Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Schlosser, Dr.Redl und Dr.Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gisela W***, geboren am 30.Mai 1933, Postbeamtin, 1220 Wien, Prandaugasse 62/2/3/11, vertreten durch DDr.Elisabeth Steiner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Hermann Pius W***, geboren am 27.Februar 1943, ohne Beschäftigung, zuletzt wohnhaft in 1220 Wien, Prandaugasse 62/2/3/11, derzeit unbekannten Aufenthaltes, vertreten durch den Kurator Dr.Alfred Haberhauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 14.September 1989, GZ 43 R 2043/89-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 30.März 1989, GZ 19 C 547/88-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.706,20 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten S 617,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile, welche österreichische Staatsbürger sind, haben am 16.10.1981 vor dem Standesamt Wien-Brigittenau die Ehe geschlossen, es war für die Klägerin die zweite, für den Beklagten die erste Ehe. Der Ehe entstammen keine Kinder.
Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten mit dem Vorbringen, dieser verhalte sich lieblos, sei ein Trinker, werde in betrunkenem Zustand ausfällig, habe seine Arbeit wiederholt aufgegeben, weil ihn diese nicht mehr gefreut habe, gebe der Klägerin nur sporadisch Wirtschaftsgeld, zahle hohe Kreditbelastungen nicht zurück und habe die eheliche Wohnung grundlos verlassen.
Der Beklagte bestritt das Scheidungsbegehren und wandte im Rahmen eines Mitschuldantrages ein, allfällige Eheverfehlungen seien nur als Reaktionen auf das Verhalten der Klägerin zu sehen. Das Erstgericht hat die Ehe geschieden und ausgesprochen, daß das Verschulden den Beklagten treffe. Es ging von folgendem Sachverhalt aus:
Die Streitteile waren schon vor der Eheschließung neun Monate lang beisammen. Bei Eingehung der Ehe wußte die Klägerin nichts vom Alkoholkonsum des Klägers.
Im Jänner 1982 erhielt die Klägerin nach ihrem verstorbenen ersten Ehemann eine Abfindung von S 300.000. Diesen Betrag hob der Beklagte in Unkenntnis der Klägerin bis Oktober 1982 von einem gemeinsamen Sparbuch zur Gänze ab. Es kam deshalb zum Streit zwischen den Eheleuten. In der Folge wurde vom Beklagten als Hauptschuldner ein Kredit bei der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien über S 140.000 zur Anschaffung einer Küche aufgenommen. Die Klägerin haftete als Bürgin und Zahlerin. Der Beklagte zahlte nur einen Teilbetrag von S 30.000 zurück. Über sein Drängen übernahm die Klägerin eine weitere Bürgschaftsverpflichtung für einen Kredit über S 180.000. Mit diesem Betrag schaffte der Beklagte einen neuen PKW an, den er dann gegen einen Betrag von S 70.000 versetzte. "Diesen Betrag vertrank er".
Während der Ehe führte die Klägerin den Haushalt allein und arbeitete zusätzlich als Datatypistin bei der Post gegen ein Entgelt von monatlich netto S 10.000. Der Beklagte beteiligte sich nicht an der Haushaltsführung, gab der Klägerin nur gelegentlich Wirtschaftsgeld, das er aber wenige Tage später wieder von ihr zurückforderte und auch erhielt. Sämtliche mit der Ehewohnung verbundenen Lasten trug die Klägerin allein. Der Beklagte ging nur unregelmäßig einer Arbeit nach, zuletzt arbeitete er bis Mai 1987 angemeldet, danach nur noch im Pfusch, er verdiente zeitweise bis zu S 16.000 netto monatlich.
Etwa zwei Jahre nach der Eheschließung begann der Beklagte zu trinken, dies zwar nicht in der Ehewohnung, er unternahm jedoch mehrere Tage dauernde Zechtouren, nach denen er erst wieder in die Ehewohnung zurückkehrte. Dies wiederholte sich trotz gegenteiliger Beteuerungen des Beklagten in unregelmäßigen Abständen, längstens nach jeweils zwei Monaten immer wieder. Der Beklagte suchte Kontakt zum Verein der anonymen Alkoholiker und nahm nach eigenen Behauptungen auch Tabletten, nach den Beobachtungen der Klägerin tat er dies aber nicht. Auf seinen Alkoholkonsum angesprochen, bedachte der Beklagte die Klägerin mit Worten wie "Hexe", "Luder" oder meinte, er werde sie "etwas anschauen lassen".
Bereit 1986 hatte die Klägerin wegen des Alkoholkonsums des Beklagten und seiner mangelnden Bemühungen um Arbeit eine Scheidungsklage eingebracht, diese aber wieder zurückgezogen, weil der Beklagte Besserung versprochen hatte. Danach hatten die Streitteile wieder regelmäßig ehelichen Verkehr.
Im Jänner 1988 zog der Beklagte aus der Ehewohnung aus, wobei er die Klägerin zwei Monate lang im Unklaren über seinen Aufenthaltsort ließ. Im Frühjahr 1988 kam der Beklagte für eine Nacht zurück in die Ehewohnung, wobei es zu einem ehelichen Verkehr kam. Die Klägerin erklärte dem Beklagten, wenn er sein Verhalten nicht bessere, brauche er gar nicht mehr in die Ehewohnung zurückkommen. In der Folgezeit rief der Beklagte die Klägerin mehrmals an und forderte sie auf, ihm Kleider zu bringen. Die Klägerin brachte ihm mehrmals Kleider zu einem vereinbarten Treffpunkt. Der derzeitige Aufenthaltsort des Beklagten ist nicht bekannt.
Rechtlich leitete das Erstgericht aus diesen Feststellungen ab, für die bis zum Jahre 1986 gesetzten Verhaltensweisen des Beklagten sei davon auszugehen, daß die Klägerin ihm verziehen habe. Sein in der Folge an den Tag gelegtes Verhalten - sein gegen den Willen der Klägerin fortgesetzter Alkoholkonsum, seine mangelnden Bemühungen, einer geregelten Arbeit nachzugehen, sowie der durch keine Umstände gerechtfertigte Auszug aus der Ehewohnung - sei jedoch als Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG zu beurteilen. Dagegen habe das Beweisverfahren keinen Hinweis darauf erbracht, daß das Verhalten des Beklagten nur eine Reaktion auf ein ehewidriges Verhalten der Klägerin gewesen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine Folge. Es ging davon aus, daß die Ehe durch das Verhalten des Beklagten unheilbar zerrüttet sei. Es wäre Sache des Beklagten gewesen, in erster Instanz zu behaupten und unter Beweis zu stellen, daß für seinen Auszug aus der Ehewohnung gerechtfertigte Gründe vorhanden gewesen wären. Der Beklagte habe seinen Arbeitsplatz grundlos aufgegeben und sich an den Haushaltskosten nicht beteiligt. Unter Berücksichtigung auch seiner Alkoholexzesse - dafür, daß diese krankheitsbedingt gewesen seien, biete das gesamte Verfahren keinen Anhaltspunkt - und seines grundlosen Auszuges aus der Ehewohnung sei eine Ehescheidung nach § 49 EheG jedenfalls gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revision des Beklagten kommt keine Berechtigung zu. Eine Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO). Der Revisionswerber meint, die Vorinstanzen hätten von Amts wegen erforschen müssen, inwieweit die Alkoholexzesse des Beklagten, weil Alkoholsucht eine Krankheit darstelle, ihm auch anzulasten seien und inwieweit das Verhalten der Klägerin hiezu beigetragen habe.
Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß keinerlei Verfahrensergebnisse und nicht einmal entsprechende Behauptungen des Beklagten vorliegen, daß das Verhalten der Klägerin in irgendeiner Weise ursächlich für den Alkoholmißbrauch des Beklagten gewesen wäre. Trunksucht beziehungsweise Alkoholmißbrauch sind grundsätzlich schwere Eheverfehlungen. Sie stellen auch dann als ehrloses oder unsittliches Verhalten einen Scheidungsgrund nach § 49 EheG dar, wenn sie nicht öffentlich in Erscheinung treten, wenn aber dadurch der Unterhalt der Familie beeinträchtigt oder gefährdet wird und der andere Ehegatte die Achtung verlieren muß. Ebenso ist es von entscheidender Bedeutung, wenn dadurch die wirtschaftlichen Grundlagen der Familie erschüttert werden oder es zur Vernachlässigung des Partners und zu Beschimpfungen kommt (JBl. 1976, 212 ua). Der Alkoholmißbrauch des Beklagten hat nicht nur zu einer Vernachlässigung und zu Beschimpfungen der Klägerin geführt, er verhinderte eine regelmäßige, zielstrebige Erwerbstätigkeit und bewirkte das Eingehen hoher Schulden. Er führte zur Zerrüttung der Ehe, weil er die eheliche Gesinnung des anderen Ehegatten, der Klägerin, zerstörte (EvBl. 1975/91 ua). Im übrigen stellt schon das ungerechtfertigte, nicht durch ein Verhalten der Klägerin veranlaßte Verlassen der Ehewohnung durch den Beklagten und die Verheimlichung seines weiteren Aufenthaltes eine schwere Eheverfehlung dar, welche für sich allein schon eine Grundlage für eine Scheidung der Ehe gemäß § 49 EheG bildet. Der unberechtigten Revision des Beklagten war daher ein Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E20970European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00580.9.0628.000Dokumentnummer
JJT_19900628_OGH0002_0060OB00580_9000000_000