TE OGH 1990/6/28 7Ob586/90 (7Ob587/90)

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Veröffentlicht am 28.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans-Peter S***, Maler, Axams, Kalchgruben 15, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier und Dr. Hubertus Schumacher, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Paula K*** geb. S***, Vomp, Fiecht-Au 3, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Einwilligung (Streitwert S 966.400,--), infolge Revision und infolge Rekurses der klagenden Partei gegen das Urteil und gegen den Aufhebungsbeschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 6. Dezember 1989, GZ 1 R 388/89-12, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. August 1989, GZ 8 Cg 164/89-5, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache dahin zu Recht erkannt, daß das Urteil insgesamt zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, binnen 14 Tagen eine Freilassungserklärung zur lastenfreien Abschreibung

1. a) des im Lageplan des Ingenieurkonsulenten für das Vermessungswesen, Dipl. Ing. Martin P***, Völs, GZ 78/88 mit vier bezeichneten Trennstückes von 277 m2 aus dem Grundstück 295 in EZ 1667 GB 81104 Axams;

b) des im genannten Lageplan mit elf bezeichneten Trennstückes aus dem Grundstück 294 in EZ 1667 GB 81104 Axams;

c) des im genannten Lageplan mit fünf bezeichneten Trennstückes von 8 m2 aus dem Grundstück 292/1 in EZ 1668 GB 81104 Axams und

2. a) des im Lageplan des Ingenieurkonsulenten für das Vermessungswesen, Dipl. Ing. Martin P***, Völs, GZ 78/88 mit drei bezeichneten Trennstückes von 188 m2 aus dem Grundstück 295 in EZ 1667 GB Axams;

b) des im genannten Lageplan mit sechs bezeichneten Trennstückes von 100 m2 aus dem Grundstück 294 in EZ 1667 GB Axams;

c) des im erwähnten Lageplan mit sieben bezeichneten Trennstückes von 15 m2 aus dem Grundstück 293/1 in EZ 1668 GB Axams;

d) des im genannten Lageplan mit neun bezeichneten Trennstückes von 13 m2 aus dem Grundstück 293/1 in EZ 1668 GB Axams und

e) des Grundstückes 292/1 in EZ 1668 GB Axams ohne die im Lageplan mit fünf (8 m2) und acht (13 m2) bezeichneten Trennstücke, zu unterfertigen, die Freilassungserklärung gelte mit Rechtskraft des Urteils als erteilt, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 95.869,80 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 15.000 Barauslagen und S 13.478,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 1667 KG Axams, bestehend aus den Grundstücken Nr.294 und 295 und außerbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ 1668 KG Axams, bestehend aus den Grundstücken 292/1 und 293/1. Ob beiden Liegenschaften ist für die Beklagte ein Vorkaufsrecht und ob der letztgenannten Liegenschaft überdies ein Vorkaufsrecht und ein Veräußerungsverbot für das L*** T*** einverleibt. Mit Kaufverträgen vom 13.1.1989 (Beilagen B und C) verkaufte der Kläger von beiden Liegenschaften die näher bezeichneten Trennstücke (Trennstücke laut Punkt 1. lit. a bis c des Klagebegehrens), insgesamt 330 m2, um S 300.000 an

Dipl. Ing. Dr. Ulrich S*** und die näher bezeichneten Trennstücke (Trennstücke laut Punkt 2. lit. a bis e des Klagebegehrens), insgesamt 476 m2, um S 666.400 an Franz und Waltraud H***. Der Kaufpreis war zu bezahlen, sobald alle Voraussetzungen für eine lastenfreie Abschreibung der gekauften Trennstücke - mit Ausnahme der Unbedenklichkeitsbescheinigung - vorliegen. Beide Kaufverträge enthalten überdies die Bestimmung, daß der Vertrag erst voll rechtswirksam wird, wenn die Vorkaufsberechtigten von ihrem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch machen und das L*** T*** der Veräußerung zustimmt. Am 31.1.1989 übermittelte der Kläger der Beklagten Kopien der beiden Kaufverträge und forderte sie zur umgehenden Mitteilung auf, ob sie von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch mache. In ihrem Antwortschreiben vom 23.2.1989 hielt die Beklagte zunächst fest, daß eine unzureichende Anbietung vorliege, erklärte jedoch, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen und Zahlung entsprechend den Vertragsbedingungen anzubieten.

Nach dem Standpunkt des Klägers sei das Vorkaufsrecht erloschen, weil innerhalb der 30tägigen Einlösungsfrist weder Zahlung noch Sicherstellung des mit den Dritten vereinbarten Kaufpreises durch die Beklagte erfolgt sei. Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, eine Freilassungserklärung zur lastenfreien Abschreibung der näher bezeichneten Trennstücke zu unterfertigen. Die Beklagte behauptet, daß die Anbietung unzureichend gewesen sei und eine Einlösungspflicht nicht habe auslösen können. Nach der mit den Dritten getroffenen Zahlungsvereinbarung habe überdies noch keine Zahlungspflicht der Beklagten bestanden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in Ansehung der die Liegenschaft EZ 1667 betreffenden Trennstücke statt, wies es jedoch in Ansehung der die Liegenschaft EZ 1668 betreffenden Trennstücke ab. Es stellte über den eingangs wiedergegebenen, unstrittigen Sachverhalt hinaus noch fest, daß die Beklagte vom Kläger auf die 30tägige Einlösungsfrist nicht hingewiesen und auch nicht zur Zahlung, Sicherstellung, zum gerichtlichen oder sonst treuhändigen Erlag des Kaufpreises innerhalb einer bestimmten Frist aufgefordert wurde. Darüber hinaus traf das Erstgericht noch Feststellungen über den Inhalt der Korrespondenz zwischen den rechtsfreundlichen Vertretern der Streitteile, die im wesentlichen nur Fragen der Vertragserrichtung mit der Beklagten betreffen.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei das Vorkaufsrecht der Beklagten mangels rechtzeitiger Einlösung erloschen. Der Kläger sei seiner Anbietungspflicht zur Auslösung des Vorkaufsfalles durch die Übersendung der Verträge mit den Dritten ausreichend nachgekommen. Die Beklagte habe innerhalb der 30-Tage-Frist des § 1075 ABGB aber nicht wirklich eingelöst. Selbst in dem für die Beklagte günstigsten Fall, nämlich der Annahme, daß die beiden Verträge Kreditkäufe seien, wäre Sicherstellung des Kaufpreises durch die Beklagte erforderlich gewesen. Es sei aber nicht einmal Sicherstellung behauptet worden. Soweit aber der Kläger nur außerbücherlicher Eigentümer sei, fehle ihm (für eine Löschungsklage) die Klageberechtigung.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im Umfang der Klagsabweisung und hob es in seinem stattgebenden Teil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es traf die erforderlichen Bewertungsaussprüche und erklärte die Revision für zulässig. Zur Frage der Berechtigung zur Erhebung einer Löschungsklage teilte das Berufungsgericht im wesentlichen die Auffassung des Erstgerichtes. Das Berufungsgericht erörterte auch die Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung des Erlöschens des Vorkaufsrechtes durch den bücherlich nicht Berechtigten mit dem Ergebnis, daß die vorliegende Klage mit einer solchen Feststellungsklage nicht vergleichbar sei und mangels einer direkten schuldrechtlichen Verpflichtung keine rechtliche Grundlage für den geltend gemachten Anspruch (soweit er die Liegenschaft EZ 1668 betreffe) bestehe. Im übrigen vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß dann, wenn der den Vorkaufsfall bildende Kauf unter einer aufschiebenden Bedingung erfolgt sei, bis zu deren Eintritt der Vorkaufsfall aufgeschoben sei. Dies gelte insbesondere für den Fall, daß die grundverkehrsbehördliche Genehmigung des Verkaufs an den Dritten ausständig sei. Sei im vorliegenden Fall überhaupt keine grundverkehrsbehördliche Genehmigung erforderlich, liege keine Bedingung vor. Im umgekehrten Fall könne aber nach den bisherigen Feststellungen nicht beurteilt werden, ob die Bedingung bereits eingetreten sei. Dies gelte sinngemäß auch für das Veräußerungsverbot zugunsten des L*** T***, von dem beide Verträge betroffen seien. Die Parteien hätten, wie sich aus den Verträgen ergebe, die erforderliche Zustimmung des aus dem Veräußerungsverbot Berechtigten als aufschiebende Bedingung angesehen. Sollte diese Bedingung noch nicht, insbesondere nicht innerhalb der 30tägigen Einlösungsfrist, eingetreten sein, wäre gleichfalls der Vorkaufsfall noch nicht gegeben. Auch diese Frage sei mit den Parteien noch zu erörtern.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Intanz erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt, dem Rekurs kommt dagegen im Ergebnis Berechtigung zu.

Wie schon das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, sind von dem zugunsten des L*** T*** ob der Liegenschaft EZ 1168 vereinbarten Veräußerungsverbot beide Kaufverträge betroffen. Die Drittwirkung dieses Verbotes und sein Einfluß auf die obligatorische Wirksamkeit eines dagegen verstoßenden Verpflichtungsgeschäftes (vgl. RdW 1989, 10; SZ 59/42) kann jedoch unerörtert bleiben. Der Vertragsinhalt der vom Kläger mit den Dritten abgeschlossenen Kaufverträge ist nicht strittig. Beide Verträge enthalten die Bestimmung, daß der Vertrag erst dann volle Rechtswirksamkeit erhält, wenn das L*** T*** der Veräußerung zustimmt. Damit wurde rechtsgeschäftlich der Beginn der Rechtswirksamkeit von einem künftigen ungewissen Ereignis abhängig gemacht. Das Berufungsgericht hat diese Abrede zutreffend als aufschiebende Bedingung beurteilt (vgl. Koziol-Welser8 I 149 f). Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß bei aufschiebend bedingtem Kaufvertrag der Vorkaufsfall erst mit dem Bedingungseintritt gegeben ist (SZ 58/93; Aicher in Rummel2 Rz 20 zu § 1072; Bydlinski in Klang2 IV/2, 779). Die Pflicht zum Einlösungsanbot für den Verpflichteten und die Einlösungsbefugnis des Berechtigten werden erst mit Bedingungseintritt wirksam (Bydlinski aaO; Faistenberger, Vorkaufsrecht 64). Eine vor Bedingungseintritt abgegebene Ausübungserklärung ist zwar vorbehaltlich des Bedingungseintritts wirksam (Faistenberger aaO), ein vor Eintritt des Vorkaufsfalls gemachtes Einlösungsanbot des Verpflichteten kann jedoch den Lauf der Einlösungsfrist des § 1075 ABGB nicht auslösen (vgl. Aicher aaO Rz 14 zu § 1075). Der Verpflichtete muß demnach den Berechtigten vom Bedingungseintritt in Kenntnis setzen und kann sich vor Bedingungseintritt nicht darauf berufen, daß mangels wirksamer Einlösung das Vorkaufsrecht erloschen ist. Der dem Erfordernis der wirksamen Einlösung zugrundeliegende Gedanke, den Verpflichteten nicht mit dem Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Berechtigten zu belasten, muß auch im umgekehrten Fall gelten. Bevor nicht die aufschiebende Bedingung und somit der Vorkaufsfall tatsächlich eingetreten ist, kann vom Berechtigten nicht Zahlung verlangt und ihm das Risiko der Einbringlichkeit seines Rückforderungsanspruchs bei Bedingungsvereitlung aufgebürdet werden. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes bedarf jedoch diese Frage keiner Erörterung mehr in erster Instanz, und es sind auch keine ergänzenden Feststellungen erforderlich. Die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung ergibt sich aus den vom Kläger mit den Dritten abgeschlossenen Kaufverträgen, deren Inhalt nicht strittig ist. Ebenso wurde vom Kläger die Tatsache, daß die Bedingung der Zustimmung des L*** T*** noch nicht eingetreten ist, zugestanden. Ein Tatsachengeständnis kann ausdrücklich oder schlüssig erfolgen und ist jedenfalls noch im Berufungsverfahren zulässig (Fasching, LB, Rz 843 und 847). Das Vorbringen des Klägers (ON 9 AS 53) kann nur so verstanden werden, daß eine Zustimmung des L*** T*** noch nicht vorliegt (vgl. auch ON 14 AS 101). Dem Kläger ist zwar einzuräumen, daß es ihm freigestellt sein muß, in welcher Reihenfolge er allenfalls erforderliche Zustimmungen Dritter einholt. Dies ändert aber nichts an der oben dargestellten Rechtslage. Aus dem Gesagten folgt aber auch, daß es - entgegen der Meinung des Klägers - wegen der bereits vorliegenden Ausübungserklärung der Beklagten keineswegs sinnlos ist, die Zustimmung des L*** T*** einzuholen, weil der Bedingungseintritt den Fristenlauf auslöst. Ist aber wegen aufschiebend bedingter Kaufverträge der Vorkaufsfall noch gar nicht eingetreten, kann das Vorkaufsrecht auch noch nicht mangels wirksamer Einlösung erloschen sein. Schon aus diesem Grunde erweist sich die Revision als unberechtigt. Dem Rekurs des Klägers ist dagegen Folge zu geben, weil die Sache auch im Umfang der Aufhebung zur Entscheidung reif ist (§ 519 Abs.2 ZPO). Diese Entscheidung kann auch zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers erfolgen (Fasching aaO, Rz 1983). Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E21219

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00586.9.0628.000

Dokumentnummer

JJT_19900628_OGH0002_0070OB00586_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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