Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Wolfgang C***, Konsulent, Salzburg, Ignaz-Harrer-Straße 44 c, vertreten durch Dr. Wolfgang Lirk, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. Dr. Heinrich C***, Kaufmann, 2. Karin C***, Zahntechnikerin, beide Wien 19., Pyrkergasse 20/14, beide vertreten durch Dr. Helmut Grazer und Dr. Herbert Harlander, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Aufkündigung (Streitwert S 24.000), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 23.Februar 1990, GZ 21 R 18/90-13, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 9.November 1989, GZ 16 C 1033/89-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.263,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 543,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Hauptmieter der im ersten Stock gelegenen Wohnung Tür Nr.2 des Hauses Ignaz-Harrer-Straße 44 c in Sazlburg. Er behauptet, Teile der Wohnung an die Beklagten untervermietet zu haben und kündigt das Mietverhältnis aus den Gründen des § 30 Abs.2 Z 6, 8 und 12 MRG auf.
Nach dem Standpunkt der Beklagten liege kein Untermietverhältnis, sondern ein Vertrag eigener Art vor. Sie bestreiten überdies die geltend gemachten Kündigungsgründe.
Das Erstgericht erklärte die Kündigung für wirksam und gab dem
Räumungsbegehren statt. Nach seinen Feststellungen hatte der Vater
des Klägers und des Erstbeklagten die ca. 80 m2 große Wohnung von
der Stadt Salzburg gemietet. Als er im Jahre 1972 starb, bestand der
Nachlaß im wesentlichen nur aus den Bestandrechten und der
Wohnungseinrichtung. Es entstand zwischen den Brüdern die Frage, wie
die Wohnung für sie erhalten bleiben sollte. Der Kläger studierte
damals noch und war nicht verheiratet. Der Erstbeklagte war bereits
verheiratet und lebte mit der Zweitbeklagten in deren
Eigentumswohnung in Wien. Durch einen mit ihnen verschwägert
gewesenen Rechtsanwalt wurden die Brüder dahin belehrt, daß nur
einer von ihnen als Eintrittsberechtigter in Frage komme. Es wurden
dann zwei Urkunden errichtet, eine vom Erstbeklagten unterfertigte
Verzichtserklärung (Beilage A) und eine vom Kläger unterfertigte
Erklärung (Beilage B), die folgenden Wortlaut haben: "In der
Wohnungssache meines verstorbenen Vaters..... erkläre ich, daß ich
auf meinem Mietrechtsanteil zu Gunsten meines Bruders Wolfgang
C***, der nach § 19 Abs.2 Z 11 MG das Anrecht auf die Wohnung
besitzt, verzichte" (Beilage A); "Ich, Wolfgang C***, ........
erkläre hiermit verbindlich und unwiderruflich meine Bereitschaft,
meinen Bruder Heinrich C*** und dessen Ehefrau Karin........als
Untermieter in die mir...... zugekommene väterliche Wohnung.....
aufzunehmen und erforderlichenfalls auch eine Hausgemeinschaft mit diesen einzugehen, falls dies für den Fall einer Rechtsnachfolge notwendig ist, wenn ich jemals die Wohnung aufgeben würde" (Beilage B). Die Streitteile kamen überein, daß die Beklagten weiterhin bei ihren Aufenthalten in Salzburg in der Wohnung schlafen dürfen. Mit den Urkunden, die einander bedingend ausgestellt wurden, sollte einerseits der Kläger Hauptmieter und andererseits gesichert werden, daß die Beklagten im Falle einer Aufgabe der Mietrechte durch den Kläger in die Mietrechte eintreten können. Der Erstbeklagte bezahlte einen Teil des Mietzinses und zwar bis Herbst 1987 S 1.000, ab Herbst 1987 nur mehr ein Viertel des Hauptmietzinses. Der Erstbeklagte nächtigte bei seinen Aufenthalten in Salzburg im östlichen, straßenseitig gelegenen Zimmer. Der Kläger schlief im mittleren Zimmer. Die anderen Räumlichkeiten wurden gemeinsam benützt. Wenn die Zweitbeklagte in der Wohnung war, was in den letzten zwei Jahren mit zwei Ausnahmen nicht mehr der Fall war, schlief sie im westlichen Zimmer. Früher hielt sich die Zweitbeklagte regelmäßig jedes Jahr zu Ostern etwa 10 Tage in der Wohnung auf. Zu Weihnachten war sie nicht regelmäßig in Salzburg. Früher waren die Beklagten gelegentlich auch über ein verlängertes Wochenende in der Wohnung. Der Erstbeklagte betrat bei seinen gelegentlichen Aufenthalten in Salzburg die Wohnung mit Straßenschuhen. Der Kläger äußerte sich wiederholt darüber, daß der Erstbeklagte seine Schuhe nicht auszieht und daher Spuren auf dem Boden entstehen. Der Erstbeklagte pflegte sein Zimmer auch so zu lüften, daß er die Fenster des mittleren Zimmers und die Verbindungstüren öffnete. Vor 5 bis 6 Jahren haben die beiden Brüder wegen des unsauberen Zustands der Wohnung gestritten. Die Verschmutzung war insbesondere auf eine Kohlenheizung zurückzuführen, die sich damals in der Wohnung befand. Die Zweitbeklagte half bei ihren Aufenthalten in Salzburg mit, die Wohnung zu säubern. Anlaß für die nunmehr beständigen Streitigkeiten zwischen den Brüdern war der Aufenthalt des Onkels Erich in der Wohnung im Sommer 1987 über Einladung des Klägers. Der Erstbeklagte fühlte sich übergangen, weil er in derselben Zeit in der Wohnung sein wollte. Aus diesem Anlaß kam es auch zu einer Korrespondenz zwischen den Brüdern (Beilagen D bis I). Der Ton dieser Briefe des Erstbeklagten war dem Kläger nicht angenehm, aber auch die Antwortschreiben des Klägers fielen deutlich aus. Seit Sommer 1987 ist das Verhältnis zwischen den Brüdern nachhaltig betrübt. Sie verkehren nur schriftlich miteinander. Beide sind ausgeprägte Persönlichkeiten, es ist nicht möglich, sie auf Dauer in einer Wohnung zu beherbergen, da die Spannungen überwiegen. Der Kläger ist Fachpsychologe und Graphologe und auch als Sachverständiger tätig. Er wohnt derzeit mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Kind in der seiner Ehefrau gehörenden Eigentumswohnung. Seine Bürotätigkeit verrichtet er in der aufgekündigten Wohnung. Er benötigt für seine Berufsausübung ein Besprechungszimmer bzw. Testzimmer und will eine Sekretärin einstellen. Er will die aufgekündigte Wohnung zum Familienwohnsitz machen und die Wohnung seiner Ehefrau als Büro verwenden. Im Herbst 1988 stellte der Kläger den für seine berufliche Tätigkeit verwendeten Computer im östlichen Zimmer auf, ohne den Erstbeklagten zu fragen. Dadurch fühlte sich dieser gestört. Nach der Auffassung des Erstgerichtes liege ein Untermietverhältnis vor. Es sei der Kündigungsgrund des Eigenbedarfs des Klägers, hinsichtlich des Erstbeklagten auch der des unleidlichen Verhaltens gegeben.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig ist. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß ein Untermietverhältnis vorliege, zumal sich aus den Feststellungen nicht ergebe, daß allen Parteien im Innenverhältnis die gleichen Rechte zustehen sollten. Ein Kündigungsverzicht könne aus den Erklärungen des Klägers nicht abgeleitet werden. Das Vorliegen des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs.2 Z 12 MRG habe das Erstgericht zu Recht bejaht. Wichtige Interessen des Untervermieters, in deren Verletzung dieser Kündigungsgrund bestehe, seien alle Momente, die für den Untervermieter vom Standpunkt seiner Familieninteressen oder seiner geschäftlichen Bedürfnisse von maßgeblicher Bedeutung seien, ohne daß es sich geradezu um Lebensnotwendigkeiten handeln müsse. Zu diesen Interessen gehöre auch der Eigenbedarf aber unter Anlegung eines weniger strengen Maßstabes als bei der Aufkündigung einer Hauptmiete und ohne Interessenabwägung oder Ersatzbeistellung. Benötige der Kläger im Rahmen der Ausweitung seiner selbständigen Berufstätigkeit die Wohnung für seine Familie, liege ein wichtiges Interesse vor, das einen dringenden Eigenbedarf begründe.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.
Zu Unrecht beruft sich die Revision auf die Entscheidung MietSlg.9.579 und 7.836, weil diesen Entscheidungen ein anderer Sachverhalt zugrundelag. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, fehlt es hier für die Annahme eines nach den Bestimmungen über die Gemeinschaft des Eigentums zu beurteilenden Benützungsverhältnisses an einer Vereinbarung der Streitteile, daß ihnen im Innenverhältnis die gleichen Rechte zustehen sollen (EFSlg.9.579 = Palten, Untervermietung und Untermiete 346). Nach den unbekämpften Feststellungen waren die Streitteile übereingekommen, daß den Beklagten bei ihren gelegentlichen Aufenthalten in Salzburg das Recht zukommt, in der Wohnung zu schlafen, wofür der Erstbeklagte ein bestimmtes Entgelt entrichtete. In Übereinstimmung mit der Erklärung Beilage B sind die Vorinstanzen daher zu Recht vom Vorliegen eines Unterbestandverhältnisses ausgegangen (vgl. Würth in Rummel ABGB Rz 12 und 17 zu § 1098). Nach der derzeitigen Rechtslage stand dem Erstbeklagten im Zeitpunkt des Todes seines Vaters schon mangels eines gemeinsamen Haushalts ein Eintrittsrecht nicht zu. Die Zusage des Klägers, mit den Beklagten erforderlichenfalls eine Hausgemeinschaft einzugehen, betrifft nach dem Wortlaut der Urkunde, Beilage B, lediglich den Fall, daß der Kläger die Wohnung aufgibt.
Eine über den Inhalt dieser Urkunde hinausgehende Parteienabsicht
wurde weder behauptet noch festgestellt. Ein gemeinsamer Haushalt im
Sinne eines auf Dauer berechneten gemeinsamen Wohnens und
Wirtschaftens als Voraussetzung eines Eintrittsrechtes wurde
zwischen den Parteien nie begründet und wird von den Beklagten auch
nicht angestrebt. Daß die Voraussetzungen für eine Zuhaltung der
Zusage des Klägers zur Herstellung einer Hausgemeinschaft mit den
Beklagten derzeit nicht gegeben sind, kann nicht zweifelhaft sein.
Gegenteiliges wird von den Beklagten auch nicht behauptet. Die
ohnehin sehr unwahrscheinliche, aber nicht auszuschließende
Möglichkeit des Eintritts dieser Voraussetzungen schließt aber eine Kündigung des Untermietverhältnisses nicht aus. Zum Vorliegen des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs.2 Z 12 MRG kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden, die der Lehre und Judikatur entsprechen (Würth aaO Rz 43 f zu § 30 MRG mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Demgemäß ist der Revision nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E21216European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00595.9.0628.000Dokumentnummer
JJT_19900628_OGH0002_0070OB00595_9000000_000