TE Vwgh Erkenntnis 2005/11/29 2004/06/0120

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Veröffentlicht am 29.11.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
27/01 Rechtsanwälte;

Norm

Satzung Versorgungseinrichtung TeilB RAK Wr 2001 §12 Abs1;
Satzung Versorgungseinrichtung TeilB RAK Wr 2001 §14 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der Dr. MK in W, vertreten durch Dr. Werner Walch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 10, gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom 15. Juni 2004, GZ. 06/01 2003/7072, betreffend Antrag auf Rückzahlung von Beitragszahlungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Antrag vom 27. November 2003 (per Telefax eingelangt bei der Rechtsanwaltskammer Wien am selben Tag) ersuchte die Beschwerdeführerin, nachdem sie die Abteilung 2 des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien davon verständigt hatte, dass ihre Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß § 34 Abs. 1 Z. 4 RAO erloschen sei, um die Abrechnung der von ihr seit ihrer Eintragung in die Rechtsanwaltsliste geleisteten Zahlungen für die Versorgungseinrichtung sowie die "Zusatzpension neu" samt anteiligem Gewinn aus der Veranlagung dieser Beträge und Rückzahlung auf das von ihr angegebene Konto. Sollte entgegen den ihr vorliegenden Unterlagen eine Pensionsberechtigung gegeben sein, ersuche sie um Mitteilung und Auszahlung dieser Pension.

Mit Bescheid vom 9. März 2004 wies der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien, Abteilung Ib, diesen Antrag der Beschwerdeführerin ab. Die erstinstanzliche Behörde begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass Teil A der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung des Beschlusses der Plenarversammlung vom 26. März 1990 eine Rückerstattung von geleisteten Beiträgen nicht vorsehe. Auch die seit 1. Jänner 2004 in Kraft stehende Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A (im Folgenden: Satzung/Teil A) normiere bei diesem Sachverhalt keine Einmalauszahlung von geleisteten Beiträgen. Die Übergangsbestimmung des § 18 Abs. 4 der seit 1. Jänner 2004 in Kraft stehenden Satzung/Teil A treffe Regelungen für Rechtsanwälte, deren Berufsbefugnis gemäß § 34 Abs. 1 RAO vor dem In-Kraft-Treten dieser Satzung und vor Erreichen der Altersgrenze für den Anspruch auf Altersrente und vor Eintritt einer Berufsunfähigkeit erloschen sei. Die vor In-Kraft-Treten dieser Satzung erworbenen Beitragsmonate seien bei Berechnung der Altersrente nach dieser Satzung u.a. nur dann zu berücksichtigen, wenn der ehemalige Rechtsanwalt nach In-Kraft-Treten dieser Satzung nochmals in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen werde.

Gemäß § 12 Abs. 3 Teil B der Satzung der Versorgungseinrichtung (im Folgenden: Satzung/Teil B) bestehe Beitragspflicht. Auf Grund dieser Beitragspflicht sei nach dem Soll-Deckungsprinzip gemäß § 14 Abs. 3 Satzung/Teil B der Soll-Kontostand zum Zeitpunkt des Erlöschens der Rechtsanwaltschaft zu berechnen. Auch in der Deckungsrückstellung würden die Beiträge, die die Beschwerdeführerin der Versorgungseinrichtung schulde, weitergeführt. Für die Jahre 2001, 2002 und 2003 sei die Beschwerdeführerin ihrer Beitragspflicht nicht bzw. nicht vollständig nachgekommen. Die tatsächlich einbezahlten Beiträge samt erzielten Veranlagungsergebnissen ergäben zum 8. Oktober 2003 einen Betrag von EUR 5.113,43.

Wäre die Beschwerdeführerin ihrer Beitragspflicht vollständig nachgekommen, so hätte der Kontostand am 8. Oktober 2003 ohne weitere Veranlagungsergebnisse EUR 11.372,16, somit jedenfalls mehr als EUR 9.084,10, betragen. Der Gesetzgeber wie auch die satzungsgebende Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer Wien legten den bezughabenden Normen auf Grund der bestehenden Beitragspflicht und des Standesrechtes den pünktlich und verlässlich zahlenden Rechtsanwalt zu Grunde. Dazu komme, dass ausgehend vom grundlegenden Verständnis einer kapitalgedeckten Versorgungseinrichtung mit Beitragspflicht für jedes Standesmitglied das in § 14 Abs. 3 Satzung/Teil B angeordnete Benefiz nur vom gesetz- und satzungstreuen pünktlichen Beitragszahler ausgehe und auch nur einem solchen zu Gute kommen könne. Eine Altersrente könne gemäß Teil A und Teil B der Satzung der Versorgungseinrichtung erst ab Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt seien.

Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab. Die belangte Behörde begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der erstinstanzlichen Behörde keine Fehlanwendung des § 14 Abs. 3 Satzung /Teil B vorzuwerfen sei. Gemäß § 14 Abs. 1 Satzung/Teil B erfolge bei Erlöschen der Rechtsanwaltschaft gemäß § 34 RAO die Umwandlung in eine beitragsfrei gestellte Anwartschaft. Bei Eintritt des Leistungsfalles bestehe ein Anspruch auf eine Rente unter Berücksichtigung der verbuchten Beiträge und der erzielten Veranlagungserträge. Gemäß § 14 Abs. 3 dieser Satzung könne der Rechtsanwalt bei sonstigem Verlust dieses Rechtes binnen drei Monaten ab dem Erlöschen die Auszahlung des Kontostandes beantragen, wenn dieser zum Zeitpunkt des Erlöschens der Rechtsanwaltschaft nicht mehr als EUR 9.084,10 betrage. Die erstinstanzliche Behörde sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Betragsgrenze nicht unter Zugrundelegung der vom Beitragsschuldner tatsächlich bezahlten Beiträge, sondern der jeweils zur Vorschreibung gelangten Beiträge zu ermitteln sei. Das Argument der Beschwerdeführerin, auch die letztlich zur Auszahlung gelangende Rente bemesse sich nach dem tatsächlich verbuchten Beiträgen und nicht auf der Basis vorgeschriebener (fiktiver) Beiträge, sei nicht stichhaltig. Veranlagt werden könne nur das, was tatsächlich vorhanden sei, sodass allfällige Beitragsrückstände nicht zu einer fiktiven Veranlagung führen könnten. Dem gegenüber verfolgte die Regelung des § 14 Abs. 3 der Satzung/Teil B den Zweck, jenen Beitragspflichtigen, die nicht einmal über eine gewisse Mindestzeit beitragspflichtig gewesen seien, die Möglichkeit einzuräumen, die von ihnen ordnungsgemäß, d. h. vollständig entrichteten Beiträge, rückerstattet zu erhalten. Diese Regelung solle nicht säumige Beitragszahler begünstigen, welchen Regelungszweck ihr die Beschwerdeführerin aber unterlege.

Für die beantragte "Anrechnung der Leistungen im Rahmen der Verfahrenshilfe und Abfindung für die Nichtinanspruchnahme von Rentenzahlungen im Falle einer Wiedereintragung" gebe es ebenso wenig wie für eine Übertragung auf eine gleichartige staatliche oder berufsständische Versorgungseinrichtung eine Rechtsgrundlage in der Satzung. Die Vorstellung enthalte dazu auch keinerlei Ausführungen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Rückzahlung geleisteter Beitragszahlungen gemäß § 14 Abs. 3 der Satzung/Teil B und in ihren Rechten auf Eigentum, gleiche Behandlung, ein faires Verfahren auch im zivilrechtlichen Bereich und Schutz vor willkürlicher Auslegung der im Verordnungsrang kundgemachten Satzung und darin enthaltener Begriffsbestimmungen verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 1 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien - Teil B (von der Plenarversammlung beschlossen am 25. April 2002, genehmigt mit Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 18. Juni 2002, im Folgenden:

Satzung/Teil B) - wird die Höhe der von den einzelnen Kammermitgliedern zu leistenden Beiträge für die Zusatzpension von der Plenarversammlung alljährlich festgesetzt.

Gemäß § 12 Abs. 3 Satzung/Teil B entsteht die Beitragspflicht mit der erstmaligen Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte und endet mit Vollendung des 65. Lebensjahres oder mit dem Erlöschen oder Ruhen der Rechtsanwaltschaft gemäß § 34 RAO.

§ 14 Satzung/Teil B sieht betreffend das Erlöschen der Rechtsanwaltschaft Folgendes vor:

"(1) Bei Erlöschen oder Ruhen der Rechtsanwaltschaft gemäß § 34 RAO erfolgt die Umwandlung in eine beitragsfrei gestellte Anwartschaft. Bei Eintritt des Leistungsfalles hat der Rechtsanwalt Anspruch auf eine Alters- bzw Berufsunfähigkeitsrente unter Berücksichtigung der verbuchten Beiträge und der erzielten Veranlagungserträge. Es besteht kein Anspruch auf eine Mindest-Berufsunfähigkeitsrente. Die Berufsunfähigkeitsrente und die Ansprüche der Hinterbliebenen (§ 5) sind gemäß § 3 (2) auf Basis des angesparten Kapitals zu errechnen. Im Übrigen sind auch für diese Fälle der Berufsunfähigkeitsrente die Regelungen dieser Satzung, insbesondere § 4, anzuwenden. Die Kosten der Begutachtung (§ 4 (2)) hat der Anwartschaftsberechtigte zu tragen. Eine Berufsunfähigkeit ist in diesen Fällen auch dann anzunehmen, wenn sie von einer Sozialversicherungsanstalt durch Bescheid rechtskräftig festgestellt wurde.

(2) Bei Erlöschen der Rechtsanwaltschaft gemäß § 34 (1) RAO kann der Rechtsanwalt bei sonstigem Verlust dieses Rechtes binnen drei Monaten die Übertragung seines Kontostandes auf eine gleichartige staatliche oder berufsständische Versorgungseinrichtung, welcher der ehemalige Rechtsanwalt in Zukunft verpflichtend oder freiwillig angehört, beantragen.

(3) Beträgt der Kontostand zum Zeitpunkt des Erlöschens der Rechtsanwaltschaft nicht mehr als EUR 9.084,10, kann der Rechtsanwalt bei sonstigem Verlust dieses Rechtes binnen 3 Monaten ab dem Erlöschen die Auszahlung des Kontostandes beantragen.

(4) Beantragt der Rechtsanwalt die Übertragung seines Kontostandes gemäß Abs 2 oder dessen Auszahlung gemäß Abs 3 werden für die administrative Tätigkeit Verwaltungskosten von 1 % des Kontostandes, mindestens EUR 72,68, maximal EUR 363,36, in Abzug gebracht."

Nach Ansicht der Beschwerdeführerin widerspricht die vorgenommene Auslegung des § 14 Abs. 3 Satzung/Teil B, nach der es bei der Ermittlung des Kontostandes auf die Höhe der vorgeschriebenen (wenn auch allenfalls nicht einbezahlten) Beiträge und nicht auf die tatsächlich auf das Konto der Beschwerdeführerin eingezahlten Beiträge ankomme, dem Wortlaut dieser Bestimmung und sei willkürlich.

Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu. Der Ausdruck "Kontostand", den der Verordnungsgeber in § 14 Abs. 3 Satzung/Teil B verwendet, kann nach seinem Wortlaut nur als Stand des Kontos eines Mitgliedes der Kammer verstanden werden, der sich auf Grund der tatsächlich eingezahlten Beiträge für die in dieser Satzung geregelte Zusatzpension gemäß § 12 Abs. 1 Satzung/Teil B ergibt. Diese Auslegung des Begriffes "Kontostand" wird noch durch den in derselben Bestimmung verwendeten Ausdruck "Auszahlung des Kontostandes" erhärtet. Dieser Ausdruck kann sich nur auf die Auszahlung der auf das Konto tatsächlich eingezahlten Beiträge für die Zusatzpension beziehen, da nicht angenommen werden könnte, der Verordnungsgeber hätte mit dem Ausdruck "Auszahlung des Kontostandes" die Auszahlung nicht entrichteter, aber rechtens zu leisten gewesener Beiträge gemeint. Folgte man der Auslegung der belangten Behörde, dass unter Kontostand die Beiträge zur Zusatzpension gemeint seien, die rechtens einzuzahlen gewesen wären, wäre der Ausdruck "Kontostand" in dieser Bestimmung auf zweierlei Weise zu verstehen. Auch dies spricht gegen die im angefochtenen Bescheid vertretene Auslegung. Der Verordnungsgeber hätte den von der belangten Behörde unterstellten Regelungsinhalt durch eine entsprechend explizite Regelung dahin, dass für die in dieser Bestimmung vorgesehene Rückzahlung u.a. eine bestimmte, maximale Höhe der rechtens zu entrichtenden Beiträge oder eine bestimmte, kürzere Zeit der Mitgliedschaft maßgeblich sei, zum Ausdruck bringen können. Dies hat er jedoch nicht getan. Wenn die belangte Behörde die Ansicht vertritt, § 14 Abs. 3 der Satzung wolle die Rückerstattung nur jenen Beitragspflichtigen einräumen, die nicht einmal über eine gewisse Mindestzeit beitragspflichtig waren bzw. dass die Rückerstattungsmöglichkeit nur nichtsäumigen Beitragspflichtigen zugute kommen solle, so handelt es sich dabei ohne Frage um legitime Regelungsziele, die aber im Wortlaut der anzuwendenden Bestimmung keinen entsprechenden Niederschlag gefunden haben. Der Kontostand der Beschwerdeführerin hat in dem dargelegten Sinne verstanden den in § 14 Abs. 3 Satzung/Teil B genannten Höchstbetrag nicht überschritten. Die belangte Behörde hat zu Unrecht angenommen, dass die Beschwerdeführerin diese Voraussetzung für eine Rückzahlung gemäß § 14 Abs. 3 Satzung/Teil B nicht erfüllt.

Der angefochtene Bescheid wird daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Kosten waren nicht zuzusprechen, weil die obsiegende Beschwerdeführerin keinen Kostenersatz begehrt hat.

Wien, am 29. November 2005

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004060120.X00

Im RIS seit

13.01.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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