Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pilnacek als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz H*** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3, 148, zweiter Fall, StGB und anderer strafbarer Handlungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
In bezug auf die strafgerichtliche Anhaltung des Franz H*** ab dem 5. Jänner 1990 im Verfahren zum AZ 30 Vr 51, 57/89 des Landesgerichtes Innsbruck sind die im § 2 Abs. 1 lit a StEG bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben.
Text
Gründe:
Franz H*** befindet sich wegen des Verdachtes der Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs. 3, 148, zweiter Fall, StGB, sowie der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Fall, StGB und des Vergehens nach dem § 114 Abs. 1 ASVG seit dem 5. Jänner 1989 im Verfahren zum AZ 30 Vr 51, 57/89 des Landesgerichtes Innsbruck in Untersuchungshaft. Mit Beschluß vom 5. Juni 1990, AZ 8 Bs 217/90, gab das Oberlandesgericht Innsbruck nach Einspruch des Franz H*** der von der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen ihn wegen der angeführten Delikte erhobenen Anklage Folge und ordnete an, daß die Untersuchungshaft aus dem Grund der Tatbegehungsgefahr nach dem § 180 Abs. 2 Z 3 lit b und c StPO fortzudauern habe. Am selben Tag beantragte Franz H*** die beschlußmäßige Feststellung, daß ihm nach dem § 2 Abs. 1 lit a StEG ein Anspruch auf Ersatz der ihm durch die ab dem 5. Jänner 1990 erlittene Haft entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile zustehe, weil seine strafgerichtliche Anhaltung ab diesem Zeitpunkt den Bestimmungen der StPO und der Europäischen Menschenrechtskonvention widerspreche.
Rechtliche Beurteilung
Der Einschreiter bestreitet der Sache nach nicht, daß auch ab dem 5. Jänner 1990 alle, insbesondere die in den §§ 180 und 193 Abs. 2 StPO umschriebenen Haftvoraussetzungen (dringender Tatverdacht, Vorliegen des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr, Nichtanwendbarkeit gelinderer Mittel, Verhältnismäßigkeit der Haftdauer, Nichterreichung des gesetzlichen Höchstausmaßes von zwei Jahren etc) vorgelegen seien; er wendet lediglich ein, daß die gemäß dem § 193 Abs. 4 StPO für die Verlängerung der Untersuchungshaft über ein Jahr hinaus zusätzlich erforderlichen Entscheidungen des zuständigen Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 9. Jänner 1990, AZ 8 Ns 1200/90, sowie vom 15.Mai 1990, AZ 8 Ns 1214/90, wonach die Untersuchungshaft bis zu 16 bzw bis zu 20 Monaten fortdauern dürfe, um einige Tage zu spät getroffen worden seien. Ein solcher Umstand kann hier aber die prozessuale und materielle Rechtmäßigkeit der über Franz H*** gerichtlich verhängten Untersuchungshaft für sich allein nicht aufheben, wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner ausführlich begründeten und auf die gegenwärtige Rechtslage übertragbaren Entscheidung SSt 43/38 ausgesprochen hat (vgl ua auch Foregger-Serini StPO MKK4 § 193 Erl IV und V, EvBl 1983/147). Daran vermag auch der vom Einschreiter für seinen Standpunkt ins Treffen geführte Wortlaut des letzten Halbsatzes des § 193 Abs. 4 StPO nichts zu ändern, weil diese Vorschrift lediglich sicherstellen soll, daß über die (erstmalige) Verlängerung der Untersuchungshaft über ein Jahr hinaus nicht zu früh, sondern "erst" innerhalb der letzten sechs Wochen des ersten Haftjahres entschieden wird (vgl das Strafverfahrensänderungsgesetz 1983 und den diesbezüglichen Bericht des Justizausschusses, 1422 der Beilagen zu den Sten.Prot. des Nationalrates, XV. GP, S 2).
Über die behaupteten Anspruchsvoraussetzungen des Franz H*** nach dem § 2 Abs. 1 lit a StEG war demnach wie im Spruch zu befinden.
Anmerkung
E21074European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0110OS00065.9.0628.000Dokumentnummer
JJT_19900628_OGH0002_0110OS00065_9000000_000