, Indexkarte - eine solche betreffend den Beschwerdeführer gibt es im Übrigen, wie die belangte Behörde festgestellt hat, nicht oder nicht mehr) eine Art untrennbare Einheit, womit erkennbar das erforderlich Maß an Strukturierung erreicht werden soll. Abgesehen davon, dass eine solche untrennbare Einheit schon faktisch nicht gegeben ist, dienen die Geschäftsbehelfe der Auffindung des Aktes und nicht seiner inneren Strukturierung.

Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch mit dem im Erwägungsgrund 27 der Richtlinie dargelegten Schutzzweck, weil aus technischer Sicht (sieht man von entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen ab) ein Zugriff auf personenbezogene Daten, die automationsunterstützt verarbeitet sind, in der Regel leichter erfolgen kann als auf solche, die in einem 'Papierakt' (im Sinne des oben dargelegten Verständnisses) enthalten sind (weil er hiezu nicht elektronisch durchsucht, sondern grundsätzlich Seite für Seite gelesen werden muss). Um Missverständnissen vorzubeugen, ist darauf hinzuweisen, dass es im Beschwerdefall nicht um das Grundrecht auf Geheimhaltung von Daten geht (§ 1 Abs. 1 DSG 2000), sondern (im hier relevanten Zusammenhang) 'nur' um das Recht auf Löschung (siehe § 1 Abs. 3 leg. cit.)."

Der Beschwerdefall gibt keinen Anlass, von dieser Beurteilung abzugehen.

In diesem Erkenntnis wurde auch dargelegt, dass die belangte Behörde das Protokollbuch zutreffend dem "inneren Dienst" zugeordnet hat. Die Eintragungen im Protokollbuch dienen bestimmungsgemäß dazu, den Geschäftsfall zu konkretisieren um den Akt auffinden zu können. Es handelt sich dabei um eine behördeninterene Kanzleitätigkeit. Nichts anderes gilt im Übrigen für die Indexkarte, die (als eine Art Namensverzeichnis mit Betreffen) mit dem Protokollbuch bestimmungsgemäß Teil eines "Aktenauffindungssystems" ist (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2004, Zl. 2004/06/0018).

Zu prüfen ist weiters, ob es sich beim Protokollbuch um eine "manuelle Datei" handelt. Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang auf Ausführungen in früheren Bescheiden vom 2. September 2003 verwiesen (die im RIS abrufbar sind). Der Beschwerdeführer argumentiert in seiner Beschwerde im Übrigen auch auf Grundlage des einen genannten Bescheides K 120.828/002- DSK/2003. Darin hat die belangte Behörde insbesondere ausgeführt (Wiedergabe nach dem im RIS gespeicherten Text):

"Die Protokolleintragungen einer Dienststelle dienen der Übersicht, wie mit Dienststücken (= von Organwaltern des belangten Auftraggebers angelegte oder übernommene Schriftstücke) verfahren wurde ('Kontrolle des Akteneinganges und des Aktenlaufs'). Die Protokolle werden in Form von Eintragungen mit laufender Nummer unter einem bestimmten Kennzeichen geführt, so bestehen bzw. bestanden im Bereich der Bezirkspolizeikommissariate unter anderem getrennte Protokolle für Ausforschungs- und Fahndungsangelegenheiten (Af), Diebstahls- und Betrugsanzeigen (D) und sonstige gerichtliche Straftaten und kriminal- /sicherheitspolizeilich relevante Meldungen (Kr). Die Protokolle sind jeweils nach einem Kalenderjahr abzuschließen und die Eintragungen zu Büchern zu binden (Punkt 25. KanzlO-BPD Wien), daher auch die Bezeichnung 'Protokollbücher'. Die Protokolleintragungen haben einen inhaltlich durch Dienstanweisung (Punkt 17.ff KanzlO-BPD Wien, Protokollierungsvorschrift der BPD Wien, Dienstanweisung vom 18. September 2002, AZ: P 717/a/02) vorgegebenen, strukturierten Inhalt (nach Spalten gegliederter Formularvordruck) und sind nach den Suchkriterien 'Jahr' und 'laufende Zahl' zugänglich. Daher sind auch die Protokolle bzw. Protokollbücher von Dienststellen des belangten Auftraggebers manuelle Dateien.

Der belangte Auftraggeber beruft sich unter Heranziehung des § 27 Abs. 3 DSG 2000 auf den Dokumentationszweck dieser Dateien. Bei einer Anonymisierung der Protokolle wäre die Nachvollziehbarkeit des Aktenlaufes und die Wiederauffindung des Kopieaktes unmöglich."

In weiterer Folge führte die belangte Behörde in jenem Bescheid vom 2. September 2003 aus, im (damals) vorliegenden Fall gehe es um die reine aktenmäßige Protokollierung eines unwidersprochen stattgefundenen Verwaltungshandelns, nämlich eines Ermittlungsverfahrens, nicht zur inhaltlichen Verwendung der Daten, sondern lediglich zur Dokumentation bzw. zur Wiederauffindung der entsprechenden Papierakte. So lasse auch § 5 des Bundesarchivgesetzes (Bundesgesetz über die Sicherung, Aufbewahrung und Nutzung von Archivgut des Bundes, BGBl. I Nr. 162/1999) erkennen, dass die Bundesdienststellen grundsätzlich verpflichtet sind, ihr Verwaltungshandeln zu dokumentieren. In diesem Sinn dienten sowohl Steckzettel als auch Protokolleintragungen einem Dokumentationszweck, da sie eine Übersicht über ein erfolgtes Verwaltungshandeln ('Geschehen') vermittelten. Würde dieses Verwaltungshandeln - gerade im Bereich der Sicherheitspolizei - nicht dokumentiert, wäre es jeder zukünftigen rechtsstaatlichen Kontrolle auf seine Rechtmäßigkeit (Art 18 B-VG) entzogen oder würde eine solche wesentlich erschwert werden. Die Dokumentation und das Wiederauffinden eines erfolgten Verwaltungshandelns sei z.B. zur Gewährleistung von Schadenersatz für den Betroffenen im Falle der Rechtswidrigkeit (nach Artikel 23 B-VG) oder zur Sicherung der Rechnungs- und Gebarungskontrolle (nach dem 5. Hauptstück des B-VG) erforderlich.

Weiters heißt es:

"Die im vorliegenden Fall maßgeblichen manuellen Dateien dürfen aber nur für den angeführten Dokumentationszweck benutzt werden:

Wie die Datenschutzkommission in ihrer Rechtsprechung zu den Indexkarteien der Gendarmerie ausgeführt hat (Bescheid vom 5. November 2002 K120.733/008-DSK/2002 und Bescheid vom 1. 7. 2003, K120.754/005-DSK/2003), dient eine Kartei (dort eben die Indexkartei) dem inneren Dienst und der Kanzleiführung und insbesondere dazu, '(Papier)Akten, die sich auf einen bestimmten Betroffenen beziehen, bei Bedarf schnell wieder finden zu können'. In dieser Rechtsprechung hat die DSK bereits anerkannt, dass § 13 SPG für die Führung derartiger Indexkarteien eine ausreichende gesetzliche Grundlage bildet.

Zusätzlich hat die DSK in dieser Rechtsprechung klargestellt:

'Ein Aktenindex dient an sich der erleichterten Auffindung jener Akten, die für eine bestimmte Verwaltungshandlung benötigt werden; die Zulässigkeit seiner Benützung ist daher an die Zulässigkeit der Verwaltungshandlung gebunden, für die er Hilfestellung leistet'.

Eine selbstständige Benützung der Informationen eines Aktenindex etwa zur Herstellung eines Personenprofils eines Individuums, indem das Vorhandensein oder Nichtvorhandelsein von Aktenstücken im Aktenindex als aussagekräftig hinsichtlich der Persönlichkeit oder des Verhaltens dieses Individuums gewertet werden, hat demgegenüber eine andere datenschutzrechtliche Dimension: Die Zulässigkeit der Verwendung eines Aktenindex für diesen Zweck bedürfte einer eigenen gesetzliche Grundlage' (Bescheid vom 5.11.2002 K120.733/008-DSK/2002).

Daher ist eine kanzleimäßige und damit 'formale' Dokumentation des Verwaltungshandelns datenschutzrechtlich nicht unzulässig. Somit liegen auch nicht die Voraussetzungen zur Löschung dieser Daten vor.

Davon ist aber deutlich zu unterscheiden, dass diese weiterhin dokumentierten Daten nur dann inhaltlich verwendet werden dürfen, wenn ihre Verwendung - im Einklang mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im Bereich des Sicherheitspolizeirechtes (zu §§ 57 und 58 SPG) in VfSlg. 16.150/2001 (Seite 633 - 635) - für die Erfüllung einer der Behörde gesetzliche übertragenen Aufgabe, etwa im Dienste der Strafrechtspflege, nach Durchführung notwendig sind und eine Interessensabwägung (nach § 7 Abs. 3 DSG 2000) durchgeführt wurde."

Im Beschwerdefall geht es um Kanzleibehelfe nicht aus dem Bereich der Bundespolizeidirektion Wien, sondern der Bundesgendarmerie. Von Bedeutung ist hier die Kanzleiordnung (KO) für die Bundesgendarmerie (Erlass des BMI vom 5. August 1980, Zl. 5.671/13-II/4/80 - Wiedergabe dieser Kanzleiordnung nach dem Exemplar in der Amtsbibliothek des Verwaltungsgerichtshofes). Die KO trifft in ihrem § 13 nähere Bestimmungen zur Protokollierung, in ihrem § 14 zur Indizierung. Nach § 13 Abs. 1 KO erfolgt die Verbuchung der Geschäftsstücke im Protokoll (mit Ausnahme jener, die nach dem Aktenplan zu verwalten sind). Gemäß § 14 Abs. 1 KO sind Geschäftsstücke, die im Protokoll verbucht werden, zu ihrer leichteren Auffindung in einer alphabetisch geordneten Indexkartei zu vermerken. Nach § 12 Abs. 2 KO sind Geschäftsstücke, die der Eintragung im Protokoll unterliegen, vor der Grundzahl durch den Buchstaben P zu kennzeichnen. Die nähere Gestaltung des Protokolles (Protokollbuches) ist im Anhang II. zur KO geregelt. Danach dient das Protokoll zur Vormerkung des laufenden Schriftverkehrs, der nicht der Behandlung nach dem Aktenplan unterliegt. Dieses Protokoll besteht aus einem formularmäßigen Vordruck, der eine linke und eine rechte Seite umfasst, sowie in senkrechte Spalten (Rubriken genannt) und waagrechte Zeilen (Spalten genannt) eingeteilt ist. Nach diesem Anhang II. sind in das Protokoll einzutragen (Abschnitt "Protokoll", Abs. 2):

a) die laufende Grundzahl, beginnend alljährlich mit der fortlaufenden Nr. 1 (Rubrik 1),

b)

das Datum des Einganges (Rubrik 2),

c)

die Bezeichnung des Absenders, dessen Geschäftszahl und das Datum; Geschäftsstücke der eigenen Dienststelle sind mit der Abkürzung "ED" zu bezeichnen (Rubrik 3),

d)

der Gegenstand (Rubrik 4),

e)

Zeit und Art der Erledigung (Rubrik 5), und

f)

allfällige Bearbeitungs- und Ablagehinweise (Rubrik 6).

Die in der Rubrik 4 einzutragende Gegenstandsbezeichnung (Schlagwort, Betreff) muss den Inhalt des Geschäftsstückes klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Bei Namensakten ist der Familienname, allenfalls der akademische Grad, der Vorname sowie der Amts- oder Berufstitel der Gegenstandsbezeichnung voranzusetzen.

Der Anhang II. trifft auch nähere Bestimmungen zur Indexkartei und den Indexkarten.

Vor dem Hintergrund der zuvor dargestellten wesentlichen Merkmale einer "Datei", nämlich einer "strukturierten Sammlung von Daten, die nach mindestens einem Suchkriterium zugänglich sind", ist der Beurteilung der belangten Behörde beizutreten, dass das Protokollbuch als (manuelle) Datei zu qualifizieren ist. Es weist nämlich auf Grund seiner formularmäßigen Einteilung einen ausreichenden "Organisationsgrad" im zuvor umschriebenen Sinn auf, dass man von einer Strukturierung im Sinne des DSG 2000 sprechen kann, wobei die darin enthaltenen Gruppen von Daten (die unter einer Grundzahl eingetragenen Geschäftsfälle) jedenfalls nach einem Suchkriterium, nämlich nach der (chronologisch vergebenen) Grundzahl zugänglich sind (von der Auffindbarkeit der Geschäftsfälle von der vom Prinzip her dazugehörenden Indexkartei ganz abgesehen).

Zu prüfen ist demnach als Nächstes, ob § 27 Abs. 3 DSG 2000, wie von der belangten Behörde angenommen, dem Löschungsanspruch des Beschwerdeführers entgegensteht (dass einem gesetzlichen Löschungsanspruch des Beschwerdeführers rein behördeninterne Skartierungs- bzw. Aufbewahrungsvorschriften nach der Kanzleiordnung, wonach solche Akten bzw. Protokollbücher erst nach einer gewissen Zeit ausgeschieden werden dürfen, nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden könnten, wird in der Beschwerde zutreffend hervorgehoben). Die belangte Behörde hat dazu angenommen, dass der Dokumentationszweck der Eintragung einer Löschung entgegenstehe, und hat in diesem Zusammenhang auch auf ihre weiteren Ausführungen in dem zuvor genannten Bescheid vom 2. September 2003 verwiesen (siehe die obige Wiedergabe aus dem auch vom Beschwerdeführer bezogenen Bescheid). Der Beschwerdeführer nimmt nun in der Beschwerde an, die Daten sollten "wohl für allfällige künftige gerichtliche Vorerhebungen; wofür sonst?; Dokumentation ist ja kein Selbstzweck" aufbewahrt werden ("Vorrätighalten seiner Daten für allfällige künftige Strafverfahren, in denen diese Daten dann zu seinem Nachteil Verwendung finden"). Damit hat aber die belangte Behörde (im verwiesenen, auch vom Beschwerdeführer bezogenen Bescheid vom 2. September 2003) nicht argumentiert, sondern mit der Notwendigkeit einer Dokumentation zur Gewährleistung von Schadenersatz für den Betroffenen im Falle von Amtshaftungsansprüchen oder auch zur Sicherung der Rechnungs- und Gebarungskontrolle nach dem 5. Hauptstück des B-VG.

Im Beschwerdefall ist im Übrigen mangels Indexkarte ein Auffinden des Aktes oder auch der Eintragung im Protokollbuch dann, wenn die Aktenzahl nicht bekannt sein sollte, ohnedies nur mit einigem Aufwand möglich, weil dazu entweder alle Protokollbücher in dem in Betracht kommenden Zeitraum durchgesehen werden müssen, um die Zahl zu ermitteln (und so den abgelegten Akt zu finden) oder aber der Bestand an abgelegten Akten. Das Protokoll dient allein der Auffindung des Aktes, das ist der Zweck der Anwendung. Nur für diesen Zweck wird es benötigt, nicht aber für eine weitere Verarbeitung. Dieser Dokumentationszweck lässt die begehrte Löschung nicht zu.

Auch aus dem Blickwinkel des im Datenschutz bestehenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind die den Beschwerdeführer betreffenden fraglichen Eintragungen im Protokollbuch (die im Übrigen gemäß der mit dem angefochtenen Bescheid erfolgten Anordnung der belangten Behörde durch Anmerkung des erfolgten Freispruches zu ergänzen sind) nicht so beschaffen, dass dennoch ein Löschungsanspruch zu bejahen wäre. Ob dies allenfalls anders zu beurteilen wäre, wenn das Protokollbuch unmittelbar Hinweise auf sensible Daten enthielte, kann dahingestellt bleiben, weil dies hier nicht der Fall ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 29. November 2005

Schlagworte

Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004060169.X00

Im RIS seit

20.01.2006

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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