TE OGH 1990/6/28 6Ob625/90

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Veröffentlicht am 28.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Schlosser, Dr.Redl und Dr.Kellner als weitere Richter in der Abhandlung der Verlassenschaft nach der am 15.Januar 1982 gestorbenen Leopoldine B***, zuletzt Pensionistin in Wien 2., Obere Donaustraße 67 a/8, wegen abhandlungsgerichtlicher Ermächtigung der Separationskuratorin zur Verwertung einzelner Nachlaßgegenstände, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Verlassenschaftsgläubigers Dr.Heinz P***, Angestellter, Paris 47 Avenue de l'opera, und Wien 2., Engelsplatz 1, vertreten durch Dr.Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 25.April 1990, GZ 43 R 241/90-214, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16.März 1990, GZ 1 A 62/82-209, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.

Text

Begründung:

Die Erblasserin ist am 15.Januar 1982 knapp vor Vollendung ihres 85. Lebensjahres in einem Pflegeheim gestorben. In ihre Verlassenschaft fielen außer einer städtischen Liegenschaft mit einem Mietwohnhaus, in dem die Erblasserin eine Wohnung in Eigennutzung gehalten hatte, auch Fahrnisse, darunter vor allem in einem Bankschließfach verwahrte Gold- und Silbermünzen sowie Schmuckstücke. Nach einer vom Abhandlungsgericht angeordneten Öffnung des Bankschließfaches in Anwesenheit des Gerichtskommissärs und des Verlassenschaftskurators am 7.März 1984 wurde der Inhalt des Bankschließfaches in einem neu gemieteten Bankschließfach aufbewahrt, zu dem Gerichtskommissär und Verlassenschaftskurator gemeinsam öffnungsberechtigt waren (Bd I AS 191). Diesen vom Gerichtskommissär berichteten Vorgang nahm das Abhandlungsgericht zur Kenntnis (ON 76). Nachdem das Abhandlungsgericht die aufgrund einer als Testament überschriebenen letztwilligen Verfügung der Erblasserin vom August 1977 über ihr Haus samt Wohnungsinventar (unter ausdrücklicher Bemerkung, daß weder Schmuck noch Geld vorhanden wären) abgegebene bedingte Erbserklärung des Bedachten angenommen und dem als Erbe Erklärten antragsgemäß die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen hatte, enthob es den Verlassenschaftskurator (ON 90). Auf Antrag des als Erbe Erklärten setzte das Abhandlungsgericht die Bank davon in Kenntnis, daß zu dem Bankschließfach, in dem die Münzen und Schmuckstücke aufbewahrt wurden, der Gerichtskommissär oder dessen Substitut und zudem jeder für sich allein, gemeinsam mit dem Erbenmachthaber ohne Rücksicht auf Klausel und Sperre zutrittsberechtigt seien (ON 95). Am 15.April 1985 wurden in Gegenwart des Erbenmachthabers die im Bankschließfach verwahrten Wertgegenstände unter gleichzeitiger Aufhebung der Safemiete "in Verwahrung des Gerichtskommissärs zur Schätzung übernommen" (Bd I AS 350). Münzen und Schmuckgegenstände wurden in der Folge von einem Sachverständigen auf 147.945 S geschätzt und mit diesem Schätzwert auch in das Inventar aufgenommen (ON 109). Der Ehemann einer Seitenverwandten der Erblasserin verfolgt klageweise gegen die Verlassenschaft einen Anspruch auf Einwilligung zur Einverleibung seines Eigentumsrechtes an der in der letztwilligen Verfügung vom August 1977 genannten und nach wie vor im bücherlichen Eigentum der Erblasserin stehenden Liegenschaft, und verband mit diesem Klagebegehren ein Eventualzahlungsbegehren. Als Verlassenschaftsgläubiger beantragte er die Absonderung der Verlassenschaft. Das Gericht zweiter Instanz bewilligte mit seiner Rekursentscheidung vom 17.Oktober 1985 (ON 122) die beantragte Absonderung der Verlassenschaft. Der vom Erben dagegen erhobene Revisionsrekurs blieb erfolglos (ON 129 = 6 Ob 717/85). Hierauf bestellte das Abhandlungsgericht eine Rechtsanwältin zur Substitutionskuratorin (ON 130).

Dem Klagebegehren des Absonderungsgläubigers auf Übereignung der in die Verlassenschaft gefallenen Liegenschaft haben inzwischen sowohl das Gericht erster als auch das Gericht zweiter Instanz stattgegeben. Der Rechtsstreit befindet sich im Revisionsstadium. Zur Sicherung der erstinstanzlichen Prozeßkosten im Betrag von rund 90.000 S wurde dem Absonderungsgläubiger gegen die Verlassenschaft die Exekution zur Sicherstellung durch Fahrnispfändung bewilligt. Ein Vollzug dieser Sicherungsexekution in der Kanzlei des Gerichtskommissärs wurde von diesem nach dem Bericht des Vollstreckers vom 27.November 1987 nicht zugelassen (12 E 7940/87 des Bezirksgerichtes Donaustadt).

Das Prozeßgericht bewilligte dem Absonderungsgläubiger gegen die Verlassenschaft in der Folge am 6.Dezember 1989 antragsgemäß zur Sicherung der bereits erwähnten erstinstanzlichen Prozeßkosten samt Exekutionskosten die Exekution zur Sicherungstellung durch Pfändung des Anspruches der Verlassenschaft auf "Herausgabe des im Safe des Gerichtskommissärs ... befindlichen verlassenschaftsgegenständlichen

Schmuckes ... im Inventarwert von 147.945 S". Die Exekutionsbewilligung mit dem Leistungsverbot wurde antragsgemäß dem Gerichtskommissär zugestellt, Exekutionsbewilligung und Verfügungsverbot ebenso antragsgemäß zu Handen des zum Erben Erklärten. Eine Zustellung des Leistungsverbotes an das Abhandlungsgericht ist in den Exekutionsakten nicht aktenkundig. Eine Ausfertigung der Exekutionsbewilligung mit dem Leistungsverbot gelangte auch nicht durch den Gerichtskommissär zu den Abhandlungsakten, die sich seit Bewilligung der Sicherungsexekution nicht beim Gerichtskommissär befanden.

(Weitere Einzelheiten des Verlassenschaftsverfahrens können der Darstellung im Beschluß vom 6.Oktober 1988, 6 Ob 668/88 = ON 195 entnommen werden.)

Das Abhandlungsgericht ermächtigte die Separationskuratorin antragsgemäß, die in Verwahrung beim Gerichtskommissär befindlichen Wertgegenstände zu übernehmen und nach Möglichkeit im Dorotheum zur Versteigerung zu bringen sowie die Münzen zu veräußern. Der Absonderungsgläubiger machte in seinem gegen diese abhandlungsgerichtliche Ermächtigung erhobenen Rekurs einen unzulässigen Eingriff in seine im Zuge der Sicherungsexekution begründeten Pfandrechte geltend.

Das Rekursgericht bestätigte die abhandlungsgerichtliche Ermächtigung der Separationskuratorin zur Verwertung der beim Gerichtskommissär verwahrten Wertsachen. Dazu sprach das Rekursgericht aus, daß der Wert des Entscheidungsgenstandes 50.000 S übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Das Rekursgericht traf aus den im Rekursvorbringen erwähnten Exekutionsakten die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Sicherungsexekution und folgerte daraus: Der Gerichtskommissär verwahre die - im Bankschließfach der Erblasserin

aufgefundenen - Wertgegenstände als ein vom Abhandlungsgericht abhängiges Organ. Drittschuldner sei das Abhandlungsgericht, mangels Zustellung eines Leistungsverbotes an dieses sei noch keine Pfändung bewirkt worden.

Der Kostengläubiger ficht die bestätigende Rekursentscheidung wegen unrichtiger Lösung einer im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG qualifizierten Rechtsfrage mit einem auf ersatzlose Aufhebung der der Separationskuratorin erteilten abhandlungsgerichtlichen Ermächtigung zielenden Abänderungsantrag an.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur Pfändung eines verfahrensrechtlichen Anspruches der Verlassenschaft auf Herausgabe von Gegenständen, die sich in Verwahrung des Gerichtskommissärs befinden, eine höchstrichterliche Rechtsprechung fehlt. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber könnte in seiner Eigenschaft als ein eine Exekution zur Sicherstellung führender Verlassenschaftsgläubiger durch die abhandlungsgerichtliche Ermächtigung der Separationskuratorin zur Veräußerung der in die Verlassenschaft gefallenen Wertgegenstände nur unter der Voraussetzung beeinträchtigt sein, daß ihm an den von der Ermächtigung erfaßten Gegenständen (Sicherungs-)Rechte zustünden.

Das Rekursgericht hat aufgrund des der Beurteilung zugrundezulegenden Sachverhaltes im Zeitpunkt seiner Entscheidung zutreffend erkannt, daß das nicht der Fall ist:

Dem Rechtsmittelwerber wurde zur Sicherung einer Verfahrenskostenersatzforderung gegen die Verlassenschaft antragsgemäß die Exekution zur Sicherstellung durch Pfändung eines Herausgabeanspruches bewilligt. Der in Exekution gezogene Anspruch ist nach dem Exekutionsantrag jener der verpflichteten Verlassenschaft auf Herausgabe der vom Gerichtskommissär in seinem Safe aufbewahrten Schmuckstücke der Erblasserin. Diese Schmuckstücke hat der im Exekutionsantrag als Drittschuldner bezeichnete Notar in seiner Eigenschaft als Gerichtskommissär anläßlich der Schätzung in seine Kanzlei genommen und seither dort verwahrt. Das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, daß der Notar die Gewahrsame über die im Zuge der Durchführung der Schätzung in seine Kanzlei gelangten Wertgegenstände in seiner Eigenschaft als Gerichtskommissär und damit als Organ des die Abhandlung des Nachlasses führenden Gerichtes ausübt, ohne über die Gegenstände eine über die Verwahrung hinausgehende Verfügungsbefugnis zu besitzen, die ausschließlich dem Abhandlungsgericht zusteht. Der verfahrensrechtliche Herausgabeanspruch steht der Verlassenschaft gegen den Bund als Träger der Rechtspflege zu, die verfügungsberechtigte Behörde im Sinne des gemäß § 325 Abs 1 EO sinngemäß anzuwendenden § 295 Abs 1 EO ist das Abhandlungsgericht. Eine Pfändung wird gemäß § 331 Abs 1 EO erst mit der Zustellung des Leistungsverbotes an das Abhandlungsgericht bewirkt.

Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht bedurfte es keines ausdrücklichen gerichtlichen Auftrages zur Verwahrung, um diese als Teil der Amtstätigkeit des Gerichtskommissärs zu qualifizieren.

Übernimmt ein Notar als Beauftragter des Gerichtes im Zuge einer Verlassenschaftsabhandlung im Besitz des Erblassers gestandene Schmuckstücke zur Durchführung ihrer Schätzung, ist die damit erlangte Sachgewahrsame eine unmittelbare Ausübung der amtlichen Stellung des Notars in seiner Eigenschaft als Gerichtskommissär, der die Sachgewahrsame daher nicht im eigenen Namen, sondern kraft Organstellung im Zuge der gerichtlichen Abhandlungspflege ausübt. Als solches Organ der Abhandlungspflege ist der Gerichtskommissär hinsichtlich der Verfügung über die in einer durch ihn ausgeübten Gewahrsame befindlichen Gegenstände nicht anders als etwa die Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht an die Anordnungen des Abhandlungsgerichtes gebunden.

Ungeachtet seiner amtlichen Befugnisse im Abhandlungsverfahren, in diesem Erklärungen von Verfahrensbeteiligten mit Wirkung für das Gericht entgegenzunehmen, ist der Gerichtskommissär nicht befugt, in einem Exekutionsverfahren zur Verstrickung von Gegenständen oder Ansprüchen, in Ansehung deren der Abhandlungsbehörde nur die Ausübung einer Stellung eines dritten Gewahrsameinhabers im Sinne des § 262 EO oder eines Drittschuldners im Sinne der §§ 294, 295 EO zukommen kann, mit Wirksamkeit für das Abhandlungsgericht Rechtsakte zu setzen, im besonderen behördliche Sendungen mit

Zustellungswirkung entgegenzunehmen, weil dies nicht dem

übertragenen Aufgabenkreis zur Vornahme von Amtshandlungen im Abhandlungsverfahren zugerechnet werden kann.

In seiner Stellung als Absonderungsgläubiger könnte der Rechtsmittelwerber nur insoweit beeinträchtigt sein, als eine durch den Kurator vorzunehmende Maßnahme die Separationsmasse in rechtlich nicht gedeckter Weise zu schmälern drohte. Das ist aber nach der abhandlungsbehördlichen Ermächtigung zur Versteigerung von Schmuckstücken im Dorotheum ebensowenig der Fall wie beim Verkauf von Münzen mit einem Marktpreis, zumal einer zwangsweisen Verwertung dieser Verlassenschaftsgegenstände im Falle einer jederzeit drohenden Exekutionsführung durch einen Gläubiger mit vollstreckbarem Titel keine stichhaltigen Argumente entgegengesetzt werden könnten, vor allem nicht eine konkurrierende Kostenforderung des Absonderungsgläubigers, solange nicht die Voraussetzungen für einen Verlassenschaftskonkurs vorliegen, was aber nicht aktenkundig ist und nicht einmal behauptet wurde.

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E20960

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00625.9.0628.000

Dokumentnummer

JJT_19900628_OGH0002_0060OB00625_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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